Читать книгу Schuldrecht Besonderer Teil I - Achim Bönninghaus - Страница 141
bb) Kein Ausschluss nach § 474 Abs. 4
ОглавлениеDie Gefahrtragungsregel des § 447 ist allerdings nach § 475 Abs. 2 nicht anwendbar, wenn es sich bei dem zwischen den Parteien vereinbarten Kaufvertrag um einen Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 Abs. 1 handelt und kein in § 475 Abs. 2 umschriebener Ausnahmefall vorliegt.
Definitionsgemäß setzt der Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 Abs. 1 S 1 voraus, dass der Käufer bei Abschluss des Kaufvertrages als Verbraucher gehandelt hat. Daran könnte man hier zweifeln, da K den Kommentar für seine im Aufbau begriffene Anwaltskanzlei bestellt hat. Fraglich ist, ob K als Existenzgründer bereits als Unternehmer i.S.d. § 14 oder noch als Verbraucher i.S.d. § 13 anzusehen ist.
Nach § 14 ist Unternehmer eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen freiberuflichen Tätigkeit handelt. Umgekehrt wird nach § 13 als Verbraucher angesehen, wer ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der überwiegend weder seinen gewerblichen noch seiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Entscheidend ist somit die – objektiv zu bestimmende – Zweckrichtung des Verhaltens der jeweiligen Vertragspartei bei Vertragsschluss. Das Gesetz stellt nicht auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein geschäftlicher Erfahrung, etwa aufgrund einer bereits ausgeübten gewerblichen oder selbstständigen freiberuflichen Tätigkeit ab. Es kommt vielmehr nur darauf an, ob das Verhalten der Sache nach dem privaten – dann Verbraucherhandeln – oder überwiegend dem gewerblich-beruflichen Bereich – dann Unternehmertum – zuzuordnen ist. Rechtsgeschäfte im Zuge einer Existenzgründung, wie hier der Erwerb eines Kommentarwerkes, steht dem unternehmerischen Handeln i.S.d. § 14 nahe. Dieses Ergebnis entspricht auch der Ratio der Verbraucherschutzregeln. Es besteht kein Anlass, demjenigen Verbraucherschutz zu gewähren, der sich für eine bestimmte gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit entschieden hat und dementsprechend vorbereitende oder unmittelbar eröffnende Geschäfte abschließt. Denn er begibt sich damit in den unternehmerischen Geschäftsverkehr.[67] Außerdem bestimmt § 513, dass die Vorschriften über Verbraucherdarlehen auch für entsprechende Geschäfte zum Zwecke der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit gelten. Damit werden die Existenzgründer in dieser Beziehung und innerhalb dieser Begrenzung Verbrauchern gleichgestellt. Daraus ergibt sich aber im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber den Existenzgründer grundsätzlich nicht als Verbraucher ansieht. Andernfalls wäre die Vorschrift des § 513 obsolet.[68]
Im Ergebnis ist deshalb der Abschluss eines Kaufvertrages zwischen einer Unternehmerin und einem Existenzgründer kein Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 Abs. 1 S. 1. Die Vorschrift des § 447 ist deshalb nicht nach § 475 Abs. 2 ausgeschlossen.