Читать книгу Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021 - A. F. Morland - Страница 40
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ОглавлениеEs stand sehr schlecht um Bernd Hoffmann. Ein Rettungshubschrauber hatte ihn zur Paracelsus-Klinik geflogen. Mit an Bord waren Gloria Sandrini und Dr. Härtling gewesen.
Innere Verletzungen, schweres Schädeltrauma, Rückenmarkerschütterung (eine Embolie war zu befürchten) ... Dr. Falk und Dr. Härtling operierten den Schauspieler, während Gloria Sandrini in einem Raum wartete, zu dem die zahlreich erschienene Presse keinen Zutritt hatte.
Gloria trug noch immer ihren roten Overall. Sie kam um vor Angst und Sorge um Bernd, war einem Nervenzusammenbruch nahe. Würden Dr. Härtling und seine Kollegen Bernd retten können? Die ganze Welt war verliebt in ihr bezauberndes Lächeln. Sie hatte es heute verloren, und sie würde nie wieder lächeln können, wenn ihr geliebter Bernd nicht am Leben blieb.
Die Zeit verrann wie zähflüssiger Sirup. Gloria hatte ausdrücklich gesagt, sie wolle niemanden sehen, bis alles vorbei war. Nur bei Schwester Annegret machte sie eine Ausnahme.
Als die grauhaarige Pflegerin nach ihr sah und fragte, ob sie etwas für sie tun könne, antwortete Gloria: „Können Sie einen Kaffee für mich auftreiben?“
„Selbstverständlich.“
Gloria bekam ihren Kaffee. Nachdem sie die Tasse mit zitternden Händen zum Mund geführt hatte, fragte sie: „Operieren sie Bernd noch immer?“ Schwester Annegret nickte. „Mein Gott, wie lange denn noch?“, fragte Gloria Sandrini verzweifelt.
Darauf konnte Annegret ihr keine Antwort geben. Sie versuchte beruhigend auf die nervöse Schauspielerin einzuwirken und hoffte, dass es ein Trost für sie war, wenn sie ihr sagte, dass sich mit Dr. Härtling und Dr. Falk die besten Ärzte des Hauses um Bernd Hoffmann bemühten.
Die Notoperation dauerte bereits viereinhalb Stunden.
Viereinhalb Stunden quälende Ungewissheit. Viereinhalb Stunden bohrende Angst. Viereinhalb Stunden gedrücktes Hoffen, mutloses Bangen und panische Verzweiflung.
„Ich glaube, ich halte das nicht länger aus, Schwester“, stöhnte Gloria, als Annegret sich wieder einmal kurz blicken ließ.
„Draußen ist Ihr Bruder, Frau Sandrini“, sagte die Pflegerin. „Darf er hereinkommen?“
„Ja, natürlich.“
Die alte Schwester ging hinaus und schickte Uwe Schneiderbanger herein.
Gloria rannte ihm entgegen, warf sich in seine hilflos ausgebreiteten Arme und weinte herzzerreißend. Er streichelte unsicher ihren zuckenden Rücken.
„Mach dir keine Sorgen, Kleines! Es wird alles gut, er wird wieder gesund. Er ist jung. Er ist stark. Er wird ganz bestimmt wieder gesund.“
„O Uwe, ich habe solche Angst“, jammerte Gloria und presste ihr tränennasses Gesicht gegen seine Schulter.
„Warum musstet ihr dieses verrückte Rennen fahren?“, fragte Uwe Schneiderbanger vorwurfsvoll.
„Wenn ich geahnt hätte, wie es ausgehen würde ...“
„Damit muss man immer rechnen“, erwiderte der Mann.
„Voriges Jahr ging alles so problemlos und glatt ab.“
„Bernd wurde von falschem Ehrgeiz getrieben, sagt man. Er fuhr wilder als die echten Rennfahrer. Warum hat er das getan? Warum hat er so leichtsinnig sein Leben aufs Spiel gesetzt?“
„Er darf nicht sterben“, schluchzte Gloria laut. „Wenn er es nicht schafft - ich weiß nicht, was ich dann tue.“
„Du musst Vertrauen zu Dr. Härtling und seinen Mitarbeitern haben. Sie werden ihn durchbringen.“
Und wirklich - die Ärzte brachten Bernd Hoffmann durch, aber sein Zustand blieb kritisch. Er lag in tiefem Koma, und niemand konnte Gloria sagen, wann er wieder aufwachen würde - oder ob es überhaupt je geschehen würde.
