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Es dauerte eine Woche, bis Oskar Dubies mit sich einigermaßen ins Reine kam und es schaffte, in die Paracelsus-Klinik zu kommen. Ihn plagte ein furchtbar schlechtes Gewissen. Er fühlte sich irgendwie mit schuldig an Biggi Grenkowitz’ Doppelleben. Sie musste von ihm von irgendetwas zu wenig bekommen haben, ohne dass er sich dessen bewusst war - und das hatte sie sich dann wahrscheinlich bei diesen fremden Männern geholt.

Er war auch nicht argwöhnisch genug gewesen. Viel zu vertrauensselig hatte er alles geglaubt, was sie ihm erzählt hatte. Er hätte viel energischer nachforschen müssen, woher sie das Geld hatte, das sie mit vollen Händen ausgab. Vor allem dann, als Ben Härtling ihm erzählt hatte, dass ihr Vater arbeitslos war. Er hatte diesem Problem zu gleichgültig gegenübergestanden, hatte die Dinge einfach laufen lassen - und das war ein Fehler gewesen, den er sich nun fast nicht verzeihen konnte.

Aber sehr viel schwerer wog die Schuld - sie erdrückte ihn beinahe - dass Biggi durch seine Unbeherrschtheit beinahe zu Tode gekommen wäre.

Mit diesen mächtigen Lasten auf den Schultern betrat er die Paracelsus-Klinik, und es dauerte nicht lange, bis ihn der Mut total verließ.

Nein, es war ihm nicht möglich, Biggi zu besuchen.

Sie wird mich stumm ansehen, und ihr vorwurfsvoller Blick wird mich fragen, warum ich ihr dieses entsetzliche Leid zugefügt habe, hielt er sich vor. Und ich werde nicht wissen, was ich darauf antworten soll.

Er drehte sich um und wollte fluchtartig das Klinikum verlassen. Dabei hätte er beinahe eine alte Pflegerin umgerannt.

„He, nicht so stürmisch, junger Mann“, ermahnte sie ihn lächelnd.

„Entschuldigung“, murmelte er.

„Ich bin Schwester Annegret. Kann ich Ihnen helfen?“

„Nein ...“, stieß er hastig hervor. „Oder doch ... Das heißt ... Nnein ...“

Schwester Annegret schmunzelte.

„Also, was nun?“

Ehe Oskar sich zu einer klaren Antwort durchringen konnte, war auf einmal Bens Vater, Dr. Härtling, da, und der erkannte ihn natürlich auch sofort.

„Oskar“, sagte der Klinikchef freundlich.

Der Achtzehnjährige hatte das Gefühl, zu schrumpfen.

„Guten Tag, Herr Doktor.“

„Biggi wird sich freuen, Sie zu sehen.“

Oskar verzog das Gesicht. Es hätte ein Lächeln werden sollen, ging aber voll daneben.

„Ja ... das ... das hoffe ich. Wie ... wie geht es ihr?“

Dr. Sören Härtling nickte. „Schon besser.“

„Wird sie wieder ganz gesund?“

„Das wird zwar noch eine Weile dauern“, antwortete der Chefarzt der Paracelsus-Klinik, „aber ich bin sehr zuversichtlich, dass sie es schaffen wird.“

„Wenn ich mich damals nur besser unter Kontrolle gehabt hätte ...“

„Biggi gibt Ihnen keine Schuld“, sagte Dr. Härtling.

Oskar Dubies sah ihn verblüfft, überrascht und unendlich erleichtert an.

„Wirklich nicht?“

„Schwester Annegret wird Sie zu ihr bringen“, sagte der Klinikchef. Er wandte sich an die grauhaarige Pflegerin. „Sind Sie so nett, Annchen?“

„Aber selbstverständlich“, nickte Annegret. „Kommen Sie mit, junger Mann!“

„Danke, Herr Dr. Härtling“, sagte Oskar Dubies bewegt, und ehrlich fügte er hinzu: „Mich hätte vorhin beinahe der Mut verlassen, doch nun wünsche ich mir nichts sehnlicher, als Biggi zu sehen.“

Roman Koffer 10 Arztromane zum Jahresende 2021

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