Читать книгу Morlands Horrorwelten: Das große Gruselroman-Paket - A. F. Morland - Страница 36
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ОглавлениеZwei Tage später.
Es war Abend, ein düsterer grauer Herbstabend. Kurt Trost kam in die Garage. Eine riesige Halle, in der normalerweise zehn riesige Lastkraftwagen mit Anhänger standen.
Heute standen nur drei von diesen Riesen da. Und bald würden es noch einer weniger sein, denn Trost musste nach Salzburg fahren. Ein ölverschmierter Mechaniker kroch eben unter dem Lkw hervor.
"'n Abend, Rudi!", sagte Kurt Trost.
"'n Abend, Kurt!", erwiderte der Mann im schmutzigen Overall. Er war groß und schlank und schien mit Trost auf freundschaftlichem Fuß zu stehen.
"Ist der Brummer in Ordnung?", erkundigte sich Trost. Er öffnete die Tür und warf seine Tasche auf den Sitz.
"Alles bestens", nickte der Mechaniker. "Ich hab' dir hinten neue Reifen aufgezogen. Die anderen fingen bereits an, lebensgefährlich zu werden."
"Danke, Rudi."
"Danke? Wofür?", grinste der Mechaniker.
"Nur so", meinte der Fernfahrer achselzuckend. "Wie geht's sonst?"
"Es geht - einigermaßen. Meine Tochter ist vorgestern in die Schule gekommen. Große Aufregung zu Hause, kannst du dir ja vorstellen. Und wie sieht's bei dir aus? Alles in Ordnung?"
Trost zog die buschigen Augenbrauen ärgerlich zusammen.
"Alles. Bis auf den verdammten Nachbarn."
"Der Schriftsteller?"
"Ja."
"Was tut er denn?"
"Klappert fast jede Nacht auf der Schreibmaschine, dass ich nicht schlafen kann, dieser Idiot."
"Hast du schon mit ihm gesprochen?"
Trost nickte grimmig. "Vorgestern war ich bei ihm und hab's ihm gesagt. Ein Wort gab das andere. Zu guter Letzt hab' ich ihm eine 'runtergehauen." Trost lachte. "Der schreibt nicht so bald wieder, das sag' ich dir. Ich hab' eine gute Handschrift."
Der Mechaniker lachte amüsiert. Er streifte den schmutzigen Ärmel seines Overalls hoch und blickte auf seine Armbanduhr.
"Schon elf", sagte er. "Ich muss gehen."
"Ja. Verschwinde. Warst ohnedies lange genug da."
"Grüß Salzburg von mir."
Kurt Trost nickte. "Mach' ich." Er kniff das rechte Auge zu und grinste. "Eine halbe Stunde gehört noch mir. Ich werde mich ein bisschen aufs Ohr hauen. Kann auf keinen Fall schaden."
Der Mechaniker verabschiedete sich und verschwand. Trost kletterte in seinen Lastwagen. Eine Weile hörte er den Mechaniker noch in der Garderobe. Dann war es still in der riesigen Garage. Nahezu alle Lichter waren ausgeschaltet.
Trost schlief buchstäblich von einer Sekunde zur anderen ein.
Plötzlich schreckte er hoch.
Benommen blickte er auf die Uhr am Armaturenbrett. Zwanzig Minuten waren vergangen.
Verschlafen rieb er sich die müden Augen. Das konnte ja heiter werden, wenn er jetzt schon so müde war. Und dann noch die dreihundert Kilometer bis Salzburg.
Er gähnte und strengte seine Augen an, um den Blick durch die dunkle Garage schweifen zu lassen.
Was hatte ihn geweckt? Warum war er so plötzlich hochgeschreckt?
Er unterdrückte ein neuerliches Gähnen. Die Tür! Ja. Es war die Tür gewesen. Sie war aufgemacht und gleich darauf wieder geschlossen worden.
Der Mechaniker. Es war sicher der Mechaniker. Er hatte etwas vergessen und war noch einmal zurückgekommen.
Trost kurbelte das Seitenfenster herunter und rief lachend: "Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Beinen, was, Rudi?"
Keine Antwort.
