Читать книгу Morlands Horrorwelten: Das große Gruselroman-Paket - A. F. Morland - Страница 15
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ОглавлениеAls Undercover-Cop trat Tab Jewison in einem Outfit auf, das niemanden auf die Idee kommen ließ, er wäre ein Bulle. Er trug ausgetretene Sportschuhe, verwaschene Jeans, ein weißes T-Shirt und eine braune Lederjacke mit Fransen.
Schnüffelnd arbeitete er sich durch die kriminellen Niederungen von Brooklyn. Was Captain Pertwee – gewissermaßen als Startkapital - an Informationen für ihn gehabt hatte, war verdammt dürftig gewesen, deshalb wusste er auch noch nicht, wo er seinen Hebel ansetzen sollte.
Er sondierte gewissenhaft und streckte nach allen Seiten so unauffällig wie möglich seine Fühler aus. Die meisten Typen, an die er sich heranmachte, waren schweigsam, vorsichtig, misstrauisch und reserviert.
Er war ihnen fremd. Warum sollten sie Vertrauen zu ihm haben? In ihren Kreisen traute man sich manchmal nicht einmal selbst. Jeder versuchte jeden reinzulegen, auszutricksen, übers Ohr zu hauen.
Wer da nicht höllisch aufpasste, konnte schneller unter die Räder kommen, als er "Jackie Chan" oder "Rowan Atkinson" sagen konnte.
Tab erzählte allen, er wäre neu in der Stadt und suche einen einträglichen Job. Wenig Stress. Kurze Arbeitszeit. Aber viel Kohle.
Die meisten lachten ihn aus und meinten, einen solchen Job hätten sie selbst gern. Aber er ließ nicht locker und fand einen Zugang zu einer Dealer-Clique, durch deren schmutzige Hände ein Teil jenes Stoffes floss, dessen Ursprung er finden sollte. Sie deckten ein großes Gebiet ab. South Brooklyn. Die Gegend um den Fort Greene Park. Parade Grounds. Holy Cross Cemetery. Brooklyn College...
Der Typ, von dem sie ihre gefährlich minderwertige Ware bezogen, war angeblich ein Paradiesvogel namens Lou Beckinsale. Er war DJ in einem Schuppen, der sich "Hot Stuff" nannte. Jamie Lee Crichton war Lou Beckinsales Freundin, und an die machte Tab sich heran.
Sie war flachbrüstig wie ein Junge, hatte eine große Klappe, und dem Vernehmen nach hatte sie noch nie ein Kleid oder einen Rock angehabt. Immer nur Hosen.
Ihr schwarzes Haar trug sie männlich kurz, und es war allgemein bekannt, dass sie es mit der Treue noch nie besonders genau genommen hatte.
Das ärgerte Lou Beckinsale zwar, aber er konnte sie nicht ändern. Sie war, wie sie war, und hatte nicht die Absicht, ihm zuliebe auch nur auf ein einziges Abenteuer nebenbei zu verzichten.
Tab hoffte, ihr Interesse wecken und sie für sich gewinnen zu können, damit sie ihm so viel wie möglich über ihren Dauerfreund, den Drogen-DJ, erzählte.
Sie selbst war seit zwei Jahren clean, hieß es. Davor hatte sie alles geschluckt, eingeworfen und gespritzt, dessen sie habhaft werden konnte.
Tab machte ihre Bekanntschaft in einer Bar in der Coney Island Avenue. Sie war mit fünf Freunden von Lou Beckinsale da. Nach einem ersten Blickkontakt schaute sie immer öfter zu Tab herüber, und schließlich kam sie zu ihm an den Tresen, stemmte die Fäuste in die Seiten und sagte: "Willst du irgendwas von mir?"
Er zuckte mit den Achseln. "Weiß ich noch nicht. Kommt darauf an."
"Worauf kommt es an?", wollte sie wissen.
Er grinste. "Darauf, wie du dazu stehst."
"Ich stehe verdammt positiv dazu – wenn es sich um Sex handelt", erklärte sie sehr direkt und mit einem Augenaufschlag, der ihm unter die Haut gehen sollte.
"Jamie Lee!", rief einer der Typen, mit denen sie am Tisch gesessen hatte. "Hey, Jamie Lee!"
"Was ist?", fragte sie gereizt, ohne sich umzudrehen. Sie wollte jetzt nicht gestört werden.
"Wir gehen", sagte der Kerl. Er trug zwei dicke karierte Holzfällerhemden übereinander und ein nietenbesetztes Lederband um den Hals.
"Lasst euch nicht aufhalten", gab Jamie Lee glashart zurück.
Der Bursche war enttäuscht. "Kommst du nicht mit?"
"Nein", antwortete Jamie Lee klipp und klar.
"Scheiße, das wird Lou aber gar nicht schmecken."
"Tja, da kann ich Lou leider nicht helfen."
Das Quintett stiefelte aus dem Lokal.
"Du bist also Jamie Lee", stellte Tab Jewison fest.
Sie nickte. "Genau."
"Und wer ist Lou?", fragte er, obwohl er es wusste. Aber das brauchte sie ja nicht zu wissen. Er sah, dass ihr linker Nasenflügel gepierct war.
"Mein Freund", erklärte sie ungeniert. "Warst du schon mal im 'Hot Stuff'?"
Er nickte. "Einmal."
"Der DJ. Das ist Lou. Lou Beckinsale. Und wie heißt du?"
"Kevin", antwortete der Undercover-Cop wie aus der Pistole geschossen. "Kevin Cleese." Er hatte sogar Papiere zu diesem Namen.
Sie streckte ihm die Hand entgegen. Er ergriff sie. "Jamie Lee Crichton", sagte sie. "Du darfst mir einen Drink spendieren."
