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5 bis 8. Bändchen
XXIII.
Das kleine Lever der Frau Gräfin Dubarry

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Nun mögen uns unsere Leser erlauben, Mademoiselle Chon und den Vicomte Jean, welche mit Post auf der Straße nach Chalons fahren, zu verlassen und sie bei einer andern Person von derselben Familie einzuführen.

In den Gemächern von Versailles, welche Madame Adelaide, die Tochter von Ludwig XV. bewohnte, hatte dieser Fürst die Frau Gräfin Dubarry, seine Geliebte seit ungefähr einem Jahr, einquartiert, nicht ohne lange zuvor die Wirkung zu beobachten, welche dieser Staatsstreich auf den Hof hervorbringen würde.

Die Favoritin mit ihrem Sichgehenlassen, mit ihren freien Manieren, ihrem lustigen Charakter, ihrer unversiegbaren Laune, ihren geräuschvollen Phantasien hatte das schweigsame Schloß in eine stürmische Welt verwandelt, wo jeder Bewohner nur unter der Bedingung geduldet wurde, daß er sich viel und so lustig als möglich bewegte.

Von dieser allerdings beschränkten Wohnung, wenn man die Macht derjenigen, welche sie inne hatte, in Betracht zieht, ging jeden Augenblick der Befehl zu einem Feste oder das Signal zu einer Vergnügenspartie aus.

Was aber den prachtvollen Treppen von diesem Theil des Palastes am Sonderbarsten vorkam, war sicherlich der unglaubliche Zustrom von Besuchern, welche vom Morgen, das heißt von neun Uhr an, geschmückt und glänzend hinaufstiegen, um sich demüthig in einem Vorzimmer angefüllt mit Seltsamkeiten einzufinden, die noch minder seltsam erschienen, als das Idol, welches die Auserwählten im Allerheiligsten anzubeten berufen waren.

Am Morgen nach dem Tage, wo die von uns erzählte Scene auf der Post des kleinen Dorfes Lachaussée vorfiel, kam gegen neun Uhr (zur geheiligten Stunde) Jeanne von Vaubernier, in ein Nachtgewand von gestickter Mousseline gehüllt, das unter der stockigen Spitze ihre runden Beine und ihre alabasternen Arme errathen ließ, kam Jeanne von Vaubernier, sodann Demoiselle Lange, endlich Gräfin Dubarry, durch die Gnade von Herrn Jean Dubarry, ihrem ehemaligen Beschützer, aus dem Bette, wir sagen nicht ähnlich einer Venus, sondern sicherlich schöner als Venus für jeden Mann, der die Wahrheit der Dichtung vorzieht.

Bewunderungswürdig krause, hellkastanienbraune Haare, eine azurgeaderte Haut von weißem Atlaß, abwechselnd schmachtende und Geist sprühende Augen, ein kleiner, frisch-rother Mund mit dem reinsten Carmiu gezeichnet, der sich nur öffnete, um eine doppelte Reihe von Perlen sehen zu lassen; Grübchen überall, an den Wangen, am Kinn, an den Fingern; ein Hals geformt nach dem der Venus von Milo, eine schlangenartige Geschmeidigkeit mit einer Beleibtheit nach dem genauesten Maaße, dies war es was Madame Dubarry die Auserwählten ihres kleinen Lever sehen ließ, was Seine Majestät Ludwig XV., der Auserwählte der Nacht, am Morgen wie die Andern zu betrachten nicht verfehlte, denn er benützte das Sprüchwort, das den Greisen räth, die Krümchen nicht verloren gehen zu lassen, welche von der Tafel des Lebens fallen,

Die Favoritin schlief schon seit einiger Zeit nicht mehr. Um acht Uhr hatte sie geläutet, damit man dem Tage, ihrem ersten Höfling, in ihr Zimmer einzutreten erlaubte; allmälig war, Anfangs durch dickere und dann durch leichtere Vorhänge, die an diesem Tage strahlende Sonne eingeführt worden und hatte, sich ihres mythologischen Glückes erinnernd, die schöne Nymphe geliebkost, welche, statt wie Daphne, die Liebe der Götter zu fliehen, sich dergestalt vermenschlichte, daß sie zuweilen der Liebe der Sterblichen entgegenkam. Es war also weder eine Aufgedunsenheit, noch ein Zögern in den wie Karfunkel glänzenden Augen, welche lächelnd einen kleinen, von Gold umkreisten und mit Perlen besetzten Handspiegel befragten; und dieser geschmeidige Körper, von dem wir einen Begriff zu geben versucht haben, ließ sich von dem Bette, wo er, durch die süßesten Träume gewiegt, geruht hatte, bis auf den Hermelinteppich herabgleiten, auf welchem Füße, welche Aschenbrödel Ehre gemacht hätten, zwei Hände mit Pantoffeln trafen, von denen ein einziger einen Holzhauer des Geburtswaldes von Jeanne bereichert haben würde, wenn dieser Holzhauer ihn gefunden hätte.

