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Kapitel 7

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121. D' Wallfoarth.

Von J . A . P a n g k o f e r . – Sage des

A l t m ü h l t h a l s von der Burg B r u n n und dem

Kirchlein E m m e r t h a l . –

Duat ob'n af da Höch'n, is g'weh'n a olt's G'schloß,

Jatz sichst meah dee Trümma und d' Graben holt

bloß.

'S is g'weh'n duat a Brunna tiaf zwoahundet Ell'n

Duach Felsen nab brocha – zo na lebaden Quell'n.

Und unten im Thal steht a Kirchl goar kloa,

No älta ols 's G'schloß und voruckt is koa Stoa.

Und olle Joahr kemma viel singade Gäst'

Wallfoarten zon Kirch'l af's Hoagartenfest.

Hänga umma viel Taferl, san d' Wunda draf g'maln,

Und betade Leut' und dee Liabfrau in Strahl'n.

Und drunta a Tofel und 's G'schloß draf no ganz,

Und a betat's schö's Deandl mit an Almrosenkranz.

Am Beag drob'n a Ritta, a scheuliga Mo,

Hot g'haust, und a Hüata im Thal unten dro.

Dem Hüata sei Deandl da Ritta hot g'seg'n,

Und hätt's zo sein Weib, naa – zon Schatzerl sched

mög'n.

Und wael eahm dees Deandl so unbändi g'fallt,

So stiahlt a eahm 's draussen af da Woad am

Beagwald.

Setzt 's naf af sein Hengsten, wia's raft aa und schreit,

Und damit im Galopp in sei G'schloß afi reit.

Dee Moad in da Angst in sein Heazen drin bet't:

Hilf heilige Muata, wael mi sunst Neamat ret't.

Da Ritta loßt's nieda vom Roß drob'n im Hof,

Und freudi sicht's Deandl, da Brunna is off.

Do wiaft sa si obi dee kohlschwoaze Tiaf,

Ols hätt 's füa sei Rettung vom Himmel an Briaf.

Da Ritta schaugt nache, und wos hot a g'seg'n?

A Wunda, so wundali ols nua oas is g'scheg'n,

Da Brunna is z'tiafast voll himmlischen Schei,

Und 's Deandl steht unten und d' Liabfrau dabei.

Dee füaht's durch den Felsen zon Kiachaaltoa,

Wia da Hüata h'neischaut, grod kemma s' ollzwoa'.

D' Liabfrau streicht dem Deandl dee Wangerl no zoart

Und steigt nacha afi zon schö putzten Oart.

Da Ritta im Schrecka is g'sunka af d' Ead',

A G'lüabd hot a tho und a hot si bekeaht.

Hot selba sei G'schloß af en Beag nidabrennt,

Und hot si als Pilga in's g'lobte Land g'wändt.

Sei Leut unn sei Güata dem Klösterl voneh',

Drei 's Deandl is ganga, hot a g'schenkt af da Höh.

Wiar a wida is kemma eisgrau noch Joahrn,

Is a unten beim Kircherl a Oasiedla woarn.

122. Das Marienbild zu Ingolstadt.

Von E r f u r t . – A. M ü l l e r die obere Donau, S. 47.

Sie halten heilige Messe

Im Dom zu Ingolstadt;

Sie bitten vom himmlischen Helfer,

Was Jeder zu bitten hat.

Es dampfen die Opferschalen,

Die Kerzen am Hochaltar.

Dort steht der greise Priester

Und fleht für seine Schaar.

Einsam am letzten Pfeiler

Kniet eine Beterin

Und wendet zum steinernen Bilde

Die Augen in Thränen hin.

»Du heil'ge Mutter Gottes,

Du Mittlerin bei Gott,

Wollst gnädig niederschauen

Auf meine Angst und Noth.

Daheim im öden Stüblein

Mein krankes Söhnchen ruht:

Wenn du nicht rettest, Maria,

Verzehrt ihn des Fiebers Gluth.

Der Vater ist gestorben,

Nimmst du mir auch das Kind,

So kann ich fürder nicht leben;

Ach, sei mir gnädig gesinnt!

Du heilg'e Gottes-Mutter,

So öffne nur den Mund;

Und laß mich, laß mich hören:

Dein Knäblein ist gesund!« –

Die steinerne Maria

Beweget nicht den Mund;

Die arme verlass'ne Mutter

Ringt sich die Hände wund.

Doch jetzt – es blitzt ihr Auge,

Sie geht – o Gott erbarm' –

Und nimmt der heil'gen Jungfrau

Das Jesulein vom Arm.

Und trägt's in einen Winkel

Und kehret ernst zurück

Und spricht mit dumpfer Stimme

Und spricht mit trübem Blick:

»Du harte Mutter Gottes,

Jetzt fühle, wie es schmerzt,

Wenn wir das Kindlein verlieren,

Das wir so süß geherzt!« –

Entsetzen erfaßt die Gemeine,

Sie sammeln sich um das Bild

Und ergreifen die Frevlerin bebend,

Der schaut das Auge so wild.

Doch Wunder, heil'ges Wunder!

Das Marmorbild sich regt

Und lächelt, als in die Arme

Das Jesulein man ihm legt.

Die arme Mutter betet,

Maria öffnet den Mund –

Das Knäblein kommt gesprungen:

»Lieb' Mutter, ich bin gesund!«

123. Die Teufelsmauer.

D ö d e r l e i n Antiqq. in Nordgav.Rom. p. 29.

