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Vollmond über den Rocky Mountains.

In der Ferne heulte ein Wolf.

"Hört sich unheimlich an", sagte Wayne schaudernd. "Mir läuft es direkt kalt über den Rücken."

"Blödsinn", erwiderte Fist und lachte leise.

"Ehrlich. Ich hab 'ne richtige Gänsehaut."

Die Männer – auf Abenteuerurlaub in den kanadischen Rockies - lagen in ihren Daunen-Schlafsäcken im Zelt und lauschten gespannt in die Dunkelheit.

Das furchterregende Heulen kam näher, und irgendwann flüsterte Wayne: "Jetzt ist er da. Hörst du ihn? Der Wolf schleicht um unser Zelt."

Fist öffnete den Schlafsack-Reißverschluss. "Den hol' ich mir."

"Bleib lieber hier." Wayne hatte kein gutes Gefühl bei der Sache.

"Ich muss sein Fell haben", zischte Fist, schnappte sich seinen Revolver und schlüpfte aus dem Zelt.

Wayne richtete sich auf. Er hörte, wie sich die Schritte seines Jagdkameraden rasch entfernten. Seine Nervenstränge strafften sich. Er öffnete ebenfalls seinen Schlafsack und tastete nach seinem Gewehr.

Hätte er Fist begleiten sollen? Manchmal muss man ihn vor sich selbst schützen, ging es ihm durch den Sinn. Vor seinem Wagemut. Vor seinem Übereifer. Vor seiner Unbeherrschtheit. Vor seiner Selbstüberschätzung. Das war immer schon so und hat sich bis heute nicht geändert.

Kein Geräusch drang mehr an Waynes Ohr. Seine Unruhe begann zu wachsen. Er schälte sich aus dem Schlafsack. Seine Hand umklammerte das Gewehr.

Der Wolf war Fist gegenüber in der Nacht im Vorteil. Es war zwar Vollmond, aber der Himmel war wolkenverhangen. Dicke Wolkenbänke zogen nacheinander über die Berggipfel, deckten die große runde bleiche Scheibe immer wieder zu und machten die Nacht rabenschwarz und undurchdringlich.

In diesen Momenten konnte der Wolf angreifen, ohne dass Fist es merkte. Pfeilschnell konnte er ihn anspringen und ihm seine Fangzähne gnadenlos in die Kehle schlagen.

Wayne fröstelte bei diesem schrecklichen Gedanken. Er hieß nicht wirklich Wayne. Es war sein Spitzname. So, wie Fist der Spitzname seines Freundes war.

Sie kannten einander seit frühester Jugend. Damals hatte Wayne tagein, tagaus so sehr von John Waynes Filmen geschwärmt, dass man ihn nur noch "Wayne" gerufen hatte. Und Fist? Nun, der war schon als Teenager sehr jähzornig gewesen und auf alle immer gleich mit seinen Fäusten losgegangen, und damit hatte er sich den Nickname "Fist" erworben.

"Verfluchte Scheiße, immer muss er seinen Kopf durchsetzen", ärgerte sich Wayne. "Was mach' ich denn nur, wenn der Wolf ihn kriegt?"

Widerwillig kroch er aus dem Zelt. Er nahm sein Gewehr in beide Hände, war hochgradig nervös. Es gab mit Sicherheit mehr als einen Wolf in der Gegend.

Sie jagen mit Vorliebe im Rudel, dachte Wayne. Vielleicht sind ein paar von diesen blutgierigen Bestien ganz in meiner Nähe. Er leckte sich die Lippen und schluckte trocken. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab.

Er überlegte, ob er Fist zurückrufen sollte. Aber würde der Dickschädel auch zurückkommen? Bestimmt nicht. Fist tat immer, was er wollte. Damit hatte Wayne sich schon lange abgefunden.

Soeben verschwand der Vollmond wieder hinter einer breiten Wolkenbank. Wayne konnte nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen.

Er drehte sich langsam um die eigene Achse, war entschlossen, augenblicklich zu feuern, falls er angegriffen werden sollte. Seine Hände waren kalt und feucht.

Er atmete flach, damit ihm kein verräterisches Geräusch entging, und schalt seinen Freund im Geist einen ausgemachten Idioten.

Plötzlich...

Schüsse. Schreie. Kläffen. Knurren. Flüche. Und wieder Schüsse. Wayne wirbelte herum.

"Fist!" Er stürmte los, stolperte nach wenigen Schritten über eine dicke Wurzel, die weit aus dem Boden ragte, wäre beinahe gestürzt, schaffte es gerade noch, auf den Beinen zu bleiben. "Fist!"

Der Freund antwortete nicht. Was war passiert? Wo war Fist? Hatte der Wolf ihn gerissen und fortgeschleppt?

"Fist!", schrie Wayne wieder. "Fist, wo bist du?"

Keine Reaktion.

Das bedeutet nichts Gutes, dachte Wayne. Verdammt, ich hätte meine Handlampe mitnehmen sollen. Er stieß mit der Schulter gegen einen Baum.

Der Aufprall war nicht nur schmerzhaft. Er raubte ihm auch das Gleichgewicht, und diesmal konnte er nicht verhindern, dass er stürzte.

Lang schlug er hin. Er verlor sein Gewehr und hatte Erde zwischen den Zähnen. Angewidert spuckte er sie aus. Mit beiden Händen suchte er seine Waffe.

Sobald er sie gefunden hatte, stand er auf und eilte weiter. Aber nicht mehr ganz so schnell, weil sonst die Gefahr bestanden hätte, dass er sich noch ernsthaft verletzte.