Während diese verführerische Statue sich erhob und sich immer mehr belebte, warf man ihr einen prachtvollen Oberrock von Mechler Spitzen auf die Schultern; dann zog man über ihre fleischigen Füße, welche einen Augenblick die Pantoffeln verließen, rosenfarbige seidene Strümpfe von so feinem Gewebe, daß man nicht im Stande gewesen wäre, sie von der Haut, die sie bedeckten, zu unterscheiden.

»Keine Nachricht von Chon?« fragte sie vor Allem ihre Kammerfrau.

»Nein, Madame,« antwortete diese.

»Auch nicht vom Vicomte Jean?«

»Eben so wenig.«

»Weiß man nicht, ob Bischi Nachricht erhalten hat?«

»Man ist diesen Morgen zu der Schwester der Frau Gräfin gegangen.«

»Und keine Briefe?«

»Nein, Madame, keine Briefe.«

»Ah! wie ermüdend ist es doch, so zu warten,« sprach die Gräfin mit einer reizenden Mundverziehung, »wird man nie ein Mittel erfinden, auf hundert Stunden in einem Augenblick zu correspondiren? Ah! meiner Treue, ich beklage diejenigen, welche diesen Morgen unter meine Hand fallen werden! Ist mein Vorzimmer ziemlich gut besetzt?«

»Die Frau Gräfin fragt dies?«

»Bei Gott! hören Sie doch, Dorée, die Dauphine naht, und es wäre nicht zu staunen, wenn man mich wegen dieser Sonne verließe. Ich bin nur ein armes, kleines Gestirn  . . . Sprechen Sie, wer ist da?«

»Herr von Aiguillon, der Herr Prinz von Soubise,. Herr von Sartines, der Herr Präsident Maupeou.«

»Und der Herr Herzog von Richelieu?«

»Er ist noch nicht erschienen.

»Weder heute noch gestern! ich sagte es wohl, Dorée. Er befürchtet, sich zu gefährden. Sie schicken meinen Läufer in das Hotel du Hanovre und lassen sich erkundigen, ob der Herzog krank ist.«

»Ja, Frau Gräfin. Wird die Frau Gräfin Alle zugleich empfangen, oder Privataudienz geben?«

»Privataudienz. Ich muß mit Herrn von Sartines sprechen, lassen Sie ihn allein eintreten.«

Der Befehl war kaum von der Kammerfrau der Gräfin an einen großen Lackei übertragen, der sich in dem Corridor befand, welcher von den Vorzimmern in das Gemach der Gräfin führte, als der Polizeilieutenant, die Strenge seiner grauen Augen und die Steifheit seiner dünnen Lippen durch ein Lächeln von den erfreulichsten Auspicien mäßigend, im Vorzimmer erschien.

»Guten Morgen, mein Feind,« sagte ohne ihn anzuschauen die Gräfin, die ihn in ihrem Spiegel erblickte.

»Ich, Ihr Feind, Madame?«

»Allerdings, Sie, Die Welt theilt sich für mich in zwei Klassen von Personen, in Freunde und Feinde. Ich lasse die Gleichgültigen nicht zu, oder ich setze sie in die Klasse meiner Feinde.«

»Und Sie haben Recht, Madame; doch sagen Sie mir, wie ich es trotz meiner bekannten Ergebenheit für Sie verdient habe, in die eine oder die andere von diesen zwei Klassen eingereiht zu werden?«

»Dadurch, daß Sie eine ganze Welt von kleinen Versen, Pamphleten, Libellen, welche gegen mich gerichtet waren, drucken, vertheilen, verkaufen, dem König zustellen ließen. Das ist abscheulich, das ist boshaft, das ist albern!«

