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Dr. Härtling konnte sich freimachen, und er brachte seine ganze Familie mit. Der Rummel um Gloria Sandrini und Bernd Hoffmann war mörderisch. Dennoch schaffte es der Klinikchef, mit den Seinen im Schlepptau an die Stars heranzukommen.

Gloria Sandrini war nicht zu übersehen. Sie trug einen knallroten Overall, der sich wie eine zweite Haut an ihren makellosen Körper schmiegte. Bernd Hoffmanns Overall war giftgrün. Es war Zeit zu einem kurzen Gespräch, während die Fahrzeuge für die Stars fertiggemacht wurden.

„Nervös?“, fragte Dr. Härtling lächelnd.

Gloria Sandrini schüttelte den Kopf.

„Eigentlich nicht.“

„Wie viele Runden sind zu fahren?“

„Dreißig.“

„Sie wissen, was Sie mir versprochen haben“, mahnte Sören Härtling.

Gloria hob lächelnd die Hand.

„Ich fahre auf Durchkommen und werde jeden vorbeilassen, der mich überholen möchte.“

Sie und Bernd hatten mittlerweile die Drehbuchrohfassung von „Das Lügennetz II“ gelesen und einige lange, äußerst fruchtbare Gespräche mit Klaus Reitze gehabt. Der Autor schrieb bereits emsig an einer zweiten Fassung. Wenn die Story so wurde, wie Gloria und Bernd sie sich vorstellten, würde Teil zwei noch besser werden als Teil eins.

Die Autos der Stars waren startklar. Dr. Härtling und seine Familie wünschten Gloria Sandrini und Bernd Hoffmann viel Glück und suchten ihre Tribünenplätze auf, um das Rennen von dort aus zu verfolgen.

Fotoapparate klickten, Fernsehkameras surrten, als die Schauspieler zu ihren Fahrzeugen gingen. Gloria Sandrinis Haarfülle verschwand unter einem voluminösen knallroten Sturzhelm. Fünfundzwanzig Wagen würden das Rennen bestreiten. Gloria, ganz Profi, posierte noch einmal vor ihrem Fahrzeug, bevor sie einstieg, damit die Reporter genügend Aufnahmen von ihr bekamen. Dank ihrer und Bernds Teilnahme wurde das Rennen vom Fernsehen live übertragen. Zusätzliches Geld für die vielen hilfebedürftigen Menschen in Sarajevo.

Für Bernd war es das erste Rennen. Er war im Vorjahr nicht dabei gewesen. Seine Trainingszeiten hatten aufhorchen lassen. Wenn er an diese guten Leistungen heute anknüpfen konnte, war ihm ein Platz unter den ersten drei gewiss. Gloria hätte sich mit ihm über einen solchen Erfolg gefreut. Sie gurtete sich an und rollte mit dem Pulk zur Startposition. Das Publikum brüllte, pfiff und tobte vor Begeisterung, als der Veranstalter ihren Namen nannte, und der Beifallssturm war nur unwesentlich schwächer, als Bernd Hoffmanns Name aus den Lautsprechern dröhnte.

Bernd grinste zu Gloria herüber und streckte den Daumen hoch. Gloria schickte ihm einen Kuss. Dann mussten sie sich auf den Start konzentrieren.

Als die Strecke freigegeben wurde, preschten einige Wagen vor und setzten sich an die Spitze des Feldes. Gloria kam wider Erwarten so gut weg, wie ihr das beim Training nie gelungen war, und mischte von da an geschickt in der Mitte mit, während hinter ihr nach eineinhalb Runden zwei Fahrzeuge kollidierten, von der Piste flogen und in den Sturzraum krachten.

Bernd begann mit einer intelligenten und taktisch äußerst klugen Jagd auf die Spitze. Er rückte kontinuierlich vor - von Platz sechs auf Platz fünf, von Platz fünf auf Platz vier, von Platz vier auf Platz drei.

Nach fünfzehn Runden griff er die Nummer zwei an, während Gloria drei Plätze verlor, aber immer noch ein Rennen fuhr, mit dem sie mehr als zufrieden sein konnte. Bernd brauchte vier Runden, um an der Nummer zwei vorbeizukommen. Als er es endlich geschafft hatte, wurde er von dem Fahrer, den er soeben überholt hatte, rücksichtslos attackiert. Der Mann wollte sich die verlorene Position zurückerkämpfen, und er war in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich. Zweimal touchierte sein Fahrzeug das von Bernd Hoffmann beinahe.

