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Die Nachbarin

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Ich weiß alles über meine Nachbarin. Sie bohrt manchmal mit dem Zeigefinger, mit dessen Hilfe sie tagsüber Kohlepapier zwischen gelbes und rosarotes Durchschlagpapier schiebt, in den Nasenlöchern, die dann schwarz bleiben. Sie arbeitet acht Stunden am Tag zwischen vier Betonwänden; oft löst sich der Nagel, an dem der Kalender mit den bunten Landschaftsansichten hängt; der Kalender fällt zu Boden und meine Nachbarin schlägt den Nagel wieder ein und hängt den Kalender vorsichtig auf. Manchmal schließt sie sich in der Toilette ein, um in ihr Gesicht zu spähen; dann drehen sich die Augen, die wie Fische hinter den dicken Brillengläsern schwimmen, auf den Rücken.

Ich beobachte meine Nachbarin nun schon seit 313 Tagen, überwache ihre Gedanken und verfolge ihre Schritte, da ich über sie ein Hörspiel schreiben will. Ich mache mir Notizen. Sie lebt mit ihrer Schildkröte allein, die ich aber nicht ins Spiel einbeziehen möchte; ich könnte allerdings jemandem eine Bemerkung über das grämliche Tier in den Mund legen, ihn zum Beispiel feststellen lassen, der Hals der Nachbarin gleiche dem Hals der Schildkröte. Obwohl meine Nachbarin ihr Haar geranienrot färbt, weiß ich, dass sie bald zu den Alten gehören wird; dann wird sie in eines der schwankenden Boote am Fluss kriechen und sich wegspülen lassen, und mich, da ich bald nicht mehr weiß, ob ich sie bin oder ob sie ich ist, soll man dann nicht suchen.

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