Читать книгу Morlands Horrorwelten: Das große Gruselroman-Paket - A. F. Morland - Страница 11
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Оглавление"Sergeant Maguin!", rief der untersetzte, bullige, hemdsärmelige Mann. "Sergeant Jewison!"
Gary Maguin drehte sich um. "Captain?"
"In mein Büro!", rief Captain Pertwee und kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Die Tür zu seinem Büro ließ er offen.
"Wir sind schon unterwegs, Chef!", rief Tab Jewison. Er wandte sich grinsend an die beiden Kollegen, mit denen er und Maguin sich soeben im Großraum-Office des Reviers unterhalten hatten. "Unser Boss kann keinen Leerlauf sehen."
Maguin, ein junger, gut aussehender blonder Cop, zupfte Jewison am Ärmel. "Lass uns gehen, Tab, sonst verderben wir ihm die gute Laune."
Jewison, sein dunkelhaariger Partner, feixte. "Wann war Stan Pertwees Laune schon mal gut? Der kann sich doch selbst nicht leiden."
"Wenn du ständig Probleme mit der Niere hättest, wärst du auch nicht von früh bis spät happy."
"Ich würde aber auf keinen Fall meine Mitarbeiter dafür büßen lassen."
"Jeder ist eben anders."
Tab Jewison verdrehte die Augen. "Mann, was bist du heute wieder tolerant." Seine Miene verfinsterte sich. "Ich werde mein erstes Magengeschwür nach Captain Pertwee benennen."
Gary Maguin setzte sich in Bewegung, und Tab Jewison folgte ihm. Sie betraten das Büro des Captain.
"Sir", sagte Maguin und nahm so etwas wie Haltung an.
Jewison tat das nicht.
"Tür zu!", schnarrte Stan Pertwee.
Tab Jewison wollte sie zukicken.
"Nicht mit dem Fuß!", sagte der Captain laut.
Tab schloss die Tür mit der Hand.
"Setzen Sie sich!", brummte Captain Pertwee.
Die jungen Cops nahmen Platz.
Stan Pertwee lehnte sich zurück. Sein Bauch quoll über den Ledergürtel. Er trägt ihn viel zu eng, dachte Tab Jewison. Das ist nicht gesund.
"Es gibt Neuigkeiten vom 'Lawyer'", berichtete der Captain.
Lawyer, so nannten sie Ozzy Krasna, den polizeibekannten Penner, der früher einmal – vor seinem totalen Absturz in die Gosse - Rechtsanwalt gewesen war.
Tab Jewison betrachtete seinen Vorgesetzten sinnierend. Sein Haar lichtet sich immer mehr, dachte er. Er wird bald eine Glatze haben.
"War er mal wieder bei uns in der Ausnüchterungszelle?", fragte Gary Maguin.
Pertwee schüttelte den Kopf. "Diesmal will er einen Werwolf gesehen haben."
"Einen was?", fragte Gary Maguin, als meinte er, sich verhört zu haben.
"Einen Werwolf", wiederholte der Captain.
Tab Jewison sagte: "Das sind diese Typen, die sich in Vollmondnächten..."
"Ich weiß, was ein Werwolf ist", fiel Gary Maguin ihm ins Wort. "Denkst du, ich war noch nie im Kino? Aber solche Monster gibt es doch nicht in Wirklichkeit."
Der Captain hob die Schultern. "Der Lawyer behauptet, von einem angegriffen worden zu sein."
Maguin kniff ungläubig die Augen zusammen. "Wie viele Promille hatte er da im Blut?"
"Seine Pennerkollegen bestätigen seine Aussage", sagte Captain Pertwee.
Maguin wandte sich an seinen Freund und Kollegen. "Offenbar eine Massenpsychose."
Stan Pertwee sah ihn an. "Ich möchte, dass Sie und Tab der Sache nachgehen", sagte er.
Gary Maguin war perplex. "Sie verlangen doch nicht im Ernst von uns, dass wir einem – einem Fabelwesen, oder wie immer man diese Ausgeburt menschlicher Horror-Fantasien bezeichnen mag, nachjagen sollen, Sir."