Sie durfte ihn kurz sehen, dann riet Dr. Härtling ihr, nach Hause zu fahren. Und zu ihrem Bruder sagte der Chefarzt der Paracelsus-Klinik: „Lassen Sie Ihre Schwester jetzt nicht allein, Herr Schneiderbanger.“
„Ich bleibe bis auf weiteres bei ihr“, nickte Uwe.
Sören Härtling wandte sich an die Schauspielerin.
„Sowie sich Herrn Hoffmanns Zustand verändert, rufen wir Sie an.“
Uwe Schneiderbanger brachte seine Schwester nach Hause. Das Verlassen der Paracelsus-Klinik wurde zum reinsten Spießrutenlauf für die beiden. Uwe stieß rücksichtslos Mikrofone, Fotoapparate und TV-Kameras zur Seite und bugsierte Gloria zu seinem geleasten Wagen.
Die vielen Fragen der in- und ausländischen Journalisten, die sich brandheiße Informationen erhofft hatten, blieben unbeantwortet.
Herr und Frau Kampmann empfingen Gloria zu Hause blass und betroffen. Sie hatten das Rennen im Fernsehen verfolgt und x-mal die schreckliche Zeitlupenwiederholung von Bernd Hoffmanns schwerem Unfall gesehen.
Uwe Schneiderbanger und Gisela Kampmann steckten die Schauspielerin ins Bett. Gloria protestierte zwar, vermochte sich jedoch gegen die Köchin und ihren Bruder nicht durchzusetzen. Und sie schlief dann sogar zwei volle Stunden. Als sie aufwachte, saß Uwe neben ihrem Bett. Er legte seine Hand auf ihre Stirn.
„Fühlst du dich jetzt etwas besser?“
Sie nickte. „Ein wenig.“
„Eine Menge Leute haben angerufen. Auch Albert Pfeiffer. Er möchte Bernd zusammen mit dir morgen in der Paracelsus-Klinik besuchen.“
Gloria nahm seine Hand und drückte sie dankbar.
„Ich bin so froh, dass du da bist, Uwe. So froh, dass es dich gibt.“
„Nein, Gloria, nein.“ Er schüttelte heftig den Kopf, biss sich auf die Unterlippe und wandte sich von ihr ab.
„Was ist mit dir?“, fragte Gloria.
Er schüttelte stumm den Kopf.
„Was hast du?“, wollte Gloria wissen.
„Ich verabscheue, hasse und verachte mich.“ Uwe spie es förmlich aus.
„Warum?“
„Weil ich ein ehrloses Schwein bin“, antwortete der Mann.
„Was hast du getan?“
„Das ... das kann ich dir nicht sagen.“
„Du kannst mir alles sagen. Ich bin deine Schwester. Ich liebe dich.“
Er sah sie an, und in seinen Augen glänzten Kummer und Verzweiflung.
„Wenn du erfährst, wozu ich mich habe verleiten lassen, wirst du mich nicht mehr lieben.“ Er weinte. „O Gloria, es tut mir ja so leid, und ich schäme mich so sehr.“
Sie musste ihm lange zureden, bis er endlich den Mut aufbrachte, ihr alles zu beichten. Danach herrschte eine Weile brütendes Schweigen in Gloria Sandrinis Schlafzimmer.
Betrübt erhob Uwe sich.
„Wohin willst du?“, fragte Gloria.
„Ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt gehe und dir nie mehr unter die Augen komme“, antwortete er kleinlaut.
„Nein, Uwe, bitte geh nicht.“
„Aber ich habe etwas so schrecklich Ehrloses getan ...“
„Ich möchte, dass du bleibst“, sagte Gloria Sandrini.
„Du kannst mir niemals verzeihen ...“
„Doch, ich kann, denn du bist und bleibst mein Bruder.“
Er sah sie verständnislos an.
„Ich bin hier eingebrochen.“
„Ich habe dich verjagt, bevor du etwas aus meinem Safe stehlen konntest.“
„Ich wollte mein Wissen über dich zu Geld machen.“
„Du hast es nicht getan“, sagte die Schauspielerin.
„Ich hätte es wahrscheinlich getan, wenn man mir nicht so kräftig auf die Zehen getreten wäre.“
„Du hast es nicht getan, und du bist jetzt, wo ich ganz dringend einen Menschen brauche, der mich tröstet, hier - nur das zählt für mich.“
Er schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nicht, womit ich eine so großartige Schwester verdient habe.“
„Wir haben alle unsere Fehler“, entgegnete Gloria tolerant.
„Du nicht. Du bist eine Heilige in meinen Augen.“
Sie streckte die Hände nach ihm aus.
„Komm her, Bruderherz, lass dich umarmen! Es ist alles vergeben und vergessen.“