Читать книгу Ferien Sommer Bibliothek Juni 2021: Alfred Bekker präsentiert 19 Romane und Kurzgeschichten großer Autoren - A. F. Morland - Страница 17

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Am nächsten Morgen wurde Susann ziemlich früh durch ein ungewöhnliches Geräusch geweckt. Zuerst dachte sie, dass Martin es verursachte. Aber was tat er, dass es sich so laut und scheppernd anhörte, als würde er Rohre aus Metall vom Dach fallen lassen.

Doch dann fiel ihr ein, dass ihr neuer Nachbar Handwerker geordert hatte. Die waren wohl schon bei der Arbeit, wie es sich anhörte. Da nun sowieso nicht mehr an Schlafen zu denken war, stand Susann auf, zog sich ihren seidenen Morgenmantel über ihren nackten Körper und ging nach dem Besuch im Bad hinaus auf die Terrasse. Von dort aus konnte sie sehen, wie mehrere Männer sich an dem Abstieg zum Strand zu schaffen machten. Ein Kran stand oben bei der Klippe und seilte Rohre nach unten ab, die zwei Arbeiter in Empfang nahmen.

Susann überlegte kurz, wozu die wohl gut sein sollten, kam aber zu keinem Ergebnis. Aber eigentlich war es ihr auch egal.

An diesem Morgen hatte sie keine Lust zu joggen. Sie entschied sich für den Pool. Als sie wieder ins Haus ging, hörte sie Rosalia in der Küche hantieren. Also ging Susann erst zu ihr, um ihr einen guten Morgen zu wünschen.

„Hallo, Rosalia! Du bist ja heute schon so früh hier“, stellte Susann fest. „Hat das einen Grund?“

„Nein, aber wir dachten uns, dass du heute schon früher aufstehen würdest“, schmunzelte sie.

„Ja, ich bin etwas unsanft geweckt worden. Zuerst dachte ich schon, dass Martin diesen Lärm verursachen würde. Aber dann erinnerte ich mich, dass Monsieur de Màcon mir gestern erzählt hat, dass er in den nächsten Tagen Handwerker bei sich hat und dass es etwas laut werden kann“, erzählte Susann. In Rosalias Augen blitzte es kurz auf, als sie das hörte.

„Er hat es dir erzählt? War er denn hier?”, fragte sie erstaunt.

„Nein. Als ich gestern joggen war, haben wir uns getroffen.“

„Aha!“ Rosalia sah Susann mit einem eigentümlichen Blick an, der der jungen Frau nun gar nicht gefiel.

„Was soll denn dein ,Aha!‘ bedeuten?“, wollte sie von ihr wissen, denn sie war der Meinung, dass an der Sache nun wirklich nichts Besonderes war, das ein ,Aha!‘ rechtfertigte.

„Nichts“, beeilte sich Rosalia sogleich zu sagen. So, so, dachte Susann und klärte die Hauswirtschaftlerin auf: „Rosalia, er war auch joggen. Das war ein Zufall, dass wir uns begegnet sind. Da hat er mir das mitgeteilt.“

Die nickte jetzt nur, dachte sich aber ihren Teil.

Weil Rosalia sich wieder ihrer Arbeit zugewandt hatte, drehte sich Susann um und verließ die Küche, um sich ihren Bikini anzuziehen.

Nachdem sie ihre Bahnen geschwommen hatte, ging sie ins Bad. Rosalia hatte das Frühstück für Susann vorbereitet und brachte es ihr auf die Terrasse, wofür sie sich bei ihr bedankte, denn sie brauchte das eigentlich nicht tun. Susann würde sich auch allein etwas zu essen machen - na ja, aber erst, wenn sie Hunger hatte. Und dem wollte Rosalia vorbeugen, indem sie für Susann auch kochte, und sie so dazu bewegte, regelmäßiger zu essen.

Später ging Susann zum Strand hinunter. Der Wind hatte in der Nacht etwas aufgefrischt, so dass das Meer Wellen an den Strand schob. Mit ihnen wurden auch Muscheln und Stücke von Korallen angespült. Sie konnte da einfach nicht widerstehen und sammelte von diesen die schönsten Muscheln und Korallen, die sie dann in eine große Glasvase nach dem Trocknen tat.

Susann fand ein paar schöne Stücke und legte sie in den kleinen Korb, den sie mit sich trug.

Als sie die bis ins Meer vorstehende Klippe, an der der Strand endete, erreichte, setzte sie sich dort in den warmen Sand und schaute – wie so oft – auf die Wellen, sie sich langsam an den Strand rollten.

Ein wehmutiger Seufzer entglitt ihr, während sie so dasaß und sich ihr dabei unwillkürlich Erinnerungen aufdrängten.

