Читать книгу Ferien Sommer Bibliothek Juni 2021: Alfred Bekker präsentiert 19 Romane und Kurzgeschichten großer Autoren - A. F. Morland - Страница 39

8

Оглавление

Ich sitze mit Sven vor meinem Fernseher. Mein WG-Zimmer ist nicht sonderlich groß, sodass mein Bett für mich als Sitzgelegenheit dient. Während ich im Schneidersitz sitze, hat mein Bruder den alten Sessel von unserem Opa in Beschlag genommen. Der Sessel steht in der Ecke meines Zimmers. Es ist ein Chesterfield-Sessel aus Echtleder, der zwar ziemlich gebraucht aussieht, aber unfassbar bequem ist. Allerdings dient er mir im Alltag meistens als Ablage für meine Kleidung. Irgendwie haben die meisten Menschen dafür ja einen alten Stuhl herumstehen.

Sven ist vorbeigekommen, um mir noch ein paar von Omas Sachen vorbeizubringen. Wir haben uns seit der Beerdigung von Oma nicht mehr gesehen. Nun liegt sie neben Opa. Sie musste auch lange ohne ihn auskommen.

Nach der Beerdigung ist es irgendwie greifbarer, dass sie weg ist.

Ich glaube, das stört mich an der Betrachtung des Todes am meisten: Du bist weg und das Leben geht ohne dich weiter. Du hinterlässt so viele lose Enden und dennoch, es geht ohne dich weiter. In einer Geschichte gibt es einen Helden, um den dreht sie sich und mit dem endet sie. Die Welt hat keinen Protagonisten.

„Von rechts, ein Elite“, sagt Sven, unterbricht meinen Gedankengang und ich reagiere sofort.

Wir spielen Halo 3 auf seiner alten Xbox 360. Für die nächsten Wochen behalte ich sie. Genau genommen ist es seine Konsole, die Spiele gehören aber größtenteils mir. Das war immer ein fairer Kompromiss zwischen uns beiden. Jeder schaffte sich eine Konsole an, der andere die Spiele, und so hatten wir immer eine Menge Auswahl an Konsolen und Spielen.

„Hast du schon mit deiner Spanierin geredet?“, fragt Sven.

„Hä?“

„Na komm, du stehst doch auf sie.“

„Sie ist Kubanerin“, erwidere ich.

Eine Weile spielen wir schweigend und konzentriert weiter.

„Gut, aber in dem wichtigen Punkt, in dem stimmst du mir zu, oder?“

„Ich wohne mit ihr.“

„Entweder sie mag dich auch oder du vergeudest deine Zeit. Verschwende keine Zeit und Ressourcen auf ein ‚Vielleicht‘ oder ein ‚Hoffentlich‘“, erwidert Sven. „Von links kommt neue Verstärkung.“

„Seh’s, kümmer mich drum“, nicke ich.

„Um die Verstärkung?“

„Beides.“

Wir spielen weiter. Ich weiß nicht, wie andere Leute das machen, aber mein Bruder und ich haben Privates immer gerne beim gemeinsamen Spielen besprochen. Er ist einer der wenigen Menschen auf der ganzen Welt, dem ich bedingungslos vertrauen würde und ich glaube, umgekehrt ist es ebenso.

„Hast du eigentlich nochmal an Omas Geschichte gedacht?“, frage ich irgendwann.

„Wieso?“

„Glaubst du, es ist wahr?“

„Das Gold?“

„Jap.“

„Ich ... ach fuck, ich bin tot. Da ist einer mit ‘nem Hammer.“

„Seh ihn, danke.“

„Ich glaube, es ist wahr. Vielleicht nicht so viel, wie sie sagte, aber ... na ja, unsere Familie hatte damals ja Landgüter und war wohlhabend. Etwas haben sie ja auch so mitgenommen und davon sich hier etwas Neues aufgebaut. Aber der Rest ... stimmt vermutlich. Irgendwer ist sicher sehr glücklich mit dem Klavier geworden.“

„Aber was, wenn nicht?“

„Was?“

„Na, wenn es nie einer gemerkt hat. Du weißt, wie schwer ein Klavier sein kann. Gold ist nicht so unfassbar schwer und wer baut ein Klavier auseinander, wenn er es kauft? Er stimmt es, ja ... aber dann bemerkt er das Gold im doppelten Boden vermutlich nicht.“

Sven lacht plötzlich. „Denkst du daran, es einzusacken, es zu suchen und zu finden?“ Seine Stimme wird verschwörerisch. „Oder, Mr. Ocean ... stellen wir eine Crew zusammen, um es zu stehlen?“

Ich rolle mit den Augen. „Nein, aber ich habe überlegt, ob man versuchen soll herauszubekommen, was daraus wurde. Komm, die Geschichte ist echt gut. Vielleicht ist sie wahr und vielleicht ist dort draußen ein Klavier voller Gold, das uns gehört.“

„Na ja, oder dem, der es gekauft hat.“

„Wäre immer noch Hehlerware, damit ist das Eigentumsrecht von Oma nie erloschen.“

„Stimmt auch wieder.“

Ich pausiere das Spiel. „Ich hol mir was zu trinken, willst du auch was?“

„Wenn du ‘ne Cola hast, liebend gern.“

„Bestellen wir nachher noch was?“

„Klar, Pizza oder Vietnam?“

„Pizza.“

Ferien Sommer Bibliothek Juni 2021: Alfred Bekker präsentiert 19 Romane und Kurzgeschichten großer Autoren

Подняться наверх