"Rudi?"
Nichts.
Trost verstand das nicht. Sein Kollege hätte geantwortet, wenn er zurückgekommen wäre.
"Rudi!"
Der Ruf hallte gespenstisch durch die riesige dunkle Garage. Zitternd brach er sich an den hohen schmutzigen Wänden und kam als Echo zurück. Kurt Trost wurde stutzig. Hier stimmte doch irgendetwas nicht. Er öffnete die Tür. Sie quietschte leise.
Er glitt langsam vom Fahrersitz herab. Sein Fuß erreichte das Trittbrett. Er blieb lauschend stehen. Kein verdächtiges Geräusch war zu hören. Es war alles still.
Trotzdem war es keine Einbildung gewesen. Er kannte das typische Geräusch, das die Eingangstür macht, wenn man sie aufmacht und schließt. Für ihn gab es keinen Zweifel. Jemand hatte die Tür bewegt. Aber wer? Rudi? Warum antwortete der Monteur nicht?
Trost sprang vom Trittbrett, ging vorsichtig in die Hocke und verweilte einige Sekunden in dieser Stellung, ehe er sich wieder aufrichtete. Ein Schatten huschte von der Tür weg.
Trost konnte ihn nicht sehen. Der Laster verdeckte den Blick in diese Richtung.
Eine seltsame Unruhe befiel den Fernfahrer. Er wollte Gewissheit haben. Wenn es sich um einen Einbrecher handeln sollte, würde er mit ihm kurzen Prozess machen.
Trost ging zur Tür. Sie war nicht ganz geschlossen.
"Aha", nickte er. Er wandte sich langsam um und ließ wieder den Blick schweifen. "Ist hier jemand?"
Plötzlich ruckte sein Kopf herum. Er hatte ein schleifendes Geräusch gehört.
Also doch. Es war jemand hier.
"Hallo! Ist hier jemand?", fragte Kurt Trost ärgerlich. Es war idiotisch von dem Kerl, hier Verstecken zu spielen.
Der Fernfahrer presste die Kiefer fest zusammen. Seine Backenmuskeln zuckten. Er suchte die Umgebung nach einem Gegenstand ab, mit dem er sich für alle Fälle bewaffnen konnte. Seine Augen blieben an einem großen schweren Schraubenschlüssel hängen. Er griff danach und nahm ihn hastig vom Haken.
Das Wort Angst kannte Kurt Trost bisher nicht in seinem Sprachschatz.
Trotzdem konnte er sich dieses flaue Gefühl in der Magengegend nicht recht erklären. Er wollte diesem verfluchten Spuk ein Ende bereiten. Deshalb machte er zwei schnelle Schritte vorwärts. Er hob den Schraubenschlüssel halb hoch und schrie wütend: "Komm sofort aus deinem Versteck heraus, Junge, sonst schlage ich dir den Schädel ein, wenn ich dich erwische!"
Nichts.
Trost fuhr sich nervös über die trockenen Lippen.
"Wird's bald?", knurrte er.
Keine Reaktion.
"Hier gibt es nichts zu stehlen! Komm 'raus und verschwinde. Sonst rufe ich die Polizei!"
Wieder nichts.
In der Dunkelheit standen die drei großen Lastwagen. Schwer und behäbig standen sie da. Nur sie boten dem Kerl die Möglichkeit, sich zu verstecken. Eben wechselte der Schatten wieder seine Position. Trost hörte die Schritte nicht.
Er zuckte ärgerlich die Achseln. "Na schön! Wie du willst, Freundchen!"
Der Fernfahrer war nicht gewillt, sich zum Narren halten zu lassen. Er lief auf die Lkw zu. Sein Blick war grimmig. Sein Gesichtsausdruck war entschlossen. Er würde mit dem Schraubenschlüssel zuschlagen.
Trost wieselte zwischen den dicht nebeneinander stehenden Lkw hindurch. Er kannte sich in der Garage gut aus. Er war hier zu Hause. Wieder waren leise Schritte zu hören. Trost grinste. Er war dem Kerl schon ziemlich nahe gekommen. Ein furchtbares Stöhnen geisterte plötzlich durch die Garage.
