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5 bis 8. Bändchen
XXXI.
Das Patent von Zamore

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»Madame,« sagte die Favoritin zur Gräfin, »sprechen Sie, ich höre.«

»Erlauben Sie, meine Schwester,« versetzte Jean, der stehen geblieben war, »erlauben Sie mir den Anschein zu beseitigen, als wollte Madame um etwas bitten; Madame dachte nicht entfernt daran. Der Herr Kanzler übergab ihr nur einen Auftrag für Sie.«

Frau von Béarn warf einen Blick voll Dankbarkeit auf Jean, und reichte der Gräfin das von dem Vicekanzler unterzeichnete Patent, welches Patent Luciennes zu einem königlichen Schloß erhob, und an Zamore den Titel seines Gouverneur übertrug.

»Also bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet, Madame,« sprach die Gräfin, nachdem sie das Patent flüchtig angeschaut hatte, »und wenn ich so glücklich wäre, eine Gelegenheit zu finden, Ihnen auch eine Gefälligkeit zu erweisen  . . .«

»Oh! das wird leicht sein, Madame,« rief die Gräfin mit einer Lebhaftigkeit, welche die zwei Verbündeten bezauberte.

»Wie so, Madame? Sprechen Sie, ich bitte.«

»Da Sie die Güte hatten, mir zu bemerken, Madame, mein Name sei Ihnen nicht ganz unbekannt  . . .«

»Wie, ein Béarn!«

»Nun! Sie haben vielleicht von einem Prozeß sprechen hören, der die Güter meines Hauses betrifft.«

»Streitig gemacht durch die Herren von Saluces, wie ich glaube?«

»Ach! ja, Madame.«

»Ja, ja, ich kenne diese Angelegenheit,« sagte die Gräfin, »Seine Majestät sprach eines Abends bei mir darüber mit meinem Vetter, Herrn von Maupeou.«

»Seine Majestät!« rief Frau von Béarn, »Seine Majestät hat von meinem Prozeß gesprochen?«

»Ja, Madame.«

,.Und in welchen Ausdrücken?«

»Ach! arme Gräfin,« rief ebenfalls Madame Dubarry den Kopf schüttelnd.

»Ah! nicht wahr ein verlorener Prozeß?« versetzte die alte Dame voll Angst.

»Ich befürchte es, wenn ich die Wahrheit sprechen soll, Madame.«

»Seine Majestät hat es gesagt?«

»Seine Majestät, ohne sich auszusprechen, denn sie ist voll Klugheit und Zartgefühl, schien diese Güter bereits als von der Familie Saluces erworben zu betrachten.«

»Oh! mein Gott, mein Gott, Madame, wenn Seine Majestät auf dem Laufenden in der Sache wäre, wenn sie wüßte, daß eine Abtretung in Folge einer zurückbezahlten Obligation stattgefunden hat! Ja Madame, zurückbezahlt; die zweimal hundert tausend Franken sind zurückgegeben worden. Ich besitze allerdings die Empfangsscheine nicht, aber ich habe die moralischen Beweise, und wenn ich vor dem Parlament selbst plaidiren konnte, so würde ich durch Deduction darthun  . . .«

»Durch Deduction?« unterbrach sie die Gräfin, welche durchaus nichts von dem verstand, was ihr Frau von Béarn sagte, ihrer Auseinandersetzung aber nichtsdestoweniger die ernsthafteste Aufmerksamkeit zu schenken schien.

»Ja, Madame, durch Deduction.«

»Der Beweis durch Deduction ist gestattet,« sagte Jean.

»Ah! Sie glauben das, Herr Vicomte,« rief die Alte.

»Ich glaube es,« antwortete der Vicomte mit dem höchsten Ernst.

»Nun wohl, durch Deduction würde ich beweisen, daß diese Obligation von zweimal hundert tausend Livres, welche mit den angehäuften Interessen heute ein Kapital von mehr als einer Million bildet, ich würde beweisen, daß diese Obligation vom Jahr 1406 durch Guy Gaston IV., Grafen von Béarn, auf seinem Sterbebett im Jahr 1417 zurückbezahlt gewesen sein muß, denn es finden sich in seinem Testament von seiner eigenen Hand die Worte: ‚Auf meinem Sterbebett, indem ich den Menschen nichts mehr schuldig bin, und bereit, vor Gott zu erscheinen  . . .’ «

»Nun?« sagte die Gräfin.