Als ihre Eltern noch lebten, war sie oft Schnorcheln gegangen. Dabei hatte ihre Mutter sie oft begleitet. Sie hatten beide viel Spaß gehabt. Wenn eine von ihnen etwas Besonderes entdeckt hatte, hatten sie sich untereinander Zeichen gegeben, oder waren schnell man aufgetaucht.

Manchmal war Susann mit ihrem Vater auch mit der Yacht ein Stück aufs Meer gefahren, um zu tauchen. Ihre Mutter blieb dann an Deck. Ihr reichten die Schnochelausflüge, Tauchgänge waren nichts für sie.

Doch nun - nach dem Unglück - tat Susann beides nicht mehr. Ja, sie vermisste das, und doch wollte sie noch nicht in das verhasste Meer, das ihre Eltern verschlungen hatte. Sie bildete sich ein, wenn sie tauchte, würde sie vielleicht plötzlich auf ihre Eltern stoßen, die bleich und mit angstverzerrten Gesichtern dort auf dem Grund zwischen Wasserpflanzen lagen. Es gab noch entsetzlichere Bilder von ihnen, die in ihrem Kopf umherschwirrten, wenn sie daran dachte. Und das machte ihr Angst und hielt sie davon ab, wieder einmal zu schnorcheln oder zu tauchen.

Susann schüttelte die unheimlichen Gedanken von sich ab und erhob sich. Langsam machte sie sich auf den Rückweg. So konnte sie auch beobachten, dass am anderen Ende des Strands gearbeitet wurde. Der Wind sorgte dafür, dass die Geräusche von dort etwas unterdrückt wurden. Da war ein Schlagen auf Stein und auch ein Bohren zu hören.

Der de Mácon lässt sich bestimmt was Erdbebensicheres hinsetzen. Da kann bestimmt ein Vierzentnermann runter- und hochklettern, dachte sie leicht amüsiert, denn sie stellte sich das gerade bildlich vor. Dann schüttelte sie aber ihren Kopf und lachte leise, denn zuletzt sah sie diesen Mann, der urplötzlich das Gesicht von de Mácon hatte, nur noch vor Anstrengung schnaufen.

Am Nachmittag hatte sie sich auf die Couch mit angezogenen Beinen gesetzt und las in einem Buch. Dabei wurde sie von dem Klingeln des Telefons gestört.

„Wer will denn da was von mir?“, murmelte sie ungehalten, denn sie war gerade an einer spannenden Stelle angelangt.

„Hallo“, meldete sie sich mürrisch, ohne ihren Namen zu nennen.

„Oh, Susann! Du bist also im Strand...“, hörte sie ihren Onkel sagen, den sie sofort unterbrach.

„Was unterstehst du dich, mich anzurufen? Wir haben uns nichts mehr zu sagen“, fauchte sie.

„Das sehe ich aber anders, Schätzchen. Ich habe dir lange genug Bedenkzeit gegeben. Ich hoffe für dich, dass du dich dazu durchgerungen hast, mir meinen zustehenden Erbteil zu geben.“

„Sag mal, bist du neuerdings so schwer von Begriff? Nicht einen Cent kannst du erwarten, und schon gar nicht verlangen. Und falls du planst, mich umzubringen, auch dann wirst du nichts bekommen. Egal, ob du der letzte Verwandte bist. Diese Information hast du erhalten, und daran ist und wird sich nichts ändern.“

Susann hörte, wie er scharf einatmete, was sie nicht nur vermuten ließ, dass er innerlich vor Wut kochte.

„Susilein“, säuselte er jedoch, „was redest du da? Ich – und dich umbringen wollen? Aber nicht doch. Glaub mir, Schätzchen, es gibt andere Mittel und Wege, dich zu überzeugen, mir meinen Anteil zu übergeben.“

Susann lief es kalt den Rücken herunter, und sie fing an zu frieren, obwohl es im Zimmer gut temperiert war.

„Soll das etwa eine Drohung sein?“, zischte sie, und gab sich dabei Mühe, ein Zittern in ihrer Stimme zu verbergen. Wenn er ihre Angst spürte, würde er sich schon als Sieger sehen. Doch den Triumph wollte sie ihm nicht gönnen.

„Nein, keine Drohung. Nur ein gut gemeinter Rat von deinem lieben Onkel Thomas. Ich will nur nicht, dass die jemand wehtut und du dann nicht mehr so hübsch wie jetzt bist“, antwortete er immer noch im gleichen Ton.

Da schlug ihre Angst in Wut um.

„Also doch eine Drohung“, fauchte Susann. „Du verkommenes Subjekt gehörst hinter Schloss und Riegel. Nicht einen Cent, hörst du? Nichts bekommst du - niente, nichego, nada! Kapier das endlich!“ Und dann drückte sie auf die rote Taste. Verbindung unterbrochen! Gespräch beendet!