»Aber, Madame, ich bin nicht verantwortlich.«

»Doch, mein Herr, Sie sind es, denn Sie wissen, wer der Elende ist, der Alles dies thut.«

»Madame, wenn es nur ein einziger Urheber wäre, so hätten wir nicht nöthig, ihn in der Bastille verschmachten zu lassen; er würde bald allein vor Ermattung unter dem Gewichte seiner Werke umkommen.«

»Wissen Sie, daß das, was Sie da sagen, außerordentlich höflich ist?«

»Wenn ich Ihr Feind wäre, Madame, so würde ich es Ihnen nicht sagen.«

»Das ist wahr; sprechen wir nicht mehr davon. Wir stehen nun auf das Beste, das ist abgemacht, das gewährt mir Vergnügen; doch Eines beunruhigt mich dennoch.«

»Was, Madame?«

»Daß Sie auch auf das Beste mit den Choiseul stehen.«

»Madame, Herr von Choiseul ist erster Minister; er gibt Befehle und ich muß sie vollziehen.«

»Wenn Ihnen also Herr von Choiseul Befehl gibt, mich verfolgen, plagen, vor Kummer sterben zu lassen, so mögen es diejenigen, welche mich verfolgen, plagen, umbringen, thun, ohne daß Sie ihnen in den Weg treten? Ich danke.«

»Sprechen wir vernünftig,« sagte Herr von Sartines, der sich die Freiheit nahm, niederzusitzen, ohne daß die Favoritin sich ärgerte; denn man ließ dem am Genauesten unterrichteten Mann Frankreichs Alles hingehen; »was habe ich vor drei Tagen für Sie gethan?«

»Sie haben mich benachrichtigen lassen, daß ein Eilbote von Chanteloup abgehe, um die Ankunft der Dauphine zu beschleunigen.«

»Ist dies das Werk eines Feindes?«

»Aber in der ganzen Angelegenheit der Vorstellung, in welche ich, wie sie wissen, meine Eitelkeit setze, wie haben Sie sich für mich benommen?«

»So gut als immer möglich.«

»Herr von Sartines, Sie sind nicht offenherzig.«

»Ah! Madame, Sie thun mir Unrecht! wer fand für Sie im Hintergrunde einer Taverne, und zwar in weniger als zwei Stunden, den Vicomte Jean, dessen Sie bedurften, um ihn, ich weiß nicht wohin, oder ich weiß vielmehr wohin zu schicken?«

»Es wäre besser gewesen, Sie hätten mich meinen Schwager, einen Mann der, mit der königlichen Familie von Frankreich verbunden ist, verlieren lassen!« sagte Madame Dubarry lachend.

»Madame, das sind doch lauter Dienste.«

»Ja, vor drei Tagen, für vorgestern; doch was thaten Sie gestern für mich?«

»Gestern, Madame?«

»Oh! Sie mögen immerhin suchen. Gestern war der Tag, um gegen Andere gefällig zu sein.«

»Ich verstehe Sie nicht, Madame.«

»Oh! ich verstehe mich sehr wohl. Sprechen sie, was haben Sie gestern gethan?«

»Morgens oder Abends?«

»Zuerst morgens.«

»Morgens habe ich wie gewöhnlich gearbeitet.«

»Bis um welche Stunde haben Sie gearbeitet?’

»Bis um zehn Uhr.«

»Hernach?«

»Hernach ließ ich einen von meinen Freunden von Lyon zum Essen bitten, der gewettet hatte, er komme nach Paris, ohne daß ich es erfahre, den jedoch mein Diener an der Barrière erwartete.«

»Und nach dem Mittagessen?«

»Schickte ich dem Polizeilieutenant Seiner Majestät des Kaisers von Oesterreich die Adresse eines berüchtigten Diebes, den er nicht finden konnte.«

»Und dieser war?«

»In Wien.«

»Somit besorgen Sie nicht nur die Polizei von Paris, sondern auch die der fremden Höfe?«

»In meinen verlorenen Augenblicken, ja, Madame.«

»Gut, ich merke mir das. Und was haben Sie gethan nachdem Sie den Courrier abgefertigt?«

»Ich war in der Oper.«

»Um die kleine Guimard zusehen? Armer Soubise!«

»Nein, um einen berüchtigten Beutelschneider verhaften zu lassen, den ich ruhig ließ, so lange er sich nur an Generalpächter hielt, der aber die Frechheit gehabt hatte, sich an mehrere vornehme Herren zu adressiren.«

