Читать книгу Das Riesen Arztroman Paket August 2021: Arztromane Sammelband 8 Romane - A. F. Morland - Страница 67
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ОглавлениеAm späten Nachmittag versuchte Christian noch einmal sein Glück bei Tom. „Hallo, hier spricht Tom Silverman ...“ Wieder der Anrufbeantworter.
„Mist!“, zischte Christian und warf den Hörer auf den Apparat.
Es war eigentlich unsinnig, Alexis’ Apartment aufzusuchen – er hatte da angerufen, sie hatte sich nicht gemeldet –, er tat es aber trotzdem.
Vielleicht auch nur deshalb, weil er nichts Besseres zu tun hatte. Vor dem Haus lehnte ein alter Mann an einer Palme, spielte auf einer zerkratzten Gitarre und sang mit heiserer Stimme „Shame And Skandal In The Family“. Christian warf ihm ein paar Münzen in den Hut.
Alexis wohnte im zweiten Stock, aber es hätte ihn gewundert, wenn sie auf sein oftmaliges Läuten geöffnet hätte. Verdrossen setzte er sich auf die Treppe, stützte den Kopf mit beiden Händen und wartete, doch Alexis erschien nicht.
Eine Vielzahl von Gedanken schwirrte durch seinen Kopf. Was sollte er von alle dem halten? Spielte Alexis nur mit ihm? War es ihr mit ihm überhaupt nicht ernst? Sie konnte so lieb, so süß, so anschmiegsam sein – und dann gab sie ihm wiederum solch unlösbare Rätsel auf. Verflixt nochmal, er wollte wissen, wie er mit ihr dran war. Für irgendwelche Spielchen war er sich – bei aller Bescheidenheit – zu schade. Wenn er herausfand, dass Alexis sich nur ihren Spaß mit ihm machte, würde er sich von ihr zurückziehen.
Er klemmte ihr seine Karte in die Tür, nachdem er auf die Rückseite geschrieben hatte: Ich war hier – du leider nicht. Dann ging er – deprimiert, mit hängenden Schultern.
Keine andere Frau hätte ihn so behandeln dürfen. Wieso ließ er sich das eigentlich von Alexis gefallen? Was verhalf ihr bei ihm zu dieser Sonderstellung?
Dr. Christian Bach trat aus dem Haus. Der alte Mann mit der zerkratzten Gitarre war nicht mehr da. Eine hübsche Farbige kam dem jungen Schönheitschirurgen entgegen. „Hey, Doc!“, rief sie. „Wieder zurück?“
„Wie du siehst“, gab Christian lächelnd zurück.
Das Mädchen hieß Gina. Sie kannte Alexis. Ihr Freund Bumpy verkaufte Autowracks, und sie ließ sich von Touristen für Geld in einem prächtig bunten Kleid fotografieren und filmen – tanzend und singend, einen riesigen Obstkorb auf dem Kopf balancierend. Gina war eine echte Frohnatur. Christian Bach hatte sie noch nie traurig gesehen. Sie lebte wahnsinnig gern, und das sah man ihr auch an.
„Wolltest du zu Alexis, Doc?“, fragte Gina.
„Ja“, antwortete Christian.
„Sie ist nicht da.“
Christian lächelte schief. „Das weiß ich inzwischen auch.“
„Sie dreht ein paar Filmehen zu ihren Songs.“
„Sag mir etwas, das ich noch nicht weiß, Gina.“
„Was möchtest du wissen?“, fragte die quirlige Farbige.
„Wo ich sie telefonisch erreichen kann.“
Gina hob die Schultern. „Da bin ich leider überfragt. Weiß Tom es nicht?“
„Tom glänzt ebenso durch Abwesenheit wie Alexis.“
„Möchtest du mit zu mir kommen?“, fragte Gina.
Der gutaussehende Schönheitschirurg grinste. „Du hast einen eifersüchtigen Freund.“
„Bumpy vertraut dir. Außerdem – was könnte er schon dagegen haben, wenn du mir bei einer kühlen Piña Colada von deinem Urlaub in Germany erzählst?“
„Wir unterhalten uns ein andermal“, versprach Christian Bach.
