Читать книгу Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1 - Александр Дюма - Страница 27

5 bis 8. Bändchen
XXIV.
Der König Ludwig XV

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Ludwig XV. erschien den Kopf hoch, die Kniebeugen gespannt, das Auge heiter, ein Lächeln auf den Lippen.

Man sah bei seinem Eintritt durch die geöffnete Thüre eine doppelte Reihe von gebeugten Köpfen, Höflingen angehörend, welche noch einmal so begierig waren, eingeführt zu werden, seitdem sie in der Ankunft Seiner Majestät eine Gelegenheit sahen, zwei Mächten zugleich ihren Hof zu machen.

Die Thüren schloßen sich wieder. Der König hatte Niemand ein Zeichen gemacht, ihm zu folgen, und befand sich daher mit der Gräfin und Herrn von Sartines allein.

Wir sprechen weder von der vertrauten Kammerfrau, noch von einem kleinen Neger; weder die Eine, noch der Andere zählten.

»Guten Morgen, Gräfin,« sagte der König, Madame Dubarry die Hand küssend. »Gott sei Dank, wir sind sehr frisch. diesen Morgen! Guten Morgen, Sartines. Arbeitet man hier? Guter Gott! die vielen Papiere! Verbergt mir das! Oh! was für ein schöner Brunnen, Gräfin.«

Und mit seiner wankelmüthigen, gelangweilten Neugierde heftete Ludwig XV. seine Augen auf eine riesige chinesische Arbeit, welche erst seit dem vorhergehenden Tage eine von den Ecken des Schlafzimmers der Gräfin schmückte.

»Sire,« antwortete Madame Dubarry, »es ist, wie Eure Majestät sehen kann, ein chinesischer Brunnen. Das Wasser macht, wenn man den Hahnen öffnet, der sich hinten befindet, Vögel von Porzellan pfeifen und Fische von Glas schwimmen; sodann öffnen sich die Thüren der Pagode, um einer Reihe von Mandarinen Eingang zu gewähren.«

»Das ist sehr hübsch. Gräfin.«

In diesem Augenblick trat der kleine Neger vor, der auf die phantastische, launenhafte Weise angethan war, in welcher man zu jener Zeit die Orosmanen und Othello’s zu kleiden pflegte. Er hatte einen kleinen, auf das Ohr gedrückten Turban mit geraden Federn, eine Jacke von Goldbrocat, welche seine ebenholzschwarzen Arme sehen ließ, eine bauschige, bis auf die Kniee fallende Hose von brochirtem weißem Atlaß und einen Gürtel von lebhaften Farben, der diese Hose mit einer gestickten Weste verband.

»Pest!« rief der König, »wie prächtig Zamore heute ist.«

Der Neger blieb wohlgefällig vor einem Spiegel stehen.

»Sire, er hat eine Gnade von Eurer Majestät zu erbitten.«

»Madame, Zamore scheint mir sehr ehrgeizig zu sein,« erwiederte Ludwig XV. auf das Anmuthigste lächelnd.

»Warum dies, Sire?«

»Weil Sie ihm bereits die grüßte Gunst bewilligt haben, die er sich wünschen kann.«

»Welche?«

»Dieselbe wie mir.«

»Ich begreife nicht, Sire.«

»Sie haben ihn zu Ihrem Sklaven gemacht.«

Herr von Sartines verbeugte sich lächelnd, biß sich aber zugleich auf die Lippen.

»Oh! Sie sind entzückend, Sire,« rief die Gräfin.

Dann neigte sie sich an das Ohr des Königs und sagte ganz leise zu ihm:

»Frankreich, ich bete Dich an.«

Ludwig lächelte ebenfalls.

»Nun!« fragte er, »was wünschen Sie für Zamore?«

»Die Belohnung für seine langen und zahlreichen Dienste.«

»Er ist zwölf Jahre alt.«

»Für seine langen und zahlreichen zukünftigen Dienste.«

»Ah! ah!«

»Meiner Treue, ja, Sire, schon lange belohnt man die vergangenen Dienste und es wäre endlich auch einmal Zeit, die zukünftigen zu belohnen; man hätte dabei die Sicherheit, nicht mit Undank bezahlt zu werden.«

»Halt! das ist ein Gedanke,« sprach der König; »was meinen Sie, Herr von Sartines?«

»Alle Ergebenheiten würden dabei ihre Rechnung finden; ich unterstütze folglich den Gedanken, Sire.«

»Nun, so sprechen Sie, Gräfin, was verlangen Sie für Zamore?«

»Sire, Sie kennen meinen Pavillon in Luciennes?«

»Das heißt, ich hörte davon sprechen.«

»Das ist Ihr Fehler; ich habe Sie hundertmal eingeladen, dahin zu kommen.«

»Sie kennen die Etiquette, liebe Gräfin; wenn der König nicht auf der Reise ist, kann er nur in königlichen Schlössern schlafen.«

»Ganz richtig, dies ist gerade die Gnade, die ich von Eurer Majestät zu erbitten habe. Wir erheben Luciennes zu einem königlichen Schloß und ernennen Zamore zum Gouverneur.«

»Das ist eine Parodie, Gräfin.«

»Sie wissen, daß ich sie anbete, Sire.«

»Die andern Gouverneurs werden darüber ein Geschrei erheben.«

»Sie mögen schreien!«

»Doch diesmal mit Recht.«

»Desto besser! sie haben so oft mit Unrecht geschrieen. Zamore kniee nieder und danke Seiner Majestät.«

»Und wofür?« fragte Ludwig XV.

