Читать книгу Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021 - A. F. Morland - Страница 36

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O Mann, es hatte Schwierigkeiten gegeben, mit denen Uwe Schneiderbanger nicht gerechnet hatte. Das Inselchen in der Ägäis konnte er sich aus dem Kopf schlagen, daraus würde nichts werden. Uwe musste froh sein, wenn er aus der ganzen Sache ungeschoren herauskam.

Er hatte sich noch mal mit Hagmut Bresser getroffen. „Die zwölf Schatzmeister von ‘Cineworld’ sind grundsätzlich bereit, die Insel für Sie zu kaufen“, hatte der Chefredakteur der deutschsprachigen Ausgabe ihm eröffnet, „aber mehr kriegen Sie nicht - kein Handgeld.“

„Diese Geizkragen“, hatte Uwe Schneiderbanger verächtlich gesagt.

„Wenn sie mit unserem Geld nicht so umsichtig haushalten würden, wären wir nie so groß geworden. ‘Star News’ oder ‘Movie Portrait’ wären weit weniger großzügig. Das wissen Sie, deshalb haben Sie sich ja auch an mich gewandt, nicht wahr? Jetzt sind Sie am Zug. Sie müssen Ihre ‘Ware’ auf den Tisch legen, damit wir sie prüfen können.“

Uwe Schneiderbanger hatte Hagmut Bresser argwöhnisch gemustert.

„Ich habe Angst, dass ihr mich zu prellen versucht, wenn ich das tue.“

„Sie werden verstehen, dass wir die Katze nicht im Sack kaufen können.“

„Ist es nicht ein Jammer, dass die Menschen einander so wenig Vertrauen entgegenbringen?“

Der Chefredakteur von „Cineworld“ hatte die Schultern gehoben und anzüglich erwidert: „Wir leben in einer Welt, in der nicht einmal die Schwester dem Bruder trauen kann, deshalb schlage ich vor, unser Geschäft mit Anwälten abzuwickeln.“

„Mit ‘Cineworld’-Anwälten, nehme ich an.“

„Es steht Ihnen frei, einen Anwalt Ihres Vertrauens hinzuzuziehen, und diese rechtskundigen Leute werden dann, gemeinsam mit uns, prüfen, ob das, was Sie uns anbieten, eine Insel im Ägäischen Meer wert ist.“

„Wenn Sie mich reinzulegen versuchen, Bresser ...“

Der Mann, der nicht nur wie eine Hyäne aussah, sondern auch eine war, hatte breit gegrinst.

„Es tut mir in der Seele weh, dass Sie mich für so unseriös halten.“

„Woran das wohl liegen mag“, hatte Uwe Schneiderbanger kalt erwidert, und er hatte dem „Cineworld“-Chefredakteur versprochen, bald wieder von sich hören zu lassen.

Dann war er darangegangen, auf Tonbänder zu sprechen, was er alles über Gloria Sandrini, seine weltberühmte Schwester, und ihre heißen Affären wusste. Eine besonders brisante Bombe war ihre heimliche Romanze mit Dr. Walter Haller. Uwe Schneiderbanger hatte gefunden, dass das Kapitel mit der Ministeraffäre noch ein wenig dünn war.

Er hatte gemeint, die Geschichte mit mehr Pep, mehr Zündstoff und vor allem mehr Fakten aufwerten und noch interessanter und gehaltvoller machen zu müssen, deshalb hatte er angefangen zu recherchieren, doch das hätte er lieber bleiben lassen sollen, denn das ging ins Auge, weil er sich dabei mal wieder nicht besonders geschickt anstellte.

Er geriet unbewusst an Leute, von denen er sich besser ferngehalten hätte, wühlte ahnungslos in Sümpfen, stach arglos in Wespennester - und die „Wespen“ stachen zurück. Uwe Schneiderbanger machte daraufhin einige sehr leidvolle Erfahrungen. Er begann zu begreifen, warum „die dort oben“ dort oben waren: Weil sie cleverer waren als er, weil sie die richtigen Verbindungen hatten und weil sie sich in jeder Lebenslage zu helfen wussten.

Plötzlich interessierten sich gleich mehrere Behörden für ihn. Man wollte alles von ihm wissen - über seine Jobs in Deutschland, über seine vielen Reisen nach Griechenland ... Er wurde ständig auf irgendein Amt vorgeladen. Man löcherte ihn mit Fragen, durchleuchtete bis ins letzte Detail sein Privatleben, er musste seine kärglichen Finanzen offenlegen - man machte ihm so richtig schön das Leben schwer.

