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Burgl wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Weihnachten stand vor der Tür, und sie hatte niemanden, zu dem sie hätte gehen können. Zu den Verwandten wollte sie nicht mehr zurück.

Die Weitgasserin fragte sie ein paar Tage vor dem Fest: »Willst du wegfahren? Ich mein’ nur, du hast frei über die Feiertage.«

»Nein, ich möchte, ich meine, wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann möcht’ ich hierbleiben. Ich störe Sie auch nicht, es ist ja ein Familienfest.«

»Aber Burgl, so habe ich es doch nicht gemeint. Natürlich kannst du dableiben, wir freuen uns.«

So blieb sie auf dem Hof und lernte den Zauber einer Bergweihnacht kennen. Mit Liese zusammen buk sie all die herrlichen Plätzchen, und besonders schön war es abends, wenn sie um den gemütlich bullernden Kachelofen saßen, in dessen Rohr die Bratäpfel dufteten.

Gemeinsam mit Viktor schmückte sie den großen Baum, den er aus dem Wald geholt und in die gute Stube gestellt hatte, die nur an Festtagen benutzt wurde.

Er hatte Burgl eben den großen Engel gereicht, der an der Baumspitze angebracht werden sollte. Die Leiter, auf der Burgl stand, wackelte bedenklich.

»Ich komme nicht dran«, sagte sie bedauernd von oben.

»Lassen Sie es mich mal versuchen!«

Sie erschrak so sehr, dass sie bald heruntergefallen wäre. Gunulf hielt sie im letzten Augenblick noch fest.

Burgl kletterte hinunter. »Das ist ja prima. Sie sind tatsächlich der Retter in der Not.«

Ernst Weitgasser stand in der Tür. Wie lange war das schon her, dass er seinen Buben hier unten gesehen hatte? Er schluckte heftig.

»Na, ist der Baum hübsch?«, fragte Burgl gerade.

»Es geht«, meinte Gunulf.

»Hören Sie mal, das nenn’ ich unverschämt. Sie sind gar kein Kavalier! Ich hab’ mir solche Mühe gegeben, Viktor übrigens auch.«

»Sie haben Tannennadeln im Haar!«

Er lachte. Für einen Augenblick glänzten seine Augen spitzbübisch. Eleonore kam ins Zimmer. Ihr geheimster Wunsch war endlich in Erfüllung gegangen.

Sie blickte ihren Mann an.

»Hat sie ihn geholt?«, fragte sie leise.

»Nein, er kam von ganz allein und bot seine Hilfe an!«

»Aber sie reden, als wäre es nichts Besonderes.«

»Eleonore, vielleicht haben wir ihn auch falsch behandelt. Sie macht es richtig. Sie tut so, als wäre er ganz normal. Und das gefällt ihm. Er hört auf, an sich zu denken. Ich glaube, ihm behagt es dort oben nicht mehr, seit er weiß, dass sie hier unten ist.«

Die Mutter hatte Tränen in den Augen.

»Ach Ernst, glaubst du, dass sie ihn heilen kann? Dass sie soviel Herzensgüte besitzt?«

»Ich weiß, was du denkst, aber so viel Liebe dürfen wir von einem so jungen Menschen nicht erwarten, an eine Heirat wird sie kaum denken.«

»Aber wenn er sie nun liebt? Ich habe seine Augen gesehen!«

»Das ist seine Sache. Da können wir nichts tun, Eleonore.«

»Weißt, Burgl ist ja nicht mit Reichtümern gesegnet, und Gunulf ist der Hoferbe. Wenn man ihr das klarmachte, vielleicht könnte sie sich dann entschließen, dieses Opfer zu bringen. Wir brauchten den Hof nicht zu verkaufen, Ernst, wir bekämen Enkel, das Leid hätte dann endlich ein End', und wenn wir mal nicht mehr sind, dann wissen wir unseren Sohn in guten Händen.«

»Burgl weiß doch von allem. Sie ist nicht käuflich, Eleonore. Gunulf will außerdem nur echte Liebe, denk an seine Braut, damals ... Komm, lass uns heute nicht daran denken, lass uns Weihnachten feiern, wie wir es schon seit vielen Jahren nicht mehr getan haben.«

Sie waren während ihres Gesprächs in die Diele gegangen. Die Bäuerin nickte und wandte sich der Küche zu.

Nachdem sie den Baum fertig geschmückt hatten, saßen Burgl und Gunulf auf der Ofenbank und betrachteten ihr Werk. Dann sprachen sie über alle möglichen Dinge.

Liese richtete mit der Weitgasserin das Nachtessen. Der Bauer war mit Viktor in den Stall gegangen, um den Tieren ihre Extraration zum Fest zu geben. Vroni hatte den Stall blitzblank gefegt und war in ihre Kammer gegangen, sich umzuziehen. Sie blieb seit einigen Jahren an Weihnachten auf dem Hof. Seit ihre Elten gestorben waren, hatte sie niemand mehr.

Peter war gestern schon heimgefahren, er würde erst im neuen Jahr wiederkommen.

Die Bäuerin hatte beobachtet, wie Vroni aus dem Stall gekommen war. Nach angemessener Zeit überließ sie der Liese die Küche und ging zu Vronis Zimmer. Sie klopfte und betrat nach der Aufforderung das Zimmer. Vroni war gerade dabei, ihre krausen Haare zu einer vernünftigen Frisur zu bändigen.

Die Weitgasserin setzte sich auf den einzigen Stuhl, atmete tief durch und begann zu reden.

»Vroni, hör’ mir mal zu. Heute sitzt eine Person mehr am Tisch. Mein Sohn ist zu uns gekommen. Wenn du ihn siehst, wirst du erschrecken, aber lass es dir nicht zu sehr anmerken. Er hat ein entstelltes Gesicht; es ist voller Narben und sieht wirklich nicht schön aus. Schau in seine Augen, die sind heil geblieben, da kannst du das Gesicht vergessen.«

Vroni hatte die Bürste sinken lassen und war knallrot geworden. Soviel auf einmal hatte die Bäuerin noch nie mit ihr geredet. Und dass ein Hofsohn existierte, hatte sie auch nicht gewusst. Nur gut, dass sie vorgewarnt war. Sie wollte sich schon zusammennehmen.

»Es ist gut, Bäuerin, ich werde Ihre Worte beherzigen.«

»Danke, Vroni. In einer halben Stunde wird gegessen.«

Damit erhob sie sich und ging in das Weihnachtszimmer, um das gute Geschirr und die Kristallgläser herauszugeben. Burgl erbot sich, den Tisch zu decken.

Später saßen die Hofleute gemeinsam beim Weihnachtsmahl. Vroni hatte beim Anblick Gunulfs doch erschrockene Augen gehabt, sich aber tapfer zusammengenommen.

Es wurde nicht viel gesprochen. Die Alten waren glücklich, dass Gunulf einen Anfang zum normalen Leben gemacht hatte, und die Jungen mussten mit der neuen Situation noch fertig werden.

Als die Lichter am Baum brannten und jeder von der Bäuerin zum großzügigen Geldgeschenk noch eine persönliche Gabe erhielt, konnte sie in dankbare, zufriedene Gesichter schauen und war sich plötzlich sicher, dass sich heute alles zum Guten gewendet hatte.

Das war seit Jahren das schönste Weihnachtsfest für den Weitgasserhof.

Sieben Romane: Heimatroman Extra Großband Juli 2021

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