Der Neger kniete nieder.

»Für die Belohnung, die der König Dir dafür gibt, daß Du die Schleppe meines Kleides getragen und die Gecken und Pruden des Hofes, indem Du sie trugst, wüthend gemacht hast.«

»In der That,« sprach Ludwig XV., »er ist häßlich.«

Und er brach in ein Gelächter aus.

»Steh’ auf, Zamore,« sagte die Gräfin. »Du bist ernannt.«

»Doch in Wahrheit, Madame  . . .«

»Ich übernehme es, die Briefe, die Patente, die Bestallungen ausfertigen zu lassen, das ist meine Angelegenheit; die Ihrige ist es, Sire, ohne von der Vorschrift abzugehen, nach Luciennes kommen zu können. Von heute an, mein König, besitzen Sie ein königliches Schloß mehr.«

»Kennen Sie ein Mittel, ihr etwas zu verweigern, Sartines?«

»Es gibt vielleicht ein solches, aber man hat es noch nicht gefunden.«

»Und wenn man es findet, Sire, so kann ich für Eines stehen: dafür, daß Herr von Sartines, diese schöne Entdeckung gemacht haben wird.«

»Wie so, Madame?« fragte bebend der Polizeilieutenant.

»Denken Sie sich, Sire, daß ich seit drei Monaten von Herrn von Sartines Etwas verlange und vergebens verlange.«

»Und was verlangen Sie,« sagte der König.

»Oh! er weiß es wohl.«

»Ich, Madame, ich schwöre Ihnen.«

»Liegt es in seinen Attributen?« fragte der König.

»In den seinigen, oder in denen seines Nachfolgers.«

»Madame,« rief Herr von Sartines, »Sie machen mir in der That bange.«

»Was verlangen Sie von ihm?«

»Er soll mir einen Zauberer finden.«

Herr von Sartines athmete.

»Um ihn verbrennen zu lassen?« versetzte der König. »Oh! es ist sehr warm, warten Sie den Winter ab.«

»Nein, Sire, um ihm einen goldenen Stab zu schenken.«

»Dieser Zauberer hat Ihnen also ein Unglück geweissagt, das Ihnen nicht begegnet ist, Gräfin;«

»Im Gegentheil,. Sire, er hat mir ein Glück geweissagt, das mir zu Theil geworden ist.«

»Von Punkt zu Punkt?«

»So ungefähr.«

»Erzählen Sie mir das, Gräfin,« sprach, sich in einem Lehnstuhle ausstreckend, Ludwig XV. mit dem Tone eines Menschen, der nicht gewiß weiß, ob er sich belustigen oder langweilen wird, der es aber immerhin wagt.

»Ich will es wohl thun, doch Sie werden die Hälfte der Belohnung zu tragen haben  . . .«

»Die ganze, wenn es sein muß.«

»Gut, das ist ein königliches Wort.«

»Ich höre.«

»Ich beginne. Es war einmal  . . .«

»Das fängt an wie ein Feenmährchen.«

»Es ist eines, Sire.«

»Ah! desto besser, ich liebe die Zauberer.«

»Es war einmal ein armes junges Mädchen; es hatte zu jener Zeit weder Pagen, noch Wagen, noch Neger, noch Papageien, noch Affen.«

»Noch einen König,« sagte Ludwig XV.

»Oh! Sire!«

»Und was machte die Kleine?«

»Sie trabte.«

»Wie, sie trabte?«

»Ja, Sire, durch die Straßen von Paris, zu Fuß wie eine einfache Sterbliche, Nur trabte sie schneller, weil man behauptete, sie wäre artig, und weil sie bange hatte, diese Artigkeit könnte für sie ein albernes Zusammentreffen herbeiführen.«

»Dieses junge Mädchen war also eine Lucretia?« fragte der König.

»Eurer Majestät ist es wohl bekannt, daß es seit dem Jahre  . . . ich weiß, nicht wie viel der Erbauung von Rom keine mehr gibt.«

»O mein Gott! Gräfin, sollten Sie zufällig gelehrt werden?«

»Nein, wenn ich gelehrt würde, hätte ich ein falsches Datum gesagt, aber ich hätte jedenfalls eines genannt.«

»Das ist richtig,« sprach der König, »fahren Sie fort.«

»Und sie trabte, und trabte, und trabte also, und eilte durch die Tuilerien, als sie plötzlich wahrnahm, daß man ihr folgte.«

»Oh! Teufel, dann blieb sie stehen?«

»Guter Gott! was für eine schlechte Meinung haben Sie von den Frauen, Sire! Man sieht, Sie kannten nur Marquisen, Herzoginnen und  . . .«

