Читать книгу Morlands Horrorwelten: Das große Gruselroman-Paket - A. F. Morland - Страница 31
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ОглавлениеGary hatte Rachel verunsichert. Und er hatte ihr Angst gemacht. Sie erhob sich, stand plötzlich unter Hochspannung. Was ihr Bruder so aufgewühlt von sich gegeben hatte, konnte nicht erfunden sein. Aber es fiel ihr entsetzlich schwer, das Gehörte zu glauben.
Tab, der Mann, den sie liebte, ein grausamer Mörder. Ein Monster. Ein Werwolf. Und sie war heute Nacht in seiner Nähe in ganz großer Gefahr.
Sie hörte ihn in der Küche hantieren. Er hatte gesagt, er würde für sie kochen. Gulasch. Feurig scharf. Angeblich war er darauf spezialisiert.
Rachel erinnerte sich, dass ihr Bruder von den Gulasch-Kochkünsten seines Freundes und Partners bereits mehrmals geschwärmt hatte.
In ihrem Kopf hallten Garys Worte: "Du bist in großer Gefahr." - "Tab will dich umbringen." - "Rachel, ich möchte, dass du Tabs Apartment auf der Stelle verlässt." – "Geh! Geh raus aus seiner Wohnung! Flieh vor Tab, solange du noch kannst. Wenn er sich verwandelt, bist du verloren!"...
Ihr Blick wanderte zur Wohnungstür. Sie setzte sich in Bewegung. Im selben Moment kam Tab aus der Küche, und ihm fiel sofort ihre Absicht auf.
Er trat ihr in den Weg. "Wohin willst du?"
"Ich habe – habe in meinem Wagen etwas vergessen", stammelte sie.
"Was?", wollte er wissen.
"Ich bin gleich zurück", antwortete sie ausweichend.
Er schüttelte den Kopf. "Du kannst jetzt nicht fortgehen."
"Ich bin ja in zwei Minuten wieder hier."
"Das Gulasch ist fertig", sagte er. "Es schmeckt nur, wenn es ganz heiß serviert wird." Er deutete mit dem Kopf auf den Speisetisch, der festlich gedeckt war. In den blitzenden Rotweingläsern steckten blütenweiße Damastservietten. "Setz dich", verlangte er. "Wer hat vorhin angerufen?"
"Eine Freundin", log Rachel.
"Kenne ich sie?"
"Nein."
"Was wollte sie?", fragte Tab.
"Sie wollte sich mit mir treffen. Ich hab ihr gesagt, dass das heute nicht möglich ist. Wir sehen uns morgen." Eiskalte Schauer rieselten über ihren Rücken. Sie stellte fest, dass Tab sich verändert hatte. Zunächst mal in seinem Wesen. Er hatte nichts Liebenswertes mehr an sich. Eine spürbare Feindseligkeit, die er kaum verbergen konnte, ging von ihm aus. Und sein Aussehen war auch nicht mehr deckungsgleich mit jenem Tab Jewison, der er sonst immer war.
Sein Hals war breiter geworden, und es begannen vereinzelt dunkle Haare aus ihm zu sprießen. Rachel Maguin fröstelte. Mein Gott, dachte sie aufgewühlt. Gary hat mit allem, was er gesagt hat, Recht!
"Was ist mit dir?", fragte Tab. Er lächelte. Seine Lippen waren dunkel geworden. Sie entblößten neu geformte Zähne. "Du zitterst ja. Hast du etwa Angst vor mir?" Er erweckte den Anschein, als hätte er sich darüber gefreut.
"Angst?", krächzte sie. "Vor dir? Wie kommst du denn darauf?"
"Du siehst so aus", behauptete Tab. "Ich sehe sogar panische Angst in deinen Augen."
"Ich muss zu meinem Auto..." Sie wollte an ihm vorbeigehen, doch er trat ihr sofort wieder in den Weg. Seine Ohren wurden länger.
Er schüttelte den Kopf. "Ich kann dich nicht gehen lassen, Rachel. Du musst bleiben. Du bist zu mir gekommen, um die Nacht mit mir zu verbringen. Wir haben eine wundervolle Vollmondnacht vor uns. Eine unvergessliche Vollmondnacht." Er starrte ihr fest in die Augen, schien sie damit zur Wahrheit zwingen zu wollen. "Dich hat vorhin keine Freundin angerufen. Wer war es wirklich?"
"Gary", platzte es aus ihr heraus, ohne dass sie es wollte.
Tab grinste. Es sah irgendwie gemein aus. "Mein bester Freund. Dein Bruder. Was wollte er?"
"Er weiß über dich Bescheid."
Tab kniff die Augen zusammen. "Was weiß er?"
"Er hat mich vor dir gewarnt."
"Vor mir gewarnt? Aber wieso denn?"
"Ja, weißt du denn nicht, was mit dir los ist?"
"Sag du es mir!", verlangte Tab. Die Farbe seiner Augen veränderte sich. Es begann ganz unmerklich, schritt dann aber immer rascher voran.
Rachels Herz hämmerte wild gegen die Rippen. Aus ihr sprudelte alles heraus, was Gary gesagt hatte. Auch, dass Tab die Absicht hätte, sie zu töten.
Tab widersprach nicht, und das musste Rachel mit einer schockierenden Bestätigung gleichsetzen. Sie sah Tab entsetzt und ungläubig an.
"Es wird dir nicht gelingen", flüsterte sie bebend. "Du wirst es nicht können, weil du mich liebst."
