Читать книгу Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1 - Александр Дюма - Страница 31

5 bis 8. Bändchen
XXVIII.
Loque, Chiffe und Graille

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Der König wandte sich nach dem Cabinet der Equipagen, wo er vor der Jagd oder der Spazierfahrt einige Augenblicke zuzubringen pflegte, um besondere Befehle den Leuten vom Dienst zu geben, deren er für den Rest des Tages bedurfte.

Am Ende der Gallerie grüßte er die Höflinge und bedeutete ihnen durch ein Zeichen, daß er allein sein wolle.

Als Ludwig XV. allein war, setzte er seinen Weg durch einen Corridor fort, auf welchen die Gemächer der Prinzessinnen gingen. Vor der durch eine Tapete verschlossenen Thüre, angelangt, blieb er einen Augenblick stehen, schüttelte den Kopf und brummte durch die Zähne:

»Es war nur Eine von ihnen gut, und diese ist abgereist.«

Ein Ausbruch von Stimmen antwortete auf dieses für die Uebrigen ziemlich unhöfliche Axiom. Die Tapete wurde aufgehoben und Ludwig XV. mit den Worten:

»Ich danke, mein Vater!« begrüßt, die im Chor ein wüthendes Trio an ihn richtete.

Der König befand sich mitten unter seinen drei andern Töchtern.

»Ah! Du bist es, Loque,« sagte er, sich an die älteste von den dreien, nämlich an Madame Adelaide wendend. »Ah, meiner Treue! desto schlimmer, ärgere Dich, oder ärgere Dich nicht, ich habe die Wahrheit gesprochen.«

»Oh!« versetzte Madame Victoire, »Sie haben uns nichts Neues gelehrt, Sire, wir wissen, daß Sie Louise stets vorgezogen«

»Meiner Treue! Du hast eine große Wahrheit gesagt, Chiffe.«

»Und warum uns Louise vorziehen?« fragte mit einem spitzigen Tone Madame Sophie.

»Weil mich Louise nicht quält,« antwortete er mit jener Zutraulichkeit, von der Ludwig XV. in seinen selbstsüchtigen Augenblicken einen so vollkommenen Typus bot.

»Oh! sie wird Sie quälen, seien Sie unbesorgt, mein Vater,« sprach Madame Sophie mit einem scharfen Tone, der die Aufmerksamkeit des Königs besonders auf sie lenkte.

»Was weißt Du davon, Graille?« entgegnete er. »Hat Dich Louise bei ihrer Abreise in’s Vertrauen gezogen? Das sollte mich wundern-, denn sie liebte Dich nicht besonders.«

»Ah! meiner Treue! jedenfalls gebe ich es ihr zurück.« antwortete Madame Sophie.

»Sehr gut!’ sagte Ludwig XV., »haßt Euch, verabscheut Euch, zerreißt Euch, das ist Eure Sache; wenn Ihr nur mich nicht in Anspruch nehmt, daß ich die Ordnung im Reiche der Amazonen wiederherstelle, ist es mir gleichgültig. Doch ich wünsche zu wissen, in welcher Hinsicht die arme Louise mich quälen soll?«

»Die arme Louise!« erwiederten gleichzeitig Madame Victoire und Madame Adelaide, indem sie ihre Lippen auf zwei verschiedenen Arten verlängerten.

»In welcher Hinsicht Louise Sie quälen soll? Nun, Ich will es Ihnen sagen, mein Vater.«

Ludwig streckte sich in einem großen Lehmstuhle aus, der neben der Thüre stand, so daß der Rückzug immer etwas Leichtes für ihn blieb.

»Weil Madame Louise ein wenig von dem Dämon geplagt wird, der die Aebtissin von Chelles in Bewegung setzte,« antwortete Sophie, »und weil sie sich in das Kloster zurückzieht, um Experimente zu machen.«

»Stille, stille,« sagte Ludwig XV., »ich bitte, keine Zweideutigkeiten über die Tugend Ihrer Schwester; man bat außen, wo man doch sehr viel sagt, nie etwas über sie gesagt. Fangen Sie nicht an.«

»Ich?«

»Ja Sie.«

»Oh! ich sage nichts von ihrer Tugend,« entgegnete Madame Sophie, verletzt durch die besondere Betonung, mit der ihr Vater das Wort Sie aussprach, und durch seine absichtliche Wiederholung; »ich sage nur, sie werde Experimente machen, und weiter nichts.«

»Nun! wenn sie Chemie treiben, wenn sie sich im Fechten üben und Röllchen für Lehnstühle machen, wenn sie Flöte blasen, wenn sie Tambourin schlagen. wenn sie Claviere zertrümmern, oder auf der Violine kratzen würde, welches Unglück könnten Sie darin sehen?«

»Ich sage, sie wird Politik treiben.«

Ludwig XV. bebte.