Trost stockte der Atem. Mit einem mal verließ ihn der Mut. Was war das gewesen? Ein grauenvolles Geräusch.
Trost blieb wie angewurzelt stehen. Kleine Schweißtröpfchen bildeten sich auf seiner Stirn. Wieder die schleifenden Schritte. Ein unerklärliches Gefühl beschlich den Fernfahrer. Unwillkürlich ließ er den Arm sinken, der den Schraubenschlüssel hielt. Eine seltsame Kälte kroch ihm über den Rücken. Er schüttelte sich ärgerlich. Was war denn nur mit ihm los?
Vorsichtig wandte er den Kopf nach hinten. Plötzlich hatte er das Gefühl, jemand würde ihn beobachten. Und zwar von allen Seiten gleichzeitig. Er schaute zu dem Glaskasten mit der Tür hin. Das Büro des Chefs. Dort drinnen standen zwei Schreibtische und zwei Telefonapparate.
Er musste die Polizei anrufen. Die Sache war ihm nun nicht mehr geheuer.
Hastig wandte er sich um und lief zu dem Glaskasten. Aus den Augenwinkeln sah er einen Schatten blitzschnell näher huschen. Sein Kopf fuhr herum. Er japste aufgeregt nach Luft.
Ein Mönch!
Er sah einen Mönch. Graue Kutte. Die Kapuze hochgezogen. Die Arme in den Ärmeln versteckt. Obwohl man im allgemeinen nichts Böses von einem Mönch erwartet, ging von dieser Erscheinung eine erschreckende Ausstrahlung aus.
Trost wich vor dem langsam näher kommenden Mönch Schritt um Schritt zurück.
Dass er den Schraubenschlüssel in der Faust hielt, kam ihm gar nicht zum Bewusstsein.
Plötzlich passierten alle grauenvollen Dinge auf einmal. Der Mönch riss die Arme aus der Kutte. Kurt Trost wurde von Grauen gepackt, als er die mächtigen Krebsscheren erblickte.
Die Kapuze fiel vom mumifizierten Kopf des Monsters. Und dann fiel die ganze Kutte zu Boden. Trost erstarrte, als er den kräftigen Affenkörper des Ungeheuers erblickte. Die Spinnweben in den Augen des blinden Monsters riefen würgenden Ekel in ihm hervor.
Ein Tier. Es war ein furchterregendes, übel gestaltetes Tier. Der kahle Schädel, an dem die Ohren und die Nase fehlten, war aschgrau.
Es war ein Ungeheuer! Sein Name war Gorra!
Gorra, das Geschöpf des Teufels! Trost konnte einfach nicht glauben, was er sah. Es war zu schrecklich, zu wahnsinnig, zu gefährlich. Eine furchtbare Angst schnürte seine heiße Kehle zu. Er schwitzte. Der Schweiß rann ihm in kleinen Bächen über das Gesicht. Er wusste nicht, was er tun sollte.
Gorra kam immer näher. Trost stieß mit dem Rücken gegen die kalte Wand. Er konnte nun nicht mehr weiter zurückweichen. Als er sich dessen bewusst wurde, begann er entsetzt zu schreien.
Die Krebsscheren - überdimensionale Gliedmaße - begannen zu zucken. Das Monster schnaufte gierig. Der grausame Mund verzog sich zu einem diabolischen Grinsen.
"Nein!", schrie der Fernfahrer in panischer Angst.
Gorra hackte mit den Krebsscheren nach dem Mann. Trost duckte sich instinktiv.
Die rechte Schere des Ungeheuers krachte gegen die Wand. Der Putz rieselte von den Ziegeln. Es war ein gewaltiger Schlag gewesen. Das Monster schien übernatürliche Kräfte zu besitzen.
Trost hetzte geduckt los. Er rannte zu den Lastwagen zurück. Der Schraubenschlüssel entfiel ihm. Gorra jagte hinter ihm her. Trost warf sich auf den Boden. Er rollte sich seitlich unter den rechten Laster und kam auf der anderen Seite wieder hoch. Er sprang zu einem Fahrerhaus hinauf und legte sich drinnen flach auf den Boden.
