Читать книгу Fern von hier - Adelheid Duvanel - Страница 29

Die Seifenblase

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Das Schultor öffnete sich, die Klassen sprangen wie bunte Ketten heraus, kollerten über die beiden breiten Treppen und rollten über den geteerten Hof, als wären die Schnüre geris­sen, an denen die Perlen aufgereiht gewesen waren. Niemand dirigierte das wilde Hüpfen, das nun begann; die Schreie und Bewegungen der rennenden Kinder bildeten ein grelles, sich stets neu formendes Zackenmuster.

Die nicht mehr ganz junge Aushilfslehrerin, die sich beim Rektor vorstellen sollte, wartete schon seit einigen Minuten in der Nähe des Schultores und dachte: «Langes Warten tötet den Helden.» Winkelried hätte die Speere nicht so freudvoll in seine Brust eindringen lassen, wenn er ihre langsame Annäherung, an einer Mauer stehend, hätte erwarten müssen. Die Aushilfslehrerin stellte sich im Pausenhof Signale vor, die verhindern sollten, dass die Kinder aus vorgezeichneten Bahnen fielen. Fette Kastanienbäume, die sich im Laufe des Tages aus der sonnigen Hälfte des Platzes in den Schatten wälzten, ruhten in den Nächten an den Grenzen; dann glänzten ihre Helme nicht.

Als die Glocke schrillte, begab sich die Aushilfslehrerin, noch bevor die flinksten Kinder die Treppen erreichten, in das Gebäude. Sie klopfte leise an die Tür des Rektorats und trat ein. An den Wänden waren Mitteilungen befestigt. Die breiten oder schmalen Rücken der Ordner waren mit Worten wie WEISUNGEN, AUFNAHMEVERFAHREN und BEUR­TEILUNGEN beschriftet. Auf dem Arbeitstisch befanden sich zwei Stempel, ein Stempelkissen, ein Locher und ein Lineal.

Der Rektor stand plötzlich im Zimmer; schwarze Augenschlitze ließen sein Gesicht maskenhaft erscheinen. Die Aushilfslehrerin betrachtete während des Gesprächs, das der Rektor nach der Begrüßung sofort einleitete, die Innenseite ihrer linken Hand. Dort riss sie, genau in der Mitte, ein Stückchen Haut weg. Sie hoffte, der Rektor würde den roten, brennenden, glänzenden Fleck, den sie «Wundmal» nannte, bemer­ken und sich darüber wie über etwas Verbotenes, Unerhörtes äußern, das ihre Tätigkeit an dieser Schule verunmöglichte. Ein unvorhergesehenes Ereignis störte die Sympathie, die die Aushilfslehrerin gegen ihren Willen für den unverständlich und schnell sprechenden Rektor empfand; eine sehr große Seifenblase schwebte zum offenen Fenster herein und glitt ruhig, wunderbar wie eine runde, sanfte Blüte, auf den Rektor zu; dieser warf seine rechte Hand, die der Klaue eines Raubvogels glich, nach ihr, als wolle er sie fangen; sie zerplatzte lautlos. Die Aushilfslehrerin hielt nach dem Junitag Ausschau, der die Fensteröffnung verklebte.

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