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3. Teil Erfüllung nach § 362 › B. Maßgeblicher Empfänger

B. Maßgeblicher Empfänger

3. Teil Erfüllung nach § 362B. Maßgeblicher Empfänger › I. Gläubiger

I. Gläubiger

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Gemäß § 362 Abs. 1 muss die Leistung zur Erfüllung an den Gläubiger bewirkt werden.

Die Bestimmung der Person des Gläubigers haben wir im ersten Teil bereits untersucht. Wir können uns hier kurz fassen:

Gläubiger ist derjenige, zu dessen Gunsten der Anspruch bei Bewirken der Leistung besteht. Das wird im Normalfall die Person sein, zu deren Gunsten der Anspruch entstanden ist. Das ist das Ergebnis auf der ersten Ebene Ihrer Anspruchsprüfung („Anspruch entstanden“). Beim vertraglichen Schuldverhältnis ist der Vertragspartner in der Regel der Gläubiger und beim gesetzlichen Schuldverhältnis derjenige, der kraft des gesetzlichen Tatbestandes die Leistung verlangen kann.

Veränderungen können sich durch Abtretung oder Legalzession ergeben haben.

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Beim echten Vertrag zugunsten Dritter kann Erfüllung nach § 362 Abs. 1 nur eintreten, wenn die Leistung an den Dritten bewirkt wird.[1] Er ist der Gläubiger der versprochenen Leistung i.S.d. § 362 Abs. 1. Die Tatsache, dass der Versprechensempfänger nach § 335 im Zweifel ein eigenes Forderungsrecht hat, ändert daran nichts. Denn er kann nach § 335 nur Leistung an den Dritten und nicht an sich selbst fordern.[2] Man kann sagen, dass der Versprechensempfänger der Gläubiger ohne eigene „Empfangszuständigkeit“ ist. Dass die Empfangszuständigkeit eine (ungeschriebene) Erfüllungsvoraussetzung ist, werden wir gleich noch untersuchen (siehe Rn. 139 ff.).

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Bei der Frage der Erfüllung kann ein Gläubigerwechsel durch Abtretung/Legalzession noch einmal zu berücksichtigen sein, wenn der zu erfüllende Anspruch nach seiner Entstehung und vor Leistung auf einen Dritten übergegangen ist. Ist die Leistung dennoch an den bisherigen Gläubiger erfolgt, kann jedenfalls keine Erfüllung nach § 362 Abs. 1 eintreten. Die Abtretung/Legalzession muss in dieser Konstellation beim Merkmal „Gläubiger“ in § 362 Abs. 1 untersucht werden. Es gilt das im ersten Teil vorgestellte Prüfungsschema zur Abtretung (siehe vor Rn. 32).

JURIQ-Klausurtipp

Sie könnten in einem solchen Sonderfall folgendermaßen formulieren:

„Vorliegend hat A den geschuldeten Kaufpreis an B gezahlt. Dadurch kann eine Erfüllung nach § 362 Abs. 1 aber nur eingetreten sein, wenn der B zu diesem Zeitpunkt noch Gläubiger der Forderung gewesen ist. Möglicherweise stand der Anspruch bei Zahlung aber bereits dem C zu, so dass A nicht an den tatsächlichen Gläubiger geleistet hätte. In Betracht kommt hier ein Forderungsübergang durch Abtretungsvereinbarung zwischen B und C gem. § 398 .(…)“

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Dem Gläubiger stehen seine Empfangsgehilfen gleich. Ebenfalls in die Sphäre des Gläubigers gehört seine kontoführende Bank, soweit es um die Erfüllung von Geldschulden durch Überweisung auf das Konto des Gläubigers geht. Die Bank nimmt mit der Entgegennahme des Betrages und der gleich hohen Gutschrift nur eine „technische“ Hilfsfunktion im Rahmen des Zahlvorgangs als „Zahlstelle“ und Leistungsmittlerin des Gläubigers wahr.[3] Sie ist also nicht etwa „Dritte“ i.S.d. § 362 Abs. 2.

3. Teil Erfüllung nach § 362B. Maßgeblicher Empfänger › II. Empfangszuständigkeit

II. Empfangszuständigkeit

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Da die Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 zum Erlöschen einer Forderung führt und damit den Forderungsbestand unmittelbar verändert, hat die Annahme einer Leistung eine verfügungsähnliche Wirkung. Es ist deshalb anerkannt, dass dem Gläubiger eine Verfügungsmacht zustehen muss. Man nennt dies auch „Empfangszuständigkeit“.[4] Fehlt dem Gläubiger die Empfangszuständigkeit, führt die Leistung an ihn nicht zur Erfüllung nach § 362 Abs. 1.[5] Vielmehr muss an einen Vertreter geleistet werden, der über die notwendige Empfangszuständigkeit verfügt. Denkbar ist es auch, dass der Vertreter den Gläubiger nach dem Rechtsgedanken der §§ 362 Abs. 2, 185 vorher oder nachträglich zur Entgegennahme der Leistung ermächtigt.[6]

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Die Empfangszuständigkeit steht demjenigen zu, der die Verfügungsmacht über die Forderung hat. Das ist in der Regel der Rechtsinhaber, also der Gläubiger selbst. Ist die Verfügungsmacht dem Gläubiger ausnahmsweise entzogen, fehlt automatisch seine Empfangszuständigkeit.