F a l k e n s t e i n ant. Nordg. II., 62. Verh. des hist. Ver.

f.O.u.R. 1838. 2. u. 3. H.S. 198. G r i m m d.S. I., 270.

Von der Nordgauer Pfahlhecke oder Teufelsmauer erzählen

die Leute noch heutigen Tages: Der Teufel

habe von Gott dem Herrn einen Theil der Erde gefordert

und dieser insoweit dreingewilligt, dasjenige

Stück Land, das er vor Hahnenkrähe mit Mauer umschlossen

habe, solle ihm zufallen. Der böse Feind

habe sich stracks an's Werk gemacht, doch eh' er die

letzte Hand angelegt und den Schlußstein aufgesetzt,

der Hahn gekrähet. Vor Zorn nun, daß das Geding

und seine Hoffnung zunicht geworden, sei er ungestüm

über das ganze Werk hergefallen und habe alle

Steine übern Haufen geworfen. Noch jetzt spucke es

auf dieser Teufelsmauer.

124. Die Teufelsmauer, der wilde Jäger und

Frau Holla.

D ö d e r l e i n Antiqq. in Nordgav. Rom. p. 34 bei

J . W . W o l f d.M.u. S. S. 578.

Ich bin von einer sonst wohl resolvirten Person versichert

worden, daß, als sie zwischen Ober-Hochstatt

und Burg Salach, auf dasiger ordentlichen Straße, der

Römer Vallum, die Teufelsmauer insgemein genannt,

mit einem guten Pferde nächtlicher Weile passirt, so

habe das Pferd ungemein geschnaubet und geschnarcht

und ganz ungemeine Posituren und Sätze

gemacht. Ingleichen erzählet man, also fährt belobter

Döderlein fort, daß zu gewissen Zeiten in der Gegend

Theilenhofen und Riedern bei dem dicken Walde,

Herleshohe genannt, zum öftern ein abscheuliches

und fürchterliches Jagdgetöse, bellende Hunde, nebst

einem gräßlichen Geheul, Schreien und Rufen der

Jäger, und was sonst bei hitzigen, zumal Parforcejagden

vorgeht, gehört wurde, welches bei einem furieusen

Trieb bald nahe, bald in der Ferne zu sein erachtet

wird. Ich selbst bin einst durch diese Gegend gereist,

und da hat mir ein Bauer erzählt, daß ihm dieses wüthende

Heer einst bei Tage aufgestoßen sei. Er habe

nämlich von ferne lauter Schatten auf sich zukommen

sehen, da sei er nun aus dem Wege getreten, weil den

Bauern dieses Blendwerk nicht unbekannt und habe

Pferde, Jagdhunde und Menschen mit Spießen, doch

aber nur im Schatten und ohne Geschrei wahrgenommen.

Daher halten die gemeinen Leute dafür, wenn

eine Weibsperson den Tag vor Weihnachten ihren

Rocken nicht abspinne, so käme die Frau Holla und

thäte ihr einen stinkenden Possen darein. Weil sie für

die heidnische Diana oder Jagdgöttin gehalten wird,

so gibt man auch von ihr vor, sie durchstreiche das

Land mit einem wilden oder wüthenden Heer, bei

welchem man Hunde bellen, Jagdhörner, Jägergeschrei

u. dgl. m. höre, aber meistentheils nur bloßen

Schatten sehe.

125. Der wilde Jäger in Heidenheim.

M i t t e l f r . – F r . P a n z e r , Beitrag S. 133.

Der Weber Günther, Zolleinnehmer, wohnte im letzten

Häuslein zu Heidenheim, gegen Sammenheim hin.

Als einst das wilde Heer vorbeibrauste, sah er zum

Fenster hinaus und rief: »Alles zam nei in Markt!« Er

konnte aber den Kopf nicht zurückziehen, weil ihm

der wilde Jäger Hörner aufgesetzt hatte; so mußte er

eine Stunde harren.

126. Das wilde Heer zu Eichstädt.

Von J. H e ß .

Ich weiß ein schmuckes Städtlein dir

In einem lieben Thal,

Ein stilles Wasser fließt dafür,

Sein Bett ist tief und schmal.

Schon mürb und grau von Wind und Sturm

Steht an des Wassers Rand

Ein Thor, ein alter dicker Thurm,

Das Ostenthor genannt.

Und kommst du einmal da hinein,

So schau zur rechten Hand,

Da siehst ein Loch, nicht eben klein,

Hoch oben an der Wand.

Einst fuhr in mancher schwarzen Nacht –

So sagt die Wundermähr', –

Wenn Blitz auf Blitz im Wetter kracht,

Durch's Thal das wilde Heer.

Es kam herab vom Eichenhorst

Und zog den Fluß entlang,

Es schallt, als ob der Himmel borst,

Gebell und Hörnerklang.

Bald fliegt's hinauf im Wirbelwind,

Und wimmert weit umher,

Bald streicht es über'n Weg geschwind,

Und heult so bang und schwer.

Am Klösterlein, am Berg vorbei,

Da mag es wohl nicht gern,

Da singt man schon beim Hahnenschrei

Den Lobgesang des Herrn.

Und hebt das Mettenglöcklein an

Im stillen Gotteshaus,

Dann flieht das Heer, nimmt seine Bahn

Zum Ostenthor hinaus.

Da tobt es durch mit Hundgebell,

Daß Thurm und Bogen kracht,

Und drob des Thores Wächter schnell

Vom süßen Schlaf erwacht.

