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Kapitel 14

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261. Bilhildis zu Veitshöchheim.

G r o p p coll. nov. script. Wirceb. II., 765 sq.

Desselben Wirtzb. Chronik I., 39 ff. u. A. B e c h s t e i n

a.a.O. S. 28.

Bilhildis war eines angesehenen Frankengrafen Iberich

Tochter; ihre Eltern waren beide dem königlichen

Hause Dagoberts verwandt; sie wurde geboren in dem

Orte, den man heutzutage Veits-Höchheim nennt, und

es trug sich zu, daß sie, obschon ihre Eltern Christen

waren, das Sacrament der Taufe nicht empfing, weil

die landverderblichen Hunnen durch ihre Einfälle den

Christenglauben fast ganz vertilgt und alle Priester

getödtet, oder zur Flucht gezwungen hatten. Im dritten

Jahre ihres Alters kam sie zu einer Verwandten nach

Würzburg auf deren Begehren, damit diese an der

Holdseligkeit Bilhildis die Freude empfinden möge,

die ihr durch den Mangel eigener Töchter versagt war.

Diese Verwandte, Kunigunde mit Namen, war eine

fromme, christliche Matrone, die das zarte Kind in

den Geheimnissen des Christenglaubens unterrichtete,

und auch durch Priester unterrichten ließ, so daß Bilhildis

unter die Zahl der Katechumenen aufgenommen

wurde, welche demnächst zur Taufe gelangen sollten.

Da geschah abermals ein Hunneneinfall, die Taufe der

Bilhildis unterblieb, und kam in Vergessenheit, sie

selbst aber wußte nicht, daß sie nicht getauft war.

Bilhildis erblühte, später wieder zu ihren Eltern zurückgekehrt,

zu einer sehr liebreizenden Jungfrau, die

sich jedoch vornehmlich in den Schmuck der Tugend

kleidete, und von allen Heidengräueln sich fern hielt,

ja schon frühzeitig dahin wirkte, daß gewisse anstößige

und der Tugend gefährliche Tänze und Gebräuche

abgestellt wurden. Der Ruf ihrer Schönheit, Sitte und

Anmuth flog weit in alle Gauen, und drang auch zu

den Ohren Hetans, des Thüringerherzogs Radulf

Sohn, welcher Wittwer war, und dem von seiner ersten

Gemahlin zwei Söhne lebten. Dieser warf ein

Auge auf die seltene Jungfrauenperle, und warb um

sie. Vergebens wurde Bilhildis Jugend, und der Unterschied

des Glaubens eingewendet; der zudringliche

Freier ließ sich nicht abweisen, und Bilhildis ward

ihm vermählt. Willig dem Gebot ihrer Eltern sich fügend,

fand sie reichen Anlaß zu Schmerz und Kümmerniß,

da sie wahrnahm, daß ihr Gemahl kein Verlangen

nach Bekehrung trug, und an seinem Hofhalt

so Manches vorging, was ihren Ansichten und Grundsätzen

widerstrebte. Sie lebte daher sehr eingezogen,

ascetisch, schmucklos, und unterzog sich harten Bußübungen

und Kasteiungen. Als die Zeit kam, daß die

Herzogin Bilhildis sich Mutter fühlte, brach ein neuer

Krieg aus, und Hetan war besorgt, wohin er seine Gemahlin

sicher bringen solle, falls der Ausgang des

Krieges für ihn nicht siegreich wäre, und der Feind in

das Land bräche. Ungern gab er ihren Bitten und

ihrem Verlangen nach, sie zu ihrer Mutter ziehen zu

lassen, doch ließ er dieses endlich geschehen. Vielleicht

ahnete er, daß Bilhildis im Sinne habe, ihn ganz

zu verlassen, die alle ihre Kostbarkeiten und Kleinodien

mit sich hinwegnahm, ihre Dienerschaft aber,

die sie als Herzogin bis nach Höchheim begleiten

mußte, von da zurücksandte. Sie hatte ihr Vorhaben

sowohl ihrer Mutter, als dem König Siegbert, ihrem

Verwandten, offenbart, und der letztere sagte ihr nicht

nur alle Hülfe zu, sondern lud sie auch nach Mainz

ein. Da setzte sich Bilhildis mit einigen vertrauten

Jungfrauen eines Abends, als Niemand ihre heimliche

Flucht ahnete, getrost auf ein Schifflein, und fuhr den

Main abwärts. Und es ruderten und lenkten Engel das

Schiff, daß es mit wunderbarer Schnelle über den

Strom glitt, und mit dem anbrechenden Tage Bilhildis

vor Mainz anlegte. Dort lebte sie nun unerkannt und

in tiefer Verborgenheit.