»Und Prinzessinnen, nicht wahr?«

»Ich bin zu höflich, um Eurer Majestät zu widersprechen. Aber was sie hauptsächlich erschreckte, war der Umstand, daß vom Himmel ein Nebel fiel, der von Sekunde zu Sekunde dichter wurde.«

»Sartines, wissen Sie, was den Nebel macht?«

Unversehens überfallen, erwiederte der Polizeilieutenant bebend:

»Meiner Treue, nein, Sire.«

»Nun, ich weiß es auch nicht,« sagte Ludwig XV. »Fahren Sie fort, liebe Gräfin.«>

»Sie lief also über Hals und Kopf, eilte durch das Gitter und befand sich auf dem Platz, der die Ehre hat, den Namen Eurer Majestät zu führen, als plötzlich der Unbekannte, der ihr gefolgt war, und von dem sie sich befreit glaubte, vor ihr stand. Sie stieß einen Schrei aus.«

»Er war also sehr häßlich?«

»Im Gegentheil, Sire, es war ein hübscher junger Mann von sechsundzwanzig bis achtundzwanzig Jahren, mit braunem Gesichte, großen Augen und wohlklingender Stimme.«

»Und Ihre Heldin hatte Angst, Gräfin? Pest! sie muß sehr erschrocken gewesen sein.«

»Sie war es etwas weniger, als sie ihn sah. Die Lage der Dinge hatte indessen nichts Beruhigendes; hegte dieser Unbekannte schlimme Absichten, so war bei dem Nebel auf keine Hülfe zu hoffen; das Mädchen faltete auch die Hände und sprach:

‚Oh! mein Herr, ich flehe Sie an, mir kein Leid zu thun.’

Der Unbekannte schüttelte den Kopf und erwiederte mit einem reizenden Lächeln:

‚Gott ist mein Zeuge, daß ich dies nicht beabsichtige’

‚Was wollen Sie denn?’

‚Ein Versprechen von Ihnen erlangen.’

‚Was kann ich Ihnen versprechen?’

‚Mir die erste Gunst zu bewilligen, um die ich Sie bitten werde, wenn  . . .’

‚Wenn?’ wiederholte das Mädchen neugierig.

‚Wenn Sie Königin sein werden.’ «

»Und was that das Mädchen?«

»Sire, es glaubte sich zu nichts anheischig zu machen und versprach.«

»Und der Zauberer?«

»Er verschwand.«

»Und Herr von Sartines weigert sich, den Zaubern aufzufinden? Er hat Unrecht.«

»Sire, ich weigere mich nicht, ich kann nicht.«

»Ah! Herr Lieutenant, das ist ein Ausdruck, der in dem Wörterbuch der Polizei nicht vorkommen sollte,« sagte die Gräfin.

»Madame, man ist ihm auf der Spur.«

»Ah! ja, die herkömmliche Phrase.«

»Nein, es ist die Wahrheit. Doch Sie begreifen, die Merkmale, die Sie da angeben, sind sehr schwach.«

»Wie! jung, schön, braune Gesichtshaut, herrliche Augen, wohlklingende Stimme.«

»Pest! wie Sie von ihm sprechen, Gräfin! Sartines, ich verbiete Ihnen, diesen Burschen aufzufinden.«

»Sie haben Unrecht, Sire, denn ich will nur eine einfache Auskunft von ihm fordern.«

»Es handelt sich also um Sie?«

»Gewiß.«

»Nun, was haben Sie von ihm zu fordern? seine Weissagung ist erfüllt.«

»Finden Sie das?«

»Allerdings. Sie sind Königin.«

»Ungefähr.«

»Er hat Ihnen also nichts mehr zu sagen?«

»Doch wohl. Er hat mir zu sagen, wann diese Königin vorgestellt werden wird. Es ist nicht Alles damit gethan, daß man bei Nacht herrscht, Sire, man muß auch ein wenig bei Tag herrschen.«

»Das geht nicht den Zauberer an,« erwiederte Ludwig XV., indem er seine Lippen wie ein Mensch ausdehnte, der das Gespräch auf ein unangenehmes Gebiet übergehen sieht.

»Und von wem hängt es denn ab?«

»Von Ihnen.«

»Von mir?«

»Ja, ganz gewiß. Finden Sie eine Pathin.«

»Unter Ihren Maulaffen vom Hofe! Eure Majestät weiß wohl, daß dies unmöglich ist; sie sind alle an die Choiseul, an die Praslin verkauft.«

»Stille doch, ich glaubte, es wäre unter uns abgemacht, nicht von ihnen zu reden.«

»Ich habe es nicht versprochen, Sire.«

»Nun, ich bitte Sie um Eines.«

»Um was?«

»Sie an ihrem Platze zu lassen und zu bleiben, wo Sie sind. Glauben Sie mir, der beste Platz gehört Ihnen.«

»Armselige auswärtige Angelegenheiten! armselige Marine!«

»Gräfin, im Namen des Himmels, treiben wir nicht Politik mit einander.«

»Es sei, doch Sie können mich nicht verhindern, allein Politik zu treiben.«

»Oh! ganz allein, so lange Sie wollen.«

Die Gräfin streckte den Arm nach einem Körbchen voll von Früchten aus, nahm zwei Orangen, ließ sie abwechselnd in ihrer Hand springen und rief:

»Springe Praslin; springe Choiseul; springe Praslin; springe Choiseul.«

»Was machen Sie denn?« sagte der König.

