Читать книгу Ferien Sommer Bibliothek Juni 2021: Alfred Bekker präsentiert 19 Romane und Kurzgeschichten großer Autoren - A. F. Morland - Страница 22

15

Оглавление

Als Susann, die diesmal später als sonst aufgestanden war, mit einem fröhlichen „Guten Morgen“ in die Küche kam, drehte sich Rosalia gleich zu ihr um.

„Auch dir einen ,Guten Morgen‘, Susann“, begrüßte sie die junge Frau und schmunzelte. „Es scheint, dass es ein schöner Abend für dich war.“

Susann setzte sich an den Tisch und sagte: „Och, ich denke, ihm hat‘s auch gefallen.“

Nun sah Rosalia sie mit einer Falte zwischen den Brauen an.

„Du hast doch nicht etwa …“, fragte sie tadelnd.

Doch Susann unterbrach sie und schüttelte den Kopf: „Aber Rosalia, was denkst du denn?“

„Na ja, heutzutage … die jungen Leute lassen sich keine Zeit mehr“, meinte die Haushälterin entschuldigend.

„Ach, Rosalia, bitte - ich bin nicht so. Das weißt du doch“, versicherte Susann ihr. „Und wenn ich von dir jetzt einen Kaffee bekomme, dann erzähle ich dir von gestern Abend.“

Die Haushälterin grinste und beeilte sich, ihr den Kaffee zu servieren, setzte sich dann zu ihr, und sah Susann nun erwartungsvoll an. Und die konnte nicht anders – sie musste lachen. Doch dann erzählte sie der älteren Frau, wie sie den Abend mit Andros de Mácon verbracht hatte. Als sie fertig war, fragte Rosalia: „Du wirst nun jeden Morgen mit ihm laufen?“

Susann nickte.

„Und du hast ihn zu dir eingeladen?“, fragte sie weiter – beinahe ungläubig.

„Ja. Ist das denn schlimm?“, schmunzelte Susann, denn sie amüsierte sich über Rosalia, die das wohl noch nicht so recht glauben konnte.

Doch da setzte sich die Haushälterin kerzengerade hin und bekam einen triumphierenden Ausdruck im Gesicht.

„Ha, ich hab es dir ja gesagt: Nachbarn laden Nachbarn ein. So zollt man ihnen Respekt und ...“

„… pflegt ein gutes Verhältnis zu ihnen“, ergänzte Susann lachend.

„Genau“, bestätigte es Rosalia.

Etwas später rief Susann Jonas an und schlug ihm die Sache mit dem verschlüsselten Videokontakt vor. Jonas hörte sich das in aller Ruhe an. Als sie fertig war – und das schon nach wenigen Sätzen – fragte er: „Und wer hat dir diesen Floh ins Ohr gesetzt?“

„Mein neuer Nachbar, Andros de Mácon. Er leitet doch eine Firma, die sich mit Computertechnik und Elektronik befasst. Er würde uns ein Angebot machen. Und auf Grund meines unfreiwilligen Aufenthaltes wäre das doch von Vorteil für uns beide, wenn es um wichtige Dinge unseres Unternehmens geht. Was meinst du? Soll er uns ein Angebot machen?“

Jonas Hofman lachte in sich hinein. Unser Mädchen scheint sich mit dem ,Nachbarn‘ angefreundet zu haben. Dann wollen wir ihr mal den Gefallen tun, dachte er. Na ja, ihm natürlich auch!

„Das hört sich nicht schlecht an. Gut – Monsieur de Mácon soll sich mit mir in Verbindung setzen. Gibt es sonst noch etwas Ungewöhnliches?“

„Nein. Vielleicht gibt er endlich Ruhe“, meinte sie, wovon sie aber selbst nicht richtig überzeugt war.

„Das glaube ich nicht“, kam dann auch schon von Jonas. Dann besprachen sie noch ein paar Dinge, die die Firma betrafen und die Jonas wichtig erschienen, um sie mit ihr zu bereden.

Als sie das Gespräch beendet hatten, überlegte Susann, ob sie Andros – wie sie ihn im Stillen nannte – jetzt gleich anrufen sollte oder lieber bis morgen warten sollte. Mit diesen Gedanken kam sie in die Küche, wo Rosalia das Essen für den Mittag vorbereitete.

Da hörte sie Rosalia sagen: „Sag ihm Bescheid! Was du heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf morgen.“

„He, hast du etwa gelauscht?!“ Susann drohte ihr lachend mit erhobenen Zeigefinger.