Im Thurme hält es keiner aus,

Wer möcht' auch wachen hier,

Und auch der Schelm, der Meister Klaus

Büßt theuer die Begier.

Er zieht im alten Stübchen ein,

Wo mancher schon gehaust,

Zu warten, bis am Fensterlein

Das Heer vorüber braust.

Ihm pocht das Herze laut und schwer,

Ihm möcht' die Lust vergeh'n,

Doch will er baß das wilde Herr

Mit eignen Augen seh'n.

Schon wird's am Morgenhimmel grau,

Schon tönt der Hahnenschrei,

Da saust es rüber von der Au,

Bei St. Walburg vorbei.

Da ruft des Glöckleins Silberklang

So freundlich in der Fern';

Ruft fromme Frauen zum Gesang,

Zum Lob und Preis des Herrn.

Wie vor dem Kreuz der Feind entflieht,

Mit Ingrimm schnell entweicht,

So, wenn ertönt der Frauen Lied,

Das wilde Heer entfleucht.

Es tobt in Wuth der Geister Chor,

Und naht in wilder Flucht,

Und stürmt heran zum Ostenthor,

Wo es den Ausgang sucht.

Und Meister Klaus das Köpflein hebt,

Gar flink vor's Fensterlein,

Da saust, daß Thurm und Bogen bebt

Die schwarze Schaar herein.

Und Meister Klaus er hat's geseh'n

Und schaut es nimmermehr,

Will nimmermehr an's Fenster geh'n,

Wann kommt das wilde Heer.

Ihm wuchs das Köpflein, sonst so fein,

Zum größten Schädel an,

Darob er aus dem Fensterlein

Nicht vor noch rückwärts kann.

Da half kein Poltern, kein Geschrei,

Er sitzet nagelfest,

Bis man mit Kreuz und Klerisei

Den Pfarrer holen läßt.

Da brach der Kreuzstock endlich los,

Und Klaus zieht sich hinein,

Doch muß sein Kopf noch lang so groß

Wie der in Passau sein.

Vom Thurme zog er schleunig aus

Zu aller Welt Gespött,

Verschworen hat es Meister Klaus,

Daß er's wohl nimmer thät.

127. Teufelsbündler zu Ostendorf.

v. R a i s e r , der Ober-Donaukreis II., 96.

In der Kirchenmauer zu O s t e n d o r f (nordöstlich

von Dietfurt in der Grafschaft Pappenheim) befindet

sich ein römisches Grabdenkmal, das vorher zweihundert

Schritte vom Orte entfernt an der Römerstraße

lag, welche westlich an Ostendorf vorbei zu der

Treuchtlinger Kapelle führt. Die Volkssage hält dieses

Grabdenkmal für einen Gedächtnißstein an die

traurige Geschichte eines sogenannten Teufelsbündlers.

Dieser hatte seine Seele dem Teufel verschrieben

unter der Bedingung, daß er vor ihm her während

scharfen Rittes eine gepflästerte Straße bauen müsse.

Der Teufel vollbrachte die Arbeit bis »zum rauhen

Thale,« wo das Pflaster noch nicht fertig war, als der

Reiter daherbrauste, mit dem Pferde stürzte und den

Hals brach.

128. Das Auernweiblein.

Mitgeth. v. K . A . B ö h a i m b . Vgl. v. R a i s e r der

Ober-Donaukreis II., 96, 215.

Auf dem A u e r n f e l d e bei Mörn unweit Dietfurt in

Mittelfranken spuckt das Auernweiblein. Es ist eine

weiße Jungfrau mit einem Schlüsselbunde, die in der

»alten Burg« haust und zuweilen in das ehemalige sogenannte

»Birkemers-Häuslein« lustwandeln geht.

Einmal sah ein Hirtenknabe das Weiblein, lief ihr

nach und wollte sie festhalten, allein des andern Morgens

wurde er auf dem Felde todt gefunden.

129. Die Gründung der Wülzburg.

Von F . J . F r e i h o l z . – F a l k e n s t e i n

Antiqq. Nordgav. II., 191. Die W ü l z b u r g Bei

W e i s s e n b u r g am Sand in M i t t e l f r a n k e n .

In des Nordgau's dichten Forsten

Hält der König Pipin Jagd,

Hoch zum Fels wo Adler horsten

Steigt er aus des Waldes Nacht.

Doch wie hoch er auch gestiegen

Keine Beute bringt ihm Lohn,

Fern am Himmel sieht er fliegen

Freier Lüfte freien Sohn.

Müde von dem langen Jagen

Wird der König allgemach,

Aber nirgend sieht er ragen

Einer Hütte gastlich Dach.

Nur der Eiche grünbelaubte

Zweige wölben sich zum Zelt

Wo dem müden Herrscherhaupte

Weiches Moos zum Pfühle schwellt.

Und am deutschen Eichenbaume

Schlummernd Deutschlands König ruht

Dessen Seele bald im Traume

Wunderbares kund sich thut:

Vor ihm liegt die öde Wildniß

Die er wachend kaum durchschritt,

Aber schnell ein andres Bildniß

An die düstre Stelle tritt.

Licht wird Alles rings und helle,

Freundlich mild der Himmel blaut,

Und vom Berge die Kapelle

In die Ebne niederschaut.

Felder wogenden Getreides

Sieht sein froher Blick zumal

Und als Gürtelband, als breites,

Zieht die Wiese sich durch's Thal.

Menschenreiche Städte schweben

Jetzt an seinem Aug' vorbei

Stille Dörfer sich erheben

Aus der alten Wüstenei.

