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1. Frühzeit, Volksrechte und Karolingerzeit

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3.9

Zur heutigen konkreten Ausformung des zivilprozessualen Vollstreckungsrechts hat die frühe germanische Rechtskultur weniger beigetragen. Immerhin finden sich aber doch einige Institutionen, die als Ausfluss zeitloser Grundvorstellungen die Rechtsgeschichte bis in die Gegenwart mitgeprägt haben. Der Rechtsgang der germanischen Frühzeit kannte keine Vollstreckung im eigentlichen Sinne. Erschien der Beklagte nicht vor Gericht, verweigerte er das Gelöbnis zur Erfüllung des Urteils oder brach er dieses Gelöbnis, so verfiel er der – strafrechtlich gedachten – Friedlosigkeit. Ihr Zweck war die Bestrafung des Schuldners, sein Gut verfiel dem König oder der Allgemeinheit. Aus dem Fehderecht der Frühzeit entwickelte sich daneben die außergerichtliche Pfandnahme durch den Gläubiger als Form der Selbsthilfe; sie war aber zunächst kein Befriedigungsmittel im eigentlichen Sinn, sondern Beugemittel, um den Schuldner zur Auslösung zu zwingen. Während die Friedlosigkeit Person und Vermögen des Schuldners voll erfasste, beschränkte die außergerichtliche Pfandnahme diese Wirkung auf Vermögensteile, nämlich die bewegliche Habe.

3.10

Schon die Volksrechte der Jahrhunderte vor der karolingischen Zeit und die Rechte der karolingischen Zeit entwickelten allmählich aus der Friedlosigkeit und außergerichtlichen Pfandnahme Formen der Reaktion auf den Rechtsbruch, die eher vollstreckungsrechtlichen Vorstellungen entsprechen. Die Gläubigerpfändung beweglicher Habe wird entweder an richterliche Erlaubnis und einschränkende Voraussetzungen gebunden oder ganz verboten. Neben sie oder an ihre Stelle tritt die Pfändung durch den „Grafen“ als Gerichtsperson. Die Pfändung verwandelt sich mehr und mehr in Konfiskation zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung. Aus der Friedlosigkeit, die die Person rechtlos stellte und dabei auch das Grundvermögen der Allgemeinheit zufallen ließ, entstanden Grundstücksbann und Fronung: Immobilien, die nach Friedlosigkeit dem König verfallen sind, werden zu Gunsten der Gläubigerbefriedigung ganz oder teilweise verwendet, nach und nach setzt eine Verselbstständigung dieses Zwangsmittels zu einer Art Liegenschaftsvollstreckung ein. In manchen Rechten entwickelt sich eine Befriedigungsreihenfolge: zuerst Fahrhabe, dann Liegenschaften. Als Form der Personalvollstreckung kennen die Volksrechte – wohl eine Fortentwicklung der Friedlosigkeit – die Preisgabe des Schuldners: er wird in persönliche Verwahrung genommen und bei fehlender Auslösung dem Gläubiger überliefert. Die Preisgabe ist wiederum der historische Vorläufer der Schuldhaft, die den Schuldner zum persönlichen Pfand bis zur Auslösung macht, und der Schuldknechtschaft, die den Schuldner seine Schuld abarbeiten lässt.

Zwangsvollstreckungsrecht, eBook

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