Er schüttelte den Kopf. Seine Augen waren zu gelben Lichtern geworden. "Ich kann nicht lieben, Rachel. Nicht in Vollmondnächten."
"Hast du gewusst, dass du der Mörder von Jamie Lee Crichton und Lou Beckinsale bist?"
"Anfangs nicht", gab er zur Antwort. Die Metamorphose schritt unaufhörlich fort. "Die Taten waren hinterher wie fortgewischt. Ich konnte mich nicht daran erinnern. Aber ich machte mir über mich – wie Gary – so meine Gedanken, begann mich zu beobachten, und mit der Zeit kristallisierte sich ein Bild heraus, das mich immer klarer erkennen ließ, wie es um mich bestellt ist."
"Du hast dich als Polizist praktisch selbst gejagt."
"So sieht es aus."
"Und du hast mich in deine Wohnung gelockt, um..."
"Glaube mir, ich habe sehr mit mir gerungen, Rachel", sagte er. "Aber je näher der Abend rückte, desto schwächer wurde mein Widerstand." Seine Stimme wurde immer rauer. "Und inzwischen existiert dieser Widerstand nicht mehr", ließ er sie wissen.
Und in der nächsten Sekunde brach die Bestie voll aus ihm hervor. Er wurde zum gefährlichen Werwolf, dem nichts Menschliches mehr anhaftete.
Er gierte nach Rachels Leben, nach ihrem Fleisch, nach ihrem Blut. Ein grauenerregendes Gebrüll drang aus seinem Wolfsmaul, als er sich auf sie stürzte.
Rachel schrie gellend um Hilfe. Gleichzeitig brachte sie sich mit einem verzweifelten Satz nach hinten in Sicherheit. Die Wolfspranke wischte durch die Luft, und die Krallen verfehlten Rachel nur um wenige Millimeter. Doch schon mit dem nächsten Hieb zerriss das Monster das Kleid des Mädchens. Es war ganz neu. Rachel hatte es eigens für den heutigen Abend gekauft. Nun hing es in Fetzen an ihr herunter und gab den Blick auf ihre Unterwäsche frei.
Rachel versuchte über das Sofa zu flanken. Ein schmerzhafter Schlag traf ihr Bein. Sie schrie und landete hinter dem Sofa auf dem Boden.
Daraufhin wollte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht und halb verrückt vor Angst auf allen vieren die Wohnungstür erreichen, doch sie schaffte es nicht.
Das Untier war schneller. Mit einem kräftigen, abermals unglaublich schmerzhaften Stoß beförderte es Rachel zur Seite - und im nächsten Moment war es über ihr.
Geifernd, knurrend, triumphierend heulend!
Rachel wäre unweigerlich verloren gewesen, wenn ihr Bruder nicht im allerletzten Augenblick die Tür aufgebrochen hätte. Gary Maguin erfasste die schreckliche und grauenvoll bedrohliche Situation mit einem einzigen Blick. Er zielte mit seinem Revolver auf das mordlüsterne Monster und brüllte: "Weg von ihr! Weg von meiner Schwester!"
Der Werwolf ließ von Rachel ab und richtete sich aggressiv gegen Gary. Dass Gary Maguin bewaffnet war, machte auf die Bestie nicht den geringsten Eindruck.
Sie vertraute darauf, dass ihr mit herkömmlichen irdischen Waffen nicht beizukommen war, verließ sich auf die schwarze Kraft, die sie schützte.
Das gefährliche Scheusal spannte die harten Muskeln und duckte sich zum Sprung. Mit einem ohrenbetäubenden Gebrüll stieß der Werwolf sich ab, und Gary Maguin zog im selben Moment den Stecher durch.
Der Revolver krachte. Er bäumte sich in Garys Faust auf und spie dem Scheusal geweihtes Silber entgegen. Die Kugel traf das schwarze Wesen genau zwischen den gelben Lichtern, die daraufhin schlagartig erloschen.
Aufjaulend krümmte sich die Bestie in der Luft und krachte vor Gary hart auf den Boden. Ein einziger Schuss hatte alles entschieden.
Der Monsterkörper zuckte noch mehrere Male heftig, dann lag er still. Es war vorbei. Gary eilte zu seiner Schwester, die sich haltlos weinend in seine Arme flüchtete. Sie zitterte heftig. Gary drückte sie fest an sich und gab ihr das Gefühl, beschützt und geborgen zu sein.
Gemeinsam beobachteten sie, wie das tote Untier sich zurückverwandelte. Zum Schluss lag Tab Jewison vor ihnen – so ruhig, als würde er schlafen.
"Jetzt hat er seinen Frieden", sagte Gary Maguin heiser. "Ich habe den unseligen Wolfsfluch von ihm genommen, habe meinen Freund erlöst. Ihm werden keine Menschen mehr zum Opfer fallen." Er strich sanft über ihr Haar. "Komm, Rachel. Ich bringe dich nach Hause."
Er half seiner Schwester aufzustehen, zog sein Jackett aus und hängte es ihr mit einer fürsorglichen Geste um die Schultern. Sie verließen die Wohnung, in der sich Rachels Schicksal hätte erfüllen sollen – und in der sich das Schicksal des Werwolfs erfüllt hatte.
Als sie aus dem Haus traten, leuchtete der große Vollmond hell am Himmel, aber er hatte keine verhängnisvolle Macht über sie...
ENDE