»Sie begreifen, wenn er den Menschen nichts mehr schuldig war, so hatte er sich seiner Verbindlichkeiten gegen die Saluces entledigt. Sonst hätte er gesagt: ‚indem ich zweimal hundert tausend Livres schuldig bin’ statt zu sagen: ,indem ich nichts mehr schuldig bin.’ «

»Unstreitig hätte er dies gesagt,« unterbrach Jean die Gräfin.

»Sie haben keinen andern Beweis?«

»Außer dem Worte von Gaston IV. keinen, Madame, doch er war es, den man den Tadellosen nannte.«

»Während Ihre Gegner die Obligation in Händen haben.«

»Ja, ich weiß es wohl, und das ist es gerade, was den Prozeß verwirrt macht,« sprach die Alte.

Sie hätte sagen sollen, was ihn klar macht: aber Frau von Béarn sah die Dinge aus ihrem Gesichtspunkte an.

»Sie haben also die Ueberzeugung, Madame, daß die Saluces wieder bezahlt worden sind,« sagte Jean.

»Ja, Herr Vicomte,« rief Frau von Béarn begeistert, »das ist meine Ueberzeugung.«

»Ei!« sprach die Gräfin, indem sie sich mit einer durchdrungenen Miene an ihren Bruder wandte, »wissen Sie, Jean, daß diese Deduction, wie es die Frau Gräfin von Béarn nennt, das Angesicht der Dinge furchtbar verändert?«

»Furchtbar, ja, Madame,« versetzte Jean.

»Furchtbar für meine Gegner,« fuhr die Gräfin fort; »die Worte des Testaments von Gaston IV. sind positiv: ‚indem ich den Menschen nichts schuldig bin«

»Das ist nicht nur klar, sondern logisch,« sprach Jean. »Er war den Menschen nichts mehr schuldig, folglich hatte er ihnen bezahlt, was er ihnen schuldig war.«

»Folglich hatte er bezahlt,« wiederholte Madame Dubarry.

»Oh! Madame, warum sind Sie nicht mein Richter,« rief die alte Gräfin.

»Früher,« sagte der Vicomte Jean, »früher hätte man bei einem ähnlichen Fall seine Zuflucht nicht zu den Tribunalen genommen, und das Urtheil Gottes würde die Angelegenheit entschieden haben. Ich, was mich betrifft, bin so sehr von der Güte der Sache überzeugt, daß ich mich, wenn ein solches Mittel noch gebräuchlich wäre, zum Ritter von Madame anbieten würde.«

»O mein Herr!«

»So ist es; übrigens würde ich nur thun, was mein Ahnherr Dubarry Moore that, der die. Ehre hatte, sich mit der königlichen Familie der Stuart zu verbinden, als er für die schöne und junge Edith von Scarborough in den Schranken focht. und seinen Gegner zu dem Geständnisse zwang, er habe schändlich gelogen. Aber leider,« fuhr der Vicomte mit einem Seufzer der Verachtung fort, »leider leben wir nicht mehr in dieser glorreichen Zeit, und die Edelleute müssen, wenn sie ihre Rechte verfechten, heut zu Tage ihre Sache dem Urtheile eines Hausens von Rechtsverdrehern unterwerfen, welche einen so klaren Satz wie den: ,indem ich den Menschen nichts mehr schuldig bin’ gar nicht verstehen.«

»Hören Sie, lieber Bruder, es sind dreihundert Jahre vorüber, seitdem dieser Satz geschrieben worden ist,« bemerkte Madame Dubarry, »und man muß das berücksichtigen, was man im Justizpalast, wie ich glaube, die Verjährung nennt.«

»Gleichviel, gleichviel,« sagte Jean, »ich behaupte, wenn Seine Majestät Madame ihre Angelegenheit würde auseinandersetzen hören, wie sie es vor uns gethan  . . .«

»Oh! ich würde sie überzeugen, nicht wahr, mein Herr? dessen bin ich sicher.«

»Ich auch.«

»Ja, aber wie soll ich mich hörbar machen?«

»Sie müssen mir die Ehre erweisen, eines Tags nach Luciennes zu kommen, und da Seine Majestät die Gnade hat, mich ziemlich oft dort zu. besuchen.«

»Ja, gewiß, meine Liebe, doch Alles dies hängt vom Zufall ab.«

»Vicomte,« sprach die Gräfin mit einem reizenden Lächeln, »Sie wissen, daß ich mich gern dem Zufall anvertraue, und ich habe mich nicht darüber zu beklagen.«

»Und dennoch kann es der Zufall fügen, daß Madame acht Tage, vierzehn Tage, drei Wochen nicht mit Seiner Majestät zusammentrifft.«

»Das ist wahr.«

»Mittlerweile wird in ihrem Prozeß Montag oder Dienstag das Urtheil gefällt.«

»Dienstag, mein Herr.«

»Und es ist bereits Freitag Abend.«

»Oh! dann darf man nicht mehr hierauf rechnen.«

»Was ist zu thun?« fragte der Vicomte, der in diese Träume versunken zu sein schien, »Teufel! Teufel!«

»Eine Audienz in Versailles?« sagte schüchtern Frau von Béarn.