»Ich mache Gebrauch von der Erlaubniß, die mir Eure Majestät gegeben hat. Sire, ich lasse das Ministerium springen.«

In diesem Augenblick trat Dorée, ein und sagte ihrer Gebieterin ein Wort in’s Ohr.

»Oh! gewiß,« rief diese.

»Was gibt es denn?« fragte der König.

»Chon kommt von der Reise zurück, Sire, und wünscht Eurer Majestät ihre Ehrfurcht zu bezeigen,«

»Laßt sie sogleich eintreten! In der That, seit vier oder fünf Tagen fühlte ich, daß mir etwas fehlte, ohne zu wissen was.«

»Ich danke, Sire,« sagte Chon eintretend.

Dann näherte sie sich dem Ohre der Gräfin und flüsterte ihr zu:

»Es ist geschehen.«

Die Gräfin konnte sich eines kleinen Freudenschreis nicht erwehren.

»Nun, was gibt es denn?« fragte Ludwig XV.

»Nichts, Sire; ich bin nur glücklich, sie wieder zu sehen.«

»Und ich auch. Guten Morgen, kleine Chon, guten Morgen.«

»Erlaubt Eure Majestät, daß ich ein paar Worte mit meiner Schwester spreche?« sagte Chon.

»Sprich immerhin, mein Kind. Mittlerweile werde ich Sartines fragen, woher Du kommst.«

»Sire,« versetzte Herr von Sartines, der dieser Frage ausweichen wollte, »Eure Majestät geruhe mir einen Augenblick zu bewilligen.«

»Warum?«

»Um über Dinge von der höchsten Wichtigkeit zu sprechen.«

»Oh! ich habe sehr wenig Zeit, Herr von Sartines,« sagte Ludwig XV., zum Voraus gähnend.

»Sire, nur zwei Worte.«

»Worüber?«

»Ueber diese Seher, über diese Erleuchteten, über diese Wunderkrämer.«

»Bah! es sind Charlatans. Gebt ihnen Gauklerpatente, und sie werden nicht mehr zu fürchten sein.«

»Sire, ich wage es, gegen Eure Majestät zu behaupten, daß die Lage der Dinge ernster ist, als Sie glauben. Jeden Augenblick werden neue Maurerlogen eröffnet. Sire, es ist bereits nicht mehr eine Gesellschaft, sondern eine Secte, eine Secte, mit der sich alle Feinde der Monarchie verbinden: die Ideologen, die Encyklopädisten, die Philosophen, Man hat Herrn von Voltaire unter großen Feierlichkeiten aufgenommen.«

»Er stirbt.«

»Er, o nein, Sire, er ist nicht so einfältig.«

»Er hat gebeichtet.«

Das ist eine List.«

»In einem Capuzinergewande.«

»Das ist eine Gottlosigkeit. Sire, Alles dies bewegt sich, schreit, spricht, verbindet sich, correspondirt, intriguirt, droht. Einige Worte, welche unbehutsamen Brüdern entschlüpft sind, deuten sogar an, daß sie einen Führer erwarten.«

»Wohl, Sartines, wenn dieser Führer gekommen ist, nehmen Sie ihn fest, werfen ihn in die Bastille, und Alles ist abgemacht.«

»Sire, diese Leute haben viele Mittel.«

»Sollten Sie weniger haben, Sie, der Polizeilieutenant eines großen Königreichs?«

»Sire, man bat von Eurer Majestät die Austreibung der Jesuiten erwirkt; man hätte die der Philosophen fordern sollen.«

»Gehen Sie, das sind abermals Ihre Federnschneider.«

»Sire, es sind gefährliche Federn, die Federn, die man mit dem Messer von Damiens schneidet.«

Ludwig XV. erbleichte.

»Diese Philosophen, welche Sie verachten  . . .« fuhr Herr von Sartines fort. »Nun?«

»Nun, ich sage Ihnen, sie werden die Monarchie zu Grunde richten.«

»Wie viel Zeit brauchen sie hiezu. mein Herr?«

Der Polizeilieutenant schaute Ludwig XV. mit erstaunten Augen an und erwiederte:

»Kann ich das wissen, Sire? Fünfzehn Jahre, zwanzig Jahre, dreißig Jahre vielleicht.«

»Nun, mein lieber Freund, in fünfzehn Jahren werde ich nicht mehr sein; sprechen Sie hierüber mit meinem Nachfolger,« sagte Ludwig XV. und wandte sich gegen Madame Dubarry um.

Diese schien hierauf zu warten.