»Mir scheint, Sie hätten sagen sollen, der die Ungeschicklichkeit hatte, Herr Lieutenant. Und nach der Oper?«

»Nach der Oper?«

»Ja. Nicht wahr, was ich Sie frage, ist sehr indiscret?«

»Nein. Nach der Oper  . . . Warten Sie, daß ich mich erinnere.«

»Ah! es scheint, hier verläßt Sie das Gedächtniß.«

»Nein. Nach der Oper  . . . Ah! ich habe es.«

»Gut.«

»Ich begab mich zu einer gewissen Dame, die ein Spielhaus unterhält, und führte sie selbst nach dem Fort l’Évêque.«

»In Ihrem Wagen?«

»Nein, in einem Fiacre.«

»Hernach?«

»Wie, hernach? das ist Alles.«

»Nein, das ist nicht Alles.«

»Ich stieg wieder in meinen Fiacre.«

»Und wen trafen Sie in Ihrem Fiacre?«

Herr von Sartines erröthete.

»Ah!« rief die Gräfin, ihre kleinen Hände an einander schlagend, »ich habe also das Glück gehabt, einen Polizeilieutenant erröthen zu machen.«

»Madame  . . .« stammelte Herr von Sartines.

»Nun, ich will es Ihnen sagen, wer in diesem Fiacre war« versetzte die Favoritin; »es war die Herzogin von Grammont.«

»Die Herzogin von Grammont!« rief der Polizeilieutenant.

»Ja, die Herzogin von Grammont, welche Sie bat, ihr Eintritt in das Gemach des Königs zu verschaffen.«

»Meiner Treue, Madame, ich lege mein Portefeuille in Ihre Hände,« rief Herr von Sartines mit einer Bewegung der Unruhe. »Ich bin es nicht mehr, der die Polizei ausübt, Sie sind es.«

»In der That, Herr von Sartines, ich habe die meinige, wie Sie sehen; also nehmen Sie sich in Acht! Ja, ja! die Herzogin von Grammont in einem Fiacre um Mitternacht mit dem Herrn Polizeilieutenant, und zwar in einem Fiacre, der im Schritt fährt! Wissen Sie, was ich sogleich thun ließ?«

»Nein, aber ich habe eine furchtbare Angst. Zum Glück war es sehr spät.«

»Gleichviel, die Nacht ist die Zeit der Rache.«

»Und was haben Sie gethan, lassen Sie hören?«

»So wie ich meine geheime Polizei habe, so habe ich auch meine gewöhnliche Literatur, abscheuliche Bursche, schmutzig wie die Lumpen und ausgehungert wie die Wiesel.«

»Sie füttern sie also sehr schlecht?«

»Ich füttere sie gar nicht; wenn sie fett würden, so würden sie auch dumm wie Herr von Soubise; das Fett verzehrt bekanntlich die Galle.«

»Fahren Sie fort, Sie machen mich beben.«

»Ich dachte an alle die Bosheiten, die Sie die Choiseul gegen mich begehen lassen. Das reizte mich, und ich gab meinen Apollo’s folgende Programme: 1) Herr von Sartines besucht als Procurator verkleidet in der Rue de l’Arbre-Sec, im vierten Stocke, eine junge Unschuldige, welcher er eine elende Summe von dreihundert Livres je am 30. des Monats auszubezahlen sich nicht schämt.«

»Madame, das ist eine schöne Handlung, die Sie beflecken wollen.«

»Man befleckt nur solche. 2) Herr von Sartines schleicht sich als ehrwürdiger Vater der Mission verkleidet in das Carmeliterkloster der Rue Saint-Antoine ein.«

»Madame, ich brachte diesen guten Schwestern Nachrichten vom Orient.«

»Vom kleinen oder vom großen? 3) Herr von Sartines fährt als Polizeilieutenant verkleidet um Mitternacht ganz allein mit der Herzogin von Grammont in den Straßen umher.«

»Ah! Madame,« sagte Herr von Sartines erschrocken, »wollen Sie in diesem Punkte meine Verwaltung herabsetzen?«

»Ei! Sie lassen wohl die meinige entwerthen,« sprach die Gräfin lachend. »Aber warten Sie doch.«