»Die Philosophie, die Theologie studiren, und die Commentare über die Bulle Unigenitus fortsetzen, so daß wir, zwischen ihre Regierungstheorien, ihre metaphyschen Systeme und ihre Theologie genommen, als die Unnützen der Familie erscheinen werden  . . . wir  . . .«

»Welches Uebel seht Ihr hierin, wenn das Eure Schwester in das Paradies führt?« versetzte Ludwig XV., ziemlich betroffen über den Zusammenhang zwischen der Anklage von Graille und der politischen Diatribe, durch die ihn Madame Louise bei ihrem Abgang erwärmt hatte. »Beneidet Ihr ihre Gottseligkeit? Das wäre die Sache von sehr schlechten Christinnen.«

»Ah! Meiner Treue, nein,« sagte Madame Victoire, »ich lasse sie gehen, wohin sie geben will, nur folge ich ihr nicht.«

»Ich auch nicht,« fügte Madame Sophie bei.

»Uebrigens haßte sie uns,« rief Madame Victoire.

»Euch?« versetzte Ludwig XV.

»Ja, uns, uns,« antworteten die zwei andern Schwestern,

»Ihr werdet sehen, daß diese arme Louise nur das Paradies gewählt hat, um nicht mit ihrer Familie zusammenzukommen,« erwiederte Ludwig XV.

Dieser Einfall machte die drei Schwestern nur in geringem Maße lachen, Madame Adelaide, die älteste von den Dreien raffte ihre ganze Logik zusammen, um dem König einen schärferen Streich beizubringen, als die, welche an, seinem Panzer abgeglitscht waren.

»Meine Damen,« sagte sie mit dem gekniffenen Tone, der ihr eigenthümlich war, wenn sie aus der Indolenz heraustrat, wegen der sie von ihrem Vater den Namen Loque erhalten hatte, »meine Damen, Sie wollten oder wagten es nicht, dem König die wahre Ursache der Abreise von Madame Louise zu sagen.«

»Gut! abermals eine Anschwärzung,« sprach der König. »Vorwärts, Loque, vorwärts!

»Oh! Sire,« erwiederte diese, »ich weiß wohl, daß ich Sie ein wenig ärgern werde.«

»Sagen Sie, Sie hoffen es, das ist richtiger.«

Madame Adelaide biß sich auf die Lippen.

»Doch ich werde die Wahrheit sagen,« fügte sie bei.

»Gut! das verspricht etwas. Die Wahrheit! hüten Sie sich doch, solche Dinge zu sagen. Spreche ich je die Wahrheit? Ei seht, ich befinde mich darum, Gott sei Dank, nicht schlimmer,« versetzte Ludwig XV. und zuckte die Achseln.

»Sprich doch, meine Schwester, sprich,« sagten gleichzeitig die zwei andern Prinzessinnen, ungeduldig, den Grund zu erfahren, der den König so sehr verletzen sollte.

»Gute Herzchen,« brummte Ludwig XV., »seht doch, wie sie ihren Vater lieben!«

Und er tröstete sich durch den Gedanken, daß er es ihnen zurückgab.

»Was unsere Schwester Louise am meisten auf der Welt befürchtete, sie, die so viel auf die Etiquette hielt,« fuhr Madame Adelaide fort, »das war  . . .«

»Das war . . .?« wiederholte Ludwig XV., »vollenden Sie doch wenigstens, da Sie einmal angefangen haben.«

»Nun, Sire, es war das Eindringen neuer Gesichter.«

»Das Eindringen, sagen Sie?« entgegnete der König, unzufrieden über diesen Ansang, weil er zum Voraus fühlte, wohin gezielt war, »das Eindringen! gibt es Eindringlinge bei mir? Zwingt man mich, zu empfangen, wen ich nicht sehen will?«

Dies hieß auf eine ziemlich geschickte Art den Sinn des Gespräches völlig verändern.

Doch Madame Adelaide war ein zu feiner Spürhund, um sich so abbringen zu lassen, wenn sie einmal auf der Fährte irgend einer guten Bosheit war.

»Ich habe mich schlecht ausgedrückt, Sire,« versetzte sie, »ich habe mich schlecht ausgedrückt, und das ist nicht das geeignete Wort. Statt Eindringen hätte ich Einführen sagen sollen.«

»Ah! ah!« rief der König, »das ist schon eine Verbesserung, das andere Wort war mir lästig, ich muß es gestehen; Einführen liebe ich mehr.«

»Und dennoch glaube ich, Sire, daß es immer noch nicht das wahre Wort ist,« fuhr Madame Adelaide fort.

