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Es wunderte Bryan de Havilland, der sich Kevin Cleese gegenüber Norman Forsythe nannte, dass der grauenvolle Mord an Jamie Lee Crichton keine Umsatzeinbußen zur Folge hatte. Der Run auf seine Drogen war nach wie vor ungebrochen. Ja er war sogar leicht angestiegen. Eine höchst erfreuliche Tatsache für de Havilland und Beckinsale. Der Mann, von dem Lou Beckinsale die Ware bezog, die er mit so großem Erfolg im "Hot Stuff" verhökerte, erschien mit seinen beiden Leibwächtern, nachdem der letzte Gast gegangen war. Der DJ schlichtete seine Schallplatten, CDs und Tonbänder.

"Die Coney-Island-Geschichte nimmt allmählich Formen an", sagte de Havilland zufrieden. "Die Angelegenheit wird langsam spruchreif."

Der DJ unterdrückte ein Gähnen. Er war müde. Es war zwei Uhr Früh. "Kevin wird es freuen, das zu hören", sagte er. "Er steht schon ziemlich nervös in den Startlöchern."

De Havilland rieb sich die Nase. "Das ist das einzige, was mir ein wenig zu denken gibt. Er ist zu eifrig. Sein Tatendrang könnte ihm zum Verhängnis werden."

"Er wird ihn unterdrücken", erklärte Beckinsale zuversichtlich.

Bryan de Havilland ließ seinen Blick durch das leere Lokal schweifen. "Schnüffeln hier noch viele Bullen herum?"

"Nach dem Mord an Jamie Lee tauchten sie einige Male bei uns auf, doch inzwischen scheinen sie sich mit dem Fall nicht mehr zu befassen", antwortete der DJ. "Sieht so aus, als hätten sie ihn als ungelöst zu den Akten gelegt."

Ein grimmiger Ausdruck kerbte sich um seine Mundwinkel. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn der grausame Killer für seine blutige Tat hätte büßen müssen. Wenn er ihn selbst in die Hände gekriegt hätte, hätte er ihn ohne mit der Wimper zu zucken kalt gemacht, aber die Hoffnung, dass ihm das gegönnt sein würde, würde sich wohl kaum erfüllen.

De Havilland deutete auf Beckinsale. "Ich möchte Kevin Cleese wiedersehen. Arrangiere ein Treffen."

Der DJ nickte. "Mach ich. Kein Problem."

"Ich denke, er kann sich in seinem neuen Gebiet bald einarbeiten", bemerkte Bryan de Havilland. "Ich muss nur noch ein, zwei Typen ruhig stellen. Diese Volltrottel haben noch immer nicht kapiert, dass man sich de Havillands Willen nicht widersetzt. Sollten sie nicht sehr bald nachgeben..." Er machte die Geste des Kehledurchschneidens. "Meine Geduld ist in Kürze zu Ende."

Lou Beckinsale wusste, dass er das ernst meinte. Es wäre ihm niemals eingefallen, sich gegen diesen gefährlichen Mann zu stellen.

Er war schließlich nicht lebensmüde. Bryan de Havilland bedeutete ein Menschenleben überhaupt nichts. Wer sich ihm in den Weg stellte, tat gut daran, vorher sein Testament zu machen, denn hinterher konnte es mit ihm so schnell talwärts gehen, dass ihm dazu keine Zeit mehr blieb.

De Havillands Leibwächter sprachen kein Wort. Sie hörten nur zu, schienen stumm zu sein. Als hätte ihr Boss ihnen die Zungen herausgerissen.

Bryan de Havilland zeigte wieder auf den DJ. "Ich höre von dir."

Lou Beckinsale nickte. "Schon bald."

De Havilland wandte sich an seine Bodyguards. "Gehen wir." Sie verließen zu dritt das "Hot Stuff" – und jemand anders betrat es kurz nach ihnen. Unbemerkt. Fast lautlos. Der DJ wähnte sich allein.

Das gesamte Personal hatte sich bereits verdrückt. Curtis Guttenberg, der Besitzer des Lokals, war heute überhaupt nicht hier gewesen.

Und gestern auch nicht. Und morgen würde er dem Tanz-Tempel ebenfalls fernbleiben. Er war zu seiner Großmutter nach Chicago geflogen.