„Ich? Nein, das würde ich nie tun. Du hast die Tür zum Büro offengelassen und dann auch noch sehr enthusiastisch und laut über diese Sache mit dem Video gesprochen“, gab ihr Rosalia grinsend zu verstehen. Susann seufzte.

„Okay, dann werd ich mal unseren Nachbarn anrufen. Ähm ... kann ich ja gar nicht. Ich hab ja keine Nummer von ihm.“

„Doch, hast du!“, sagte Rosalia, griff in die Tasche ihrer Schürze und hielt ihr einen kleinen Zettel hin. Susann nahm ihr den ab und sah sie fragend an.

„Den hat er mir gegeben, als er hier war, um dich einzuladen“, verriet sie ihr.

„So, so“, kommentierte Susann das eben Gehörte mit einem Schmunzeln. „Wie umsichtig von ihm.“

Als Susann nun ins Büro ging, schloss sie vorsorglich die Tür. Rosalia verhält sich so schon komisch genug, seit der de Mácon drüben eingezogen ist. Wer weiß, was da so in ihrem Kopf umherschwirrt. Ich bekomme immer mehr das Gefühl, als würde sie denken, der wäre der richtige Mann für mich. Wie absurd!, dachte Susann, während sie die Nummer eintippte und auf die Wähltaste drückte. Kaum hatte es zweimal geklingelt, das meldete er sich auch schon: „Bonjour, hier De Mácon.“

„Hallo, hier Susann Sanders! Ich wollte Sie informieren, dass mein Geschäftspartner ebenfalls interessiert ist. Er wünscht, dass Sie sich mit ihm in Verbindung setzen, um Details zu klären“, teilte sie ihm mit.

Das ging aber schnell, dachte er schmunzelt, sagte aber: „Das freut mich. Ich werde mich dann heute noch bei ihm melden. Haben Sie eine Telefonnummer für mich?“ Obwohl er diese bereits in seinem elektronischen Telefonbuch gespeichert hatte, ließ er sie sich trotzdem von ihr geben. Er wollte ihr keine Nahrung für weitere Überlegungen hinsichtlich seiner Person und der Verbindung zu Jonas Hofman geben. Susann gab ihm die gewünschte Nummer und sagte dann lachend: „Dann bis morgen um sieben Uhr. Verschlafen Sie nicht, sonst begegnen Sie mich, wenn ich schon auf dem Rückweg bin!“

„Ich werde pünktlich vor Ihrer Einfahrt stehen und auf Sie warten. Bis dann!“

Susann grinste, als sie auf die Aus-Taste drückte.

„Wir werden ja sehen“, murmelte sie.

In der Nachts schlief sie sehr unruhig, denn wieder hatte sie jemand angerufen – und das gleich dreimal. Und wieder war nur das schwere Atmen zu hören gewesen. Beim dritten Anruf war sie so wütend geworden, dass sie den vermeintlichen Anrufer angeschrien hatte: „Onkel Thomas! Du bist so ein blödes Arschloch! Kannst aber ruhig weitermachen. Mich kriegst du nicht klein. Keinen Cent! Hörst du – nicht einen Cent!“ Prompt hatte der andere aufgelegt. Hinterher hatte sie sich geärgert, dass sie sich hatte gehenlassen. Sie hätte einfach auflegen sollen. Nicht, dass der jetzt denkt, dass ich allmählich die Nerven verliere, war es ihr durch den Kopf gegangen.

So war sie mehrmals in der Nacht wachgeworden, weil sie wirres Zeug geträumt hatte, wo immer wieder ihr Onkel aufgetaucht war und Geld von ihr verlangte.

Am nächsten Morgen war sie dann schon wach, bevor der Wecker Alarm schlug. Dadurch begab sie sich früher zum Tor und staunte, dass dort Andros de Mácon bereits auf und ab lief.

„Guten Morgen!“, rief sie ihm zu. „Haben Sie etwa auch schlecht geschlafen?“

Er grüßte mit einem fröhlichen Lachen zurück und antwortete: „Nein, ich habe gut geschlafen. Kann man den Grund erfahren, was Ihren Schlaf gestört hat?“

„Ach, ich hatte da wieder ein paar Anrufe ...“, sagte sie und winkte ab.

„Ärger in der Firma?“

„Nein, es hat mit meinem Onkel zu tun. Aber - wir sollten nun endlich loslaufen“, erinnerte sie ihn an den Grund ihrer morgendlichen Verabredung.

Schweigend liefen sie nun nebeneinander. Als sie bei dem kleinen Plateau ankamen, pausierten sie für einige Minuten. Die nutzte Andros, um ihr mitzuteilen, dass er mit Jonas Hofman gesprochen hatte und dass sein Freund sich in zwei Tagen sich mit ihm treffen wird, um weitere Einzelheiten zu besprechen.