»Oh! Sie werden sie nicht erhalten.«

»Mit Ihrer Protection, Madame?

»Meine Protection würde nichts helfen, Seine Majestät hat einen Abscheu vor allen officiellen Dingen, und in diesem Augenblick ist sie nur mit einer Angelegenheit beschäftigt.«

»Mit der der Parlamente?«

»Nein, mit der meiner Vorstellung.«

»Ah!« machte die alte Dame.

»Denn Sie wissen, Madame, daß trotz des Widerstandes von Herrn von Choiseul, trotz der Intriguen von Herrn von Praslin, und trotz der Zuvorkommenheiten der Frau von Grammont, der König meine Vorstellung beschlossen hat.«

»Nein, nein, ich wußte es nicht, Madame.«

»O mein Gott! ja, beschlossen,« sprach Jean.

»Und wann wird die Vorstellung stattfinden, Madame?«

»Sehr bald.«

»Sehen Sie  . . . nach des Königs Willen soll sie vor Ankunft der Frau Dauphine statthaben, damit er meine Schwester zu den Festen von Compiègne mitnehmen kann.«

»Ah! ich begreife, Madame ist also im Stande, vorgestellt zu werden?« fragte schüchtern die Gräfin.

»Mein Gott, ja. Die Frau Baronin d’Alogny, kennen Sie die Baronin d’Alogny?«

»Nein, mein Herr. Ach! ich kenne Niemand mehr, es sind zwanzig Jahre, daß ich den Hof verlaufen habe.«

»Nun, die Frau Baronin d’Alogny dient ihr als Pathin. Der König überhäuft sie mit Gnadenbezeigungen, diese gute Baronin. Ihr Gatte ist Kammerherr; ihr Sohn kommt zu den Garden mit dem Versprechen der ersten Lieutenantsstelle; ihre Baronie wird zur Grafschaft erhoben; die Anweisungen auf die Cassette des Königs werden gegen Actien der Stadt vertauscht, und am Abend der Vorstellung erhält sie zwanzig tausend Thaler baar Geld.«

»Ich begreife das,« sagte die Gräfin von Béarn mit einem anmuthigen Lächeln.

»Ah! wenn ich bedenke!« rief Jean.

»Was?« fragte Madame Dubarry.

»Welch ein Unglück!« fügte er von seinem Stuhle aufspringend bei, »welch ein Unglück, daß ich Madame nicht vierzehn Tage früher bei unserem Vetter, dem Vicekanzler, getroffen habe!«

»Nun?«

»Nun, damals standen wir noch in keiner Verbindung mit der Baronin d’Alogny.«

»Mein Lieber,« versetzte Madame Dubarry, »Sie sprechen wie ein Sphinx und ich verstehe Sie nicht.«

»Sie verstehen mich nicht?«

»Nein.«

»Ich wette, daß Madame mich versteht.«

»Verzeihen Sie, mein Herr, aber ich suche vergebens.«

»Vor acht Tagen hatten Sie noch keine Pathin?«

»Allerdings.«

»Nun,« Madame, ich gehe vielleicht zu weit.«

»Nein, mein Herr, sprechen Sie.«

»Madame hätte Ihnen als solche gedient, und was der König für die Baronin d’Alogny thut, würde er auch für Madame gethan haben.«

Frau von Béarn riß die Augen weit auf und seufzte ein: »Ach!«

»Ah! wenn Sie wüßten, mit welcher Huld Seine Majestät alle diese Gunstbezeigungen bewilligt hat?« fuhr Jean fort. »Es war nicht nöthig. ihn darum zu bitten, er ist entgegengekommen. Sobald man ihm mittheilte, die Baronin d’Alogny biete sich an, Pathin von Jeanne zu werden, sagte er ‚Das ist mir lieb, ich bin müde aller dieser Närrinnen, welche, wie es scheint, stolzer sind als ich. Gräfin, nicht wahr, Sie werden mir diese Frau vorstellen? Hat sie einen guten Prozeß, einen Rückstand, ein Bankerott?  . . .’

