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Schnee fiel vom Himmel. Burgl stapfte den Berg hinauf. Sie hatte für Liese im Dorf noch ein paar Besorgungen machen müssen. Dabei hatte sie Sascha mitgenommen, damit er sich gleich austoben konnte. Wie immer, hatte man sie ausfragen wollen, aber sie hatte nur knappe Antworten gegeben.

Das letzte Stück war besonders steil, und sie musste sich ordentlich anstrengen. Aber dann hatte sie das Haus erreicht, schüttelte den Schnee von sich und ging in die Küche.

»Na, da bist ja, hier, trink einen heißen Schluck, dann wird dir gleich besser.«

Es war einen Tag vor Weihnachten.

Burgl stand mit der Tasse Kaffee am Fenster und blickte in die weiße Pracht. Dabei musste sie daran denken, wie sie damals Gunulf gereizt hatte, damit er endlich aus seinem Zimmer kam. Was hatten sie sich doch herrlich amüsiert. Mein Gott, ein Jahr war inzwischen vergangen, und er war noch immer nicht daheim.

»Na, dann will ich mich umziehen, der Baum muss ja auch noch geschmückt werden.«

Sie stapfte die Treppe nach oben.

Sie warf die Kleider von sich und holte das Dirndl aus dem Schrank.

Auf dem Schreibtisch vor dem Fenster lag ein Brief von Gunulf! Er war vor zwei Tagen angekommen. Aber er sandte ihr noch nicht mal Weihnachtsgrüße. Und sie hatte sich mit ihrem Brief so viel Mühe gegeben.

Irgendwie fühlte sie sich erbärmlich. Wie sollte sie das Weihnachtsfest überstehen? Wenn er ihr doch geschrieben hätte, eine winzige Operation ist uns geglückt. Aber nichts!

Sie fühlte sich schrecklich bedrückt und traurig. Seit Wochen schrieb Gunulf nur noch gelegentlich von seinem Zustand. Es war für sie das zweite Weihnachtsfest in den Bergen.

Langsam ging Burgl die Treppe hinunter und begann, den Baumschmuck aus den Schachteln zu nehmen, wie auch im letzten Jahr. Viktor hatte den Baum aufgestellt, und sie sollte ihn jetzt putzen.

Als sie ihn erblickte, sah sie, dass er schief stand und sie mühte sich redlich ab, ihn so hinzukriegen, wie sie es sich wünschte.

Viktor war zurückgekommen und half ihr. Tannennadeln rieselten herunter und sie lachten darüber. Die Bäuerin kam in das Zimmer und sah ihnen kopfschüttelnd zu.

»Der Kaffee ist fertig!«

»Erst wenn wir mit unserer Arbeit fertig sind, dann kommen wir auch«, sagte der Bauer, der sich inzwischen auch eingefunden hatte.

Eleonore ging in die Küche zu Liese.

Weitgasser sah Burgl an. »Na, steig hinauf und setz ihm den Engel drauf.«

»Ja, gleich, ich häng’ noch die restlichen Kugeln dran, dann kann Viktor die Kartons schon mit hinaus nehmen.«

Sie schwiegen eine Weile.

»Hast Weihnachtsgrüße vom Buben erhalten?«

Burgl drehte sich um und sah den Bauern an. »Nein, ich wollt schon fragen, ob Sie ...«

»Wir auch nicht. Aber bei der Entfernung, da kann sich schon mal was verzögern. Das würden wir nicht so schlimm sehen. Hauptsache ist doch, er hat unsere Grüße erhalten.«

Der Weitgasser suchte zwischen den Kartons.

»Sakra, ich hab ja die Kerzen vergessen. Die muss ich noch aus der Kammer holen. Kannst es allein schaffen? Ich bin gleich wieder zurück!«

»Ja, ja, ich stehe gut hier.«

Burgl stand auf der Leiter mit dem Engel für die Spitze in der Hand, Viktor verließ gerade mit einem Arm voll Kartons den Raum.

Als die Tür sich wieder öffnete, glaubte sie, der Bauer sei zurückgekommen.

»Verflixt, ich bekomme das dumme Ding nicht drauf, ich bin zu kurz und reiche nicht hoch!«, rief sie lachend. »Wie im letzten Jahr, die Bäume sind immer so hoch.«

»Lass es mich doch mal versuchen!«

Ihr fiel der kostbare Engel aus der Hand und verfing sich zum Glück in den unteren breiten Zweigen.

Burgl war starr vor Schreck und schaute nach unten. Zu ihren Füßen stand ein junger Mann. Er befreite den Engel aus den Zweigen.