Beispiele

Die Verfügungsmacht kann dem Gläubiger durch Anordnung der Nachlassverwaltung (§ 1984 Abs. 1 S. 1), aufgrund einer Testamentsvollstreckung (§ 2211 Abs. 1), Pfändung der Forderung (§ 829 ZPO i.V.m. §§ 136, 135) oder auch nach der Insolvenzordnung wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gläubigervermögen (§§ 80, 81 InsO) entzogen worden sein.


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In diesen Fällen sind anstelle des Gläubigers andere Personen zur Entgegennahme der Leistung befugt.

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Es gibt auch Fälle, in denen der Gläubiger zwar seine Verfügungsmacht behält und ihm „nur“ die Empfangszuständigkeit entzogen wird.

Im Falle der rechtsgeschäftlichen Verpfändung der Forderung ist der Gläubiger der verpfändeten Forderung nicht mehr empfangszuständig, sondern der Pfandgläubiger, also derjenige, zu dessen Gunsten die Forderung verpfändet wurde (§ 1282 Abs. 1). Im Übrigen bleibt die Verfügungsmacht aber beim Forderungsinhaber (vgl. § 1282 Abs. 2).

Nicht empfangszuständig ist auch der nicht voll Geschäftsfähige. Die Leistung hat nur dann Erfüllungswirkung, wenn sie an den gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung gegenüber dem nicht voll Geschäftsfähigen vorgenommen wird.[7] Für den Vormund bzw. Betreuer gelten dabei sogar noch die besonderen Genehmigungsvorbehalte in §§ 1812, 1813 (ggf. i.V.m. § 1908i Abs. 1).

Hinweis

Nach wohl herrschender Meinung ist die Wirksamkeit des Erfüllungsgeschäfts (z.B. die Übereignung der gem. § 433 Abs. 1 geschuldeten Sache nach §§ 929 ff.) unabhängig von der Erfüllungswirkung zu prüfen. Demnach kann ein beschränkt Geschäftsfähiger nach § 107 auch ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ein Erfüllungsgeschäft zu seinen Gunsten wirksam vornehmen, wenn es – abgesehen von der Tilgungswirkung – keine sonstigen rechtlichen Nachteile mit sich bringt. Es tritt aber trotz wirksamen Erfüllungsgeschäfts keine Erfüllung ein, solange der gesetzliche Vertreter nicht zustimmt.[8] Bei Ausbleiben der Zustimmung erfolgt eine Rückabwicklung der Leistung nach §§ 812 ff.

3. Teil Erfüllung nach § 362B. Maßgeblicher Empfänger › III. Berechtigter Dritter gem. §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1

III. Berechtigter Dritter gem. §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1

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In bestimmten Fällen tritt Erfüllungswirkung auch dann ein, wenn der Schuldner nicht an den Gläubiger, sondern an einen Dritten leistet, der weder Hilfsperson noch Zahlstelle des Gläubigers ist. Zu unterscheiden sind die Fälle, in denen die Erfüllungswirkung durch Leistung an einen berechtigten Dritten eintritt und Fälle, wo der Schuldner – ausnahmsweise – auch durch Leistung an einen nichtberechtigten Dritten von seiner Verpflichtung befreit wird.

Wir betrachten hier die Erfüllung durch Leistung an einen berechtigten Dritten und gehen später auf die Erfüllungswirkung durch Leistung an einen nichtberechtigten Dritten ein.

1. Empfangszuständigkeit eines Dritten kraft Gesetzes

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In bestimmten Fällen fehlt dem Gläubiger die Empfangszuständigkeit. Darauf sind wir oben bereits eingegangen. Wenn aber dem Gläubiger kraft Gesetzes die Empfangszuständigkeit entzogen wird, muss das Gesetz die Empfangszuständigkeit einer anderen Person zuordnen, damit überhaupt Erfüllung eintreten kann.

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Bei nicht voll geschäftsfähigen Gläubigern steht die Empfangszuständigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter zu.[9]

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Im Falle der Verpfändung einer Forderung steht die Empfangszuständigkeit dem Pfandgläubiger zu, § 1282 Abs. 1 S. 1.

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Im Falle einer Pfändung und Überweisung zur Einziehung im Wege der Zwangsvollstreckung ist nunmehr der Pfandgläubiger berechtigt, §§ 835 Abs. 1 Var. 1, 836 Abs. 1 ZPO.

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Im Falle einer Nachlassverwaltung bzw. Testamentsvollstreckung steht die Empfangszuständigkeit dem Nachlassverwalter bzw. Testamentsvollstrecker zu, §§ 1984 Abs. 1, 1985, 2211.

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Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Gläubigervermögen ist die Empfangszuständigkeit nach §§ 80 ff. InsO dem Insolvenzverwalter zugewiesen.

2. Rechtsgeschäftliche Empfangszuständigkeit

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Wie sich aus § 362 Abs. 2 i.V.m. § 185 Abs. 1 ergibt, kann der Gläubiger auch einen Dritten ermächtigen, die Leistung als Erfüllung an seiner Stelle anzunehmen.

Hinweis

Fehlt dem Gläubiger die Empfangszuständigkeit, kann die Ermächtigung nur durch die empfangszuständige Person erteilt werden.

Die Zustimmung zur Übernahme der „Gläubigerrolle bei Erfüllung“ folgt den allgemeinen Regeln der §§ 182, 183 sowie den allgemeinen Regeln über einseitige Rechtsgeschäfte.

Es gelten daher die allgemeinen Regeln über das Zustandekommen, die Wirksamkeitserfordernisse und Wirksamkeitshindernisse über einseitige Rechtsgeschäfte.[10] Die Zustimmungserklärung kann nach § 183 sowohl gegenüber dem Schuldner als auch dem Dritten erklärt werden.

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