Die Augen der Gräfin erweiterten sich immer mehr.

‚Nur,’ fügte der König bei, ‚nur ist mir Eines ärgerlich.’ «

Ah! Eines war Seiner Majestät ärgerlich?

‚Ja, Eines. Eines ist mir ärgerlich, ich hätte zur Vorstellung von Madame Dubarry gern einen historischen Namen gehabt.’

Und während Seine Majestät diese Worte sprach, schaute sie das Portrait von Karl I. von Van Dyck an.«

»Ja, ich begreife,« sprach die alte Prozeßkrämerin, »Seine Majestät sagte dies wegen der Verwandtschaft der Dubarry Moore mit den Stuarts, wovon Sie vorhin sprachen.«

»Ganz richtig.«

»Es ist wahr,« versetzte Frau von Béarn mit einem Tone, der sich nicht beschreiben läßt, »es ist wahr, ich habe nie von den d’Alogny sprechen hören.«

»Und dennoch ist es eine gute Familie,« bemerkte die Gräfin, »sie hat ihre Proben geliefert, oder so ungefähr geliefert.«

»Ah! mein Gott,« rief plötzlich Jean, indem er sich mit dem Faustgelenke auf seinem Stuhle erhob.

»Nun, was haben Sie denn?« fragte Madame Dubarry, welche die größte Mühe hatte, bei den gewaltsamen Verdrehungen ihres Schwagers das Lachen zu halten.20

»Der Herr hat sich vielleicht gestochen?« fragte die alte Prozeßkrämerin mit ängstlicher Theilnahme.

»Nein,« erwiederte Jean, indem er sich sachte zurückfallen ließ, »nein, es ist mir ein Gedanke gekommen.«

»Was für ein Gedanke?« fragte die Gräfin lachend, »er hat Sie beinahe umgeworfen.«

»Er muß sehr gut sein,« bemerkte Frau von Béarn.

»Vortrefflich!«

»Nennen Sie ihn uns also.«

»Er hat nur ein Unglück.«

»Welches?«

»Es ist unmöglich ihn auszuführen.«

»Nennen Sie ihn immerhin.«

»In der That, ich habe Furcht, irgend Jemand Kummer zu bereiten.«

»Gleichviel, sprechen Sie Vicomte, sprechen Sie.«

»Ich dachte, Madame, wenn Sie der Baronin d’Alogny die Bemerkung mittheilen würden, welche der König machte, während er das Portrait von Karl I. betrachtete.«

»Oh! das wäre nicht sehr höflich, Vicomte.«

»Das ist wahr.«

»So denken wir nicht mehr daran.«

»Die Alte stieß einen Seufzer aus.

»Es ist ärgerlich,« fuhr der Vicomte fort, als spräche er mit sich, »die Dinge würden von sich selbst gehen. Madame, welche einen großen Namen hat und eine Frau von Geist ist, böte sich an der Stelle der Baronin d’Alogny an, Sie gewänne ihren Prozeß, Herr von Béarn der Sohn bekäme eine Lieutenantsstelle bei den Garden, und da Madame während der verschiedenen Reisen, die sie ihr Prozeß nach Paris zu machen gezwungen, große Kosten gehabt hat, so gäbe man ihr eine Entschädigung. Ah! ein solches Gluck findet sich nicht zweimal im Leben.

»Ach! nein, ach! nein,« sagte unwillkührlich und von diesem unvorhergesehenen Schlage betäubt Frau von Béarn.

Es ist nicht zu leugnen, in der Lage der armen Dame würde Jedermann wie sie gesprochen und niedergeschmettert im Grunde des Lehnstuhls geblieben sein.

»Ah! Sie sehen, mein Bruder,« sprach die Gräfin, mit dem Tone tiefen Mitleids, »Sie sehen, daß Sie Madame betrübt haben. War es nicht genug, daß ich ihr offenbaren mußte, ich könne vor meiner Vorstellung nichts von dem König verlangen?«

»O! wenn ich meinen Proceß verschieben könnte.«

»Nur um acht Tage,« sagte Madame Dubarry.

»Ja um acht Tage,« sprach Frau von Béarn, »in acht Tagen wird Madame vorgestellt sein.«

»Ja, aber in acht Tagen wird sich der König in Compiègne, mitten unter den Festen befinden; die Dauphine wird angekommen sein.«

»Das ist richtig, das ist richtig,« versetzte Jean, »aber  . . .«

»Was?«

»Warten Sie doch; noch ein Gedanke.«

»Sprechen Sie, mein Herr, sprechen Sie,« rief die Alte.

