Читать книгу Morlands Horrorwelten: Das große Gruselroman-Paket - A. F. Morland - Страница 18
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ОглавлениеAls Tab Jewison von Jamie Lee Crichtons grausamem Tod erfuhr, war er zutiefst erschüttert. Er sah Gary Maguin an und hatte Tränen in den Augen. Selten war ihm der Tod eines Menschen so nahe gegangen.
Er hatte sich mit seinem Partner und Verbindungsmann am Paerdegat Basin getroffen. Sie gingen am Wasser entlang. Es war ein windiger Tag. Windig und grau.
"Sie war auf ihre Art etwas Besonderes", sagte Tab traurig und ernst. "Keine strahlende Schönheit, aber... Sie hatte das gewisse Etwas."
"Wenn das ein Frauenkenner wie du sagt, muss etwas dran sein."
Tab biss sich auf die Unterlippe. Der Wind zerzauste sein Haar. "Ich hatte vor, behutsam ihr Vertrauen zu gewinnen und über sie an Lou Beckinsale heranzukommen beziehungsweise von ihr Informationen über seinen einträglichen 'Nebenjob' zu erhalten. Und nun... Die ganze Mühe war umsonst. Ich stehe wieder am Anfang." Er seufzte und kickte verdrossen einen Kieselstein ins Wasser.
Gary Maguin schob die Hände in die Hosentaschen. "Mir kam zu Ohren, du hättest dich mit fünf Freunden des Drogen-DJ angelegt."
Tab Jewison schüttelte den Kopf. "Nicht ich habe mich mit ihnen angelegt, sondern sie sich mit mir."
"Und sie mussten mit blutigen Nasen das Feld räumen."
Tab zog die Augenbrauen grimmig zusammen. "Ich hab ihnen nichts geschenkt."
"Du musst in Bestform gewesen sein."
Tab nickte. "Das war ich. Sie nahmen den Mund zwar ziemlich voll, aber sie konnten mich nicht täuschen. Sie sahen allesamt aus wie Loser. Ich habe gespürt, dass ich ihnen überlegen bin. Wäre es nicht so gewesen, hätte ich mich mit Jamie Lee irgendwie zu verkrümeln versucht. So aber habe ich mich dem Kampf gestellt und mehr Schläge und Tritte ausgeteilt als eingesteckt. Nach meinem strahlenden Sieg hat Jamie Lee mich regelrecht angehimmelt. Ich war ihr Hero."
Sie schwiegen eine Weile.
Dann fragte Gary: "Was wirst du nun tun?"
Tab hob die Schultern. "Ich muss irgendwie versuchen, ohne Jamie Lees Hilfe auszukommen. Sie hätte den ersten Kontakt zwischen Lou Beckinsale und mir herstellen sollen. Das ist nun leider nicht mehr möglich, also muss ich irgendwie anders mit ihm in Verbindung treten."
"Du wirst seine Freunde wiedersehen."
Tab Jewison nickte mit finsterem Blick. "Das wird sich nicht vermeiden lassen."
"Sie werden sich revanchieren wollen."
"Wenn ich Glück habe, hält der DJ sie davon ab", sagte Tab.
"Und wenn nicht?"
Tab Jewison bleckte die Zähne. "Dann muss ich den Blödmännern noch mal die Hucke voll hauen."
Gary Maguin sah ihn ernst an. "Pass auf dich auf, Tab. Ich kann dir leider nicht beistehen, wenn es für dich haarig wird."
"Ich komm' schon irgendwie klar", erwiderte Tab zuversichtlich. "Mach dir um mich keine Sorgen." Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und schlug vor, umzukehren.
Sie gingen zu ihren Fahrzeugen zurück, die am Ende des Paerdegat Basin standen.
"Captain Pertwee hat Ben Sacks und Otis Walcott mit der Aufklärung des Mordes an Jamie Lee Crichton beauftragt", berichtete Gary Maguin.
Tab rümpfte die Nase, als hätte er üblen Gestank wahrgenommen. "Ich halte nicht viel von Sacks und Walcott."
"Ich weiß."
"Die erkennen nicht einmal dann eine Spur, wenn du sie mit der Nase darauf stößt", sagte Tab verächtlich. "Das sind zwei ausgemachte Nieten."
"Unser Chef hat eine bessere Meinung von ihnen", erwiderte Gary.