Bilhildis genas in Mainz eines schönen Prinzen,

dem sie den Namen Siegbert beilegen ließ, allein nach

wenigen Jahren starb dieses Kind, und nicht lange

nachher kam auch die Nachricht, daß Herzog Hetan

mit Tode abgegangen sei. Nun war Bilhildis ganz frei

und konnte sich nach ihrem Gefallen ohne ein weltliches

Hinderniß dem heiligen Leben widmen, wie sie

denn auch that. Sie kasteite ihren zarten Leib durch

Bußkleider, härene Hemden, Fasten und Schlafentziehung,

bis sie die äußerste Abmagerung zur Schau

trug. Dabei war sie eine Mutter der Armen, eine Trösterin

der Nothleidenden, eine Pflegerin der Kranken,

und wurde Stifterin des Klosters Alt-Münzer zu

Mainz, (altum Monasterium), zu dessen Gründung

und Erbauung sie ihr väterliches Erbtheil verwendete.

Hierauf nahm sie ein geistliches Ordenskleid, führte

das beschaulichste Leben und war lebhaft in einem

übernatürlichen Glauben, fest in Hoffnung, und vollkommen

in der Liebe Gottes und des Nächsten.

Als das Leben der gottseligen Frau sich zum Ende

neigte, offenbarte ein Traum dreien ihrer untergebenen

Klosterfrauen, daß Bilhildis, ihre Mutter und

Oberin weder das Sacrament der Taufe, noch das der

Firmung empfangen habe; dieses Gesicht hinterbrachten

die Drei, nach überwundenem Bedenken, der Bilhildis,

die aber ihrer Rede wenig Glauben schenkte,

bis auch dem Bischof, dem sie sich anvertraute, die

gleiche Offenbarung wurde. Nun bereitete Bilhildis

sich mit Ernst und Andacht auf den Empfang dieser

Sacramente vor, und empfing sie mit gottfreudigem

Herzen.

Nach diesem entzog sich die Fromme allen zeitlichen

Geschäften, versagte sich dem Zuspruch weltlicher

Personen, fastete ganze Tage und ließ ihren Geist

durch den Vorschmack himmlischer Freuden sättigen.

Als es mit ihr zum Sterben gekommen und ihr seliger

Geist eingegangen war in das Friedensreich, erschien

um ihre irdische Hülle ein ungewöhnlicher

Glanz, und ein wundersamer Wohlgeruch erfüllte ihr

Sterbezimmer. Kranke genaßen in der Nähe der Entseelten,

Blinde erlangten ihr Gesicht wieder, Tode

wandelten. Bilhildis war die erste Heilige des Frankenlandes.

Eine spätere, dankbare Zeit stiftete ihr

einen Festtag zu Veitshöchheim, ihrer Geburtsstadt,

und bewahrte dort ihre Reliquien auf.

262. Maria zu Retzbach im Grünen Thal.

G. H ö f l i n g Beschreib. und Gesch. des Marktfleckens

Retzbach, S. 53.

Die Herren von Thüngen hielten ein Jagen im grünen

Thal bei Retzbach. Da flüchtete sich ein Hase, von

einem Geschosse bereits verwundet, in eine kleine

Höhle mit sehr schmalem Eingang. Als man der Neugierde

wegen aufgegraben, fand man sechs Schuh tief

unter der Erde ein fünfthalb Schuh hohes steinernes

Muttergottesbild. Das hielten die Ritter für einen

Wink von oben und gelobten zur Stelle, eine Kapelle

zu Ehren der himmlischen Mutter errichten zu lassen.

Also nahm die Wallfahrt Maria Retzbach im Grünen

Thal ihren Ursprung.

263. St. Johannisnacht auf der Karleburg.

Von S c h ö p p n e r . – K a r l e b u r g oder

K a r l s b u r g bei Karlstadt am Main. – C . v .

F a l k e n s t e i n Buch der Kaisersagen S. 122.

Es macht in der Sankt Johannisnacht

Auf Karlsburg ein Zug die Runde;

Ein Leichenzug geht still und stumm

Im Gemäuer der Burg dreimal herum

Zur mitternächtigen Stunde.

Auf jenem Schloß an des Maines Gestad

So stolz und luftig zu schauen

Erblühte der knospenden Rose gleich

Ein Fräulein an Adel und Tugend reich,

Die Perle fränkischer Frauen.