»Ich warte.«

»Meine Bursche machten sich also an die Arbeit und componirten, wie man in der Schule componirt, als Erzählung, als Uebersetzung, als Umschreibung, und ich erhielt so eben ein Epigramm, ein Lied und ein Vaudeville.«

»Ah, mein Gott!«

»Alle drei furchtbar. Ich werde diesen Morgen den König damit bewirthen, so wie mit dem neuen Pater Noster, das Sie gegen mich umherlaufen lassen; Sie wissen? » ‚Unser Vater, der Du bist in Versailles, Dein Name sei verflucht, wie er es zu sein verdient, Dein Reich ist erschüttert, Dein Wille geschieht weder auf Erden, noch im Himmel; gib uns unser tägliches Brod zurück, das uns Deine Favoritinnen genommen haben; vergib Deinen Parlamenten, welche unsere Interessen unterstützen, wie wir Deinen Ministern vergeben, die sie verkauft haben. Unterliege nicht den Versuchungen der Dubarry, sondern befreie uns von Deinem Teufel von einem Kanzler. Amen.’ «

»Wo haben Sie auch dies noch entdeckt?« sagte Herr von Sartines und faltete seufzend die Hände.

»Ei, mein Gott! ich habe nicht nöthig, es zu entdecken; man erweist mir die Artigkeit, mir jeden Tag zuzuschicken, was Gutes in dieser Hinsicht erscheint. Ich schrieb sogar Ihnen die Ehre dieser täglichen Sendungen zu.«

»Oh! Madame.«

»Als Erwiederung sollen Sie auch morgen das Epigramm, das Lied und das Vaudeville erhalten.«

»Warum nicht sogleich?«

»Weil ich Zeit brauche, um sie zu verbreiten. Ist es nicht übrigens der Gewohnheit gemäß, daß die Polizei zuletzt von dem, was vorfällt, unterrichtet wird? Oh! diese Dinge werden Sie sehr belustigen. Ich lachte diesen Morgen drei Viertelstunden. Der König hat sich krank darüber gelacht, deßhalb erscheint er so spät.«

»Ich bin verloren,« rief Herr von Sartines und schlug mit seinen beiden Händen an seine Perrücke.

»Nein, Sie sind nicht verloren, Sie sind nur besungen. Bin ich wegen der schönen Bourbonnaise verloren? Nein. Ich wüthe nur darüber, und will meinerseits die Andern wüthend machen. Ah! die reizenden Verse. Ich war so zufrieden damit, daß ich meinen literarischen Scorpionen weißen Wein geben ließ, wodurch sie in diesem Augenblick ganz und gar betrunken seyn müssen.«

»Ah! Gräfin! Gräfin!«

»Ich will Ihnen zuerst das Epigramm vorsagen.«

»Ich bitte darum.«

France, quel est donc ton destin

D’être soumise à la femelle!  . . . 11


»Ei nein, ich täusche mich, es ist das, welches Sie gegen mich in Umlauf brachten. Es gibt so viele, daß ich dadurch verwirrt werde. Warten Sie, warten Sie, ich habe es:«

Amis, connaissesz-vous l’enseigne ridicule,

Qu’un peintre de Saint-Luc fait pur les parfumeurs?

Il met dans un flacon, en forme de pilule,

Boynes, Maupeou, Terray sous leurs propes couleurs,

Il y joint de Sartines, et puis il l’intitule:

Vinaigre de quatre voleurs!12


»Ah! Grausame, Sie werden mich in einen Tiger verwandeln.«

»Nun gehen wir zu dem Liede über, Frau von Grammont spricht.«

Monsieur de la police

N’ai-je pa la peau lisse?

Rendez-moi le service

D’en instruire le roi.13


»Madame!, Madame!« rief Herr von Sartines wüthend.

