Читать книгу Morlands Horrorwelten: Das große Gruselroman-Paket - A. F. Morland - Страница 35
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ОглавлениеHelmut Schramm lag im Wohnzimmer seines Hauses auf dem Boden und machte seine Morgengymnastik, um sich fit zu halten. Er war Schriftsteller und saß die meiste Zeit an der Schreibmaschine. Deshalb die Gymnastik, um kein Fett anzusetzen und um sich körperlich wohl zu fühlen.
Nach der Gymnastik stellte er sich kurz unter die eiskalte Dusche. Anschließend zog er sich an und begab sich in die Küche, um eine Tasse Kaffee und einen Toast zu vertilgen.
Schramm war dreißig Jahre alt. Er war hoch gewachsen, hatte schlanke, feingliedrige Hände und ein sonnengebräuntes Gesicht. Sein Haar war schwarz, die Augen dunkelbraun.
Eben schob Schramm den letzten Bissen seines frugalen Frühstücks in den Mund, da läutete jemand an der Eingangstür Sturm.
"Ja, ja. Ich komm' ja schon!", brummte der Schriftsteller und erhob sich missmutig.
Ungeduldige Leute waren ihm ein Gräuel.
Er ging in die Diele und öffnete die Eingangstür.
Ein Bulle von einem Mann stand draußen. Er hatte rotes gewelltes Haar, gerötete Wangen und buschige Augenbrauen, die er nun grimmig zusammengezogen hatte.
Es war der Nachbar Kurt Trost.
Schramm hatte nicht zum ersten mal mit ihm Streit gehabt. Eben schien sich wieder etwas in dieser Richtung anzubahnen.
"Guten Morgen, Herr Trost!", grüßte Schramm trotz der bösen Miene des anderen freundlich.
"Morgen!", bellte Trost zornig.
"Ist etwas nicht in Ordnung?"
"Eine ganze Menge ist nicht in Ordnung, Herr Schramm. Ich muss sagen, anfangs war ich richtig begeistert, neben einem bekannten Schriftsteller zu wohnen, Herr Schramm. Inzwischen hat sich meine Begeisterung aber vollkommen gelegt. Ich will Ihnen auch sagen, warum: Können Sie nicht - wie jeder andere normale Mensch - am Tag arbeiten? Es ist ja nicht auszuhalten mit Ihnen. Ich bin Fernfahrer…"
"Ich weiß", lächelte Schramm.
"Sie hacken wie verrückt auf Ihrer Schreibmaschine herum. Sie haben keine Ahnung, wie störend dieses Geräusch in der Nacht ist. Man hört das blöde Klappern kilometerweit!"
Schramm zuckte die Achseln.
"Es tut mir furchtbar leid, Herr Trost…"
Der wütende Fernfahrer schüttelte ärgerlich den Kopf.
"Es ist mir vollkommen egal, ob es Ihnen leid tut oder nicht. Das Geklapper muss aufhören, verstehen Sie?"
Nun wurde auch Schramm ärgerlich.
"Sie vergessen, dass ich kein Maurer oder Glasbläser bin, Herr Trost. Wann ich arbeite, müssen Sie schon mir überlassen! Ich kann mich nicht an die Schreibmaschine setzen, wann es Sie am wenigsten stört. Ich muss dann arbeiten, wenn ich eine Idee habe. Und das ist eben manchmal auch nachts."
Trost starrte den Schriftsteller mit hassglühenden Augen an.
Er packte den Schriftsteller beim Hemd und riss es ihm aus der Hose, während er ihn kräftig schüttelte.
Schramm versetzte ihm einen derben Stoß.
Der Fernfahrer ballte die riesige Rechte und knallte sie dem Schriftsteller ans Kinn.
Schramm konnte sich nicht auf den Beinen halten. Er kippte nach hinten, krachte gegen die Wand und ging ächzend zu Boden.
Es war ihm im Moment nicht möglich, wieder hochzukommen. Die Niederlage ärgerte ihn maßlos. Doch er konnte nichts daran ändern. Trost war der Stärkere.
Kurt Trost ließ die schwere Faust auf und ab wippen.
"Ich warne Sie zum letzten mal, Schramm! Wenn Sie mich noch einmal in meiner Nachtruhe stören, zerlege ich Sie mitsamt Ihrer Schreibmaschine in Ihre Einzelteile."
Er wandte sich auf den Absätzen um und stürmte davon. Schramm quälte sich langsam hoch. Er verzog das Gesicht. Sein Kinn schmerzte. Er tastete vorsichtig danach.
Hoffentlich nicht gebrochen, dachte er.
Vor der Tür lag die Morgenzeitung. Er bückte sich und hob sie auf. Das in den Kopf schießende Blut verstärkte den Schmerz am Kinn. Schramm wünschte dem Nachbarn alles Unglück der Welt an den Hals.
Er schlug die Tür zu. Schramm legte die Zeitung im Wohnzimmer auf den Tisch und begab sich ins Bad, um sein Gesicht im Spiegel zu kontrollieren. Das Kinn war stark gerötet und geschwollen. Schramm knirschte zornig mit den Zähnen.
"Der kann was erleben!", knurrte er. Er betupfte die Geschwulst mit Alkohol.
Dann ging er wieder zurück ins Wohnzimmer, um die Morgenzeitung zu lesen.
Man hatte auf dem Semmering eine furchtbar verstümmelte Leiche gefunden. Der Gendarmerie war es gelungen, die Leiche zu identifizieren. Es handelte sich um den Wiener Buchverleger Werner Hahn.
Helmut Schramm legte die Zeitung nachdenklich weg, als er den Bericht gelesen hatte.
Vom Täter fehlt jede Spur, echote es in seinem Geist. Schramm hatte bis vor kurzem mit Hahns Verlag zusammen gearbeitet. Während einer Besprechung war er mit Hahn hart aneinandergeraten.
Nun arbeitete Schramm für einen anderen Verlag. Er hatte sich verbessert. Das Angebot der Konkurrenz hatte schon lange in seinem Schreibtisch gelegen. Man hatte ihn mit offenen Armen aufgenommen.
"Hahn!", sagte Schramm nachdenklich. "Werner Hahn! Nun hat es ihn also erwischt!" Ein seltsames Lächeln huschte über sein Gesicht. Ihm schien dieses Lächeln selbst nicht bewusst zu sein. "Es hat ihn also erwischt!", sagte er noch einmal.
In seiner Stimme schwang etwas Ähnliches wie Zufriedenheit mit…