»Oh! mein Gott,« rief sie mit einem schweren Seufzer, »was sagst Du mir da, Chon?«

»Ja, was sagt sie?« fragte der König, »Ihr seht Beide sehr traurig aus.«

»Ah! Sire,« versetzte die Gräfin, »es ist wohl Grund dazu vorhanden.«

»Sprecht, was ist geschehen?«

»Armer Bruder!«

»Armer Jean!«

»Glaubst Du wirklich, daß man ihn wird abschneiden müssen?«

»Man hofft, es werde nicht nöthig sein.«

»Was abschneiden?« fragte Ludwig XV.

»Den Arm, Sire.«

»Dem Vicomte den Arm abschneiden! und warum dies?«

»Weil er schwer verwundet ist.«

»Schwer am Arm verwundet?«

»Oh mein Gott! ja, Sire.«

»In einem Streite, bei einem Bader, in einem Spielhause!  . . .«

»Nein, Sire, auf der Landstraße.«

»Aber wie ist das gekommen?«

»Es ist ganz einfach dadurch gekommen, daß man ihn ermorden wollte.«

»Ah! armer Vicomte,« rief Ludwig XV., der die Leute sehr wenig beklagte, aber vortrefflich die Miene anzunehmen wußte, als beklagte er sie; »ermordet! Ah! das ist sehr ernst, sprechen Sie, Sartines.«

Viel weniger unruhig, als dies der König dem Anscheine nach war, aber in Wirklichkeit viel mehr bewegt als dieser, näherte sich Herr von Sartines den zwei Schwestern und fragte ängstlich:

»Ist es möglich, daß sich ein solches Unglück zugetragen hat, meine Damen?«

»Leider ja, mein Herr, es ist möglich,« sprach Chon ganz thränenreich.

»Ermordet!  . . . Und. wie dies?«

»In einem Hinterhalt.«

»In einem Hinterhalt!  . . . Ah! Sartines,« rief der König, »mir scheint, das gehört zu Ihrem Ressort.«

»Erzählen Sie uns das, Madame,« sagte Herr von Sartines, »doch ich bitte Sie, lassen Sie die Dinge nicht durch Ihre gerechte Entrüstung übertreiben. Wir werden strenger sein, wenn wir gerechter sind, und von Nahem und kalt gesehen, verlieren die Thatsachen oft von ihrem Ernste.«

»Oh! man hat es mir nicht gesagt,« rief Chon, »ich habe die Sache mit meinen eigenen Augen gesehen.«

»Nun, was hast Du gesehen; große Chon-?« fragte der König.

»Ich habe gesehen. wie sich ein Mann auf meinen Bruder warf, ihn den Degen in die Hand zu nehmen zwang und schwer verwundete.«

»War dieser Mann allein?« fragte Herr von Sartines.

»Durchaus nicht, er hatte sechs Andere bei sich.«

»Der arme Vicomte!« sagte der König und schaute dabei beständig die Gräfin an, um genau den Grad ihres Kummers zu ermitteln und den seinigen darnach zu regeln. »Armer Vicomte! genöthigt, sich zu schlagen.«

Er sah in den Augen der Gräfin, daß sie keines Wegs scherzte.

»Und verwundet,« fügte er mit kläglichem Tone bei.

»Wodurch ist dieser Streit entstanden?« fragte der Polizeilieutenant, der die Wahrheit in den Ausweichungen zu erhaschen suchte, welche Chon machte, um ihm zu entgehen.

»Auf die frivolste Weise, mein Herr, wegen einiger Postpferde, die man dem Vicomte streitig machte, während dieser Eile hatte, mich zu meiner Schwester zurückzuführen, der ich diesen Morgen einzutreffen versprochen.«

»Ah! das schreit nach Rache,« sagte der König, »nicht wahr, Sartines?«

»Ich glaube wohl, Sire, und werde Erkundigungen einziehen,« antwortete der Polizeilieutenant. »Der Name des Angreifers, wenn es beliebt? seine Eigenschaft, sein Stand?«

»Sein Stand? Es war ein Militär, ein Officier von den Dauphin-Gendarmen, wie ich glaube. Was seinen Namen betrifft  . . . er heißt Baverney, Faverney, Taverney; ja, so ist es, Taverney.«

»Madame, er wird morgen in der Bastille schlafen,« sprach Herr von Sartines.

»O nein!« sagte die Gräfin, welche bis jetzt das diplomatischste Stillschweigen beobachtet hatte, »o nein!«

»Wie so, o nein?« versetzte der König. »Ich bitte, warum sollte man den Burschen nicht einkerkern? Sie wissen, daß mir die Militäre unerträglich sind.«

»Und ich, Sire,« wiederholte die Gräfin mit derselben Sicherheit, »ich sage Ihnen, daß man dem Menschen, der Herrn Dubarry ermordet hat, nichts thun wird.«

»Ah, bei Gott! Gräfin, das ist sonderbar,« rief Ludwig XV; »ich bitte, erklären Sie mir das.«

»Das ist sehr leicht. Es wird ihn Jemand vertheidigen.«

»Wer ist dieser Jemand?«

»Derjenige, auf dessen Eingebung er gehandelt hat.«

»Dieser Jemand wird ihn gegen uns vertheidigen? Oh! oh! was Sie da sagen, ist stark, Gräfin.«

»Madame,« stammelte Herr von Sartines, der den Streich kommen sah und vergebens eine Parade dagegen suchte.