»Es scheint mir, ja, nein, ja, ja, ja!«

Frau von Béarn wiederholte voll Angst die einsylbigen Wörter von Jean.

»Sie haben gesagt ja, Herr Vicomte,« bemerkte sie.

»Ich glaube, ich habe das Auskunftsmittel gefunden.«

»Nennen Sie es.«

»Hören Sie.«

»Wir hören.«

»Ihre Vorstellung ist noch ein Geheimniß, nicht wahr?«

»Allerdings, Madame allein  . . .«

»Oh! seien Sie unbesorgt« rief die alte Dame.

»Ihre Vorstellung ist also ein Geheimniß. Man weiß nicht, daß Sie eine Pathin gefunden haben.«

»So ist es, der König will, daß die Neuigkeit wie eine Bombe losbreche.«

»Diesmal haben wir es.«

»Sicherlich, Herr Vicomte?« fragte Frau von Béarn.

»Wir haben es,« wiederholte Jean.

Die Ohren öffneten sich, die Augen erweiterten sich, Jean näherte sein Fauteuil den zwei andern Fauteuils.

»Madame weiß folglich wie die Andern nicht, daß Sie vorgestellt werden sollen und eine Pathin gefunden haben.«

»Allerdings. Ich wüßte es nicht, wenn Sie es mir nicht gesagt hätten.«

»Man wird glauben, Sie haben uns nicht gesehen; Sie wissen also von Allem gar nichts. Sie verlangen Audienz vom König.«

»Aber die Frau Gräfin behauptet, der König werde sie mir verweigern.«

»Sie verlangen Audienz vom König, indem Sie ihm anbieten, die Pathin der Gräfin zu werden. Sie begreifen. Sie wissen nichts davon, daß sie bereits eine hat. Sie verlangen also Audienz vom König, indem Sie sich anbieten, die Pathin meiner Schwester zu werden. Von Seiten einer Frau von Ihrem Range rührt die Sache Seine Majestät; Seine Majestät empfängt Sie, dankt Ihnen, fragt, was er thun könne, um Ihnen angenehm zu sein. Sie sprechen von der Angelegenheit des Prozesses, Sie machen Ihre Deductionen geltend. Seine Majestät begreift, empfiehlt die Sache, und Ihr Prozeß, den Sie für verloren halten, ist gewonnen.«

Madame Dubarry heftete glühende Blicke auf die Gräfin, Diese fühlte ohne Zweifel die Falle.

»Oh! ich schwaches Geschöpf,« sagte sie rasch, »wie soll Seine Majestät . . .«

»Es ist genug. Ich glaube bei diesem Verhältniß guten Willen gezeigt zu haben,« sprach Jean.

»Wenn es sich nur um den guten Willen handelt  . . .« versetzte die Gräfin zögernd.

»Der Gedanke ist nicht schlecht,« sagte Madame Dubarry lächelnd. »Doch selbst um ihren Prozeß zu gewinnen, widerstrebt es vielleicht der Frau Gräfin, zu solchen Ränken ihre Zuflucht zu nehmen.«

»Solche Ränke!« rief Jean; »oh! ich frage, wer wird sie denn erfahren, diese Ränke?«

»Madame hat Recht,« sprach die Gräfin, in der Hoffnung, sich durch einen Querzug aus der Sache zu ziehen, »es wäre mir lieber, ihr einen wirklichen Dienst zu leisten, um mir ihre Freundschaft zu erwerben.«

»Das ist in der That im höchsten Maße liebenswürdig,« sagte Madame Dubarry mit einer leichten Färbung von Ironie, welche Frau von Béarn nicht entging.

»Nun! ich habe noch ein Mittel,« versetzte Jean.

»Ein Mittel?

»Ja.«

»Diesen Dienst wirklich zu machen?«

»Ah! Vicomte,« sprach Madame Dubarry, »Sie werden Dichter, nehmen Sie sich in Acht! Herr von Beaumarchais hat in seiner Einbildungskraft nicht mehr Quellen als Sie.«

Die alte Gräfin erwartete voll Angst die Auseinandersetzung dieses Mittels.

»Scherz bei Seite,« rief Jean. »Hören Sie, kleine Schwester, nicht wahr, Sie sind sehr vertraut mit der Baronin d’Alogny?«

»Ob ich es bin!  . . . Sie wissen es wohl.«

»Würde sie sich beleidigt fühlen, wenn die Vorstellung nicht durch sie stattfände?«

»Das ist wohl möglich!«

»Es versteht sich, Sie würden ihr nicht geradezu ins Gesicht sagen, was der König gesprochen hat, nämlich, daß sie für eine solche Aufgabe von einem zu kleinen Adel sei. Doch Sie sind eine Frau von Geist, Sie werden ihr etwas Anderes sagen.«

»Nun?« fragte Jeanne.

