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Burgl Sallegg stieg den steilen Weg hinauf. Als sie endlich den Hof erreicht hatte, blieb sie atemlos stehen. Vom Tal her hatte es gar nicht so anstrengend ausgesehen. Sie fühlte ihr Herz heftig klopfen. Das junge Mädchen wusste nicht, ob es vielleicht schon vom Hof aus beobachtet wurde, darum setzte es langsam seinen Weg fort.

Weite Rasenflächen dehnten sich zu beiden Seiten des Weges aus. Abseits standen große Blautannen und Fichten. Alles war hier oben anders als unten im Tal, das sie durchwandert hatte.

Sie sah die vielen Blumenkästen, den reich verzierten Giebel und atmete tief durch. Man sah dem Haus den Wohlstand seiner Bewohner an. Es war ein langgestrecktes Gebäude mit kleinen Vorsprüngen, tiefen Fenstern und einer riesigen Eingangstür. Daneben befanden sich Kletterrosen, die bis zum zweiten Stock emporrankten.

Burgl blieb sekundenlang stehen und dachte, so hab ich mir einen Hof in den Bergen nicht vorgestellt. Hoffentlich hatte sie den Weg nicht umsonst gemacht. Sie stand vor der Tür und pochte vorsichtig gegen das schwere Holz. Da öffnete sich auch schon die Tür und ein alter Mann mit weißen Haaren sah sie ein wenig unwillig an.

Unwillkürlich fühlte sie wieder die kalte Angst in sich hochsteigen. Aber Burgl wusste, sie musste jetzt tapfer sein, ihre Schüchternheit überwinden, sonst würde alles wieder vergebens gewesen sein.

Ich, ich komme wegen der Anzeige, stotterte sie und fühlte, wie sie rot wurde.

Der Alte maß sie wieder mit einem abschätzenden Blick, dann trat er zur Seite und ließ sie ein. Danach schloss er die schwere Tür. Burgl befand sich in einer halbdunklen Diele und sah nur die breite Holztreppe vor sich.

»Warte einen Augenblick, ich will die Bäuerin suchen gehen. Bleib hier stehen.«

Burgl war erstaunt über die Antwort, denn sie hatte angenommen, den Bauern vor sich zu sehen. Bevor sie noch etwas erwidern konnte, war der alte Mann im Hintergrund verschwunden.

Das Mädchen sah sich verstohlen um. Die Diele war sparsam möbliert mit alten wuchtigen Möbeln, die einige Generationen hatten kommen und gehen sehen. Auf dem Boden lag ein Fleckerlteppich. Er war der einzige Farbtupfer in der fast düsteren Diele.

Plötzlich stand der Weißbärtige wieder vor ihr. Sie zuckte zusammen, da sie ihn nicht hatte kommen hören.

»Komm, ich bringe dich zu ihr.«

Mit klopfendem Herzen schlich sie hinter ihm her. Dann machte er im Hintergrund eine Tür auf und schob sie in einen großen Raum. Auch hier herrschte Dämmerung, aber sie sah die Rosenranken am Fenster und hatte zugleich eine herrliche Sicht auf die Berge. Fast atemlos schön war diese Aussicht, und Burgl konnte den Blick nicht von dem Panorama lösen.

»Kommen Sie näher, so kann ich Sie leider nicht sehen!«

Die Besucherin erschrak abermals, als sie die menschliche Stimme hörte. Sie kam aus der hinteren rechten Ecke. Dort saß eine stattliche Frau hinter einem Berg von Wäsche.

»Nehmen Sie sich dort drüben den Stuhl, Sie werden müde sein. Zu uns heraufzusteigen ist keine Kleinigkeit, vor allem, wenn man es nicht gewöhnt ist.«

Burgl Sallegg hatte das Gefühl, in eine andere Welt geraten zu sein. Hier auf diesem Berghof schien die Zeit stillzustehen.

»Ich bin Frau Weitgasser, Viktor sagte mir, Sie sind auf unser Inserat hin gekommen?«

»Ja! Ich bin Burgl Sallegg.«

»Das freut mich Burgl; denn bis jetzt hat sich noch niemand gemeldet. Die jungen Mädchen zieht es jetzt in die Stadt und nicht auf einen Hof. Wir sind auch kein Pensionsbetrieb, wie Sie vielleicht schon festgestellt haben, sondern ein Hof wie von altersher.«

»Ja«, sagte Burgl leise, mit stockender Stimme. »Ja, aber Sie erwähnten in der Anzeige, ich könne hier auch wohnen, so brauche ich mir dann kein Zimmer zu nehmen und bin auch versorgt. Ich möchte nämlich mein Geld sparen, wissen Sie! Ich arbeite sehr gern, ich meine, ich kann doch alles lernen, ich habe zwar noch nie auf einem Hof gelebt, aber...«, sie brach ab.

Die Bäuerin sagte: »Aber wird es Ihnen nicht zu einsam bei uns?«

»Ach nein, ich hab ja die Bücher und da kann ich schon ein wenig lernen, nein, das ist es nicht. Außerdem kann man in der Stadt auch sehr einsam sein, wenn man keinen Menschen hat.«

»Das stimmt«, sagte die stattliche Frau.