»Oh! Beruhigen Sie sich,« sagte die Gräfin; »man hat erst 10,000 Exemplare davon abgezogen. Doch das Vaudeville müssen Sie erst hören.«

»Sie besitzen also eine Presse?«

»Eine schöne Frage! besitzt etwa Herr von Choiseul keine?«

»Ihr Drucker mag sich hüten!«

»Ah! ja; versuchen Sie es, das Patent ist auf meinen Namen ausgestellt.«

»Das ist abscheulich! Und der König lacht über alle diese Schändlichkeiten?«

»Wie! er ist es, der die Reime liefert, wenn es meinen Spinnen daran fehlte«

»Ob! Sie wissen, daß ich Ihnen diene, und behandeln mich auf diese Art?«

»Ich weiß, daß Sie mich verrathen. Die Herzogin ist Choiseul, sie trachtet nach meinem Untergang.«

»Madame, ich schwöre Ihnen, sie hat mich unversehens überfallen.«

»Sie gestehen also?«

»Ich muß wohl.«

»Warum haben Sie mich nicht davon in Kenntniß gesetzt?«

»Ich kam deshalb.«

»Basta! ich glaube es nicht.«

»Bei meinem Ehrenwort.«

»Ich wette das Doppelte.«

»Hören Sie mich an, ich stehe um Gnade,« sagte der Polizeilieutenant und fiel auf seine Kniee.

»Sie thun wohl daran.«

»Friede, im Namen des Himmels, Gräfin!«

»Wie! Sie haben Furcht vor ein paar schlechten Versen, Sie, ein Mann, ein Minister!«

»Ah! wenn ich nur hievor Furcht hätte!«

»Und Sie bedenken nicht, wie viel schlimme Stunden ein Lied mir, die ich eine Frau bin, bereiten kann!«

»Sie sind eine Königin.«

»Ja, eine nicht vorgestellte Königin.«

»Madame, ich schwöre, daß ich Ihnen nie ein Leid gethan habe.«

»Nein, aber Sie ließen mir Böses zufügen.«

»So wenig als möglich.«

»Ich will es wohl glauben.«

»Glauben Sie es mir.«

»Es handelt sich nun darum, ganz das Gegentheil vom Bösen zu thun: es handelt sich darum, Gutes zu bewerkstelligen.«

»Helfen Sie mir, und es muß mir nothwendig gelingen.«

»Sind Sie für mich, ja oder nein?«

»Ja.«

»Wird Ihre Ergebenheit so weit gehen, daß Sie meine Vorstellung unterstützen?«

»Sie werden selbst die Schranken setzen.«

»Bedenken Sie wohl, meine Druckerei ist bereit; sie arbeitet Tag und Nacht; in vier und zwanzig Stunden werden meine Bursche Hunger haben, und wenn sie Hunger haben, beißen sie.«

»Ich werde vernünftig sein. Was wünschen Sie?«

»Daß nichts von dem was ich unternehme, ein Hindernis! in den Weg gelegt werde.«

»Für meine Person mache ich mich hierzu anheischig.«

»Das ist ein schlimmes Wort,« sagte die Gräfin mit dem Fuße stampfend, »es riecht nach dem Griechischen, nach dem Carthagischen, kurz nach der punischen Treue.«

»Gräfin  . . .«

»Ich nehme es auch nicht an, das ist eine Ausflucht. Man wird von Ihnen glauben, Sie thun nichts, und Herr von Choiseul wird handeln. So will ich es nicht, hören Sie! Alles oder nichts. Ueberliefern Sie mir die Choiseul geknebelt, ohnmächtig, zu Grunde gerichtet, oder ich vernichte, kneble Sie, richte Sie zu Grunde. Und nehmen Sie sich wohl in Acht, das Lied ist nicht meine einzige Waffe, das sage ich Ihnen zum Voraus.«

»Drohen Sie nicht, Madame,« sprach Herr von Sartines träumerisch, »denn diese Vorstellung ist eine Schwierigkeit geworden, die Sie nicht begreifen dürften.«

»Geworden, das ist der richtige Ausdruck, weil man Schwierigkeiten entgegengestellt hat.«

»Leider!«

»Können Sie dieselben heben?«

»Ich bin nicht allein, wir brauchen hundert Personen.«

»Man wird sie bekommen.«

»Eine Million.«

»Das geht Terray an.«

»Die Einwilligung des Königs?«

»Ich werde sie erhalten.«

»Er wird sie nicht geben.«

»Ich nehme sie.«

»Wenn Sie Alles dies haben, brauchen Sie noch eine Pathin.«

»Man sucht sie.«

»Vergebens: es findet ein Bündniß gegen Sie statt.«

»In Versailles?«

»Ja, alle Damen haben sich geweigert, um Frau von Choiseul, Frau von Grammont, der Dauphine, kurz der ehrbaren Partei den Hof zu machen.«

»Vor Allem wird die ehrbare Partei genöthigt sein, ihren Namen zu verändern, wenn Frau von Grammont dabei ist. Das ist schon eine Niederlage.«

»Glauben Sie mir, Sie bestehen vergebens auf Ihrem Willen!«

»Ich bin dem Ziele nahe.«

»Ah! deshalb haben Sie Ihre Schwester nach Verdun abgeschickt!«

»Allerdings. Ah! Sie wissen das,« versetzte die Gräfin mit unzufriedener Miene.