"Was haben sie denn schon mal Großartiges geleistet?"
"Nun, sie haben den Raubmord in der Gerritsen Avenue in Rekordzeit aufgeklärt", führte Gary ins Treffen.
Tab sah ihn scharf an. "Machst du Witze? Der Täter hat sich doch selbst gestellt."
"Und sie haben den Profikiller Max Calhoon erledigt", sagte Gary.
Tab wackelte mit dem Kopf. "Sie haben einen todkranken Mann, der sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte, zusammengeschossen. Eine großartige Leistung. Max Calhoon war noch nicht einmal bewaffnet, als sie ihn zusammenschossen. Er griff bloß in die Manteltasche, um seinen Inhalations-Spray herauszuholen."
"Sie dachten, er würde eine Waffe ziehen."
"Ich sage dir, sie werden Jamie Lees Mörder niemals finden."
Sie erreichten ihre Autos und gaben sich die Hand.
"Riskier nicht zuviel", warnte Gary Maguin den Freund, der die Probleme manchmal zu ungestüm anging.
"Wir bleiben in Verbindung", sagte Tab Jewison und stieg in seinen Wagen.
Er verzichtete darauf, seinen Kollegen zu bitten, seiner Schwester einen Gruß von ihm zu bestellen. Gary hätte das mit Sicherheit nicht getan.
Tab fuhr zum "Hot Stuff". In der stillen, menschenleeren Tiefgarage suchte er den Tatort und sah sich um. Das war zwar nicht sein Job, aber er traute Ben Sacks und Otis Walcott tatsächlich überhaupt nichts zu. Das waren in seinen Augen keine Polizisten, sondern Blindgänger, die man höchstens für unwichtige Botengänge hätte verwenden sollen.
Jamie Lee Crichtons Blut war weggewaschen worden. Nichts zeugte mehr von dem grausamen Verbrechen, dem das knabenhaft schlanke Mädchen zum Opfer gefallen war.
Dennoch suchte Tab gespannt nach irgendwelchen Hinweisen, die die ermittelnden Kollegen eventuell übersehen hatten. Plötzlich wurde ihm etwas Kaltes, Hartes ins Genick gedrückt. Er kannte dieses höchst unangenehme Gefühl.
Er erlebte das nicht zum ersten Mal. Seine Nackenhärchen stellten sich augenblicklich quer. Jemand bedrohte ihn mit einer Waffe, und jede zu rasche Bewegung hätte ihm den Tod bringen können. Denn niemand kann schneller sein als ein Finger am Abzug. So etwas klappt nur im Kino.
Tab versteifte. Er spreizte die Arme ab und regte sich nicht. "Hey, Mann, was soll das?", protestierte er. Frost kroch ihm in die Glieder. War Jamie Lees Mörder an den Tatort zurückgekehrt?
"Warum schnüffelst du hier unten herum?", wurde er grollend gefragt.
Er hätte gern gewusst, mit wem er es zu tun hatte. "Ich habe gehört, was hier passiert ist", sagte er.
"Und?"
"Ich wollte sehen..."
"Bist du ein perverser Aasgeier oder was?", blaffte der andere.
"Ich wollte doch nur..."
"Schnauze!", stieß der andere gereizt hervor. Er tastete ihn ab und fand seinen falschen Ausweis. "Kevin Cleese", las er. "Ach, du bist das."
Der Druck der Waffe war auf einmal weg. "Darf ich mich umdrehen?", fragte Tab mit einer Stimme, die dem andern zeigen sollte, dass er keine Angst hatte.
"Du darfst."
Tab drehte sich um. Langsam. Der Situation angemessen. Der andere war Lou Beckinsale. Ganz in Schwarz. Er trug Trauer. Er gab Tab Jewison den Ausweis zurück.
Ein unsichtbares Spannungsfeld knisterte zwischen ihnen. Der DJ hielt seinen Revolver noch immer in der Hand. Aber er zielte damit nicht mehr auf Tab.
"Weißt du, wer ich bin?", fragte Beckinsale.
Tab nickte.
"Dann weißt du auch, dass Jamie Lee mein Mädchen war."
Tab nickte wieder.
"Du hast sie in einer Bar in der Coney Island Avenue aufgerissen", sagte der DJ.
