Читать книгу Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021 - A. F. Morland - Страница 25
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ОглавлениеUwe Schneiderbanger fand, dass es höchst ungerecht auf der Welt zuging. Seine Schwester hatte so viel Geld, und er hatte immer zu wenig.
Da gab es eine klitzekleine Insel in der Ägäis. Ein Punkt nur auf der Landkarte, unbedeutend und unbeachtet und doch ein Eiland, in das Uwe sich verliebt hatte.
Ein paar Felsen. Ein paar Bäume. Eine Hütte aus Stein. Ein winziger Sandstrand. Das war’s auch schon. Niemand konnte verstehen, dass Uwe die Insel so sehr haben wollte, aber es war so: Er musste sie unbedingt besitzen. Gloria hätte sie mühelos kaufen können, aber ihm fehlte bedauerlicherweise das nötige Kleingeld, und da es ihm zu mühsam und zu langwierig gewesen wäre, es sich auf ehrliche Weise zu verdienen, entschied er sich für den anderen, leichteren Weg.
Seine Schwester war ein Star. Die ganze Welt wollte alles über Gloria Sandrini wissen. Ihr Bruder wusste alles über sie, und er war entschlossen, sein Wissen zu verkaufen. Gloria würde ihn verfluchen, sobald er die Lawine losgetreten hatte, aber hätte sie ihm das Geld für die Insel gegeben, wenn er sie darum gebeten hätte? Nein. Also musste er jemand anderen darum bitten, und zwar Hagmut Bresser, den Chefredakteur der deutschen Edition von „Cineworld“. Dieses Magazine gab es zur Zeit in insgesamt zwölf Ländern. Sogar eine russische Ausgabe war im Gespräch, und Enthüllungen über Gloria Sandrini würden selbstverständlich mit hohen Auflagen in allen zwölf Ländern erscheinen und reißenden Absatz finden.
Da war für einen ergiebigen Informanten schon einiges abzusahnen. Uwe Schneiderbanger rieb sich im Geist die Hände. Wenn er mit Hagmut Bresser geschickt verhandelte, durfte er die Insel im Ägäischen Meer bereits als sein Eigentum betrachten.
Er war mit Bresser zum Abendessen verabredet. Der Mann war eine Hyäne, und er sah auch so aus - spitzes Gesicht, große Ohren, stechende Augen. Der kann nicht einmal seiner eigenen Mutter sympathisch sein, dachte Uwe, während er ihm die Hand schüttelte.
„Sie sind pünktlich“, stellte Hagmut Bresser zufrieden fest.
„Einen so wichtigen Mann wie Sie lässt man nicht warten“, schmierte Uwe ihm Honig ums Maul.
Der Kellner kam und fragte nach den Wünschen der Herren.
„Wodka“, sagte Uwe Schneiderbanger. „Einen doppelten. Ohne Eis.“
Bresser musterte sein Gegenüber ausgiebig.
„Sie sind also Gloria Sandrinis Bruder.“
Uwe nickte. „Ganz richtig.”
„Kann es sein, dass wir uns schon mal irgendwo begegnet sind?“
„Möglich ist alles. Die Welt ist ein Dorf.“ Uwe bekam seinen Drink. Er hob sein Glas. „Auf Ihr Wohl.“
Bresser hob seinen Cognacschwenker.
„Auf das Ihre.“
„Und auf gute Geschäfte.“
„Wir werden sehen“, hielt Bresser sich vorläufig noch bedeckt. „Kommt darauf an, was Sie zu bieten haben.“
„Oh, sehr viel, eine ganze Menge.“
Sie tasteten sich zunächst mal vorsichtig ab. Uwe spürte, dass er sehr auf der Hut sein musste - und dass er Hagmut Bresser nicht trauen durfte.
Während des Essens sprachen sie über belanglose Dinge. Erst danach sagte der Chefredakteur von „Cineworld“: „Ich muss gestehen, Sie haben mich mit Ihren Andeutungen am Telefon sehr neugierig gemacht, Herr Schneiderbanger.“
Uwe grinste selbstgefällig.
„Das war meine Absicht, sonst säßen Sie jetzt nicht hier.“
„Warum wollen Sie Ihr Wissen über Gloria Sandrini verkaufen?“, fragte Bresser.
Uwe hob lächelnd die Schultern.
„Ich brauche Geld. Sehr viel Geld.“ Er zeigte mit dem kleinen Finger auf Bresser. „Deshalb habe ich mich mit Ihnen in Verbindung gesetzt. Sie sind mein Mann. Sie können die Summe auftreiben, die ich mir vorstelle.“ Er nickte dem Chefredakteur von „Cineworld“ verständnisvoll zu. „Dass Sie für Ihr Geld auch etwas haben wollen, ist mir natürlich klar, und es ist auch durchaus legitim ...“
„Werden Sie mal etwas konkreter“, verlangte Hagmut Bresser. „Was genau haben Sie für mich?“
„Alles über Gloria Sandrini.“
„Was alles?“
„Alles über ihr Leben“, erklärte der Jüngere zurückhaltend.
„Wir haben ihre Biographie in unserem Archiv.“
„Die geschönte Version. Von mir erfahren Sie die ungeschminkte Wahrheit.“
„Auch über Glorias Liebesleben?“
„Selbstverständlich“, sagte Uwe Schneiderbanger. „Ich weiß, wann sie mit wem wie oft gepennt hat.“
„Und das würden Sie uns sagen?“
„Sie bekämen von mir eine vollständige Liste sämtlicher Liebhaber. Vom ersten bis zum vorläufig letzten.“
„Vielleicht kennen wir die schon alle“, sagte Hagmut Bresser, wohl um den Preis zu drücken.