Zwei Ritter kamen gezogen von fern,

Den Edelstein zu erwerben,

Doch weil von Zweien nur Einer allein

Als Bräutigam konnte die Liebliche frein,

So mußte der Andre verderben.

Nur Einer konnte der glückliche sein,

Das kränkte den Anderen bitter;

»Du sollst mir theuer bezahlen die Braut,

Die wird mit der Klinge dir angetraut!«

So schwur der verachtete Ritter.

Und nächtlicher Weile lauert und harrt

In glühendem Racheverlangen

Der Ritter des Feindes am Felsenthor –

Da tritt der glückliche Jüngling hervor,

Von der Liebsten kam er gegangen.

»Willkommen Gesell! willkommen zum Strauß!

Jetzt sollst du die Braut dir erwerben!

Hier über die zackige Felsenwand

Muß einer von uns an des Maines Strand

Hinabgeschleudert verderben.«

Und es zucken wie Blitze die Klingen empor

Und es rasseln die Schwerter so munter –

Ein Schrei und ein Fall! der Jüngling gut

Er stürzt getroffen in seinem Blut

Die zackigen Felsen hinunter.

Und es macht in der Sankt Johannisnacht

Auf Karlsburg ein Zug die Runde;

Ein Leichenzug geht still und stumm

Mit des Jünglings Sarg in der Burg herum

Zur mitternächtigen Stunde.

264. Das Kreuz bei Reußenberg.

R e u ß e n b e r g Ruine bei G e m ü n d e n . – B .

B a a d e r in M o n e ' s Anzeiger IV., 409.

Von der Burg auf dem Reußenberg ging jeden Abend

eine Magd auf den eine halbe Stunde davon entfernten

Sodenberg zur Spinnstube. Um schneller hin und her

zu kommen, machte sie einen Bund mit dem Teufel.

Eines Abends, als sie wieder heimkehren wollte, regnete

es fürchterlich. Die Sodenberger Burgleute redeten

ihr zu, noch da zu bleiben; sie aber entgegnete:

»Ich gehe fort, und sollte ich auf einem Bock heimreiten!

« Wirklich stand auch ein Bock für sie bereit, den

sie bestieg, und mit ihm gegen den Reußenberg ritt.

Aber ihre Zeit war aus, und in der Hälfte des Weges

wurde sie vom Teufel umgebracht. Auf dem Platze,

wo dieß geschehen, steht noch heutiges Tages ein

steinernes Kreuz.

265. Seyfriedsburg.

S e y f r i e d s b u r g bei G e m ü n d e n . – B .

B a a d e r in M o n e ' s Anz. IV., 410.

Ein Schweinhirtenbube, mit dem Vornamen Fritz,

fand einst beim Schwemmen seiner Heerde etwas in

der Saale. Er rieb sich damit, und wurde fest gegen

Hieb und Schuß. Nachdem er unter die Soldaten gegangen

war, erwarb er sich im Kriege durch seine

Tapferkeit Reichthum und Adel, und erhielt die Erlaubniß,

sich ein Schloß zu bauen, wo er wolle. Da

wählte er seine Heimath, und ließ unterhalb seines

Geburtsdorfes auf demselben Berg eine stattliche

Burg erbauen. Dieses Schloß wurde nebst dem Dorfe

»Säufritzburg« benannt, weil er in seiner Jugend

»Säufritz« geheißen worden1.

Viele Jahre hatte die Burg gestanden, als einmal in

der Heuärnte ein schweres Gewitter kam. Fast alle

Leute, welche auf der an das Schloß grenzenden

Wiese beschäftigt waren, wollten nach Hause; eine

Magd aber rief:

Es mag donnern oder blitzen,

So muß ich meinen Heuhaufen spitzen!

Kaum war dieß gesagt, so fuhr ein gewaltiger Blitz

herab und zerstörte das Schloß und erschlug die

Magd, und riß Heu und Wiese in's Thal hinunter. Seit

dieser Zeit liegt die Burg in Trümmern; das Dorf Seyfriedsburg

aber besteht noch heute.