»Gegen Sie, ja gegen Sie, und es gibt keine oh! oh! Sind Sie der Gebieter?«

Der König fühlte den Streich, den Herr von Sartines hatte kommen sehen, und umpanzerte sich.

»Ah! gut,« sagte er, »wir werfen uns auf das Gebiet der Staatsraison und suchen für ein armseliges Duell Gründe aus der andern Welt.«

»Ei! Sie sehen wohl,« sagte die Gräfin, »sie verlassen mich bereits und die Ermordung von vorhin ist nur noch ein Duell, nun, da Sie vermuthen, woher die Sache kommt.«

»Gut! sind wir hiebei,« sagte Ludwig XV., während er den Hahnen an dem Brunnen drehte, der zu spielen anfing und die Vogel singen, die Fische schwimmen, die Mandarine heraustreten ließ.

»Sie wissen nicht, woher der Schlag kommt?« fragte die Gräfin, und zerrte dabei Zamore, der zu ihren Füßen lag, an den Ohren.

»Meiner Treue, nein,« antwortete Ludwig XV.

»Sie vermuthen es auch nicht?«

»Ich schwöre Ihnen. Und Sie, Gräfin?«

»Nun, ich weiß es, und will es Ihnen sagen, und werde Ihnen nichts Neues mittheilen, das bin ich überzeugt.«

»Gräfin! Gräfin!« rief Ludwig XV., der seine Würde wieder zu gewinnen suchte, »wissen Sie, daß Sie einen König Lügen strafen?’

»Sire, es ist wahr, ich bin vielleicht etwas lebhaft; doch wenn Sie glauben, ich werde Herrn von Choiseul meinen Bruder umbringen lassen  . . .«

»Gut, es ist also Herr von Choiseul,« versetzte der König mit einem Stimmausbruch, als hätte er diesen Namen nicht erwartet, den er seit zehn Minuten in dem Gespräche erscheinen zu sehen befürchtete.

»Ah, bei Gott! Sire, wenn Sie hartnäckig nicht sehen wollen, daß er mein grausamster Feind ist, Sire, so sehe ich es doch, und zwar ganz klar, denn er gibt sich nicht einmal die Mühe, den Haß, den er gegen mich hegt, zu verbergen.«

»Vom Hassen der Leute bis zum Ermorden ist es weit, liebe Gräfin.«

»Bei den Choiseul berühren sich alle Dinge.«

»Ah! liebe Freundin, abermals Staatsräson.«

»Mein Gott! mein Gott! ist das nicht zum Rasendwerden, Herr von Sartines?«

»Nein, denn das, was Sie glauben  . . .«

»Ich glaube nur, daß Sie mich nicht vertheidigen, und ich sage sogar, daß Sie mich verlassen,« rief die Gräfin voll Heftigkeit.

»Oh! ärgern Sie sich nicht, Gräfin,« sprach Ludwig XV. »Sie sollen nicht nur nicht verlassen, sondern sogar vertheidigt sein, und zwar so gut  . . .«

»So gut!«

»So gut, daß es dem Angreifer des armen Jean theuer zu stehen kommen wird.«

»Ja, so ist es, man zerbricht das Instrument und drückt die Hand.«

»Ist es nicht gerecht, sich an denjenigen zu halten, welcher den Schlag ausgeführt hat, an Herrn von Taverney?«

»Es ist allerdings gerecht, aber nur gerecht; was Sie für mich thun, würden Sie für den ersten Kaufmann der Rue Saint-Honoré thun, den ein Soldat im Schauspiel schlüge. Ich sage Ihnen, ich will nicht behandelt sein wie alle Welt. Wenn Sie für diejenigen, welche Sie lieben, nicht mehr thun, als für die Gleichgültigen, so ziehe ich die Einsamkeit und Dunkelheit der letzteren vor: sie haben wenigstens keine Feinde, von denen sie ermordet werden.«

»Ah! Gräfin, Gräfin,« sprach Ludwig XV. mit traurigem Ton, »ich bin zufällig so heiter, so glücklich, so zufrieden aufgestanden, und nun verderben Sie mir meinen schönen Morgen!«

»Das ist bei Gott anbetungswürdig. Ich habe also einen schönen Morgen, ich, deren Familie man niedermetzelt.«

Trotz der innern Furcht, welche dem König der um ihn her tosende Sturm einflößte, konnte er sich eines Lächelns bei dem Worte niedermetzeln nicht erwehren.

Die Gräfin stand wüthend auf und rief:

»Ah! so beklagen Sie mich?«

»La, la, la, ärgern Sie sich nicht.«

»Aber ich will mich ärgern.«

»Sie haben Unrecht; Sie sind entzückend, wenn Sie lächeln, während Sie der Zorn häßlich macht.«

»Was liegt mir daran, brauche ich schön zu sein, da ich trotz meiner Schönheit Intriguen geopfert werde?«

»Stille, Gräfin.«

»Nein, wählen Sie zwischen mir und Ihrem Choiseul.«

»Liebe Schöne, es ist mir unmöglich, zu wählen, Ihr seid mir Beide nothwendig.«

»Dann ziehe ich mich zurück.«

»Sie?«

»Ja, ich überlasse das Feld meinen Feinden. Oh! ich werde vor Kummer sterben, aber Herr von Choiseul ist dann befriedigt, und das wird Sie trösten.«

»Nun! ich schwöre Ihnen, Gräfin, daß er Ihnen nicht im Geringsten grollt, und daß er Sie in seinem Herzen trägt. Es ist im Ganzen ein galanter Mann,« fügte der König mit einer Betonung bei, daß Herr von Sartines die letzten Worte wohl hören mußte.