"Sehr gern. Was darf's denn sein?"
"Bloody Mary."
Sie bekam ihre Bloody Mary, und während sie sie trank, stellte sie ihm viele Fragen. Er beantwortete sie mit einer Menge Lügen.
Kevin Cleese war nicht nur ein erfundener Name. An dem hing auch eine lange, erfundene Geschichte dran, die Tab Jewison so gut intus hatte, dass er sich niemals irren konnte. Selbst wenn man ihn aus tiefstem Schlaf gerissen hätte, hätte er sie lückenlos und ohne Fehler herunterratschen können, als wäre sie durch und durch wahr.
Für ihn war es so, als würde es diesen Mann tatsächlich geben. Er war in dessen Haut geschlüpft, und sie passte ihm perfekt.
Tab hielt sich mit seinen Fragen noch zurück. Er wollte nicht zu neugierig sein und Jamie Lee stutzig machen. Er würde nach und nach aus ihr herauskitzeln, was er wissen wollte, ohne dass sie es merkte. Er war darin sehr routiniert.
Jamie Lee sah ihn mit einem Blick an, der alles versprach. "Möchtest du mich nach Hause begleiten, Kevin?"
"Okay." Er legte Geld auf den Tresen und rutschte vom Hocker.
"Ist nicht weit", sagte Jamie Lee.
Sie verließ mit ihm die Bar, und draußen erlebten sie eine höchst unerfreuliche Überraschung: Die Freunde des DJs erwarteten sie.
Sie wollten offenbar nicht dulden, dass das magere Luder – niemand konnte verstehen, dass Lou Beckinsale so sehr in sie verknallt war - schon wieder fremdging. Das rauflustige Quintett drängte Jamie Lee Crichton und Tab Jewison/Kevin Cleese in eine schmale, schummrige Nebenstraße.
"Verdammt, was soll das?", giftete das Girl.
"Wir wollen nicht, dass du mit dem da losziehst." Der Typ mit dem Lederhalsband zeigte auf den Undercover-Cop.
"Das ist ja wohl meine Sache, oder?", konterte das Mädchen bissig.
"Wir sind Lous Freunde."
"Okay", sagte Jamie Lee. "Dann schert euch zu Lou und lasst uns in Frieden."
"Sag ihm, er soll sich verziehen, Jamie Lee."
"Sag du es mir!", verlangte Tab Jewison. Er ballte die Hände zu Fäusten, war sicher, dass er sie in Kürze würde einsetzen müssen, aber er hatte keine Angst.
Sie waren zwar zu fünft, aber sie würden mit ihm nicht fertig werden, das wusste er. Er war kampferfahren und fühlte sich ihnen kräftemäßig überlegen.
"Halt dich da raus, Kevin", verlangte das Mädchen. "Ich komme mit den Blödmännern schon klar."
Der Bursche mit dem Lederhalsband starrte Tab feindselig an. "Verpiss dich, Freundchen. Sonst machen wir Beef tatar aus dir."
"Das will ich sehen", erwiderte Tab und schob Jamie Lee mit einem schnellen Ruck hinter sich.
Die fünf Typen stürzten sich wie ein Mann auf ihn. Sie packten ihn, umklammerten ihn, droschen auf ihn ein und setzten alles daran, ihn zu Boden zu werfen, damit sie anschließend so lange auf ihm herumtrampeln konnten, bis er sich nicht mehr rührte.
Doch es gelang ihnen nicht, ihn zu "entwurzeln". Er blieb auf seinen Beinen, befreite sich kraftvoll von ihren Griffen und schlug und trat verdammt schmerzhaft um sich - wie die bekannten fernöstlichen Akrobatik-Kämpfer in den Martial-Arts-Filmen, die spät nachts im Fernsehen liefen.
Nachdem er zwei Gegner knochenhart niedergestreckt hatte, wichen die andern – vorsichtig geworden – langsam zurück, doch Tab setzte nach.
Auch sie sollten ihr Fett abkriegen. Sie erkannten zu spät, dass sie ihn unterschätzt hatten. Er machte ihnen das Leben mit wilden Schlägen und schmerzhaften Tritten so lange schwer, bis sie in Panik verfielen und, mit geschwollenen Visagen, aus Mund und Nase blutend, das Weite suchten.
"Wow!" Jamie Lee Crichton war schwer beeindruckt. Und sie war zum ersten Mal in ihrem Leben sprachlos. "Das – das – das war – war – war..." Ihr fehlten die Worte. "Das war unglaublich, Kevin!" Sie applaudierte begeistert. Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß. "Liebe Güte, du siehst gar nicht so stark aus. Ich habe befürchtet, dass sie tatsächlich Hackfleisch aus dir machen würden. Ich hab das schon einige Male erlebt. Sie sind hinterlistig, brutal und gemein. Noch nie ist jemand auf so eindrucksvolle Weise mit ihnen Schlitten gefahren. Das hätte man filmen müssen. Wow, Kevin! Wow!"
Tab lachte. "Na. Na. Na. Krieg dich wieder ein. Ich wusste, wie dieser Fight ausgehen würde, sonst hätte ich mich nicht darauf eingelassen."
"Du wusstest es?"
Er grinste. "Ich kann ein bisschen in die Zukunft sehen."
"Du hast dir eine ganz große Belohnung verdient, Superheld", sagte Jamie Lee überschwänglich. Sie war ab sofort ein Fan von ihm. "Komm mit." Sie nahm seine Hand. "Ich will dir deine Sieges-Prämie nicht vorenthalten."
Sie zeigte ihm, wo sie wohnte – und sobald sie mit ihm allein war, zeigte sie ihm noch viel mehr.