»Warum wollen Sie denn so viel lesen? Ich möchte nicht neugierig sein, Fräulein, aber schließlich muss ich doch wissen, mit wem ich es zu tun bekomme, nicht wahr?«

»Ja, das verstehe ich. Also, wenn ich mir genug Geld gespart hab', dann möcht’ ich die Landwirtschaftsschule besuchen. Später möcht’ ich einmal Wirtschafterin werden, darum hab' ich mir auch gedacht, diese Stelle ist grad richtig für mich, da kann ich versuchen, ob ich es schaffe.«

Zu ihrem Erstaunen bemerkte sie, dass sich das Gesicht der Bäuerin schmerzlich verzog. Sie starrte aus dem Fenster. Das junge Mädchen hatte das Gefühl, als sei es vollkommen vergessen worden. Die Frau schien an andere Dinge zu denken, die ihr sehr wehtaten.

Fast atemlos saß Burgl da und wusste nicht, was sie jetzt tun sollte. Die Bäuerin war schon seltsam. Überhaupt, über dem ganzen Haus lag eine Grabesstille.

Plötzlich wandte die Weitgasserin wieder den Kopf und lächelte sacht.

»Entschuldigen Sie! Nun, ich verstehe. Also, wenn Sie bei uns anfangen möchten, würde mich das freuen. Es wird viel Arbeit für Sie geben, das Haus ist groß und der Garten will auch versorgt sein. Ich bin nicht mehr jung, und ... « Sie brach den Satz ab.

»Vielen Dank«, sagte Burgl Sallegg leise.

»Bekommen Sie denn von daheim keine Unterstützung?«, wollte die Weitgasserin noch wissen.

»Nein, und solang ich noch gesund bin, möchte ich für mich selbst sorgen.«

Frau Weitgasser lächelte über das seltsame Mädchen, das nicht nur stolz und klug war, sondern auch noch hübsch. Aber es war ihm wohl nicht bewusst, wie hübsch es war. Die schönen braunen Augen und das braune Haar standen im krassen Gegensatz zu der unvorteilhaften Kleidung.

Da die Bäuerin schon wieder so lange schwieg, glaubte Burgl, sie habe es sich doch noch überlegt, weil sie ja nun gesagt hatte, dass sie mit den Hofarbeiten nicht vertraut war.

Sie stand auf und ging zwei Schritte zurück.

»Es tut mir leid, ich kann Sie ja verstehen, ich ...«

»Aber ich möchte Sie ja haben«, sagte die Weitgasserin hastig. »Ich bewundere Sie, weil Sie so tapfer sind. Viele Menschen leben heute ja so gleichgültig in den Tag. Wenn sie spüren, dass sie kämpfen müssen, verkriechen sie sich lieber und hadern im stillen mit ihrem Schicksal.«

Burgl spürte, dass diese Worte gar nicht an sie gerichtet waren. Ein seltsamer Schauder rann ihr den Rücken entlang. Die Augen der Bäuerin wirkten unnatürlich groß und das Gesicht war blass.

Sie sprachen jetzt noch darüber, wann Burgl anfangen könne und auch über den Lohn. Die Weitgasserin brachte sie selbst zur Tür. Der alte Mann tauchte im Hintergrund auf.

»Viktor, das ist Burgl Sallegg, sie wird bei uns arbeiten und wohnen. Jetzt wird es für uns auch leichter, wenn eine junge Schafferin kommt. Fahr sie ins Tal hinunter.«

Viktor nickte.

»Sagen Sie ihm, wann Sie kommen, und Viktor wird Sie vom Postbus abholen. Mit dem Gepäck ist es zu anstrengend hier herauf«, wandte sich die Bäuerin nochmals an Burgl. »Und noch etwas, unsere Angestellten reden wir mit du an. Es ist vertrauter. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen?«

»Nein, Frau Weitgasser, und danke fürs Abholenlassen«, erwiderte Burgl Sallegg.

Wenig später fuhr sie mit Viktor im Wagen den Berg hinunter. Sie hatte die ganze Zeit über etwas nachgedacht, nun fragte sie geradeheraus:

»Ist die Bäuerin krank?«

Er schüttelte den Kopf. Sein Gesicht wirkte steinern, ja abweisend.

»Wie viel bringst mit?«, knurrte er statt einer Antwort.

»Was?«, fragte Burgl erschrocken.

»Na, Koffer mein ich halt.«

Das junge Mädchen hatte sich noch einmal herumgedreht. Jetzt konnte es den Hof in seiner vollen Schönheit bewundern. Dabei sah es, wie sich im Oberstock eine Gardine bewegte. Das ging so schnell, dass Burgl glaubte, sich getäuscht zu haben.

»Ich bringe nur zwei Koffer mit«, sagte sie leise.

Wenig später befand sie sich wieder im Postbus und fuhr nach Wörgl zurück.

Sieben Romane: Heimatroman Extra Großband Juli 2021

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