»Ein galanter Mann? Sie bringen mich in Verzweiflung, Sire. Ein galanter Mann, der die Leute ermorden läßt!«

»Oh! wir wissen noch nicht,« versetzte der König.

»Und dann,« wagte der Polizeilieutenant zu bemerken, »ein Streit zwischen Leuten vom Degen ist so piquant, so natürlich!«

»Ah! ah!« versetzte die Gräfin, »und Sie auch, Herr von Sartines?«

Der Lieutenant begriff den Werth dieses tu quoque und wich vor dem Zorne der Gräfin zurück.

Es trat ein Augenblick dumpfen, drohenden Stillschweigens ein.

»Sie sehen, Chon,« sagte der König unter dieser allgemeinen Bestürzung, »Sie sehen, das ist Ihr Werk.«

Chon schlug mit einer heuchlerischen Traurigkeit die Augen nieder.

»Der König wird vergeben,« sprach sie, »wenn der Schmerz der Schwester den Sieg über die Seelenstärke der Unterthanin davongetragen hat.«

»Gutes Stück!  . . .« murmelte der König. »Keinen Groll, Gräfin.«

»Oh! nein, Sire, ich habe keinen Groll.  . . . Ich gehe nur nach Luciennes und von Luciennes nach Boulogne.«

»Am Meer?« fragte der König.

»Ja, Sire, ich verlasse ein Land, wo der Minister dem König bange macht.«

»Madame!« rief Ludwig XV. verletzt.

»Wohl, Sire, erlauben Sie mir, daß ich mich entferne, um mich nicht länger gegen die Eurer Majestät schuldige Achtung zu verfehlen.«

Die Gräfin stand auf und beobachtete aus einem Augenwinkel die Wirkung, welche ihre Bewegung hervorbrachte.

Ludwig XV. stieß einen Müdigkeitsseufzer aus, einen Seufzer, welcher bedeutete:

»Ich langweile mich bedeutend hier.«

Chon errieth den Sinn des Seufzers und begriff, daß es für ihre Schwester gefährlich wäre, den Streit weiter zu treiben.

Sie hielt ihre Schwester am Rocke zurück, ging auf den König zu und sprach:

»Sire, die Liebe, meiner Schwester für den armen Vicomte hat sie zu weit fortgerissen. Ich habe den Fehler begangen und meine Sache ist es, ihn wieder gut zu machen. Ich stelle mich in den Rang der demüthigsten Unterthanen Seiner Majestät, ich fordere Gerechtigkeit für meinen Bruder; ich klage Niemand an: die Weisheit des Königs wird zu unterscheiden wissen.«

»Ei mein Gott! Gerechtigkeit ist Alles, was ich verlange, ja, doch die Gerechtigkeit muß gerecht sein. Wenn ein Mensch ein Verbrechen nicht begangen hat, so werfe man ihm dieses Verbrechen nicht vor; hat er es begangen, so bestrafe man ihn.«

Während er diese Worte sprach, schaute Ludwig XV. die Gräfin an und suchte wo möglich die Brocken des freudigen Morgens, den er sich versprochen und der nun auf eine so traurige Weise endigte, wieder zu erhaschen.

Die Gräfin war so gut, daß sie Mitleid mit der Unthätigkeit des Königs hatte, die ihn überall, ausgenommen bei ihr, traurig und gelangweilt machte.

Sie wandte sich halb um, denn sie hatte bereits auf die Thüre zuzuschreiten angefangen, und sprach mit einer anbetungswürdigen Resignation:

»Verlange ich etwas Anderes? aber man weise meinen Verdacht nicht zurück, wenn ich ihn äußere.«

»Ihr Verdacht ist mir heilig, Gräfin,« rief der König; »er verwandle sich ein wenig in Gewißheit, und Sie werden sehen. Doch ich bedenke, es gibt ein einfaches Mittel.«

»Welches, Sire?«

»Man rufe Herrn von Choiseul hierher.«

»Oh! Eure Majestät weiß wohl, daß er nie kommt. Er verachtet es, in das Gemach der Freundin des Königs einzutreten. Seine Schwester ist nicht wie er; ihr wäre nichts lieber.«

Der König lachte.