Gina hob die Hände. „Wann immer du willst.“
„Grüß Bumpy von mir.“
„Mach ich.“
Christian stieg in seinen Wagen und fuhr nach Hause. Und sein Telefon blieb weiterhin stumm. Die Stille zermürbte ihn. Er nahm sich einen Drink, und das Verlangen, mit jemandem zu reden, wurde immer stärker.
Er blätterte seine private Telefonkladde durch. Ärzte, Pfleger, Schwestern. Das Klinikpersonal – bunt gemischt. Aber er wollte heute noch „privat“ sein, deshalb rief er keine dieser Nummern an.
Auf Seite eins standen die deutschen Nummern – von Freunden und Bekannten. Auch jene der Familie Härtling. Die von seiner Mutter war nicht dabei, die hatte er im Kopf. Christians Blick blieb an einer Nummer hängen, vor der der Name Martensen stand. Er wählte sie wie in Trance, ohne zu wissen, was er sagen sollte, wenn Violetta Martensen sich meldete.
Er hoffte insgeheim, sie würde es nicht tun. Verrückt. Es knisterte und knackte im Hörer, und irgendwann ertönte das Freizeichen.
Jetzt läutete es drüben – in Europa, in Deutschland, in München, im Haus der Martensens ... Und Christian dachte: Geh lieber nicht ran. Erspare uns beiden diese Peinlichkeit. Was soll ich dir erzählen? Dass Alexis mich versetzt hat? Dass ich keine Ahnung habe, wo sie steckt? Dass ich mich schlecht fühle, weil mich noch keine Frau so sehr verunsichert hat wie Alexis? Er wollte es noch dreimal läuten lassen und dann auflegen. Einmal ... Zweimal ... Dreimal ... Okay. Leg auf! Leg auf!
„Hallo!“ Violettas Stimme – so nah, als stünde sie unten am Hafen in einer Telefonzelle. O Wunder der Technik. Was dem Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts schon alles möglich war.
„Hallo!“, rief Violetta in München, und es hörte sich an, als wäre sie in Montego Bay.
Christian wollte etwas sagen, doch er brachte keinen Ton heraus.
„Hallo!“ Jetzt wurde Violetta Martensen schon ein wenig ärgerlich.
Leg auf! Leg auf!
„Wer ist denn da?“, wollte Violetta wissen.
„Ich ...“
„Wer ist ich?“, fragte Violetta kühl.
„Christian.“
„Oh, Christian!“ Jetzt lebte sie auf. „Entschuldige, dass ich deine Stimme nicht erkannt habe. Sie klingt ein bisschen fremd.“
Er legte die Hand auf die Sprechmuschel und räusperte sich frei. „Klingt meine Stimme jetzt besser?“
„Ja. Und so nah.“
„Ich bin trotzdem auf Jamaika“, sagte Christian.
„Man sollte es nicht für möglich halten.“
Er lachte. „Man darf uns Menschen nicht unterschätzen. Wir haben einiges auf dem Kasten.“
„Du hast mich noch nie – von Jamaika ...“
„Einmal ist immer das erste Mal“, erwiderte er weise.
„Gibt es einen besonderen Grund für diesen Anruf?“ Da war schon wieder dieses Hoffen in ihrer Stimme.
„Ich wollte dir danken“, sagte der junge Schönheitschirurg.
„Mir danken? Wofür?“
„Für die schönen Stunden, die ich mit dir verbringen durfte“, antwortete Christian Bach.
„Ist alles in Ordnung, Christian?“
„Natürlich ist alles in Ordnung“, gab er zurück. „Wieso fragst du?“
„Ich weiß nicht. Hattest du Streit mit Alexis?“
Seine Kopfhaut zog sich zusammen. „Ich hatte noch nie Streit mit Alexis.“
Violetta Martensen verwendete seine Worte: „Einmal ist immer das erste Mal.“
„Geht es dir gut?“, fragte er und hörte sie einen tiefen Seufzer ausstoßen.
„Ich bin noch ein bisschen traurig, weil du nicht mehr hier bist“, gestand sie ihm gepresst.
Er schwieg, nagte schuldbewusst an der Unterlippe.
„Christian?“
Er antwortete nichts.
„Christian, bist du noch dran?“, fragte Violetta Martensen zaghaft.
„Ich rufe dich wieder an, mach’s gut, Violetta“, sagte er rau und legte auf.