»Bei Gott! ich habe auch meine Polizei,« entgegnete Herr von Sartines lachend.

»Und Ihre Spione?«

»Und meine Spione!«

»Bei mir?«

»Bei Ihnen.«

»In meinen Ställen oder in meinen Küchen?«

»In Ihren Vorzimmern, in Ihrem Salon, in Ihrem Boudoir, in Ihrem Schlafzimmer, unter Ihrem Kopfkissen.«

»Als erstes Pfand des Bündnisses nennen Sie mir diese Spione,« sagte die Gräfin.

»Ah! ich will Sie nicht mit Ihren Freunden entzweien, Gräfin.«

»Also Krieg.«

»Krieg, wie Sie das sagen!«

»Ich sage es, wie ich es denke; gehen Sie, ich will Sie nicht mehr sehen.«

»Ah! diesmal berufe ich mich auf Sie selbst. Kann ich ein Geheimniß  . . . des Staats verrathen?«

»Ein Geheimniß des Alkoven.«

»Das wollte ich sagen, dort ist heut zu Tage der Staat.«

»Ich will meinen Spion.«

»Was werden Sie mit ihm machen?«

»Ich werde ihn fortjagen.«

»Dann säubern Sie Ihr ganzes Haus.«

»Wissen Sie, daß es schrecklich ist, was sie da aussprechen?«

»Das ist wahr. Ei mein Gott! ohne dieses gäbe es kein Mittel, zu regieren, Sie wissen das. wohl, Sie, die Sie so vortrefflich in der Politik sind.«

Madame Dubarry stützte ihren Ellenbogen auf einen Lacktisch und erwiederte:

»Sie haben Recht, lassen wir das. Die Bedingungen des Vertrags?«

»Stellen Sie dieselben, Sie sind die Siegerin.«

»Ich bin großmüthig wie Semiramis. Was wollen Sie?«

»Sie werden nie mit dem König von den Reclamationen über die Mehle sprechen, denen Sie, Verrätherin! Ihre Unterstützung zugesagt haben.«

»Abgemacht; nehmen Sie alle Bittschriften, die ich über diesen Gegenstand erhalten habe: sie sind in diesem Kistchen.«

»Empfangen Sie dagegen diese Arbeit der Pairs des Reiches über die Vorstellung und die Tabourets.14«

»Eine Arbeit, die Sie Seiner Majestät zuzustellen beauftragt waren?«

»Allerdings.«

»Als ob die Sache geschehen wäre?«

»Ja.«

»Gut, aber was werden Sie sagen?«

»Ich werde sagen, ich habe sie übergeben. Dadurch gewinnen wir Zeit, und Sie sind eine zu geschickte Taktikerin, um nicht Nutzen daraus zu ziehen.«

In diesem Augenblick öffneten sich die zwei Thürflügel, ein Huissier trat ein und rief:

»Der König!«

Die zwei Verbündeten beeilten sich, jedes sein Unterpfand des Bündnisses zu verbergen, und sie wandten sich sodann, um Seine Majestät Ludwig XV. dieses Namens zu begrüßen.

11

 Frankreich, es ist dein Geschick, dem Weibe unterworfen zu sein  . . .

12

 Freunde. kennt Ihr das lächerliche Schild, das ein Maler von St. Lucas für die Parfümeurs macht? Er bringt in eine Flasche in Form von Pillen Boynes, Mauveou, Terray unter ihren eigenen Farben, er fügt Herrn von Sartines bei und betitelt das Ganze: Vier-Räuber-Essig!

13

 Mein Herr von der Polizei, habe ich nicht eine glatte Haut? Thun Sie mir den Gefallen und unterrichten Sie den König davon.

14

 Avoir le tabouret heißt in der Hofsprache die Erlaubnis haben, sich in der Gegenwart des Monarchen oder seiner Gemahlin zu setzen.

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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