Die alte Lady machte es wohl nicht mehr lange, und er wollte bei ihr sein, wenn sie für immer die Augen schloss, denn er liebte sie mehr als seine Mutter, war bei Grandma aufgewachsen, während seine Mutter herumgehurt hatte und kaum mal nüchtern gewesen war. Daran hatte sich noch immer nichts geändert. Guttenbergs Mutter war nach wie vor die gleiche versoffene, männergeile Schlampe wie vor zwanzig Jahren.

Beckinsale trug die Titel, die er an diesem Abend gespielt hatte, in eine Liste ein. Als er damit fast fertig war, beschlich ihn ein eigenartiges Gefühl.

Er wusste nicht, wodurch es hervorgerufen wurde, hatte irgendwie den Verdacht, nicht mehr allein zu sein, doch wenn er seinen Blick durch das Lokal schweifen ließ, konnte er niemanden sehen.

Waren Bryan de Havilland und seine kräftigen Leibwächter zurückgekommen? Hatte ihm de Havilland noch irgend etwas Wichtiges zu sagen? Ein Großteil des "Hot Stuff" lag im Dunkeln. Lou Beckinsale griff nach den Lichtschaltern und ließ ein paar Spots aufflammen.

Da!

Hatte er dort hinten eine Gestalt gesehen? Oder den Schatten einer Gestalt? Wollte irgendein Obdachloser hier drinnen die Nacht verbringen?

Einmal war das schon passiert. Der Kerl war von niemandem bemerkt worden. Er hatte sich einschließen lassen, hatte im Laufe der Nacht eine Flasche vom teuersten Kognak leergesoffen und anschließend im Vollrausch die Einrichtung demoliert, ehe er durch das Klosettfenster stiften ging.

So etwas durfte sich nicht wiederholen. Beckinsale besaß eine zweischüssige Derringer-Pistole. Er trug sie in einem Wadenholster.

Damit konnte er zwar auf zehn Meter Entfernung keinen Grizzly-Bären niederstrecken, aber wenn er nahe genug an einen Gegner herankam, konnte auch seine Spielzeug-Pistole ernst zu nehmenden Schaden anrichten.

Er bückte sich, streifte das Hosenbein hoch und griff sich die Waffe. Mit dem Daumen entsicherte er sie. Dann richtete er sich langsam wieder auf.

Abermals wanderte sein Blick durch das Lokal. Hatte es ein Ganove auf seine Ware abgesehen? Auf das Geld, das er bei sich trug? Auf beides?

Das einzige, was der Bastard von ihm kriegen würde, war eine Kugel in seinen gottverdammten Pelz. Beckinsale verließ seinen Arbeitsplatz.

Irgendwo ratterte ein Stuhl über den Boden. Jemand musste dagegen gestoßen sein. Also befand sich tatsächlich jemand im "Hot Stuff".

Jemand, der hier zu dieser vorgerückten Stunde nichts zu suchen hatte. Bryan de Havilland und seine Begleiter waren das bestimmt nicht. Die hatten keinen Grund, sich zu verstecken.

Spiegelsäulen stützten die Decke des Lokals. Hinter einer von ihnen musste sich der Kerl befinden. Beckinsale kniff gespannt die Augen zusammen.

Er blieb stehen und lauschte. Nichts war zu hören, aber es wäre ein unverzeihlicher Fehler gewesen, diesem trügerischen Frieden zu trauen.

Wenn der DJ keinen Dreck am Stecken gehabt hätte, hätte er die Cops anrufen können. So aber war es ihm lieber, die Angelegenheit selbst zu bereinigen, denn Bullen stellten zu viele Fragen, waren zu neugierig, wollten zu viel wissen. Beckinsale nahm eine eigenartige Ausdünstung wahr. Roch so ein Mensch? Wenn ja, dann höchstens einer, der wie ein Tier lebte. Auf der Straße. Im Park. Unter Brücken. In der Gosse. Einem solchen "Musterexemplar" fühlte sich Beckinsale mit der Derringer-Pistole in der Hand weit überlegen. Er versuchte herauszufinden, woher diese widerliche Ausdünstung kam.

Sobald er es zu wissen glaubte, setzte er sich mit langsamen, geschmeidigen, schleichenden Schritten in Bewegung. Er pirschte sich an eine der Spiegelsäulen heran, sah sich dabei die ganze Zeit selbst.

Er machte einen entschlossenen, bedrohlichen Eindruck, sah aus wie ein Mann, mit dem nicht zu spaßen war, der seine Waffe abfeuern würde, wenn man ihn dazu zwang.

Zwei Meter vor der Säule blieb er stehen. Er war kein Scharfschütze, aber auf diese geringe Entfernung würde er mit Sicherheit nicht daneben schießen.

