Читать книгу Fern von hier - Adelheid Duvanel - Страница 37

Ein unbegreifliches Stück

Оглавление

Lange Zeit stand ich an der Bushaltestelle; auf dem Flachdach des Hauses gegenüber saß eine Reihe von Möwen. Eine schlief nicht; im Licht des Mondes sah ich, dass sie sich putzte. Es war kalt. Ich stieg in den Bus, der hier, zwischen zwei Dörfern, nur auf Verlangen anhält. Hinter mir saß eine Frau, die den Schluckauf hatte. Ich kannte sie von früher; sie trat in meinem andern, milden, weit entfernten Leben auf, aber sie war hereingefallen ins Heute. Ich zog meine ledernen Handschuhe aus und zerknüllte sie nervös. Der Chauffeur sang Arien; er hatte einen schönen Bariton. Die Bäume an den Straßenrändern waren noch nicht leer; sie zeigten den Rest ihres Vermögens: magere, braune Blätter, auf denen der Schnee schon wieder geschmolzen war. Ich äußerte mich während der Fahrt ganz unverfroren, indem ich stöhnte oder «mhm» sagte oder «nönönö», was niemand wichtig nahm. Ich verfolgte in Gedanken Spuren, bezog Stellung und überblickte von gewissen Punkten aus das Ganze. Manchmal landete ich mitten in einer Szene aus meinem Leben, die verfälscht war, aber ich zog dieses falsche, vergoldete Leben meinem jetzigen Leben vor; ich liebte seine Tiefe, die ruhigen Bewegungen der Personen und das frohe Lachen im Hin­tergrund.

Ich stieg nach einigen Stationen aus und stand vor einem schwarzen Haus. An einer Tür las ich: «Besser nicht eintre­ten»; die Formulierung irritierte mich, da sie Gefahr andeutete. Erst als ich mich der Schrift nochmals zuwandte, entzifferte ich: «Bitte nicht eintreten». Ich trat trotzdem ein, gab aber den Mantel an der Garderobe nicht ab, sondern ging sofort in einen dunkeln Zuschauerraum und setzte mich auf einen leeren Sitz vorne an der Wand. Der Bühnenvorhang war offen, die Bühne war leer, ohne Kulissen, aber das Stück hatte schon vor einer Stunde begonnen.

Die wenigen Zuschauer zeigten sich unruhig; manche pfiffen oder fielen durch Rufe auf, andere verließen laut murrend den Saal. Anscheinend hatte noch niemand Tomaten oder Eier geworfen. Zwei Kritiker waren fest entschlossen, bis zum Ende auszuharren; sie saßen hinter mir und sprachen mit­einander. Ich, als Verfasserin des Stücks, fühlte mich krank. Eine Schauspielerin, die ich nicht kannte, trat auf; sie weinte während längerer Zeit und öffnete dann ihren Koffer. Das Publikum glaubte, nun sei der Zeitpunkt gekommen, den Atem anzuhalten. Der Koffer war leer. Mein Hass wuchs; er war wie ein Trompetenton; ich musste aufpassen, dass er mich nicht gegen die Wand schmetterte. Ich erhob mich, zog meinen Revolver aus der Handtasche, zielte und wollte abdrücken, doch die beiden Kritiker rissen mich zurück, drehten meine Arme auf den Rücken, entwanden mir den Revolver und sagten, dass auch sie das Stück nicht begriffen hätten, dass das aber doch kein Grund sei, die Schauspielerin umzubringen.

Fern von hier

Подняться наверх