Gorra suchte ihn.
Trost hörte die schweren Schritte des gefährlichen Ungeheuers.
Tapp! Tapp! Tapp!
Trost hörte sein Herz hämmern. Er fürchtete, das Monster könnte diese hektischen Schläge vernehmen. Zitternd lag der Fernfahrer im Fahrerhaus. Gorra umschlich die Laster. Das Monster durchsuchte ein Fahrzeug nach dem anderen. Und zwar gründlich, wie es schien.
Trost wischte sich den brennenden Schweiß aus den Augen. Vielleicht hatte er noch eine kleine Chance. Er musste den Wagen starten. Wenn es ihm gelang, loszubrausen, konnte er die Garagentür einfach rammen und davonfahren.
Wenn es ihm aber nicht gelang…
Die Fahrzeuge hatte alle schon eine Menge Jahre unter der Motorhaube. Beim ersten mal sprangen sie fast nie an. Er musste es trotzdem versuchen. Es blieb ihm keine andere Chance.
Zitternd tastete sich Trost zum Anlasser hinauf. Der Motor hustete. Nichts. Da wurde die Tür aufgerissen. Trost starrte in das fürchterliche Gesicht des Monsters und stieß einen gellenden Entsetzensschrei aus.
Er ließ sich auf der anderen Seite aus dem Fahrzeug fallen. Gorra zerschlug mit einem einzigen Hieb das Lenkrad. Trost rannte zum Büro. Jetzt konnte ihm nur noch die Polizei helfen.
Das war ein Trugschluss, denn Gorra war ihm in diesem Augenblick ganz dicht auf den Fersen. Wo kam dieses schreckliche Tier her? Wieso hierher? Wieso in diese Garage? Wieso zu ihm?
Trosts Kopf war voll mit diesen Fragen. Was war das für ein schreckliches Geschöpf? Weder Mensch noch Tier! Was war es? Trost riß den Hörer von der Gabel. Er. wählte mit zitternden Fingern die Nummer der Polizei.
Gorra, diese Teufelsbrut, ließ ihm noch ein paar Sekunden.
"Hallo!", keuchte Trost in panischem Entsetzen in die Sprechmuschel. Sein Blick war starr auf die Tür gerichtet, die er hinter sich zugeworfen hatte. Gorras unheimlicher Schatten zeichnete sich deutlich darauf ab.
"Hallo! Bitte kommen Sie schnell! Es geht um Leben und Tod!"
In diesem furchtbaren Augenblick zerplatzten sämtliche Scheiben in der Tür. Gorra hatte das Glas mit den mächtigen Krebsscheren eingeschlagen. Das Glas prasselte auf den Boden.
Trost stieß einen furchtbaren Schrei aus. Er schlug mit dem Telefonhörer mehrmals heftig auf den kahlen Schädel des Ungeheuers. "Weg! Weg! Weg!", brüllte er dabei ununterbrochen.
Gorra packte seinen Arm mit der linken Schere. Ein höllischer Schmerz durchzuckte Trost. Das Ungeheuer hatte ihm den Arm, der den Telefonhörer gehalten hatte, einfach abgeschnitten.
Blut schoss aus der grauenvollen Wunde. Trost stieß einen wahnsinnigen Schrei aus.
Nun krachten die mörderischen Scheren des Monsters mehrere male blitzschnell auf ihn nieder.
Der Körper des Fernfahrers wurde buchstäblich zerfetzt. Gorra packte den Toten mit den kräftigen Zangen. Er zerrte ihn aus der Garage, nahm seine Mönchskutte mit, schleppte die schlaffe Leiche durch schmale, menschenleere Straßen und erreichte mit dem Toten schließlich eine Brücke, die über den Donaukanal führt.
Ohne zu zögern, hob das Ungeheuer den Leichnam hoch. Trosts verstümmelter Körper kippte über das Geländer und stürzte in die Tiefe. Wenige Augenblicke später hörte man das Aufklatschen auf der Wasseroberfläche. Das blutige Menschenbündel trieb durch das nächtliche Wien. Gorra machte sich aus dem Staub. Und niemand sah ihn.