»Sie würde Madame diese Gelegenheit, Ihnen einen Dienst zu leisten und zugleich ihr Glück zu machen, abtreten.«

Die Alte bebte. Diesmal war der Angriff unmittelbar und kaum eine ausweichende Antwort möglich.

Sie fand jedoch eine und erwiederte:

»Ich möchte diese Dame nicht gern vor den Kopf stoßen, und man ist sich unter Leuten von Stand gewisse Rücksichten schuldig.«

Madame Dubarry machte eine Bewegung des Aergers, die ihr Bruder mit einem Zeichen beschwichtigte.

»Merken Sie wohl, Madame,« sagte er, »ich schlage Ihnen nichts vor. Sie haben einen Prozeß, das widerfährt Jedermann; Sie wünschen ihn zu gewinnen, das ist ganz natürlich. Er scheint verloren, das bringt Sie in Verzweiflung; ich falle gerade in die Mitte dieser Verzweiflung; ich fühle mich von einer Sympathie für Sie ergriffen; ich nehme Theil an dieser Angelegenheit, die mich nichts angeht; ich suche Mittel, ihr eine gute Wendung zu geben, während sie zu zwei Dritteln bereits eine schlechte genommen hat. Ich habe Unrecht, sprechen wir nicht mehr davon.«

Und Jean stand auf.

»Oh! mein Herr,« rief die Alte mit einer Beklemmung des Herzens, die sie die Dubarry, welche bis jetzt gleichgültig gewesen, als fortan gegen ihren Prozeß verbunden, erblicken ließ; »oh! mein Herr, ganz im Gegentheil, ich erkenne, ich bewundere Ihr Wohlwollen!«

»Sie begreifen,« sagte Jean mit einer vortrefflich gespielten Gleichgültigkeit »Sie begreifen, mir ist nichts daran gelegen, ob meine Schwester durch die Baronin d’Alogny, durch Frau von Polastron, oder durch Frau von Béarn vorgestellt wird.«

»Ganz gewiß, mein Herr.«

»Nur, ich gestehe es, wäre ich wüthend; wenn die Wohlthaten des Königs auf ein schlechtes Herz fielen, das, gewonnen durch ein schmutziges Interesse, vor unserer Macht, weil es die Unmöglichkeit, dieselbe zu erschüttern, begriffen, capitulirt hätte.«

»Oh! das wäre wahrscheinlich geschehen,« sprach Madame Dubarry.

»Während,« fuhr Jean fort, »während Madame, die man nicht ersucht hat, die wir kaum kennen, und die sich aus freien Stücken anbietet, mir in jeder Beziehung würdig scheint, aus den Vortheilen der Lage Nutzen zu ziehen.«

Die alte Dame hätte vielleicht- gegen diesen guten Willen, mit dem sie der Vicomte beehrte, Einsprache gethan, doch Madame Dubarry ließ ihr nicht Zeit dazu.

»Es ist nicht in Abrede zu ziehen,« sprach sie, »ein solches Benehmen würde den König entzücken, und der König hätte einer Person, welche auf diese Art verfahren wäre, nichts zu verweigern.«

»Wie! Sie sagen, er hätte ihr nichts zu verweigern?«

»Das heißt, er wurde ihren Wünschen entgegenkommen, das heißt, Sie würden ihn mit Ihren eigenen Ohren zu dem Vicekanzler sagen hören! ‚Es ist mein Wille, daß man sich gegen Frau von Béarn gefällig benehme, verstehen Sie, Herr von Maupeou?’ Doch es scheint die Frau Gräfin erblickt Schwierigkeiten hiegegen, – Es ist gut, nur,« fügte der Vicomte sich verbeugend bei, »nur hoffe ich, Madame wird mir für meinen guten Willen Dank wissen.«’

»Ich bin von Dankbarkeit durchdrungen, mein Herr,« rief die Alte.

»Oh! ich bitte, gar keine Ursache,« versetzte der galante Vicomte.

»Aber,« sagte die Gräfin.

»Madame.«

»Aber die Baronin d’Alogny wird ihr Recht nicht abtreten,« sprach Frau von Béarn.