"Fist!"

Wieder nichts. Wayne fragte sich, ob er überhaupt in die richtige Richtung lief. Hier irgendwo mussten Fist und der Wolf aufeinander getroffen sein.

Wer hatte gesiegt? Fist oder der Wolf? Da Fist nicht antwortete, sah Wayne sich gezwungen, Letzteres anzunehmen. Oder hatte Fist den Wolf angeschossen und war jetzt – blind und taub vor Jagdfieber – hinter ihm her?

Der Vollmond kam zum Teil zum Vorschein. Wayne sah etwas auf dem Boden liegen. Verchromtes Metall. Fists Revolver. Waynes Sonnengeflecht zog sich zusammen.

Fist! Wo war Fist?

Wayne bückte sich und hob die Waffe auf. Es klebte Blut daran.

"Oh, mein Gott!", entfuhr es Wayne. "F-i-s-t-!"

Er schob den Revolver in seinen Gürtel und suchte seinen Freund. Etwa zehn Schritte von der Stelle entfernt, wo der Revolver gelegen hatte, entdeckte er ihn schließlich. Er lag auf dem Bauch und regte sich nicht.

"Fist!", krächzte Wayne. "Allmächtiger..."

Er sank neben dem Freund auf die Knie. Seine Augen suchten den Wolf, mit dem Fist sich angelegt und dabei den Kürzeren gezogen hatte.

Das Tier war nirgendwo zu sehen. Hatte es das Weite gesucht? Lauerten noch andere Wölfe in der Dunkelheit auf ihre Chance, oder war Fist an einen Einzelgänger geraten?

Wayne legte sein Gewehr beiseite. Aber so, dass er es gleich wieder aufnehmen konnte, wenn es sein musste. Dann berührte er Fist vorsichtig.

"Hey! Junge!"

Fist reagierte nicht. Wayne drehte ihn behutsam um. Er sah, dass sein Freund mit dem Kopf auf einen Stein gefallen war. Vermutlich hatte er dabei das Bewusstsein verloren.

Wayne legte zwei Finger auf Fists Halsschlagader. Er spürte ein leichtes, regelmäßiges Zucken. Seine Pumpe arbeitet noch, dachte er erleichtert. Fists Hemd war zerrissen. Er blutete ziemlich stark an der rechten Schulter. Wayne bemühte sich, ihn wach zu kriegen. Er tätschelte so lange Fists Wangen, bis dieser die Augen aufschlug.

"Wo ist dieser Teufel, Wayne?" Fist hatte sich abrupt aufgesetzt und blickte sich suchend um. "Hast du ihn erledigt?"

Wayne schüttelte den Kopf. "Ich bin froh, dass er weg ist."

"Verdammt, sind wir nicht zum Jagen und Fischen hier?"

"In der Nacht schlafe ich lieber."

Fist stand auf. Wayne wollte ihm helfen, doch er lehnte ab. Er schien nicht zu spüren, dass er verletzt war. "Mann, war das ein Prachtexemplar", sagte er beeindruckt. "Ein Königs-Wolf war das. Groß, kräftig, furchterregend."

Wayne deutete auf seine Schulter. "Er hat dich ganz schön zugerichtet."

Fist winkte ab. "Ach, das sieht schlimmer aus, als es ist."

"Hast du denn gar keine Schmerzen?"

"Doch. Aber sie sind auszuhalten."

"Du bist ein harter Hund", sagte Wayne bewundernd. Fist hatte Schmerzen immer schon sehr viel besser weggesteckt als er.

Fist sah sich um. "Wo ist mein Revolver?"

"Ich habe ihn." Wayne zog die Waffe aus seinem Gürtel und gab sie ihm.

Sie kehrten zu ihrem Lagerplatz zurück. Im grellen Schein zweier starker Halogen-Handlampen versorgte Wayne erst mal notdürftig Fists Wunde.

"Morgen, bei Tageslicht, sehe ich mir die Verletzung genauer an", sagte er.

"Bist 'n prima Sanitäter", lobte Fist.

"Ich hätte ein schmerzstillendes Medikament dabei", sagte Wayne. Er legte alles, was er nicht mehr benötigte, in die Erste-Hilfe-Schachtel zurück.

"Ach, ein kräftiger Schluck Whisky tut es auch", erwiderte Fist. "Wo ist die Pulle?"

"In meinem Rucksack."

"Gib sie her."

Fist bekam die Flasche. Er öffnete sie, setzte sie an die Lippen und schluckte so lange, bis Wayne ihm die Bottle wegnahm. "Hey, was hast du vor? Willst du dich besaufen?"

Fist grinste. "Ich möchte nur gut schlafen."

"Das wirst du", sagte Wayne. "Und ich auch." Er trank ebenfalls und schob die Whiskyflasche wieder in seinen Rucksack. Eine halbe Stunde später schnarchten die beiden Männer mit lautem Ehrgeiz um die Wette.

Tags darauf widmete sich Wayne wieder der Wunde seines Freundes. Sie hatte sich leicht entzündet. Wayne wusch sie mit Wundbenzin aus und bestrich sie mit Jod. Anschließend deckte er alles dick mit einer gelblichen Heilsalbe ab und verband Fists Schulter fachgerecht.

Nach dem Frühstück schlug er vor, den Jagdurlaub abzubrechen – und so kehrten sie früher als geplant aus der Wildnis in die Zivilisation zurück.

In die Zivilisation...

Nach New York.

Morlands Horrorwelten: Das große Gruselroman-Paket

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