Doch vom schönen Traumgesichte

Ist der König bald erwacht,

Und ihn deckt dieselbe dichte

Wildverwachs'ne Waldesnacht.

Was er sah im Traumgebilde

Dünkt ihm höhrer Deutung voll:

Daß zur Wandlung der Gefilde

Er nach Kräften wirken soll.

Und die schönste seiner Pflichten

Wird dem Fürstenherzen klar,

Daß mit muth'ger Hand er lichten

Soll, was finstre Wildniß war.

Da in jenen frömmern Zeiten

Nur das Kreuz als Führer galt

Um zum Licht emporzuleiten

Was in Finsterniß gewallt;

Darum an derselben Stelle

Hat der König aufgebaut

Eine heilige Kapelle

Wie er sie im Traum geschaut.

Und nun ist nach langen Jahren

Schier der ganze Traum erfüllt,

Eine Stadt kann man gewahren

Dörfer sind dem Aug' enthüllt.

Doch wo einst in frühern Tagen

Segnend die Kapelle stand

Sieht man eine Feste ragen

Weithinaus in's Frankenland.

130. Marienburg.

Bei Abenberg. – Falkenstein Hochst. Eichstädt II.,

377. Brunner ann. Boic III., 78. Vat. Mag. II., 71.

Stilla, Rapoto und Konrad, drei Kinder des edlen

Grafen Wolfram II. von Abenberg, hatten jedes einen

Wunsch. Erstere, daß die Kapelle, welche sie unfern

Abenberg bauen ließ, und Letztere, daß das Kloster in

Heilsbrunn, welches sie stiften halfen, bald vollendet

dastehen möchte. Im Jahr 1152 wurde der Bau dieses

Klosters beendigt und schon ein Jahr früher stand

Stilla's Kapelle. Bischof Otto von Bamberg (aus dem

Hause der Grafen von Andechs) weihete letztere zur

Ehre St. Peters und erhielt von Stilla das Versprechen

ewiger Keuschheit. Von nun an sah man Stilla täglich

hinabgehen zum neuen Gotteshaus, ihre Andacht dort

zu verrichten. Es wurde ihr so theuer, daß der

Wunsch, auch noch ein Kloster dort zu erbauen, in

ihrer Seele entstand. Leider wurde dieser Wunsch zu

Stilla's Lebzeiten nicht erfüllt. Die fromme Gräfin

ging nie allein zu ihrem geliebten Andachtsort, sondern

immer war sie, in frommer Rede sich unterhaltend,

von ihren Kammerfrauen Gewehra, Widikuna

und Winterbring geleitet. Einstmals verließ Stilla mit

ihrem weiblichen Gefolge wieder die Kirche, ernst

und wehmüthig gestimmt. Tod und Grab waren der

traurige Inhalt ihrer Unterhaltung, in deren Lauf die

Genossinnen den aufrichtigen Wunsch äußerten, daß

Gott noch lange den Augenblick ferne halten möge,

wo Stilla's irdische Hülle in dem von Rapoto und

Konrad gestifteten Kloster ruhen würde. »In Heilsbrunn?

« fragte Stilla, »das kann nicht geschehen,«

und so gingen sie schweigend vollends den Burgberg

hinauf. »Nicht wahr,« sprach Stilla, »ihr lieben Jungfrauen,

ihr versprecht mir getreu und fest zu halten,

um was ich euch jetzt bitten werde?« Feierlich gelobten

die Mädchen, daß ihnen der Wille ihrer Gebieterin

heilig sein werde. »Nun seht,« sprach jene und streifte

den Handschuh von der schönen Hand – »nun seht,

wohin jetzt die Winde diesen Handschuh tragen werden,

dort und nur dort will ich einst begraben sein.«

Und der über die Burgzinne hinausgestreckten Hand

entflog der Handschuh. Wie eine weiße Taube wurde

er von den Winden dahingetragen und sank bei der

Kapelle nieder. »Ja, so sei es,« rief Stilla entzückt

über die so heiß erflehte Erfüllung ihres innigen Wunsches,

»dort, wo ich mir so oft Ruhe erflehte und

Trost, dort in jener Kapelle will ich einstens ausruhen

von diesem Leben und harren auf den Ruf des Herrn

zur Ewigkeit. Daß dieser mein Wille erfüllt werde,

darauf Freundinnen, darauf haltet eures Versprechens

eingedenk, wenn euch meine Ruhe im Grabe lieb ist.«

Stilla starb und ihre Leiche sollte, so beschlossen die

Ihrigen, im Kloster zu Heilsbrunn beigesetzt werden.

Da erinnerten sich Gewehra, Widikuna und Winterbring

Stilla's Wunsches und ihres eigenen Versprechens.

Jetzt unverzüglich baten sie um Gehör bei dem

gräflichen Familienrathe, dem sie erzählten, was sie

von Stilla gehört, von der Burgzinne aus gesehen und

dort gelobt hatten, und baten ihn flehentlich, Stilla in

ihrer Kapelle ruhen zu lassen. Darauf einzugehen war

man nicht geneigt und doch trug man Bedenken, Stilla's

letzten Willen zu verachten. Gott möge entscheiden,

war der Beschluß. Jammernd und weinend standen

des andern Tages am frühen Morgen die Armen

der ganzen Umgegend vor der Burg Abenberg, erwartend

die Leiche Stilla's, ihrer Wohlthäterin, welche

von ihren treuen Freundinnen auf einen stattlichen

Wagen gehoben wurde. Mit zwei glänzend weißen

Stieren wurde dieser bespannt, und wohin jene die

Leiche bringen würden, da sollte sie begraben werden.