»Dann kommen wir auf das zurück, was wir von Anfang an sagten, Madame wird sich nicht minder angeboten haben und Seine Majestät wird nicht minder dankbar sein.«

»Doch vorausgesetzt, die Baronin d’Alogny würde einwilligen,« entgegnete die Gräfin, welche das Aeußerste wagte, um klar im Grunde der Dinge zu sehen, »man kann diese Dame doch die Vorheile nicht verlieren lassen.«

»Die Güte des Königs ist unerschöpflich, Madame,« sprach die Favoritin.

»Oh!« rief Dubarry, »welch ein Stein auf den Kopf dieser Saluces, die ich nicht riechen kann!«

»Wenn ich meine Dienste Madame anböte,« versetzte die alte Prozeßkrämerin, welche zugleich fortgerissen durch ihr Interesse und durch die Komödie, die man mit ihr spielte, einem Entschlusse immer näher kam, »wenn ich mich anböte, würde ich den Gewinn meines Prozesses nicht in Betracht ziehen, denn dieser Prozeß, den heute die ganze Welt für verloren hält, wird am Ende morgen schwer zu gewinnen sein.«

»Ah! doch wenn der König wollte,« antwortete der Vicomte, der dieses neue Zögern schleunigst zu bekämpfen suchte.

»Madame hat Recht, Vicomte, und ich bin auch, ihrer Ansicht,« sprach die Favoritin.

»Wie sagen Sie?« versetzte der Vicomte, indem er die Augen weit aufriß.

»Ich sage, es wäre ehrenvoll für eine Dame von dem Namen von Madame, den Prozeß gehen zu lassen, wie er gehen soll. Nur kann Niemand dem Willen des Königs Fesseln anlegen oder ihn in seiner Freigebigkeit aufhalten. Und wenn der König, besonders in der Lage, in der er sich mit seinen Parlamenten befindet, den Gang der Gerichte nicht verändern wollte und Madame eine Entschädigung anböte?«

»Eine ehrenvolle,« fügte der Vicomte rasch bei. »Oh! ja, kleine Schwester, ich bin auch Ihrer Ansicht.«

»Ach!« entgegnete seufzend die alte Dame, »wie kann man für den Verlust eines Prozesses entschädigen, der zweimal hundert tausend Livres wegnimmt.«

»Vor Allem durch ein königliches Geschenk von zweimal hundert tausend Livres,« erwiederte Madame Dubarry.

Die zwei Verbündeten schauten ihr Opfer gierig an.

»Ich habe einen Sohn,« sagte Frau von Béarn.

»Desto besser, das ist ein Diener mehr für den Staat, es ist eine neue Ergebenheit für den König erworben.«

»Sie glauben, Madame, er würde etwas für meinen Sohn thun?«

»Ich stehe dafür,« antwortete Jean, »und das Wenigste, was er hoffen darf, ist eine Lieutenantsstelle bei den Gendarmen.

»Haben Sie noch andere Verwandte?« fragte die Favoritin.

»Einen Neffen.

»Nun! man würde etwas für den Neffen erfinden.«

»Und hiemit würden wir Sie beauftragen, Vicomte. Sie, der Sie uns so eben bewiesen haben, daß Sie voll Erfindung sind,« sprach lachend die Favoritin.

»Sagen Sie, wenn Seine Majestät Alles dies für Sie thäte, würden Sie den König billig und anständig finden?« fragte der Vicomte, der nach der Vorschrift von Horaz immer schärfer auf die Entwicklung drang.

»Ich würde ihn über allen Ausdruck großmüthig finden, und meine ganze Erkenntlichkeit Madame darbringen, in der Ueberzeugung, daß ich ihr so viel Großmuth zu verdanken hätte.«

»Sie wollen also die Güte haben, unser Gespräch im Ernste zu nehmen?« fragte die Favoritin.

»Ja, Madame, im höchsten Ernste,« antwortete die alte Dame, ganz bleich ob der Verbindlichkeit, die sie übernahm.

»Und Sie erlauben, daß ich mit Seiner Majestät von Ihnen spreche?«

»Erweisen Sie mir diese Ehre,« erwiederte Frau von Béarn mit einem Seufzer..

»Madame, es wird geschehen, und zwar nicht später als diesen Abend,« sagte die Favoritin, indem sie die Sitzung aufhob; »und nun, Madame, habe ich mir, wie ich hoffe, Ihre Freundschaft erworben?«

»Die Ihrige ist mir so kostbar, daß ich in der That unter der Herrschaft eines Traumes zu stehen glaube,« antwortete die alte Dame, während sie ihre Verbeugung begann.