Er beobachtete, wie sein Spiegelbild die Derringer hob. Sein Gesicht sah aus, als wäre es aus Granit gemeißelt. Sollte der Bursche so verrückt sein, ihn anzugreifen, würde er sein blaues Wunder erleben. Laut und scharf befahl er dem Unbekannten, hinter der Säule hervorzutreten. Nichts geschah. Der Idiot glaubt offenbar, mich täuschen zu können, indem er sich tot stellt!, dachte Beckinsale gereizt. Er tut so, als wäre er nicht da, als würde es ihn überhaupt nicht geben. Für wie dämlich hält er mich eigentlich?

Er sah den andern nicht. Aber er spürte seine Nähe. Und er roch ihn. Den sollte man in eine Industrie-Waschmaschine stecken und das gesamte Programm durchlaufen lassen, dachte Beckinsale. Inklusive Schleudergang.

Er wiederholte seine Aufforderung – noch lauter, noch schärfer. Als danach noch immer nichts passierte, entschloss er sich zum Angriff.

Er flitzte vorwärts und an der Spiegelsäule vorbei. Seine Pistolenhand war weit vorgestreckt – und was er dann zu sehen bekam, ließ ihn zum erstenmal in seinem Leben an seinem Verstand zweifeln.

Er prallte entsetzt zurück und begriff im selben Augenblick, dass er die Bestie vor sich hatte, die Jamie Lee Crichton so grauenvoll zugerichtet hatte.

Beckinsale ließ die Waffe sinken. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er dieses furchterregende Ungeheuer damit ernsthaft verletzen konnte.

Vor ihm stand – er fasste es kaum - ein Wolf. Auf zwei Beinen. Groß. Kraftstrotzend. Mit gesträubtem Fell und gelb leuchtenden Augen.

Beckinsale wagte sich nicht zu bewegen. Eiseskälte durchströmte seinen Körper und lähmte ihn. Er war nicht einmal in der Lage, um Hilfe zu rufen. Es wäre ohnedies sinnlos gewesen. Niemand hätte ihn gehört. Der DJ versuchte keine Erklärung für die Existenz dieses Monsters zu finden. Er nahm das Scheusal einfach als grauenerregende Tatsache hin und hatte ganz entsetzliche Angst um sein Leben.

Bisher hatte sich der Werwolf nicht bewegt, doch nun ging ein jäher Ruck durch seinen Körper, und Beckinsale zuckte heftig zusammen.

Tu etwas!, schrie eine Stimme in ihm. Steh nicht wie ein Opferlamm da! Unternimm etwas gegen diesen gefährlichen Killer! Du hast eine Pistole! Schieß auf ihn! Erschieß ihn!

Der DJ schaffte es, die kleine Waffe wieder zu heben. Der Werwolf stieß ein drohendes Knurren aus. Beckinsale drückte trotzdem ab. Und gleich noch einmal.

Die 22-er-Projektile trafen das Untier zwar, aber sie vermochten es nicht niederzustrecken. Die Kugeln machten die Bestie nur wütend.

Sie riss ihr Maul weit auf und stieß ein ohrenbetäubendes Gebrüll aus. Beckinsale wurde davon regelrecht zurückgestoßen. Und plötzlich konnte er seine Beine wieder bewegen.

Er ließ die leergeschossene Derringer-Pistole fallen, wirbelte herum und ergriff die Flucht. Der Werwolf folgte ihm. Er war schnell.

Schneller als Beckinsale. Mit wenigen Sätzen holte er ihn ein und versetzte ihm einen schmerzhaften Prankenhieb. Aufschreiend stürzte der DJ zu Boden.

Das Monster setzte nach. Beckinsale rollte unter einem Tisch durch, sprang auf der anderen Seite auf, griff nach der Lehne eines massiven Stuhls, riss ihn hoch und richtete die Stuhlbeine wie ein Dompteur gegen das Scheusal.

Die Bestie drosch den Stuhl mit wuchtigen Schlägen kurz und klein – als bestünde er aus dünnem Sperrholz. Mit einem weiteren kraftvollen Prankenhieb schlug der Werwolf dem DJ aus den Händen, was dann noch vom Stuhl übrig war.

In den Lagerraum!, schrie die Stimme in Beckinsale jetzt. Rette dich in den Lagerraum!