»Herr von Choiseul äfft den Herrn Dauphin nach,« fuhr die Gräfin ermuthigt fort. »Man will sich nicht gefährden«

»Der Herr Dauphin ist ein Frommer, Gräfin.«

»Und Herr von Choiseul ein Heuchler, Sire.«

»Ich sage Ihnen, liebe Freundin, Sie werden das Vergnügen haben, ihn hier zu sehen, denn ich rufe ihn hierher. Es geschieht im Staatsdienst, er muß kommen, und wir veranlassen ihn, sich in Gegenwart von Chon, welche Alles gesehen hat, zu erklären. Wir confrontiren, wie man im Justizpalaste sagt, nicht wahr, Sartines? Man hole mir Herrn von Choiseul.«

»Und mir bringe man meinen Sapajou, Dorée; meinen Sapajou! meinen Sapajou!« rief die Gräfin.15

Bei diesen Worten, welche an die im Ankleidezimmer beschäftigte Kammerfrau gerichtet waren und sehr gut im Vorzimmer gehört werden konnten, da sie gerade in dem Augenblick ausgesprochen wurden, wo sich die Thüre vor dem nach Herrn von Choiseul abgeschickten Huissier öffnete, antwortete eine heisere, schnarrende Stimme:

»Der Sapajou der Frau Gräfin muß ich sein; ich erscheine, ich eile, hier bin ich.«

Und man sah einen kleinen Buckeligen eintreten, der mit der größten Pracht gekleidet war,

»Der Herzog von Tresmes!« sprach die Gräfin ärgerlich; »ich habe Sie nicht rufen lassen.«

»Sie haben nach Ihrem Sapajou verlangt, Madame,« sagte der Herzog, indem er sich vor dem König, der Gräfin und Herrn von Sartines verbeugte, »und da ich keinen häßlicheren Affen unter den Höflingen erblickte, so lief ich herbei.«

Und hiebei lachte der Herzog und zeigte so lange Zähne, daß sich die Gräfin ebenfalls des Lachens nicht erwehren konnte.

»Werde ich bleiben?« fragte der Herzog, als wäre dies die Gunst gewesen, nach der er sein ganzes Leben gestrebt hätte.

»Fragen Sie den König, er ist hier Gebieter, mein Herr Herzog.«

Der Herzog wandte sich mit stehender Miene an den König.

»Bleiben Sie, Herzog, bleiben Sie,« sagte der König, entzückt, die Zerstreuungen um sich her häufen zu können.

In diesem Augenblick öffnete der Huissier vom Dienst die Thüre.

»Ah!« sprach der König mit einer leichten Wolke des Aergers, »ist es schon Herr von Choiseul?«

»Nein, Sire,« antwortete der Huissier, »es ist Monseigneur der Dauphin, der Eure Majestät zu sprechen wünscht.«

Die Gräfin machte einen Freudensprung, denn sie glaubte, der Dauphin wolle sich ihr nähern. Aber Chon, die an Alles dachte, runzelte die Stirne.

»Nun, wo ist der Herr Dauphin?« fragte der König ungeduldig.

»Bei Seiner Majestät. Der Herr Dauphin wartet, bis Seine Majestät in ihre Gemächer zurückkehrt.«

»Ich soll nun einmal nie einen Augenblick Ruhe haben,« murrte der König.

Doch plötzlich begriff er, daß die von dem Dauphin verlangte Audienz ihm wenigstens für den Augenblick die Scene mit Herrn von Choiseul ersparte, besann sich eines Andern und sprach:

»Ich komme, ich komme. Adieu, Gräfin. Sie sehen, wie unglücklich ich bin, Sie sehen, wie man mich martert.«

»Eure Majestät geht in dem Augenblick, wo Herr von Choiseul kommt?« rief die Gräfin.

»Was wollen Sie? der erste Sklave ist der König. Ah! wenn die Herren Philosophen wüßten, was es heißt, König, und besonders König von Frankreich zu sein.«

»Bleiben Sie doch, Sire.«

»Oh! ich kann den Dauphin nicht warten lassen. Man behauptet schon, ich liebe nur meine Töchter.«

»Aber was soll ich Herrn von Choiseul sagen?«

»Sagen Sie ihm, er möge mich in meinen Gemächern aufsuchen, Gräfin.«

Und um jede Bemerkung kurz abzuschneiden, küßte er der vor Zorn zitternden Gräfin die Hand und verschwand in aller Hast, wie es seine Gewohnheit war, so oft er die Frucht einer durch sein Verschieben und seine bürgerliche Schlauheit gewonnenen Schlacht zu verlieren glaubte.

»Oh! er entgeht uns abermals,« rief die Gräfin und schlug vor Aerger ihre Hände zusammen.

Doch der König hörte diesen Ausruf nicht mehr. Die Thüre war bereits hinter ihm geschlossen, und er durchschritt das Vorzimmer mit den Worten:

»Treten Sie ein, meine Herren, treten Sie ein. Die Gräfin will Sie empfangen. Nur werden Sie dieselbe sehr traurig über den Unfall finden, der dem armen Jean begegnet ist.«

Die Höflinge schauten sich erstaunt an. Sie wußten nicht, welcher Unfall dem Vicomte widerfahren sein konnte. Viele hofften, er wäre todt.

Sie richteten ihre Gesichter nach den Umständen. Die Freudigsten machten sich zu den Traurigsten und sie traten ein.

15

 Ein amerikanischer Affe.

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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