Susann sprang von der Couch hoch und lief aufgeregt durch das Zimmer. Sie hatte eine ungeheure Wut im Bauch, aber auch Angst.

„Er will nicht, dass mir jemand wehtut. Hat der etwa vor, einen Killer oder so was ähnliches zu schicken, damit der mich zwingt, ihm eine Million zu überreichen? Das kann dieser Idiot vergessen. Nichts bekommt der. Gar nichts“, schimpfte sie laut vor sich hin. „Dann bin ich nicht mehr so hübsch. Tss! Sein Handlanger soll mich wohl foltern. Sind wir denn in Klein Chicago?“

Sie ließ sich in den weichen Sessel fallen und stöhnte. Was sollte sie nun tun? Jonas anrufen und ihn fragen? Oder die Koffer packen und einfach woanders hinfahren?

„Quatsch!“, sagte sie laut. „Ich kann doch nicht einfach abhauen und alles stehen- und liegenlassen wegen diesem Vollidioten. Außerdem muss ich auch mal wieder in der Firma erscheinen.“

Und sie überlegte, was sie nun am besten tun sollte. Mitten in ihren Überlegungen klingelte wieder das Telefon. Erschrocken fuhr sie hoch.

„Wenn das Onkel Thomas ist, dann ...“ Sie drückte den grünen Knopf und fauchte: „Was noch? Ich ändere meine Meinung nicht ...“

„Susann?“, hörte sie Jonas erstaunt und dann besorgt fragen: „Ist alles in Ordnung?“

Erleichtert atmete Susann ein und wieder aus.

„Nein, nichts ist in Ordnung“, antwortete sie, jetzt den Tränen nahe. Dann berichtete sie ihm von dem Telefonat mit ihrem Onkel. Als sie endete, schwieg er einen Moment, so dass sie schon dachte, er sei gar nicht mehr am Telefon. Doch dann sprach er mit Nachdruck auf sie ein.

„Ich habe dich gewarnt. Und ich habe dir gesagt, dass ich vermute, dass er bereits in deiner Nähe sein kann. So, wie es sich anhört, wird er jedoch jemanden beauftragt haben, der dich einschüchtern soll. Susann! Unterschätze die Gefahr nicht, in der du dich befindest! Du brauchst jemanden, der auf dich achtet und die Gefahr von dir fernhält.“

„Du kennst meine Meinung“, wehrte Susann seinen Versuch, ihr einen Bodyguard zu vermitteln, ab. „Außerdem hast du das Strandhaus und alles drumherum zu einer Festung umfunktioniert. Da kommt kein Fremder rauf, ohne dass der Alarm losgeht. Hier sollte ich also sicher vor irgendwelchen Killern sein.“

„Unter diesem Klientel gibt es sehr kluge Leute, die darauf spezialisiert sind, die Alarmanlage zu unterwandern“, gab Jonas ihr zu bedenken.

„Und du meinst, dass sich Onkel Thomas ein derartig kluges Köpfchen leisten kann? Dann wäre seine ergaunerte Million doch sofort wieder flöten.“

Jonas seufzte – wohl aus Verärgerung – auf.

„Du bist so stur, Mädchen.“

„Ich weiß“, gab sie mit einem schiefen Lächeln zu. „Aber ich sehe für mich nicht den Sinn eines Bodyguards.“

„Und wenn du wieder mal in die Stadt fährst? Denk darüber nach! Du hattest dir bei deinem letzten Besuch dort bereits Sorgen gemacht“, erinnerte er sie. „Ach, da fällt mir ein, du wolltest doch wissen, wem der noble Wagen gehört – deinem neuen Nachbar.“

„Dem de Mácon?“ Ist ja merkwürdig, dachte sie. Kommt ziemlich oft vor, dass ich den sehe, wo auch ich mich befinde. Zufall oder kein Zufall?

„Ja“, antwortete Jonas und fragte dann: „Linda und ich würden gern am Wochenende zu dir rüberkommen. Was sagst du?“

„Oh, super! Natürlich! Ihr seid immer gern willkommen“, erwiderte Susann. Sie freute sich ehrlich über diese Mitteilung. „Ich werde Rosalia gleich anrufen und es ihr mitteilen. Die beiden werden sich auch freuen, euch mal wiederzusehen.“

Da es sonst nichts weiter zu bereden gab, und Susann weiter darauf beharrte, keinen Aufpasser an ihrer Seite zu wollen, verabschiedeten sie sich. Sogleich wählte sie die Nummer von Rosalia und Martin, doch Rosalia nahm das Gespräch nicht an. Wenige Minuten später wusste Susann auch warum, denn beide tauchten im Strandhaus auf. Irgendwie kam es Susann vor, dass sie besorgt dreinschauten. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, weil sie selbst noch sehr aufgewühlt war.

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