Ob das nun von Haller direkt, von seiner Frau, deren einflussreicher Familie oder von Hallers politischen Kollegen ausging, blieb ihm verborgen. Man schaufelte ihm vor seinen Augen ein Grab. Er hatte nicht gewusst, dass er gegen so viele Gesetze und Vorschriften verstoßen hatte.

Erst als sie ihn darauf hinwiesen, wurde ihm das klar, und er begann um seine Freiheit zu bangen. Der Galgen stand. Die Schlinge war geknüpft und baumelte, auf seinen Hals wartend, im Wind. Es würde sich wohl bald jemand finden, der ihn zwang, den Kopf in diese Schlinge zu stecken. Wo war er dann noch sicher? Wie weit reichte der Arm derer, die ihn zerquetschen wollten? Bis Griechenland allemal.

Er fing an, im Geist die Koffer zu packen und seine Flucht vorzubereiten. Seine Gegner, die nie persönlich in Erscheinung traten - so unvorsichtig waren sie nicht - sorgten dafür, dass ihm der heimatliche Boden allmählich zu heiß wurde.

Doch es sollte noch schlimmer kommen: Ihm fiel ein hübsches Starlet mehr oder weniger in den Schoß. Er lernte sie auf einer feuchtfröhlichen Party kennen, nahm sie mit zu sich nach Hause, und weil sie die schönste Nebensache der Welt nicht leise genug vollzogen und sich die Nachbarn deshalb in ihrer Nachtruhe gestört fühlten, riefen diese die Polizei.

Das wäre noch nicht so schlimm gewesen. Wenn Uwe mit den Beamten freundlich, brav und einsichtig geredet hätte, hätten sie die nächtliche Ruhestörung bestimmt vergessen und ein Auge zugedrückt, aber das Mädchen hatte ihn erst gar nicht zu Wort kommen lassen.

Sie hatte - ehe Uwe Schneiderbanger ihr den Mund verbieten konnte - sich splitterfasernackt vor die „Bullen“ hingestellt, diese unflätig beschimpft und ihnen provokant den Effenberg-Finger gezeigt. Uwe Schneiderbanger war aus allen Wolken gefallen. Er hatte geglaubt, nicht richtig zu hören und zu sehen, als sie loslegte. Entsetzlich, was diese Wahnsinnige ihm da einbrockte. Unbeeindruckt von ihrer unbestrittenen Schönheit, hatten die Polizisten daraufhin „amtsgehandelt“ - und in Uwes kleiner Wohnung so viel Kokain entdeckt, dass sich das ganze Haus damit hätte highschnupfen können.

Selbstverständlich glaubten die Beamten nicht, dass das nicht sein Koks war. Er und das Starlet mussten sich anziehen und mitkommen. Sie verbrachten den Rest der Nacht in getrennten Zellen auf dem Polizeirevier. Wenn man sie zusammen eingelocht hätte, hätte Uwe für nichts garantieren können. Er wäre dem bescheuerten Mädchen wahrscheinlich an die Kehle gegangen. Tags darauf wurde er überraschenderweise freigelassen. Das Starlet sah er nicht wieder.

Sie war ihm mehr als egal.

Von mir aus können sie sie dabehalten, bis sie schwarz wird, dachte er mitleidlos. So viel Blödheit gehört bestraft.

Er sah zu, das Revier so schnell wie möglich zu verlassen. Kaum war er zu Hause, läutete das Telefon, und ein Mann, der seinen Namen nicht nannte, fragte höhnisch: „Na, wie war dieser kleine Vorgeschmack auf ein paar Jahre Knast?“

„Was wollen Sie?“, knurrte Uwe Schneiderbanger.

Der Unbekannte lachte.

„Sie haben gesehen, es ist kein Problem für uns, Sie da hinzubringen, wo wir Sie haben wollen, wenn Sie nicht spuren.“

Uwe Schneiderbanger überlief es eiskalt.

„Moment mal, soll das heißen, Sie haben die Schnee-Prinzessin auf mich angesetzt?“

„Sie waren zu neugierig, wir haben uns über Sie geärgert. Möchten Sie den Krieg fortsetzen, oder ist es Ihnen lieber, wenn wir das Kriegsbeil begraben?“

„Was für eine Frage.“

„Es liegt bei Ihnen, wie es weitergeht.“

„Hören Sie, ich will nichts weiter als meine Ruhe haben“, sagte Uwe Schneiderbanger.

„Das gleiche Recht nehmen auch andere Leute für sich in Anspruch.“

„Ich verstehe.“

„Ich hoffe, Sie verstehen wirklich“, sagte der Anrufer.