»Welches ist es denn?«

»Vorstellung.«

»Ah! ja,« sagten die andern Schwestern, sich mit der ältesten vereinigend, »ich glaube diesmal ist es getroffen.«

Der König biß sich auf die Lippen.

»Ah! Ihr glaubt!« versetzte er.

»Ja,« antwortete Madame Adelaide. »Ich sage also, meine Schwester habe ungemein die neuen Vorstellungen befürchtet.«

»Nun!« machte der König, der rasch zu Ende zu kommen wünschte, »hernach?«

»Nun! mein Vater, sie wird folglich bange gehabt haben, die Frau Gräfin Dubarry an den Hof kommen zu sehen.«

»Vorwärts,« rief der König mit einem unwiderstehlichen Ergusse des Aergers, »vorwärts, sagen Sie das Wort und drehen Sie sich nicht so lange um dasselbe, Cordieu! wie halten Sie mich hin, Frau Wahrheit.«

»Sire,« erwiederte Madame Adelaide, »wenn ich so lange zögerte, Eurer Majestät zu sagen, was ich nun gesagt habe, so geschah es ans Achtung, und Ihr Befehl allein konnte mir den Mund über einen solchen Gegenstand öffnen.«

» ‚Ach! ja! Sie halten ihn geschlossen, Ihren Mund, Sie gähnen nicht, Sie sprechen nicht, Sie beißen nicht!«

»Es ist darum nicht minder richtig, Sire, daß ich den wahren Beweggrund des Rückzuges meiner Schwester gefunden zu haben glaube,« fuhr Madame Adelaide fort.

»Ihr täuscht Euch.«

»Oh! Sire,« wiederholten gleichzeitig und den Kopf von oben nach unten schüttelnd Madame Victoire und Madame Sophie; »oh! Sire, wir sind unserer Sache gewiß.«

»Potz tausend!« unterbrach sie Ludwig XV.. »nicht mehr und nicht minder als ein Vater von Molière. Ah! ah! man verbindet sich zu derselben Meinung, wie ich sehe. Ich habe eine Verschwörung in meiner Familie, wie mir scheint. Deshalb also konnte diese Vorstellung nicht stattfinden, deshalb sind die Damen nicht zu Hause, wenn man ihnen Besuch machen will, deshalb geben sie keine Antwort auf Gesuche, auf Audienzbitten.«

»Auf welche Gesuche, auf welche Audienzbitten?« fragte Madame Adelaide.

»Ei, Sie wissen es wohl: auf die Bittschriften von Mademoiselle Jeanne Vaubernier.« sagte Madame Sophie.

»Nein, auf die Audienzbitten von Mademoiselle Lange,« versetzte Madame Victoire.

Der König stand wüthend auf; sein sonst so sanftes Auge schleuderte einen für die drei Schwestern nicht sehr beruhigenden Blitz, und da sich in dem königlichen Trio keine Heldin fand, welche im Stande war, den väterlichen Zorn auszuhalten, so beugten alle drei die Stirne unter dem Sturm.

»Auf diese Art benehmt Ihr Euch, um mir zu beweisen, daß ich mich täuschte, wenn ich sagte, die beste von den vier Schwestern sei abgereist,« rief der König.

»Sire,« sprach Madame Adelaide, »Eure Majestät behandelt uns schlecht, schlechter als ihre Hunde.«

»Ich glaube es wohl, meine Hunde liebkosen mich, wenn ich komme, meine Hunde sind wahre Freunde. Lebt wohl, meine Damen. Ich will Charlotte, Belle-Fille und Gredinet besuchen. Arme Thiere, ja, ich liebe sie, und ich liebe sie besonders, weil sie das Gute haben, daß sie nicht die Wahrheit bellen.«

Der König entfernte sich wüthend, aber er hatte nicht vier Schritte im Vorzimmer gemacht, als er seine drei Töchter im Chor singen hörte:

Dans Paris, la grand’ville,

Garçons, femmes et filles

Ont tous le coeur débile

Et poussent des Hélas! Ah! ah! ah! ah!

La maîtresse de Blaise

Est trés-mal à son aise,

Aise,

Aise,

Aise,

Elle est sur le grabat. Ah! ah! Ah!18


Dies war die erste Strophe eines Vaudeville gegen Madame Dubarry, das in den Straßen von Paris unter dem Titel: die schöne Bourbonnaise, gesungen wurde.

Der König war nahe daran, umzukehren, und die Damen hätten sich vielleicht bei dieser Rückkehr schlecht befunden, aber er bewältigte sich, ging seines Wegs und rief, um nicht zu hören:

»Der Herr Kapitän der Windspiele, holla! der Herr Kapitän der Windspiele!«

Der Officier, den man mit diesem seltsamen Namen schmückte, lief herbei:

»Man öffne das Cabinet der Hunde,« sprach der König.