Sie lieferten sich ein hartnäckiges Rennen. Um den gefährlichen Verfolger loszuwerden, ging Bernd aufs Ganze und griff die Nummer eins an.

Er hatte das eigentlich nicht vorgehabt. Platz zwei hätte ihm vollauf gereicht. Doch nun versuchte er sich ganz vorne an die Spitze zu setzen. Er bremste in den Kurven so spät wie möglich und gab auf den Geraden ungestüm Gas. Nummer eins wurde nervös. Bernd klebte förmlich an seinem Heck - sechs, sieben Runden lang.

Und dann brach er aus seinem Windschatten hervor und setzte zum Überholen an. Den Zuschauern stockte der Atem. Würde es Bernd Hoffmann schaffen? Wenn er jetzt die Führung übernahm, würde sie ihm bis zum Ende des Rennens kaum mehr zu nehmen sein. Die Schnauze seines Wagens schob sich Zentimeter um Zentimeter weiter vor, und als sich sein Konkurrent im entscheidenden Augenblick verschaltete, war für Bernd Hoffmann die Sache schon so gut wie gewonnen.

Die Menge tobte.

Was für ein starkes Rennen.

Bernd Hoffmann, der Filmschauspieler, auf Platz eins!

Der Sieg war in greifbarer Nähe. Bernd brauchte seine Position nur noch klug zu verteidigen, und genau das hatte er vor. Er brauchte nichts mehr zu riskieren, musste nur noch die Wagen, die sich hinter ihm befanden, kontrollieren. Nummer drei zwang Nummer zwei ein erbittertes Duell auf. Dadurch blieb Bernd Hoffmanns Position für die restlichen Runden unangefochten. Es gelang ihm sogar, seinen Vorsprung auszubauen und sich von seinen Verfolgern abzusetzen.

Die letzte Runde begann. Bernd wurde von Nummer zwei und Nummer drei gehetzt. Sie wollten ihm die Führungsposition noch auf den letzten Metern abjagen. Für sie war der Kampf erst zu Ende, wenn die Zielflagge geschwungen wurde.

Gloria Sandrinis Auto begann zu qualmen.

„Das sieht nach einem Motorschaden aus!“, rief Ben Härtling.

„Wird sie ins Ziel kommen?“, fragte Dana.

„Ich glaube nicht“, antwortete Ben. „Sie nebelt bereits die ganze Strecke ein.“

„Sie sollte rausfahren, bevor sie auf der Piste stehenbleibt und die nachkommenden Fahrzeuge in sie hineindonnern“, sagte Tom.

„Ich habe ihr ganz fest die Daumen gehalten“, sagte Dana. „Schade, dass es nichts genützt hat.“

„Sie gibt auf“, rief Ben. „Sie verlässt die Rennstrecke.“

„Das ist sehr vernünftig von ihr“, sagte Dr. Härtling zufrieden.

Kaum hatte die Schauspielerin die Piste verlassen, stieß Jana Härtling aufgeregt hervor: „Jesus, seht nur, ihr Wagen brennt!“

Männer kamen mit Feuerlöschern gerannt. Sie holten Gloria Sandrini aus dem brennenden Fahrzeug und erstickten die Flammen mit sehr viel schneeweißem Löschschaum.

Glorias Rettung löste bei den Zuschauern einen anhaltenden Jubel aus. Der Ausgang des Rennens geriet dabei fast in Vergessenheit.

Bernd Hoffmann, immer noch an erster Stelle, hatte bereits das Ziel vor Augen. Er fuhr seinem allerersten Sieg in einem Autorennen entgegen.

Jubel brandete auf.

„Hoffmann! Hoffmann! Hoffmann!“-Rufe wurden laut.

Plötzlich stockte den Leuten der Atem. Bernd spürte, wie links vorne etwas brach. Ein heftiger Ruck ging durch das Fahrzeug, und von diesem Moment an ließ es sich nicht mehr lenken. Bernd bremste.

Nummer zwei und Nummer drei schossen an ihm vorbei, der erhobenen Zielflagge entgegen, während Bernd Hoffmann die Herrschaft über seinen Wagen verlor. Das Auto wurde zum Kreisel, stieg hoch und überschlug sich etliche Male. Ein furchtbarer Schock fuhr den Zuschauern in die Glieder.

Das Fahrzeug war dermaßen zertrümmert, dass das Schlimmste für Bernd Hoffmann befürchtet werden musste. Sanitäter hetzten zum Wrack.

Und Dr. Sören Härtling sprang ebenfalls auf, um dem verunglückten Schauspieler zu Hilfe zu eilen.

Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021

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