Niemand dürfte, so war bedungen, die Thiere leiten

oder antreiben. Kaum war die Leiche auf dem

Wagen, so zog das Gespann und führte diesen langsamen

Schrittes zur Kapelle hin, wo er stehen blieb.

»Gott hat entschieden!« rief das Gefolge, und Stilla's

Leichnam wurde nun der von ihr erbauten Kapelle

übergeben. Still ruhte Stilla in der dunkeln Gruft, bei

der mannigfache Wunder geschehen sein sollen, und

welche eben deßwegen von zahlreichen Wallfahrten

andächtiger Christen besucht worden ist. Bischof

Raimbotto von Eichstädt weihte den Altar in der Kapelle

zu Ehren der heiligen Stilla und Bischof Wilhelm

von Reichenau erbaute 1488 an die Stelle der

Kapelle ein Frauenkloster, Marienburg genannt,

Augustinerordens. So wurde auch dieser im Leben oft

gehegte Wunsch Stilla's erfüllt. Noch heutiges Tages,

erzählt Falkenstein, sieht man ihr erhöhtes Grab linker

Hand beim Eingang in die Klosterkirche.

131. Gründung des Klosters Heilsbrunn

J . H . v . F a l k e n s t e i n Hochstift. Eichstädt II., 351.

Ein Ritter von Heideck siechte schon Jahre lang am

Fieber. Kein Mittel half, Niemand konnte rathen. Nun

geschah es, daß er an einem fieberfreien Tage sein

Roß bestieg, um sich in der frischen Luft ein wenig zu

erreiten. Als er schon lange in Feld und Wald herumgeschweift

war, befiel ihn brennender Durst, so daß er

verschmachten zu müssen glaubte. Endlich kam er auf

einen schönen grünen Rasenplatz; da hüpften und

sangen die muntern Vöglein, da warfen die hohen

Bäume kühlenden Schatten, und was das Beste war:

da sprang ein Brünnlein des herrlichsten Wassers mit

lustigem Sprudel aus dem Felsen hervor. Alsogleich

war der Heidecker vom Pferde und schlürfte in langen

Zügen das erfrischende Wasser. Von selber Stunde an

genas der Ritter von allem Fieber. Daher nannte er die

Quelle Heilsbrunnen, und erbaute aus Dankbarkeit

eine Kapelle zu Ehren des heiligen Michael. Bald zog

die Wunderkraft des Wassers zahlreiche Pilger herbei,

so daß die Kapelle nicht Raum für die Betenden hatte.

Daher bauten die Brüder Rapoto und Conrad, Grafen

zu Abenberg, eine größere Kirche und ein der Gottesmutter

geweihtes Mönchskloster, Cisterzienserordens.

132. St. Sebaldus zu Nürnberg.

Von A. N o d n a g e l . – Nach C. C e l t e s ,

T r i t h . Chron. Hirs. u. A. R a d e r . Bav. S. II., 56.

B r u n n e r ann. B. I, 165. F a l k e n s t e i n Antiqq.

Nordg. I., 249. A d l z r e i t e r ann. I., 163 u.A.

Wie ist das Holz so theuer,

Der Winter stürmisch kalt,

O gieb, o gieb uns Feuer,

Du heiliger Sebald!

Wenn du es einst gegeben,

Warum versagst du jetzt,

Was unser nacktes Leben

Mit hellen Gluthen letzt? –

Es lebt ein Rademacher

Zu Nürnberg fromm und gut,

Dem war Sebald Anfacher

Der wunderbaren Gluth.

Einst stürmte wild und eisig

Durch's Feld der rauhe Nord,

Kein Holz, kein Bündlein Reisig

Besaß der Arme dort.

Der Heilige nahm vom Dache

Eiszapfen viel herein,

Daß er zur Gluth sie fache

Im niedern Kämmerlein.

Im Ofen stieß zusammen

Seine Hand das Bündel Reis,

Aufschlugen da die Flammen,

Den Armen ward es heiß.

Das Holz ist selten heuer,

Der Winter stürmt so kalt.

O gieb vom Eis uns Feuer,

Du, heiliger Sebald!

133. Wie St. Sebaldus über die Donau geht.

Der heilige Sebaldus kam an den Donaufluß; es war

aber von ungefähr kein Fahrzeug zu Handen. Also bedachte

sich der Heilige nicht lange, breitete seinen

Mantel aus und steuerte wie auf einem Schifflein über

das Wasser. So ist er wohlbehalten und trockenen

Fußes am jenseitigen Ufer angekommen. Davon weiß

noch heutiges Tages das Volk zu sagen.

134. Wie St. Sebaldus begraben worden.

Als der heilige Sebaldus auf dem Todsbette lag, da

soll er befohlen haben, ihn nach seinem Tode auf

einen Wagen zu legen, vier ungezähmte Ochsen davorzuspannen,

und wo diese still stehen würden, den

Körper zu begraben. Da nun die Ochsen zur St. Peterskapelle

gekommen, sind sie daselbst still gestanden,

daher der Leichnam auch dahin bestattet worden.

135. Wie St. Sebaldus nach seinem Tode einen

Zweifler besiegt.

Von J . N . V o g l . – Nach G a m a n s i u s bei A.

C r a m m e r , das gotts.u. heil. Eichstädt. 1780 S. 133.