»O Sire!« rief der Officier, indem er sich Ludwig XV. entgegen warf, »Eure Majestät mache keinen Schritt mehr.«

»Nun! was gibt es?« sprach der König und blieb aus der Schwelle der Thüre stehen, unter welcher pfeifend der Athem von Hunden hervorkam, die ihren Herrn rochen.

»Sire,« sprach der Officier, »verzeihen Sie meinem Eifer, aber ich kann nicht zugeben, daß der König bei den Hunden eintritt!«

»Oh ja! ich begreife, das Cabinet ist nicht in Ordnung  . . . nun! lassen sie Gredinet herauskommen.«

»Sire,« stammelte der Officier, dessen Gesicht Bestürzung ausdrückte, »Gredinet hat seit zwei Tagen nichts gesoffen und nichts gefressen und man befürchtet, er sei wüthend.«

»Oh! ich bin offenbar der unglücklichste aller Menschen, Gredinet wüthend!« rief der König, »das würde das Maß meines Kummers voll machen.«

Der Officier der Windspiele glaubte, um die Scene zu beleben, eine Thräne vergießen zu müssen.

Der König wandte sich auf den Fersen um, und kehrte in sein Cabinet zurück, wo ihn sein Kammerdiener erwartete.

Als dieser das verstörte Gesicht des Königs wahrnahm, verbarg er sich in einer Fenstervertiefung.

»Ah! ich sehe es wohl,« murmelte der König, ohne auf diesen treuen Diener Achtung zu geben, der kein Mann für den König war, und während er mit großen Schritten in seinem Cabinet auf und ab ging: »ah! ich sehe es wohl, Herr von Choiseul spottet meiner, der Dauphin betrachtet sich bereits, als wäre er halb Herr, und glaubt, er werde es ganz sein, wenn er seine Osterreicherin auf den Thron habe sitzen lassen. Louise liebt mich, aber sie ist sehr hart, da sie mir Moral predigt und fortgeht. Der Herr Graf von Provence übersetzt Lucrez. Der Herr Graf von Artois ist ein Straßenläufer. Meine Hunde werden wüthend und wollen mich beißen. Offenbar liebt mich nur diese arme Gräfin. Zum Teufel also diejenigen, welche ihr Mißvergnügen machen wollen!«

Mit einer verzweifelten Entschlossenheit setzte er sich nun an den Tisch, auf welchem Ludwig XIV. seine Unterschrift gab, und der das Gewicht der letzten Verträge und der herrlichen Briefe des großen Königs getragen hatte.

»Ich begreife,« sprach er sodann, »ich begreife, warum alle Welt um mich her die Ankunft der Frau Dauphine beschleunigt; man glaubt, sie dürfe sich nur hier zeigen, damit ich ihr Sklave werde, oder mich unter die Herrschaft ihrer Familie begebe. Meiner Treue! ich kann mir wohl Zeit lassen, meine liebe Söhnerin zu sehen, besonders wenn mir ihre Ankunft hier neue Plackereien verursachen sollte. Leben wir also ruhig, so lange als möglich ruhig, und um dies zu erreichen, halten wir sie auf dem Wege zurück. Sie sollte durch Rheims und Noyon reisen, ohne sich aufzuhalten, und dann sogleich nach Compiègne kommen  . . . wir wollen das erste Ceremoniell behaupten. Drei Empfangstage in Rheims und einen, nein, meiner Treue! zwei, bah! drei Festtage in Noyon. Dadurch sind immer sechs Tage, sechs gute Tage gewonnen.«

Der König nahm die Feder und schrieb selbst an Herrn von Stainville den Befehl, drei Tage in Rheims und drei in Noyon anzuhalten.

Dann ließ er den Courrier vom Dienst kommen und sprach zu ihm:

»So rasch die Pferde laufen können, bis Sie diesen Befehl an seine Adresse abgegeben haben.«

Hierauf schrieb er mit derselben Feder:

»Liebe Gräfin,

wir setzen heute Zamore in sein Gouvernement ein. Ich reise nach Marly ab. Diesen Abend werde ich Ihnen in Luciennes Alles sagen, was ich im gegenwärtigen Augenblick denke.

Frankreich.«

»Lebel,« sagte der König, »tragen Sie diesen Brief zu der Gräfin, und stellen Sie sich gut mit ihr, das rathe ich Ihnen.«

Der Kammerdiener verbeugte sich und ging ab.

18

 In Paris, der großen Stadt, haben Knaben, Frauen, Mädchen insgesamt ein schwaches Herz, und sie stoßen Seufzer aus! Ah! ah! ah! ah! Der Geliebten von Blaise ist es gar unwohl, sie liegt krank im Bette. Ah! ah! ah!

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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