Fußnoten

1 Das ist nun der hörnen Sigfrit in seiner letzten Verwandlung

als Sauhirtenbube, – quantum diversus ab

illo! und doch noch erkenntlich durch seinen geringen

Stand (Schmiedjunge oder Hirtenbube gleichviel),

durch sein Bad, seine Unverwundlichkeit, seine Thaten,

seinen Hort, ja sogar durch seinen Namen, den

das Volk nicht im Wahnwitz, sondern aus einer dunklen,

aber festen Erinnerung, daß er in seiner Jugend

niedere Arbeit verrichtet hat, so geändert hat. Lehrreich

ist dieses Beispiel, weil es beweist, wie die

große Sage bis auf die heutige Zeit noch ihre Verwandlungen

durchgeht, noch ein Pflanzenleben führt,

nachdem der Geist ihr abgestorben, wie zäh daher ihr

Leben ist, bis sie endlich in Trümmer und einzelne

Bruchstücke zerfallen wird, mit deren Auflösung sie

dann völlig untergeht. M o n e .

266. Das Schloß der Thüringerfürstin.

Von F . J . F r e i h o l z .

Des Jägers Hüfthorn mischt sich mit dem

Abendglockenklang

Und zwischendrein ertönet süß ein reizender Gesang.

Wie klang das dem Verirrten doch so hoffnungsfroh

in's Ohr

Der in dem dichtbelaubten Forst vom Wege sich

verlor.

Und wie er lauschend stille steht woher der Ton wohl

kam

Und leise flüsternd ein Gebet, vom Haupt die Mütze

nahm,

Da tönt derselbe Zauberklang noch einmal durch den

Wald,

Noch einmal ruft das Glöcklein ihm, eh' leiser es

verhallt.

Rechts klang die Glocke, links das Lied, wohin nun

soll er ziehn,

Links drängt ihn eine Stimme hin, und eine heißt ihn

fliehn;

Ob mahnend auch das Glöcklein klang, bezaubernd

rief das Lied,

So daß des Herzens Widerstreit es siegreich bald

entschied.

Links bricht der Fuß durch das Gestrüpp sich rasch

erwünschte Bahn,

Bald lacht des Himmels dunkles Blau den müden

Wandrer an;

Es dehnt die reiche Ebne sich vor seinen Blicken aus,

Und stolz vom Berge niederblickt ein mächt'ges

Ritterhaus.

Wie schlägt die Brust ihm hoch vor Lust! wie wird

ihm doch so bang!

Da von dem Schloß herniedertönt noch einmal der

Gesang;

Und freundlich vom Altane winkt ihm zu ein reizend

Weib

Die reich mit Gold und Edelstein geschmückt den

schönen Leib.

Wie er bewundernd stille steht, zu ihr den Blick

gewandt,

Die in des Waldes Dunkel ihm der Liebe Gruß

gesandt,

Da hat der Schönheit Allgewalt die Sorge bald

verbannt,

Die bei der Holden Anblick ihn schier plötzlich

übermannt.

Die Freude flügelt seinen Fuß, rasch steigt er auf zur

Burg

Und unbehindert schreitet er die Zimmer all hindurch;

Doch vor der letzten Thüre bleibt er bange zögernd

stehn,

Denn durch der Thüre Spalte hat die Holde er gesehn.

Von ungewissem Dämmerlicht war das Gemach

erhellt,

Die Harfe die sie kaum noch trug war nebenan

gestellt,

Doch sie, die seinen Sinn bethört, lag wollustathmend

da,

So reizend und so zauberisch wie er kein Weib noch

sah.

Wild schlägt sein Blut und ungestüm betritt er das

Gemach,

Was kaum ein kleiner Funken schien wird schnell als

Flamme wach;

Vor seiner Schönen sinkt auf's Knie er liebeflehend

hin,

Sie senkt ihr glühend schwarzes Aug voll heißer

Gluth auf ihn.

Verzeihung heischt sein banger Blick, daß er zu

stürmisch war,

Doch sie reicht lüstern ihm zum Kuß die Rosenlippen

dar:

Und feurig preßt sein starker Arm sie fest an seine

Brust,

In langen Zügen trinken sie den Becher wilder Lust. –

Doch als des Morgens Frühgold kaum des Schlosses

Zinnen säumt,

Verläßt ihn leis die Buhlerin, indeß er sorglos träumt.

Und als er auf vom Schlummer fährt durch

Waffenlärmgeweckt,

Schon eine rauhe Eisenfaust nach seiner Brust sich

streckt.

Doch wie er auch sich sträuben mag, wie er nach

Hülfe schreit,

Hier ist die eigne Kraft zu schwach und Hülfe nicht

bereit.

Es schleppt ihn fort der starke Mann zum untersten

Verließ,

In das die falsche Buhlerin den armen Fremdling

stieß.