»Wir wollen die Sache noch einmal durchgehen,« sprach Jean, der dem Innern der Gräfin die ganze Bestimmtheit geben wollte, welche der Geist braucht, um die materiellen Dinge zum Ziele zu führen. »Hören Sie, zuerst hunderttausend Livres als Entschädigung für Prozeßkosten, Reisen, Advokatengebühren u.s.w. u.s.w. u.s.w.«

»Ja, mein Herr«

»Eine Lieutenantsstelle für den jungen Grafen.«

»Oh! das wird für ihn die Eröffnung einer herrlichen Laufbahn sein.«

»Und etwas für meinen Neffen, nicht wahr?«

»Etwas?«

»Man wird dieses Etwas finden; ich habe es bereits gesagt; das ist meine Sache.«

»Und wann werde ich die Ehre haben, Sie wiederzusehen, Frau Gräfin?« fragte die alte Dame.

»Morgen früh, meine Carrosse erwartet Sie vor Ihrer Thüre, Madame, um Sie nach Luciennes zu führen, wo der König sein wird. Morgen um zehn Uhr habe ich mein Versprechen erfüllt. Seine Majestät ist benachrichtigt, und Sie haben nicht zu warten.

»Erlauben Sie, daß ich Sie begleite,« sagte Jean, indem er der Gräfin seinen Arm bot.

»Ich werde es nicht dulden, mein Herr,« entgegnete die alte Dame; »ich bitte, bleiben Sie.«

Jean beharrte auf seinem Anerbieten.

»Wenigstens bis oben an die Treppe.«

»Da Sie es durchaus wollen  . . .«

Und sie nahm den Arm des Vicomte.

»Zamore!« rief die Gräfin.

Zamore lief herbei.

»Man leuchte Madame bis auf die Freitreppe und lasse den Wagen meines Bruders vorfahren.«

Zamore schoß fort wie ein Pfeil.

»In der That, Sie überhäufen mich mit Güte,« sagte Frau von Béarn.

Und die zwei Frauen tauschten eine neue Verbeugung aus.

Oben an der Treppe verließ der Vicomte Jean den Arm von Frau von Béarn, und kehrte zu seiner Schwester zurück, während die alte Dame majestätisch die große Treppe hinabstieg.

Zamore marschirte voraus; ihm folgten zwei Bedienten mit Fackeln, dann kam Frau von Béarn, deren etwas kurze Schleppe ein dritter Lackei trug.

Der Bruder und die Schwester schauten durch ein Fenster, um dieser kostbaren, mit so viel Mühe gesuchten, und mit so großen Schwierigkeit gefundenen Pathin bis zu ihrem Wagen zu folgen.

In dem Augenblick, wo Frau von Béarn unten an die Freitreppe kam, fuhr ein Wagen in den Hof und eine junge Frau sprang leicht heraus.

»Ah! Frau Chon,« rief Zamore, indem er seine dicken Lippen übermäßig öffnete; »guten Abend, Frau Chon.«

Frau von Béarn blieb einen Fuß in der Luft stehen; sie hatte in der Ankommenden ihren Besuch, die falsche Tochter von Meister Flageot, erkannt.

Dubarry öffnete hastig sein Fenster und machte von hier aus seiner Schwester, welche ihn nicht sah, furchtbare Zeichen.

»Ist dieser kleine Dummkopf von einem Gilbert hier?« fragte Chon die Bedienten, ohne die Gräfin zu sehen.

»Nein, Madame,« antwortete einer von ihnen.

Nun erst schlug sie die Augen auf und erblickte die Signale von Jean.

Sie folgte der Richtung seiner gegen Frau von Béarn ausgestreckten Hand.

Chon erkannte diese, stieß einen Schrei aus, drückte ihre Kopfbedeckung nieder, und verschwand im Vorhause.

Die Alte stieg, ohne daß es schien, als hätte sie etwas bemerkt, in den Wagen und gab dem Kutscher ihre Adresse.

20

 Dumas nennt Jean Dubarry bald den Bruder, bald den Schwager von Madame Dubarry. Nach der Geschichte wurde Marie Jeanne Gomart de Baubernier als Mademoiselle Lange von dem Grafen Jean Dubarry dem König vorgestellt und dann sogleich an den Bruder von Jean, den Grafen Guillaume Dubarry verbeirathet. Hienach war Jean Dubarry der Schwager von Madame Dubarry, der Favoritin von Ludwig XV., und die Bezeichnung Bruder und Schwester ist mehr als eine Folge des vertraulichen Verhältnisses von Jean und Jeanne und als eine Eigenthümlichkeit der Sprachweise von Dumas zu betrachten.

Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1

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