1.

Aufgebahrt liegt Sanct Sebaldus

In der Zelle, eng' und dunkel;

Zu des Todten Füßen sitzet

Hütend, stumm, ein schwarzer Bruder.

Ringsum herrschet Nacht, es schallet

Nicht ein Laut in öder Runde;

Trübe brennen ab die Kerzen –

Nur der Hüter ist noch munter.

Da, mit frevlem Sinne wendet,

Zu dem Todten sich der Bruder:

»Ei, wie bist du nun so stille!

Sprich, was wirkst du keine Wunder?«

»Nur getäuscht hast du die Menge,

Die gehuldigt deinem Ruhme;

Blendwerk war, was du verübtest,

Und die Einfalt nannt es: Wunder.«

»Konntest wirklich Wunder üben,

Gib mir jetzt davon die Kunde;

Will dir deine Zeichen glauben,

Wirkst du eins zu dieser Stunde.«

Aber kaum, daß ausgesprochen

Solches Wort aus seinem Munde,

Sieh' – da richtet sich Sebaldus

Plötzlich auf in seiner Truhe.

Aus den tiefen Augen schießend,

Grimmer Blicke Zornesgluten

Rufet er mit dumpfer Stimme:

»Wehe über dich, Verruchter!« –

Und im selben Nu verlöschen

Alle Lichter in der Stube,

Und, in's Antlitz schwer getroffen,

Stürzt zur Erde hin der Bruder.

2.

Hört ihr's nicht bei'm Todten drinnen

Weheklagen, Hülferufen?

Und es eilen hin die Mönche,

Wo Sebaldus liegt in Ruhe.

Seht – im Sarge liegt die Leiche,

Doch der Hüter wimmernd d'runter,

Bleich voll grimmer Schmerzen heulend,

Aus den beiden Augen blutend.

Und er kündet nun voll Jammer,

Wie gelästert seine Zunge,

Und ihn d'rauf der Todte strafend,

Also schmerzlich hab' verwundet.

Und den Blinden, der verzweifelt,

Führen sie in seine Stube,

Gießen Balsam, legen Kräuter,

Aber fruchtlos, auf die Wunde.

»Wehe!« ruft er, »weh' mir Armen,

Daß ich also mich verschuldet;

Nimmer werd' ich Gnade finden,

Ew'ge Nacht hält mich umwunden!« –

3.

Einsam sitzt der blinde Bruder,

Stillen Grams, in öder Stube,

Reue nagt an seinem Herzen

Ob dem Frevel seiner Zunge.

Und auf seine Kniee sinkt er,

Also zu dem Heil'gen rufend:

»O verzeih', um Jesus Willen,

Was an dir ich hab' verschuldet!«

»Sieh zerknirscht im Staub' mich liegen,

Der in ew'ge Nacht versunken;

Sieh' mein Herz von bitt'rer Reue

Ob der schlimmen That durchdrungen.«

Und er fühlt ein lind' Berühren

Plötzlich auf den Augen wunde

Und er hört Sebaldus Stimme:

»Blicke auf, du bist gesundet!« –

Und in namenloser Wonne

Ist des Bruders Herz entzunden,

Da der Quell des Lichtes wieder

Wunderthätig ihm entsprungen.

Wohl erstaunen all' die Mönche

Ob dem neuen kräft'gen Wunder,

Preisen laut Sebaldus Milde

Der verzieh dem reu'gen Bruder.

136. Burglinde zu Nürnberg.

Von S c h ö p p n e r . – Eine K u n i g u n d e n l i n d e

hat auch G r ä f e n b e r g . G . K . A d l e r Gesch. u.

Beschr. v. Gräfenberg. S. 93.

Zu Nürnberg saß im Garten die edle Kunigund,

Mit eigner Hand zu warten der Blümlein zart und

bunt.

Da dachte sie mit Schmerzen an ihren lieben Herrn,

Er war von ihrem Herzen so viele Meilen fern.

Und sinnend brach die Gute sich einen Lindenzweig

Und pflanzt mit stillem Mute ihn in das Erdenreich.

Der war zur selben Stunde gewurzelt und erblüht;

Da sprach Frau Kunigunde mit fröhlichem Gemüt:

»So blühe meine Liebe, o Heinerich, zu dir,

Hinfort mit solchem Triebe, wie dieses Bäumchen

hier.«

Das Bäumchen sproßte mächtig und ward ein

Riesenbaum

Und grünt noch heute prächtig empor zum

Himmelsraum.

137. Kaiser Rudolph und der Freihart zu

Nürnberg.

Von K a r l F ö r s t e r . – Zeit der Sage: 1274. M . M .

M a y e r s kleine Chronik von Nürnberg I., 49.

Der Kaiser zog zum Münsterthor

Und viel des Volks ihm nach;

Da trat ein Freihartsbub' hervor

Und zupft den Herrn und sprach:

»Herr Bruder, nicht so stark fürbaß!

Es ist noch einer hier!«

Der Kaiser schaut ihn an; der Spaß

Bedünkt ihm Frevel schier.

»Was ficht dich an? – Mein Bruder du?