"Deine Kumpels hatten was dagegen."
"Du hast sie verdroschen."
Tab zuckte mit den Achseln. "Sie ließen mir keine andere Wahl."
Beckinsale maß ihn von Kopf bis Fuß. "Du wolltest Jamie Lee beeindrucken, eh?"
Tab antwortete nicht.
"Sie hat dich mit zu sich nach Hause genommen."
Tab sagte nichts.
"Hast du mit ihr geschlafen?", wollte Lou Beckinsale wissen. Seine Lippen zuckten unkontrolliert.
"Ist das denn jetzt noch wichtig?", fragte Tab Jewison zurück.
"Für mich schon."
"Sie ist tot", sagte Tab. Er schaute Beckinsale in die funkelnden Augen, seufzte und bemerkte, um die Situation zu entspannen: "Nein, ich habe nicht mit ihr geschlafen. Wir haben nur geredet. Zufrieden?"
"Ich glaube dir kein Wort!", stieß der DJ wütend hervor.
Tab zuckte gleichgültig mit den Achseln. "Dann lass es bleiben."
"Du bist ein gottverdammter Lügner!", krächzte Beckinsale. "Ich weiß, wie Jamie Lee war. Ich war lange genug mit ihr zusammen. Sie machte für jeden Kerl, der ihr imponierte, die Beine breit."
Tab sah ihn rügend an. "Ich finde, du solltest nicht in dieser Weise über sie reden."
"Es ist die Wahrheit."
"Aber sie lebt nicht mehr."
Der DJ presste die Lippen zusammen. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Er steckte seinen Revolver weg und sah Tab erschüttert an. "Ich hab sie gesehen. Sie sah grauenvoll aus, war nicht mehr zu erkennen. Wie kann ein Mensch einem anderen Menschen so etwas Furchtbares antun? Einer Frau. Einem Mädchen. Jamie Lee Crichton hat nie irgend jemandem etwas Böses getan. Wofür wurde sie so bestialisch bestraft?"
"Hat die Polizei mit dir gesprochen?", fragte Tab.
Lou Beckinsale nickte. "Ein Sergeant Sacks und ein Sergeant Walcott."
"Was hast du denen erzählt?"
Beckinsale zuckte mit den Achseln. "Nichts. Ich machte ja oben meinen Job, als es – als es... passierte."
"Warst du nicht sauer auf Jamie Lee?", fragte Tab.
Der DJ schüttelte den Kopf. "Ich habe sie geliebt."
"Aber sie machte immer wieder mit anderen Männern rum."
Lou Beckinsale hob die Schultern. "So war sie nun mal."
"Hat dich das nicht gestört?"
"Natürlich hat mich das gestört", gab Beckinsale zu. "Ich hätte sie lieber für mich allein gehabt, aber das war einfach nicht möglich. Ich musste mich damit abfinden."
"Was hast du empfunden, als du von mir hörtest?", wollte Tab wissen.
"Ich war wütend."
"Hast du Jamie Lee zur Rede gestellt?"
"Selbstverständlich. Und ich habe mich zu der Äußerung hinreißen lassen, ich würde ihr irgendwann noch mal den dünnen Hals umdrehen." Lou Beckinsale stockte. "Warum siehst du mich so an? Das hab ich bloß in meiner Wut gesagt. Ich hätte Jamie Lee niemals so etwas Schreckliches antun können."
"Hast du den Bullen von deiner unbeherrschten Äußerung erzählt?", fragte Tab.
"Natürlich nicht."
Tab nickte. "Daran hast du gut getan. Die hätten dich nämlich sonst mit Sicherheit kassiert." Er hob die Hände. "Von mir werden sie es auch nicht erfahren. Darauf kannst du dich verlassen. Ich hab was gegen Bullen. Aus ganz bestimmten Gründen." Er ließ ein kleines Stück von Kevin Cleeses erfundenem Lebenslauf hören und brachte den Drogen-DJ damit auf seine Seite. Lou Beckinsale schien ihm die Affäre mit Jamie Lee Crichton nicht länger krumm zu nehmen.
Mit dieser günstigen Startposition konnte der Undercover-Cop fürs erste voll zufrieden sein. Fortsetzung folgt, dachte Tab Jewison beruhigt. Aber nicht heute. Ich will ihn nicht misstrauisch machen.