Читать книгу Morlands Horrorwelten: Das große Gruselroman-Paket - A. F. Morland - Страница 40
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ОглавлениеZu beiden Seiten des Gurktales erstreckten sich dicht bewaldete Hänge. Die Sonne stand hoch am tiefblauen Himmel. Kein Wölkchen war weit und breit zu sehen. Die Natur duftete herzerfrischend.
Hier hatte Manfred Odemar eine Jagd gepachtet. Hier durchstreifte er so oft er konnte die dunklen Wälder, um sich am Wildbestand zu erfreuen und ab und zu einen kapitalen Bock zu erlegen.
Der Zöllner Ernst Seinitz war Odemars Schwager. Seinitz benutzte jede Gelegenheit, um den Schwager auf der Pirsch zu begleiten.
Die beiden Männer trugen die typischen grünen Jagdanzüge mit den kurzen Kniehosen und den sattgrünen Kniestrümpfen aus Wolle.
Sie durchstreiften das Dickicht. Jeder hatte eine Jagdflinte auf der Schulter.
"In den letzten Jahren ist der Wildbestand hier erschreckend zurückgegangen", sagte Odemar zu seinem Schwager. "Es fängt schon an, mir unangenehm zu werden, wenn ich einen Bock schieße. Ich habe beinahe ein schlechtes Gewissen, kannst du das verstehen?"
Ernst Seinitz nickte. Er blieb stehen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Er war fünfunddreißig, hatte blondes Haar und ein schmales Gesicht.
"Im Wirtshaus sagen die Leute, dass sich ein Bär in der Gegend herumtreibt", sagte er.
Odemar schüttelte unwillig den Kopf. "Gib auf das blöde Gerede der Leute nichts. So ein Gerücht taucht in regelmäßigen Abständen immer wieder auf. Ich kann dir verraten, wieso der Wildbestand immer mehr zurückgeht: Es gibt zu viele Wilderer in dieser Gegend. Wahrscheinlich sind sie es, die dann das Gerücht vom Bären im Wirtshaus ausstreuen."
Etwas knackte in den Büschen. Die beiden Männer blieben wie angewurzelt stehen. Manfred Odemar lauschte mit dem geschulten Ohr des Jägers.
"Ein Hirsch?", fragte Seinitz vorsichtig.
Odemar zuckte die Achseln. "Keine Ahnung."
Wieder knackte ein trockener Ast. Dann raschelte Laub.
Zu sehen war jedoch nichts. Der Wald war dicht. Dazwischen wucherten üppige Büsche.
Odemar nahm die Flinte von der Schulter.
"Was machst du?", fragte Seinitz leise.
"Ich sehe einmal nach", flüsterte der Jäger. "Bleib inzwischen hier stehen. Bin gleich wieder zurück."
Ernst Seinitz nickte. Manfred Odemar schlich mit entsichertem Gewehr davon.
Er bewegte sich nahezu lautlos. Er kannte sich in dieser Gegend hervorragend aus, und die jahrelange Erfahrung hatte ihn gelehrt, wie man sich auf der Pirsch zu verhalten hatte und wohin man zu treten hatte.
Odemar glitt um einen Baum. Gleich darauf war er verschwunden. Seinitz wartete. Zur Jagd gehörte vor allem Geduld. Man durfte nicht nervös sein. Man musste warten können.
Seinitz nahm nach ein paar Minuten mehr aus Langeweile sein Gewehr ab. Vielleicht trieb Odemar ihm den Hirsch vor die Flinte. Vielleicht konnte er einen Zufallstreffer anbringen.
Unwillkürlich musste er an den Unfall denken, der sich in der vergangenen Woche drüben in einem anderen Jagdgebiet ereignet hatte. Ein Jäger hatte unglücklicherweise einen Treiber erschossen.
Seinitz nahm sich vor, erst dann abzudrücken, wenn er das Wild deutlich vor sich hatte. Zehn Minuten vergingen. Fünfzehn Minuten vergingen. Der Zöllner wurde allmählich ungeduldig. Warum kam Manfred denn nicht zurück? Seinitz überlegte. Ob er hinter Manfred herschleichen sollte? Er hörte hinter sich ein Knacken. Mit einem erleichterten Seufzer richtete er sich auf.
"Na endlich", sagte er zu sich selbst. Die Unruhe legte sich sofort wieder.
Manfred hatte den Wald abgesucht, hatte dabei einen Bogen gemacht und kam nun aus der anderen Richtung zurück.
Er warf sich das Gewehr wieder auf die Schulter und ging dem Schwager entgegen.
Die Zweige eines Gebüsches zitterten. Warum kam er nicht heraus? Beobachtete er ihn? Wollte er ihm einen Streich spielen? Lächerlich. Der Zöllner machte noch zwei Schritte auf das Gebüsch zu.
Noch einen. Und dann stand er ganz dicht vor den zitternden Zweigen und grinste.
In diesem Moment sprang ihn das eiskalte Entsetzen an. Die Zweige wurden von einem kräftigen Arm zur Seite gerissen.
Seinitz taumelte bestürzt zurück. Eine grauenvolle Fratze war sichtbar geworden.
Ein Schlag traf ihn. Er wurde zurückgestoßen und stürzte zu Boden.
Der entsetzte Zöllner sah die riesigen zuckenden Krebsscheren. Er sah ein fürchterliches Monster aus dem Gebüsch springen. Seine Augen quollen aus ihren Höhlen. Benommen starrte er das Untier an, das den grausamen Mund nun zu einem satanischen Lachen öffnete. Seinitz lag zitternd am Boden. Er stieß einen irren Schrei aus.
"Manfred!", brüllte er in panischem Entsetzen. "Manfred! Hilfe! Hiiilfe!"
Gorra hatte ihm die spinnwebenverhangenen Augenhöhlen zugewandt und kam nun langsam näher…