Ich kenne traun dich nicht!«

Der Freihart aber lacht dazu

Und blinzt ihn an und spricht:

»Ich denke so: der Kaiser stammt,

Wie ich, von Adam her,

Und sind wir Brüder allesammt,

Sind wir's auch, ich und Er.«

»Drum wollt Ihr – was die Zeit verbrach –

Ausgleichen baar und blank,

So theilt mit mir, und tilgt die Schmach,

Und nehmt dann meinen Dank.«

Der Kaiser lacht und spricht: »Gesell,

Jetzt muß ich beten geh'n;

Schaff einen Sack derweil zur Stell',

Dann laß uns weiter seh'n!«

Der Bub' eilt flink und flugs nach Haus

Und kehrt in vollem Lauf,

Da tritt der Herr zur Kirch' heraus

Und ruft: »Nun, Bursch', thu auf!«

Der zieht den Sack die Läng' und Quer,

Ihm dünkt er noch zu klein;

Der Kaiser wirft – es klang nicht schwer –

Wirft einen Heller drein.

Und spricht: »Nun weiter Bursch! Durch's Reich;

Der Brüder sind noch mehr!

Gibt jeder dir dem ersten gleich,

Bist du so reich, wie der.«

138. Henricus Rumel.

Von J . N . V o g l . – H e n r i c u s R u m e l der erste

Buchdrucker in N ü r n b e r g , erhielt daselbst

Bürgerrecht im J. 1463.

Zu Mainz am grünen Ufer, im Sonntagsmorgenschein,

Da geht ein züchtig Mädchen, die schönste Blum' am

Rhein,

Und ihm zur Seite wandelt ein Mann in Bürgertracht,

Umwallt den Spitzenkragen von dunkler

Lockennacht.

Der spricht: »Es prangt die Erde in ihrem schönsten

Glanz,

Doch kann ein Wort sie wandeln zum Paradies mir

ganz,

O sprich das Wort, Brigitte, das kleine Wörtchen

sprich,

Du, die mein Glück und Hoffen, o sag': ich liebe

dich!«

Wohl zögert noch die Jungfrau mit holdverwirrtem

Sinn,

Dann sinkt mit heißen Thränen an seine Brust sie hin,

»Henricus,« spricht sie leise, »was Gott will, mag

gescheh'n,

Doch sprecht erst mit dem Vater, bis wir uns

wiederseh'n.«

Drauf ist die Magd entschwunden; erfüllt von seinem

Glück,

Bleibt lang' auf selber Stelle Henricus noch zurück,

Doch schon am nächsten Morgen zum reichen

Pankraz tritt,

Er hin mit seiner Bitte, allein mit festem Schritt.

»Seid mir nicht ungehalten, dem ungeruf'nen Gast,

Dieweil mich mein Geschäfte antreibt zu solcher

Hast;

Ich liebe eure Tochter, als rechtlich frommer Mann,

Und wünschte zur Gefährtin durch's Leben sie

fortan.«

»Auch, denk' ich, fühlt ein Gleiches für mich die

fromme Magd,

Es hat mir's eine Thräne in ihrem Aug' gesagt,

Henricus Rumel heiß' ich, bei Sorgloch einst zur

Lehr',

Und drucke selbst nun Bücher und Schriften so wie

er.«

Da blickt der greise Pankraz den Werber lange an,

Und spricht: »Henricus Rumel, ihr seid sehr

wohlgethan,

Von unbescholt'nen Sitten, einnehmend von Gestalt,

Auch, sagt man, wohl erfahren in Künsten

mannigfalt.«

»D'rum will ich nicht verweigern euch meines Kindes

Hand,

Obgleich es mir ein Kleinod, dagegen Alles Tand,

Und setze euch nur eines vorerst noch als Geding,

Und liebt ihr meine Tochter, so däucht's euch wohl

gering.«

»O redet,« spricht Henricus, »was könnte das wohl

sein,

Das ich nicht froh erfüllte, damit Brigitte mein?« –

»Wohlan,« erwiedert Jener, »so laßt von eurer Kunst,

Um die ihr eitel Sorge erwerbt statt Lohn und Gunst.«

»Zerschlagt die Druckertafeln, vernichtet eure Schrift,

Die allem Volk verdächtig, als wär's ein tödtend Gift,

Ergreift ein ander Handwerk, und gebt das Drucken

auf,

Dann sind wir Handel einig, hier meine Hand

darauf.«

Lang' steht Henricus Rumel, die Wang' wie Schnee so

bleich,

Das war aus heit'rem Himmel ein unheilschwang'rer

Streich,

Lang' steht er dort, dann rollt es ihm heiß vom

Angesicht:

»Herr Pankraz, dieses Eine kann ich erfüllen nicht.«

»Wohl lieb' ich eure Tochter, wie sie kein Zweiter

liebt,

Doch kann ich ab nicht lassen von dem was ich geübt,

Und mag mein Herz verbluten in namenlosem Gram,

Der Weisung muß ich folgen, die mir von Oben

kam.«

»Buchdrucker muß ich bleiben, so will es meine

Pflicht,

An der nun Lieb' und Hoffen, und all mein Glück

zerbricht,

Doch schuld ich dieß dem Meister, der mich die

Kunst gelehrt,

Dem Volk, dem ich entsprossen, dem väterlichen

Herd.«

»Buchdrucker muß ich bleiben, auf daß im deutschen

Reich,

Das Schöne nun gedeihe, so wie in keinem gleich;

Daß durch das Wort entfesselt, und frei von langer

Haft

Ausgeh' nach allen Zonen des Geistes ew'ge Kraft.«

»Drum bringt nun eurer Tochter mein letztes

Lebewohl,

So wie ich's euch jetzt sage, des inner'n Kummers

voll;

Und zürnet nicht der Thräne, die mir noch etwa fließt,

Und sorgt, daß sie vergesse den, der sie nie vergißt.«

Erstickt von heißen Thränen Herr Rumel spricht dieß

Wort,

Und eilt zerriss'nen Herzens vom reichen Pankraz

fort,

Allein wohin er eilet, mit noch so flücht'gem Schritt,

Der Harm ist sein Begleiter, den Gram, den nimmt er

mit.