"Ist immer noch besser als im Büro herumzustehen und sich gegenseitig von der Arbeit abzuhalten", knurrte Captain Pertwee. "Irgend etwas Unbegreifliches müssen der Lawyer und seine Kumpane gesehen haben, sonst wären sie nicht alle so sehr aus dem Häuschen. Kein Rauch ohne Feuer." Er beugte sich vor. "Wir sind Cops. Wir sind für alle da. Auch für die Ärmsten der Armen. Sorgt dafür, dass der Lawyer und seine Freunde wieder ruhig schlafen können."
"Ist das alles, Captain?", fragte Gary Maguin, bereit, aufzustehen.
Stan Pertwee nickte. "Das ist alles."
Tab Jewison rieb sich die Hände. "Nun, dann werden wir uns gleich mal auf den Weg machen und uns um diese wichtige Angelegenheit kümmern." Er federte hoch.
Pertwee sah ihn grimmig an. "Ihren Sarkasmus können Sie sich sparen, Sergeant Jewison."
"Yes, Sir." Der junge Cop salutierte schlampig.
Sein Partner erhob sich ebenfalls. Sie verließen das Büro des Captain.
"Ist doch nicht zu fassen, was uns da zugemutet wird", entrüstete sich Gary Maguin auf dem Weg zum Dienstwagen.
Tab Jewison griente. "Es steht dir frei, dich zu beschweren. Allerdings musst du hierbei den Dienstweg einhalten, und der führt über Captain Stan Pertwee."
Gary wackelte mit dem Kopf. "Sehr witzig."
Als sie wenig später durch Brooklyn fuhren, fragte Tab so beiläufig wie möglich: "Wie geht es deiner Schwester?"
"Du lässt die Finger von Rachel, verstanden?", schnauzte Gary ihn sofort an.
Tab, der auf dem Beifahrersitz saß, hob lachend die Hände. "Hey, ich hab doch nur gefragt, wie es ihr geht."
"Es geht ihr hervorragend."
"Das freut mich."
"Und sie hat null Bock drauf, sich mit einem windigen Cop, der hinter jeder Schürze her ist, zu verabreden", erklärte Gary Maguin schneidend.
"Sagt sie das?", fragte Tab Jewison.
"Ich sage das", stellte Gary mit Nachdruck fest. "Ich bin ihr Bruder. Und mein Wort zählt. Alles klar?"
Tab nickte. "Alles klar."
Bei seiner Schwester reagierte Gary immer überempfindlich. Er fühlte sich als ihr Beschützer und hoffte, sie eines Tages mit einem Mann aus der gehobeneren Gesellschaftsschicht verheiraten zu können. Es sollte ihr gut gehen. Sie sollte niemals Sorgen haben. Ein Weiberheld wie Tab war Garys Ansicht nach nicht gut genug für sie.
Deshalb blockte er immer gleich ab, wenn Tab sich nach Rachel erkundigte. Es gab genug andere Frauen zum Spielen für den Casanova Tab Jewison.
Gary fuhr am Red Hook Park vorbei. Eine verwahrloste grauhaarige Frau hinkte den Bürgersteig entlang. Sie schob einen ramponierten Kinderwagen vor sich her. Ihre gesamte Habe war darauf gepackt.
Tab bedeutete seinem Partner, das Tempo zu verringern. "Hallo, schöne Frau!", rief er aus dem Fenster.
Sie warf ihm einen feindseligen Blick zu. "Leck mich!", spie sie ihm mit nur noch einem Zahn im Mund entgegen.
"Vielleicht ein andermal", gab der Sergeant gelassen zurück. "Wir suchen Ozzy Krasna."
"Dann seht zu, dass ihr ihn findet", sagte die Alte unfreundlich, schlug mit dem Kinderwagen einen Haken und hinkte davon, als hätte Tab sie beleidigt.
Er sah seinen Kollegen an und grinste. "Hat sie nicht einen umwerfenden Charme?"
"Soll ich ihr folgen?", fragte Gary Maguin. "Möchtest du dich mit ihr verabreden?" Er grinste süffisant.
"Ich setze sie vorerst auf die Warteliste", erwiderte Tab Jewison. "Sie soll erst mal ein wenig schmoren."
Gary bog in die Sullivan Street ein, fuhr diese entlang und bis zum Buttermilk Channel vor. Hier "logierte" die Penner-Kolonie, der der Lawyer angehörte. Die Cops stiegen aus. Der Wind hob mehligen Staub aus der Gosse und warf ihn den Polizisten ins Gesicht. Hier, auf der Straße, unter freiem Himmel leben zu müssen, war ein hartes Los.
