Читать книгу Fern von hier - Adelheid Duvanel - Страница 28

Verfolgung

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Nonnato schlief in kurzen Etappen, sprang wenige Zentimeter hoch über seinem Körper und neidete, wieder wach geworden, andern Schläfern die weiten, zügellosen Reisen. Beim leisesten Geräusch fiel er. Eines Nachts weckte ihn der Mieter vom obern Stock, der versuchte, seinen defekten Ölofen anzuzünden. Der Mann geriet dabei in maßlose Wut und zuletzt schien es, er demoliere seine ganze Inneneinrichtung. Nonnato knipste die schirmlose Lampe auf seinem Nachttisch an und glaubte, er höre die merkwürdige Melodie, die auf dem Gleis der Nacht dahinfährt. Er dachte an die junge Frau, die in tiefem Schlaf lag, als ihr Haus brannte. Sie hatte ein Herzkirschengesicht und trug keine Brille, obwohl sie beinah blind war, da sie den verschwommenen Zustand, in den ihre Augenkrankheit sie versetzte, genoss – dies wenigstens erzählte sie Nonnato kurz vor ihrem Feuertod. Wenn er jeweils neben ihr lag und die Hand auf ihren Rücken legte, spürte er, dass sie wie eine Katze schnurrte.

Nonnato stülpte sich die Perücke über den Schädel, weil er fror, und setzte die dunkle Brille auf, um das Fehlen der Brauen und Wimpern zu verbergen. Dann schlüpfte er in einen seiner zu wuchtigen Mäntel und zog Gummistiefel an. Er trat aus dem Haus und schritt über den Schnee in der Erwartung, einzusinken, sich in den Bauch der weiß blühenden Stadt zu bohren; ihr Duft – der Duft des Schnees – versetzte ihn in Aufregung. Er hörte von weitem einen hysterischen Singsang, ein Grölen vielmehr, und fand die Treppe zur Bahnhofsunterführung. Rasch stieg er in die Tiefe und ging durch den langen, unterirdischen Gang – dort im Dunkeln, mitten im Weg, lag ein Hut, der mit einem funkelnden Licht gekennzeichnet war. Der Besitzer des Hutes lehnte an der Wand; Nonnato wagte nicht, ihn genau anzublicken, sondern bewegte sich auf den Hut zu, verlangsamte den Schritt, bückte sich tief, kratzte mit der linken Hand an der Innenseite seines linken Stiefels und legte mit der rechten einen Geldschein zu den Münzen. Dann richtete er sich auf und hastete weiter. Er wagte nicht, umzukehren, da er nicht noch einmal am Sänger vorbeigehen wollte, der nun seine Finger über die Saiten einer Gitarre schleuderte und auf diese Art rhythmisch schnarrende Geräusche erzeugte; es schien, er wolle sich die gefrorenen Fingerbeeren aufkratzen.

Als Nonnato am Ende der Fußgängerpassage die Treppe hochstieg, mischte er sich unter einige Schneeflocken, die sich in einem trüben Tanz drehten, wobei sie von einer Straßenlampe beleuchtet wurden. Ein kahler Strauch beugte sich über eine Mauer. Nonnato hatte den Eindruck, die Straße mit den stillen Häusern wachse aus seinem Gesicht; plötzlich warf sich jemand vorbei – wahrscheinlich ein junges Mädchen; er sah das rote, lange Haar, das über seinen Rücken hing und sachte und teilnahmslos auf das beim Gehen schaukelnde Gesäß klopfte. Sofort dachte er wieder an die tote Frau und gleichzeitig fiel ihm das Wort «Euphoranol» ein; oder war es «Euphoridon», das sie geschluckt hatte, um sich wegzuschneiden, sich zu entfernen aus der schmerzhaften Nähe der Geräusche und Berührungen? (Der Name der Pille verdrehte sich stets in seinem Kopf, drängte sich fratzenhaft und immer anders hervor, um ihn zu quälen. Nonnato zwang sich dann, an anderes zu denken, was ihm manchmal für kurze Zeit gelang.) Nur das Feuer hatte die Frau in ihren Schlaf verfolgt, hatte sie gefunden und verzehrt. Nonnato, der damals nach seiner Flucht wieder ins brennende Haus gestürzt war, hatte sie nicht retten können. Nun wusste er plötzlich, dass er das rothaarige Mädchen suchte. Er überließ sich weiterhin seinen Stiefeln, die den Stempel, das Zeichen für seine Person, in regelmäßigen Abständen auf den Schnee drückten, um zu beweisen, dass er die Jagd nicht aufgab.

Fern von hier

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