Der folgt ihm allerwegen, der geht mit ihm in's Haus,

Aus seinem mruckerkasten schaut der auf ihn heraus,

Er geht mit ihm nach Nürnberg, wo er von nun an

weilt,

Jetzt nur der Kunst noch lebend, die nicht sein Sehnen

heilt.

So schwinden Monde, Jahre, der Gram bleibt ihm

getreu,

Doch wirkt und schafft der Wackre, ganz sonder

Furcht und Scheu,

Wie sehr auch Neid und Mißgunst nach ihm die

Krallen kehrt,

Er druckt so wie Johannes von Sorgloch ihn gelehrt.

Schon hat sich grau gefärbet sein Haupt im Lauf der

Zeit,

Doch hat sich auch verbreitet sein Ruhm im Lande

weit,

Geehret und geachtet ist er von Alt und Jung,

Doch ist sein Glück, sein einz'ges, nur die

Erinnerung.

Längst schon ist sie begraben für die sein Herz

erglüht,

Doch denkt er oft noch ihrer, mit Trauer im Gemüth,

Und als nach vielen Jahren der Herr auch ihn berief,

Da lispelte: Brigitte, er nochmals, und entschlief.

139. Paul Cruz zu Nürnberg.

P r ä t o r i u s Glückstopf. S. 177. G r i m m d.S. I., 48.

Zu Nürnberg ist einer gewesen mit Namen Paul Cruz,

der eine wunderbare Beschwörung gebraucht hat. In

einen gewissen Plan hat er ein neues Tischlein gesetzt,

ein weißes Tuch darauf gedeckt, zwei Milchschüßlein

darauf gesetzt, ferner zwei Honigschüßlein,

zwei Tellerchen und neun Messerchen. Weiter hat er

eine schwarze Henne genommen und sie über einer

Kohlpfanne zerrissen, so daß das Blut in das Essen

hineingetropft ist. Hernach hat er davon ein Stück

gegen Morgen, das andere gegen Abend geworfen und

seine Verschwörung begonnen. Wie dies geschehen,

ist er hinter einen grünen Baum gelaufen und hat gesehen,

daß zwei Bergmännlein sich aus der Erde hervorgefunden,

zu Tisch gesetzt und bei dem kostbaren

Rauchwerke, das auch vorhanden gewesen, gleichsam

gegessen. Nun hat er ihnen Fragen vorgelegt, worauf

sie geantwortet; ja, wenn er das oft gethan, sind die

kleinen Geschöpfe so vertraut geworden, daß sie auch

zu ihm ins Haus zu Gast gekommen. Hat er nicht

recht aufgewartet, so sind sie entweder nicht erschienen

oder doch bald wieder verschwunden. Er hat auch

endlich ihren König zu Wege gebracht, der dann al-

lein gekommen in einem rothen Scharlachmäntelein,

darunter er ein Buch gehabt, das er auf den Tisch geworfen

und seinem Banner erlaubt hat, so viel und so

lange er wollte drinnen zu lesen. Davon hat sich der

Mensch große Weisheit und Geheimnisse eingebildet.

140. Weißer Geist zu Nürnberg.

H a p p e l . rell. cur. IV., 316. D e V r i e s , de

Satan I., 418. J . W . W o l f , deutsche Märchen und

Sagen S. 328.

Gegen das Jahr 1672 lebte in Nürnberg ein Goldschmied

mit seiner Frau und sechs Kindern. Diese

Frau hatte einen Familiargeist, der immer um sie war

und ihr vorhersagte, was ihr begegnen würde. Er zeigte

sich ihr in Gestalt eines weißgekleideten Kindes,

welches eine Sanduhr in der Hand trug. Einmal

sprach er zu ihr: »Frau, ihr wäret todt gewesen, hätte

nicht ein Sandkörnchen, welches ein Loch in diesem

Gläschen gestopft hat, euch geholfen.« Eine Woche

darnach fiel sie in ein gefährlich Fieber, entkam demselben

aber glücklich. Auf ein ander Mal warnte er

sie, nicht aus dem Hause zu gehen, denn sonst stürze

sie sich in große Gefahr. Gern hätte sie dem Rathe gefolgt,

doch drängten ihre häuslichen Geschäfte zu sehr

und sie hatte in der That ein großes Unglück.

Bei Nacht sprach sie häufig mit dem Geiste, sang

mit ihm sehr schöne andächtige Lieder und Psalmen,

was ihr Mann am Tage nie an ihr bemerkte. Einmal

bekam sie Lust, den Geist, der gewöhnlich unsichtbar

um sie war, zu sehen, und sie bat ihn so lange darum,

bis er es ihr zugestand, doch warnte er sie dabei und

sprach, ihre Neugier werde sie zu spät bereuen. Als

sie nun wenige Tage später in ihrer Kammer etwas zu

thun hatte, sah sie an der Mauer, wie im Schatten ein

Kind von derselben Gestalt, wie oben vermeldet, welches

aber gleich darauf verschwand. Kurz darauf fiel

sie in eine schwere Krankheit und – der Geist hatte

sie verlassen.


Sagenbuch der Bayrischen Lande

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