Gary Maguin entdeckte Butch Dancer. Der Penner saß auf dem Boden. Er war so voll, dass er nicht stehen konnte, lehnte an der Hausmauer und stierte mit glasigen Augen vor sich hin. Was mochte er sehen? Machte der Alkohol irgendwelche unerfüllbare Träume für ihn wahr?
"Hallo, Butch", sprach Gary ihn an.
Dancer hob den Kopf. "Oh, Sergeant Maguin", sagte er mit schwerer Zunge.
Gary lächelte. "Wie ich sehe, geht es dir gut."
"Ich bin ziemlich besoffen", lallte Dancer. "Aber ich habe nicht die Absicht, öffentliches Ärgernis zu erregen."
"Wo ist Ozzy?", fragte Gary.
Dancer zuckte mit den Achseln. "Weiß nicht, Sergeant. Vor ein paar Minuten war er noch hier. Wir haben zusammen seine Pulle leer gemacht."
"Wohin ist er gegangen?", fragte Gary.
"Weiß nicht, Sergeant."
"Er soll ein Gespenst gesehen haben", sagte Gary.
Dancer schüttelte den Kopf. "Kein Gespenst, Sergeant. Ein Ungeheuer."
"Hast du es auch gesehen?", fragte Gary.
"Ich hab Ozzy auf den Kerl aufmerksam gemacht", sagte Butch Dancer.
"Was war es nun?", schaltete sich Tab Jewison mürrisch ein. "Ein Kerl oder ein Ungeheuer?"
"Weiß nicht, Sergeant", bekam auch er zu hören. "Vielleicht beides."
"Wie – beides?", fragte Tab irritiert.
"Vielleicht halb Kerl, halb Ungeheuer."
"Versuch es zu beschreiben?", verlangte Tab.
"Ich fürchte, das kann ich nicht."
"Wieso nicht?", wollte Tab wissen.
"Ich war nicht so nah dran wie Ozzy."
"Also müssen wir uns mit dem Lawyer unterhalten", meinte Gary Maguin seufzend.
"Da kommt er", gab Tab Jewison zurück.
Ozzy Krasna schwankte mit schwerer Schlagseite heran.
"Hör mal, Ozzy, was sind denn das für abstruse Horror-Meldungen, die du da in die Welt setzt?", fragte Gary.
"Daran ist absolut nichts abs-abs-abstrus, Sergeant", erwiderte Krasna. Ihm fiel das Sprechen schwer. Manche Wörter wollten ihm nicht mehr richtig über die Lippen kommen. "Ich habe mit einem Monster gekämpft."
"Warst du betrunken?", fragte Gary Maguin.
"Sicher war er betrunken", warf Tab Jewison brummig ein. "Wann ist er das nicht? Wenn man sein Gehirn über Jahre hinweg mit Fusel peinigt, ist es nicht verwunderlich, wenn es eines Tages nicht mehr richtig funktioniert. Willst du nicht auch schon mal eine Kreuzung zwischen Igel und Feuersalamander durch unsere Ausnüchterungszelle krabbeln gesehen haben, Ozzy?"
"Sie sollten ernst nehmen, was ich sage, Sergeant Jewison", riet der Penner dem ungläubigen Cop. Er stierte ihn mit großen Augen an. Seine Lippen glänzten feucht. "Ein mordgieriges Monster hat Brooklyn zu seinem Jagdrevier gemacht. Es hat versucht, mich umzubringen. Ich konnte es in die Flucht schlagen..."
"Oh, ein Held", bemerkte Tab zynisch. "Hollywood wird deine Geschichte verfilmen."
Gary Maguin wollte hören, was genau passiert war. Der Lawyer erzählte es. Gary verlangte eine Beschreibung des Angreifers, gegen den sich der Penner mit seiner Fackel so wacker, und vor allem so erfolgreich, geschlagen hatte. Und da war dann von einem struppigen Fell, von scharfen Krallen, spitzen Reißzähnen, gelb leuchtenden Augen, einer schwarzen Schnauze und einer glutroten Kehle die Rede.
Von einem Werwolf eben.
Doch die Cops glaubten dem betrunkenen Stadtstreicher kein Wort.