Uwe grinste breit.
„Das glaube ich kaum. Es sind auch einige dabei, mit denen sich meine Schwester so heimlich getroffen hat, dass von diesen Romanzen mit Sicherheit nichts an die Öffentlichkeit gelangte.“
„Nennen Sie Namen!“
Uwe Schneiderbanger bewegte seinen Zeigefinger wie das Pendel eines Metronoms hin und her. „Nur für Geld.“
„Wie sieht es mit Beweisen aus? Wir können nicht irgendwelche Behauptungen aufstellen und eine Flut von Klagen riskieren.“
Uwe lachte schnarrend.
„Ihr wart doch noch nie zimperlich.“
„Tonbandaufzeichnungen, Videobänder, Fotografien ...“
„Ich werde sehen, was sich auftreiben lässt“, gab Uwe zurück. „Ansonsten verbürge ich mich für die Richtigkeit meiner Angaben.“
Der Chefredakteur bedachte sein Gegenüber mit einem abschätzigen Blick.
„Bitte, entschuldigen Sie, Herr Schneiderbanger. Es liegt mir fern, Sie beleidigen zu wollen, aber Sie werden einsehen, dass uns das Wort eines Mannes, der das, was er über seine Schwester weiß, hemmungslos zu Geld macht, der bereit ist, ihre intimsten Geheimnisse skrupellos zu verkaufen, dass uns das Wort eines solchen Mannes, mit Verlaub gesagt, nicht allzu viel wert sein kann.“
„Ich bin nicht beleidigt, Herr Bresser. Ich kann Ihre Vorsicht verstehen. Wenn Sie meinen, mir nicht vertrauen zu können, bin ich Ihnen überhaupt nicht böse, dann gehe ich eben zur Konkurrenz. Vielleicht bringt ‘Star News’ meinem Angebot mehr Interesse entgegen. Mir ist es egal, wer mich bezahlt.“
Hagmut Bresser lachte verächtlich.
„Ich bitte Sie, ‘Star News’ ist finanziell doch ziemlich schwach auf der Brust. Bei denen müssten Sie Ihrem Geld jahrelang hinterherlaufen. Sie wären verdammt schlecht beraten, mit diesen Leuten Geschäfte zu machen. Im Vertrauen gesagt: ‘Star News’ pfeift bereits aus dem allerletzten Loch. Wenn Sie Pech haben, gibt es das Blatt Ende dieses Jahres gar nicht mehr auf dem Markt. Die haben jetzt schon die ärgsten Schwierigkeiten, das Geld für ihre enormen Verbindlichkeiten aufzutreiben. Außer schönen, aber leeren Versprechungen und einer Menge abgedroschener hohler Phrasen wäre für Sie bei denen nichts zu holen. Entweder Sie machen das Geschäft mit ‘Cineworld’ oder Sie vergessen es.“
„Habe ich gesagt, ich mache das Geschäft nicht mit ‘Cineworld’? Ich habe lediglich erwähnt, dass Sie nicht der einzige sind, mit dem ich verhandeln kann. Ich glaube nicht, dass ‘Star News’ so schlecht dasteht. Wie Sie sagen, wenn aber doch, kann ich ja noch bei ‘Movie Portrait’ anklopfen.“ Hagmut Bresser winkte ab.
„Die sind doch erst seit einem Jahr auf dem Markt.“
„Dann sind sie wenigstens noch hungrig.“
„Wer kauft schon ‘Movie Portrait’?“
Uwe Schneiderbanger grinste. „Jeder, wenn sie das drucken, was ich zu erzählen habe.“
„Meinen Sie, diese Neulinge können Ihren Preis bezahlen?“
Uwe nickte fest.
„Da bin ich ziemlich sicher. Sie wissen doch, wer alles sein Geld in dieses Magazin gesteckt hat. Für eine brandheiße Fortsetzungsgeschichte über Gloria Sandrini machen die garantiert jeden Betrag locker.“
„Na schön, Herr Schneiderbanger, ich denke, Sie haben mir genug gedroht.“
„Ich habe Ihnen nicht gedroht, ich habe lediglich aufgezeigt, welche Möglichkeiten ich habe.“
„Drücken Sie mal in Zahlen aus, was Sie für Ihr Wissen haben wollen.“
Das tat Uwe Schneiderbanger nicht. Stattdessen erzählte er dem „Cineworld “Chefredakteur von seiner kleinen Insel in der Ägäis und fügte hinzu: „Dieses schmucke Eiland kaufen Sie für mich, und über die Höhe eines zusätzlichen kleinen Handgelds können wir dann noch verhandeln.“
Hagmut Bresser lachte.
„Sie wissen, was Sie wollen.“
„Ich weiß, was meine Informationen wert sind.“
„Sie werden verstehen, dass ich heute noch keine verbindlichen Zusagen machen kann. Ich muss erst noch Rücksprache mit unseren Finanzleuten halten. Wenn sie bereit sind, so viel Geld lockerzumachen, sind wir im Geschäft.“
„Hört sich gut an, aber beraten Sie sich mit Ihren Schatzmeistern nicht zu lange, sonst schnappt Ihnen die Konkurrenz den fetten Happen vor der Nase weg.“
„Ich rufe Sie noch in dieser Woche an.“
„Fein.“
„Bis dahin - keine Gespräche mit ‘Star News’ oder ‘Movie Portrait’“, sagte Hagmut Bresser. „Bleiben Sie mir so lange im Wort?“
Uwe Schneiderbanger nickte.
„Ich denke, das lässt sich einrichten.“