„Sie müssten mir nur den Raum bei sich zeigen, wo ich das einrichten soll“, endete er.

Susann reagierte nun doch überrascht, denn sie hatte nicht erwartet, dass sich das Ganze so schnell entwickeln würde.

„Oh ... ja ... sagen Sie es mir, wann Sie Zeit haben. Ich werde mich gern nach Ihnen richten.“

„Wie wäre es mit heute Nachmittag?“, schlug er vor.

„Ich werde da sein“, sagte sie, lachte und lief wieder los.

Kopfschüttelnd mit einem Schmunzeln sah er ihr nach.

„Was ist? Wollen Sie da Wurzeln schlagen?“, rief sie ihm zu, als sie sich umdrehte und nun auf der Stelle lief.

Da setzte er sich ebenfalls in Bewegung und war auch schon wieder neben ihr.

Am Nachmittag kam Andros, wie abgesprochen, zu ihr rüber. Susann zeigte ihm das kleines Büro. Er machte sich ein paar Notizen. Er stellte fest, dass er hier nicht viel zutun haben würde. Susann besaß bereits das Neuste vom Neusten. Nun musste ihm sein Freund nur noch mitteilen, wie es in der Firma von Susann aussah. Dann konnte er mit der Planung beginnen und ihr das Angebot vorlegen. Das wollte er auf alle Fälle tun, auch wenn er mündlich den Auftrag für die Installation bereits bekommen hatte. Er fand das nur fair.

Susann lud Andros noch zum Kaffee ein. Rosalia hatte am Vormittag sofort einen Kuchen gebacken, als sie davon erfuhr.

Angeregt unterhielten sich die beiden jungen Leute auf der Terrasse. Die Zeit verging wie im Flug, und so kam es, dass Andros auch noch zum Abendessen blieb und mit Susann den Sonnenuntergang bei einem Glas Wein beobachtete.

Eigentlich beobachtete er mehr Susann, natürlich immer dann, wenn sie zum Horizont blickte. Ihr entging das jedoch nicht. Sie spürte seinen Blick brennend auf sich. Aber sie ließ es geschehen, denn es war ein angenehmes und belebendes Gefühl, das sie so zuvor noch nie erlebt hatte. Und dann fragte sie sich, ob es sie stören würde, wenn er sie in seine Arme nahm und sie küsste. Heiß durchflutete es sie, als sie im gleichen Moment zu dem Schluss kam, dass sie es sich wünschte und sich danach sehnte. Leise seufzend schlug sie die Augen nieder, als sie sich von dem schönen Naturschauspiel abwandte. Sie wollte nicht, dass er vielleicht erkannte, welche Gefühle gerade in ihr tobten. Doch als sie ihre Augen wieder öffnete, schaute sie direkt in seine graublauen Augen, die sie intensiv ansahen und selbst einen sehnsüchtigen Ausdruck angenommen hatten, wie es ihr schien.

Andros konnte nicht anders. Er nahm ihr wortlos das Weinglas ab und stellte es mit seinem auf den Rand des Geländers. Dann zog er Susann zu sich heran und küsste sie.

Oh – es schlug ein wie ein Blitz. Es fühlte sich so gut an. Eine angenehme Hitze breitete sich in ihr aus. Ihre Arme hoben sich wie von selbst an und umschlangen ihn. Dabei erwiderte sie seinen Kuss, was ihn ermutigte, sie noch enger an seinen Körper zu drücken.

Susann war schon geküsst worden, doch sie hatte nie das bei Brian empfunden, was sie jetzt empfand. Zu mehr war es damals auch nicht gekommen, denn sie hatte herausgefunden, dass er sich noch mit anderen Mädchen traf. So war sie zu dem festen Entschluss gekommen, dass ihr erst der Richtige über den Weg laufen musste. Erst diesen Mann würde sie küssen.

Und das schien jetzt wohl Andros de Mácon zu sein.

„Ich hoffe, dass ich nicht zu stürmisch war ...“, fragend sah er sie mit einem schiefen Lächeln an.

Susann errötete.

„Nein, ist schon in Ordnung. Es … es war schön“, sagte sie leise.

Er nickte nur und küsste sie erneut. Doch dann verabschiedete er sich von ihr. Es war besser so …

Susann war zuerst etwas enttäuscht, doch schnell sah sie ein, dass er richtig handelte. Wer weiß, was sonst an diesem Abend noch passiert wäre.

Ferien Sommer Bibliothek Juni 2021: Alfred Bekker präsentiert 19 Romane und Kurzgeschichten großer Autoren

Подняться наверх