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a) Leistungsbefreiung nach § 275 Abs. 1

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Ein Wegfall des Kaufpreiszahlungsanspruchs nach § 326 Abs. 1 S. 1 setzt zunächst voraus, dass die L ganz oder teilweise gem. § 275 von ihrer Leistungspflicht befreit ist. In Betracht kommt eine Leistungsbefreiung wegen nachträglich eingetretener Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1.

Aufgrund des zwischen K und L geschlossenen Kaufvertrages schuldete die L die Lieferung eines aktuellen, aus acht Teilbänden bestehenden „Kölner Kommentar zum BGB“. Eine Konkretisierung der Schuld auf ein bestimmtes Exemplar ist nach dem Sachverhalt ausdrücklich bei Vertragsschluss nicht erfolgt und auch nicht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 anzunehmen. Keine der beiden Parteien hatte ein erkennbares Interesse, die Lieferpflicht auf ein individuelles Exemplar zu konkretisieren. Deshalb schuldete die L nach dem mit K geschlossenen Kaufvertrag die Lieferung irgendwelcher mangelfreier Exemplare aus der festgelegten Gattung. Ob insoweit eine allgemeine oder eine auf den Vorrat der L beschränkte Gattungsschuld anzunehmen ist, kann dahingestellt bleiben. Bezogen auf beide Schuldformen käme eine Unmöglichkeit nur dann in Betracht, wenn die gesamte Gattung oder zumindest der Vorrat der L eine Leistung nicht mehr gestatten würde. Dafür bietet der Sachverhalt aber keinerlei Anhaltspunkte.

Eine Unmöglichkeit kann also nur dann vorliegen, wenn sich die Gattungs- bzw. Vorratsschuld der L nach Vertragsschluss auf die konkret zur Versendung gebrachten Exemplare konkretisiert hätte und deshalb der Verlust des einen Teilbandes insoweit zur Unmöglichkeit führt.

Gemäß § 243 Abs. 2 tritt Konkretisierung bei einer Gattungsschuld auf ein bestimmtes Exemplar dann ein, wenn der Schuldner das seinerseits zur Leistung Erforderliche getan hat.

Was der Schuldner im Einzelnen zur Herbeiführung des Leistungserfolges unternehmen muss, bestimmt sich nach der vertraglichen Vereinbarung. Indem die L nach der vertraglichen Vereinbarung verpflichtet war, die Teilbände des Gesamtkommentars an den K zu versenden, scheidet zunächst die Vereinbarung einer Holschuld i.S.d. § 269 Abs. 1, Abs. 2 aus. In Betracht kommt deshalb allein eine Schick- oder Bringschuld. Beide Schuldformen unterscheiden sich dadurch, dass bei der Schickschuld der Leistungsort entsprechend dem gesetzlichen Leitbild gemäß § 269 Abs. 1 weiterhin beim Wohn- bzw. Geschäftssitz des Schuldners verbleibt. Bei der Bringschuld hingegen befinden sich Leistungs- und Erfolgsort am Sitz des Gläubigers. Da es bei der Versendung typischerweise Aufgabe des Verkäufers ist, die Versendung der Kaufsache – auf eigene oder fremde Kosten – zu veranlassen, begründet die Versendung für sich alleine noch nicht die Annahme, der Empfangsort solle auch Leistungsort für die Lieferpflicht des Verkäufers sein, § 269 Abs. 3.[65] Grundsätzlich bleibt es daher bei der Vermutung des § 269 Abs. 1, wonach der Sitz des Schuldners Erfüllungsort für die ihm obliegenden Verkäuferpflichten ist. Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn die Interessenlage der Parteien dies gebietet, §§ 133, 157. Eine solche abweichende Zuordnung des Leistungsortes ist im vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass L grundsätzlich die Versendung nicht selbst unternimmt und grundsätzlich hierfür auch nicht die Kosten trägt. Die Tatsache, dass L die Kosten des Versandes übernommen hatte, beruhte allein darauf, dass K den Bestellwert von 50 € überschritten hatte. Umgekehrt bedeutet dies, dass L die Versendung sonst nicht auf eigene Kosten übernimmt.

Im Ergebnis wurde damit eine Schickschuld vereinbart. Bei einer Schickschuld des Verkäufers besteht die erforderliche Leistungshandlung darin, dass der Verkäufer eine qualitativ ordnungsgemäße Ware aussondert und an eine zur Versendung geeignete Transportperson übergibt.[66] Laut Sachverhalt hatte ein Mitarbeiter der L alle acht Teilbände des Kommentarwerkes ausgesondert und an einen Vertreter des von ihr beauftragten Transportunternehmens, B, übergeben. Damit hatte L über ihren Erfüllungsgehilfen das ihrerseits zur Leistung Erforderliche getan, sodass sich in der Folge ihre Leistungsverpflichtung auf die an B übergebenen Exemplare konkretisiert hatte.

Indem der nun noch ausstehende Teilband untergegangen ist und sich sein Verbleib nicht mehr aufklären lässt, ist zumindest insoweit eine objektive, tatsächliche Unmöglichkeit i.S.d. § 275 Abs. 1 eingetreten.

Im Falle der Teilunmöglichkeit sieht § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 grundsätzlich vor, dass die Gegenleistung nicht vollständig entfällt, sondern nach den Vorschriften über die Minderung gemäß § 441 anteilig herabgesetzt wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Unmöglichkeit eines Leistungsteils insgesamt zur Unmöglichkeit der gesamten Leistung führt. Im letzteren Falle würde der Anspruch auf die Gegenleistung gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 insgesamt entfallen.

Ob das Ausbleiben des achten Teilbandes zur gesamten oder nur zur teilweisen Befreiung von der Zahlungspflicht des K führt, kann jedoch dahingestellt bleiben, wenn K aus anderen Gründen weiterhin zur Zahlung verpflichtet bleibt.

Schuldrecht Besonderer Teil I

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