»Bald hättest du mich getroffen, meine Liebe!«

Burgl wurde ganz weiß und konnte nur wortlos schauen. Die Augen lachten spitzbübisch, der Mund war spöttisch verzogen. Die Nase, lang und schmal, saß in einem glatten Gesicht, das nur auf Stirn und Kinn kleine Narben aufwies. Sie fühlte, wie ihr die Sinne schwanden.

Wer war der junge Mann! Er hatte eindeutig Gunulfs Stimme! Sollte er ...?

»Liebste!« Er kam herauf, zog sie von der Leiter und nahm sie in seine Arme.

»Habe ich dich so sehr erschreckt, meine Liebste!«

»Gunulf«, stammelte sie. »Gunulf!«

»Ist das eine Überraschung, oder nicht?«

Sie weinte vor Glück.

Er küsste ihr die Tränen fort und lachte.

»Ich hab den ganzen Weg gezittert, dass mir das glücken würde, ich hab mich wie ein Dieb ans Haus geschlichen und dann sah ich dich hier im Zimmer. Mich hat noch keiner gesehen im Haus. Ach Burgl, Liebste, ich bin wieder daheim!«

Da ging die Tür auf, und der Bauer kam herein. Wie angewurzelt blieb er stehen, den Karton mit den Kerzen in der Hand. Hinter ihm tauchte die Weitgasserin auf. Fassungslos starrte sie den Mann an.

»Bist du es wirklich?«, keuchte sie atemlos.

Er kam auf sie zu, nahm sie in seine Arme und drückte sie an sich. »Ja, Mutter, ich bin es.«

»O mein Gott, Bub!«

Eleonore rannen die Tränen über das Gesicht und sie schämte sich deswegen nicht, denn es waren ja Freudentränen. »Bub, Bub, ich kann es noch immer nicht fassen.«

Nun war es der Vater, der ihn herzlich umarmte. Das war eine Freude. Liese und Viktor hatten auch Tränen in den Augen.

Mit dem Bild hatte er nicht mehr viel Ähnlichkeit, aber er brauchte sich jetzt nicht mehr versteckt zu halten.

Burgl weinte auch.

»Na, die Überraschung ist mir ja wirklich gelungen, und pünktlich zum Fest bin ich wieder da!«

Er breitete die Arme aus, ging zum Fenster und sah mit strahlenden Augen auf die Berge.

»Im Frühling werd ich meine erste große Wanderung machen, ach was, so lang will ich nimmer warten, gleich nach dem Fest, da geht es los, Burgl, so red’ doch endlich mal ein Wort.«

Sie lächelte zaghaft.

Er nahm sie in seine Arme und ging dann zur Mutter.

»Ich möchte sie heiraten. Wenn ihr nix dagegen habt, so möcht ich heute meine Verlobung mit Burgl feiern. Sie ist mein guter Stern. Sie liebt mich, sie hätte mich auch weiter geliebt, wenn ich nicht gesund geworden wäre. Nun wird endlich alles wieder gut.«

»Gott segne dich«, sagte der Vater bewegt. »Nun haben wir endlich wieder unseren Buben zurück, nun ist das Glück wieder eingekehrt. Nun wird wieder neues Leben hier auf dem Hof entstehen. Eine neue Generation wird die alte Tradition fortsetzen.«

»Seid ihr denn mit meiner Wahl einverstanden?«, wollte der Sohn wissen.

Eleonore umarmte Burgl, »Wir haben dich schon lange liebgewonnen. Ich bin ja so froh, dass alles so gekommen ist.«

»Ich habe also eine neue Heimat?«

»Ja, Burgl.«

Es wurde ein Weihnachtsabend, wie ihn der alte Hof noch nicht erlebt hatte.

Die Sennerin schloss Gunulf ebenfalls in die Arme und Vroni drückte ihm ganz fest die Hand.

Der Peter würde Augen machen, wenn er im neuen Jahr wiederkam!

Seit vielen Jahren gingen die Leute vom Weitgasserhof erstmals wieder zur Christmette in die Kirche. Nur Anna blieb als Haushüterin daheim.

Das gab gehöriges Aufsehen und Getuschel im Dorf. Aber das störte die Hofleute nicht. Allen strahlte das Glück aus den Augen und Gunulf ließ während der ganzen Mette Burgls Hand nicht aus der seinen.

Als sie dann gemeinsam zum Hof zurückkehrten, wichen die Schatten der Vergangenheit für immer aus ihrem Leben.

ENDE

Sieben Romane: Heimatroman Extra Großband Juli 2021

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