Es grenzte für Beckinsale an ein Wunder, dass er noch nicht verletzt war. Mit Jamie Lee hat dieser blutrünstige Köter leichteres Spiel gehabt, dachte er. Aber er kriegt auch mein Leben, wenn es mir nicht gelingt, mich vor ihm auf der Stelle in Sicherheit zu bringen. Er ist zu stark für mich. Ich bin ihm nicht gewachsen. Und man kann ihm mit keiner "gewöhnlichen" Waffe beikommen. Meine Kugeln haben ihn zwar getroffen, aber er blutet nicht einmal.

Das Ungeheuer duckte sich zum Sprung. Beckinsale hetzte in eine Loge. Hinter ihm hackte das Untier den Tisch mit einem einzigen Schlag entzwei.

Seine rasiermesserscharfen Krallen zerfetzten die gepolsterte Logenbank. Beckinsale rettete sich in die Nachbarloge. Die Zähne des Scheusals verfehlten ihn nur knapp.

Er hörte, wie sie hart aufeinander schlugen. Eigentlich hätten sie bei so viel Kraft zersplittern müssen. Mit unheimlich viel Glück schaffte es der Drogen-DJ, sich in den Lagerraum zu retten.

Kaum hatte er die schwere Metalltür zugeworfen und verriegelt, da hämmerte der Werwolf auch schon mit seinen mächtigen Pranken hart dagegen. Wumm! Bumm! Wumm! Bumm! Jeder dieser Treffer wäre für Lou Beckinsale absolut tödlich gewesen. Das Scheusal hörte nicht auf, zu wüten und zu toben. Es wollte nicht akzeptieren, dass die Tür es davon abhielt, sich Beckinsales Leben zu holen.

Handy!, schoss es dem DJ durch den Kopf. Wo ist mein Handy? Er tastete sich nervös ab. Hatte er das Mobiltelefon bei sich? Lag es irgendwo zwischen den Schallplatten, CDs und Tonbändern? Er fand es in der Brusttasche seines Hemds.

Angeblich sollte man es an dieser Stelle nicht tragen, weil dies nicht gut fürs Herz war, aber er hatte noch nichts davon gemerkt.

Der Werwolf rannte mit immer größerer Wucht gegen die verriegelte Tür an. Wie lange würde sie seinen Attacken noch standhalten?

Beckinsale holte das Handy hastig heraus. Er zitterte so heftig, dass es ihm aus der Hand fiel. Hart landete es auf dem Steinboden und brach auseinander.

"Verfluchte Scheiße!", stieß Beckinsale verzweifelt hervor. "Auch das noch!"

Das Monster hörte nicht auf, gegen die Tür anzurennen. Beckinsale bückte sich und sammelte aufgewühlt die Handy-Teile ein.

Die Metalltür hätte dem tobenden Scheusal noch lange getrotzt, aber das Mauerwerk, das sie umgab, stellte sich als kritische Schwachstelle heraus. Es bekam Risse und Sprünge. Mit jedem Ansturm wurden sie tiefer. Irgendwann würde die Tür in den fensterlosen Lagerraum fallen, und dann konnte die mordgierige Bestie nichts mehr davon abhalten, ihr schutzloses Opfer zu zerfleischen.

Ich brauche Hilfe!, dachte der Drogen-DJ verstört. Scheiß drauf! Die Bullen müssen her! Ich muss sie anrufen!

Seine Finger zitterten noch immer so sehr, dass er die Handy-Teile kaum zusammensetzen konnte. Immer wieder fiel ihm irgend etwas aus der Hand, und er wollte die Teile in der Aufregung auch immer wieder verkehrt zusammenfügen, was natürlich nicht möglich war.

Aber irgendwann hatte er sie schließlich doch richtig beisammen, und nun hoffte er, dass die Elektronik noch funktionierte.

Wenn nicht, war er erledigt, da machte er sich nichts vor. Wumm! Bumm! Wumm! Bumm! Mauerbrocken prasselten auf den Boden. Wumm! Bumm! Wumm! Bumm! Ein beängstigender Erfolg zeichnete sich für den Werwolf ab. Wumm! Bumm! Wumm! Bumm!

Lou Beckinsale testete sein Handy. Es funktionierte noch. Der DJ konnte sein Glück kaum fassen. Er wählte angstschlotternd den Polizei-Notruf.

Wirres Zeug sprudelte aus seinem Mund. Satzfragmente. Wortfetzen... Und dann riss die Verbindung ab. Wumm! Bumm! Wumm! Bumm! Beckinsale hielt sich die Ohren zu. Er konnte das schon nicht mehr hören.

Morlands Horrorwelten: Das große Gruselroman-Paket

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