„Ich bin kein Idiot.“

„Das sollten Sie uns jetzt mal beweisen.“

„Sie werden keinen Grund mehr haben, sich über mich zu ärgern.“

„Das hört sich gut an.“ Die Stimme des Mannes klang zufrieden. „Wir behalten Sie im Auge, Schneiderbanger. Leben Sie wohl!“

Uwe drückte auf die Gabel und knurrte: „Ja, Sie mich auch!“

Adieu, Inselchen in der Ägäis! Uwe war auf einmal jede Lust an einem Geschäft mit „Cineworld“ vergangen. Wie sich gezeigt hatte, brachte das mehr Ärger ein, als die ganze Sache wert war. Er konnte in Griechenland auch ohne eigenes Eiland sehr gut leben. Es war im Grunde genommen eine verrückte Eingebung gewesen, eine eigene Insel besitzen zu wollen.

Besitz macht ohnedies nur Sorgen, sagte sich Uwe Schneiderbanger, und damit redete er sich seine Schnapsidee sehr schnell wieder aus.

Gloria hätte ihm nie verziehen, wenn er sein Wissen über sie zu Geld gemacht hätte. Sie war seine Schwester. Es wäre nicht richtig gewesen, sie zu verraten.

Auf lange Sicht war ihre Liebe einer Rente gleichzusetzen, denn wann immer er sie um Geld gebeten hatte, hatte sie ihm welches gegeben. Natürlich nicht so viel, dass er sich gleich eine Insel kaufen konnte, aber immerhin genug, um eine Weile gut über die Runden zu kommen.

Er wäre töricht gewesen, wenn er diese zuverlässige Geldquelle zum Versiegen gebracht hätte. Okay. Keine Insel. Die Würfel waren gefallen.

Er rief Hagmut Bresser an, um das angekündigte Geschäft rückgängig zu machen. dass der Chefredakteur von „Cineworld“ sich vor Begeisterung nicht gerade überschlug, war klar.

„Was soll das, Schneiderbanger?“, fragte Bresser ungehalten. „Warum ziehen Sie auf einmal den Schwanz ein?“

„Meine Sache.“

„Verdammt, ich habe kein Verständnis für solche Spielchen.“

„Das ist Ihr Problem, Bresser.“

„Haben Sie plötzlich Angst vor der eigenen Courage?“

„Ich habe einfach umdisponiert“, erklärte Uwe Schneiderbanger.

„Setzt Sie irgendjemand unter Druck?“, wollte der Chefredakteur von „Cineworld“ wissen. Er klang nervös, schien seine Felle davonschwimmen zu sehen. „Oder haben Sie ein Angebot der Konkurrenz?“

„Es wird von mir keine Informationen über Gloria Sandrini geben. Das ist alles, was ich Ihnen sagen wollte“, erwiderte Uwe kalt.

„Warten Sie, Schneiderbanger!“, rief Bresser. „Legen Sie noch nicht auf!“ Er lachte blechern. „Sie sind gerissener, als ich gedacht habe. Sie wollen den Preis in die Höhe treiben, möchten sich doch noch ein kleines Handgeld herausschlagen. Na schön, einen geringen Spielraum habe ich noch. Was sagen Sie zu fünfzigtausend Mark?“

„Ich sage nein.“

„Fünfundsiebzigtausend Mark.“

„Nein.“

„Hunderttausend Mark.“

„Machen Sie’s gut, Bresser“, sagte Uwe und legte auf.

Doch Hagmut Bresser rief sofort zurück.

„Hundertfünfundzwanzigtausend Mark, Schneiderbanger. Das ist mein letztes Angebot.“

„Nein.“

„Sie verdammter Bastard. Hundertfünfzigtausend Mark. Höher kann ich nicht gehen.“

„Begreifen Sie endlich, ich mache das Geschäft nicht mit Ihnen“, sagte Uwe.

„Mit wem machen Sie es?“, fragte Bresser spröde.

„Mit niemandem.“

„Ach, kommen Sie, Schneiderbanger, das können Sie mir nicht erzählen.“

„Es ist, wie ich’s sage.“

„Hundertfünfundsiebzigtausend!“, schrie Bresser. Seine Stimme überschlug sich. „Hunderfünfundsiebzigtausend Mark!“

„Ich bin nicht interessiert.“

„Sie verfluchter Mistkerl!“, brüllte der Chefredakteur von „Cineworld“. „Scheren Sie sich zum Teufel!“

Uwe lachte. Es tat ihm gut, Bresser so eiskalt abblitzen zu lassen.

„Aber nur dann“, erwiderte er, „wenn Sie mitkommen.“

Diesmal legte Hagmut Bresser auf, und er rief nie wieder an.

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