Da saß er nun mit wirrem Geist, der grübelnd es nicht

faßt,

Daß, die so brünstig ihn geliebt, ihn jetzt so grimmig

haßt;

Und als des Abendglöckleins Ruf noch einmal ihm

erschallt,

Da denkt er wohl wie liebend es ihm gestern rief im

Wald.

Es sinkt das müde Haupt zur Ruh, er flüstert ein

Gebet,

Und mit des Glöckleins letztem Schlag, sein

Herzschlag stille steht;

Doch oben vom Altane tönt der Zaubrin süßes Lied,

Das lockend durch die Lüfte hin, durch Flur und

Wälder zieht.

So sang oft Amalberga noch, Thüringens Königin,

Und manchen Ritter lockt sie noch zu sich in frevlem

Sinn:

Von Allen, die da kamen auch, hat Keiner mehr

geschaut,

Wie außerhalb Saalecks Verließ der Himmel heiter

blaut.

267. Der heilige Salzfluß.

Die Nachweise aus T a c i t u s , B a r t h ,

S c h m i d t , M a n n e r t bei G. T h . R u d h a r t ,

Aelteste Geschichte Bayerns S. 30. G r i m m d.S. II., 1.

Die Germanen gewannen auf diese Art ihr Salz, daß

sie das salzhaltige Wasser auf glühende Bäume

goßen. Zwischen den Katten und Hermunduren

strömte ein salzreicher Fluß, die fränkische Saale,

dessen Besitz ein jeder Theil für sich in Anspruch

nahm. Dazu kam noch der Glaube der Germanen, eine

solche Gegend sei dem Himmel am nächsten und nirgendwo

erhörten die Götter besser die Gebete der

Sterblichen; denn durch die Gnade der Götter entstehe

fortwährend das Salz in diesem Flusse und diesen

Wäldern. Das Kriegsglück war den Hermunduren

günstig, verderblich den Katten, weil die Katten im

Falle des Sieges die feindlichen Reihen dem Mars und

Mercurius geweiht, ein Gelübde, welches Männer,

Rosse und jegliches Leben der Tödtung anheim giebt.

Die Drohung traf nun die Katten selbst, denn die Hermunduren

übten an den Besiegten, was diese als Sieger

gethan haben würden.

268. Die Schlacht am Salzflusse.

Von J . B . G o ß m a n n . – Die Schlacht mag im. J.

57-58 n. Chr. in der Gegend von K i s s i n g e n

vorgefallen und dem G r a b f e l d e vielleicht von den

Gräbern der erschlagenen Katten sein Name geworden

sein. G. T h . R u d h a r t a.a.O. S. 30.

Siehst du's von jenen Bergen niederziehen

Mit Sturmeseil' in zott'gen Bärenfellen?

Hörst du der Schlachtenhörner Melodieen

Wie gräßlich sie, verstärkt durch's Echo, gellen?

Es scheint der Fluß, als woll' er scheu entfliehen,

In seinem Bett mit Grau'n sich aufzuschwellen!

Dem Lande weh, dem diese Rache schwuren,

Das sind die fürchterlichen Hermunduren!

Und hörst du's klirren auf der andern Seite,

Und siehst du drohend es dort niedereilen?

Sie schwingen Aexte, wie zum nahen Streite,

Und durch die Wälder schallt ein gräßlich Heulen,

Daß Schrecken bei dem Gegner sich verbreite!

Dem Lande weh, wo diese feindlich weilen,

Es hüllt sich ein in Nacht und Todesschatten

Vor ihrem Grimm; das sind die wilden Katten!

Und horch! schon mischen sich im Schlachtgefilde

Geheul und Ruf und Kampf und Hörnerklänge!

Schon rasseln dumpf auf Schädel und auf Schilde

Streithämmer ein und Kolben im Gedränge,

Und wilder stürzt zum Streit heran der Wilde,

Begeistert durch der Barden Schlachtgesänge!

Die Helme sind Geweih und Löwenrachen,

Die Panzer aber Häute schupp'ger Drachen!

Wie mähen ungeheure Sichelwagen

Im dichtesten Gewühl die Heldenschaaren!

Und dichter wirrt der Knäul sich! Weiber tragen

Die Todten fort, und werden überfahren!

Um deine Quellen ward die Schlacht geschlagen

Du Saale dort, von heulenden Barbaren,

Und als die Nacht sich senkt' auf deine Fluren,

Da floh'n die Katten vor den Hermunduren.

269. Die Saalnixe.

Mündlich.

Am grünen Ufer der Saale saß eine liebreizende Nixe,

beschäftigt, mit ihrer Angel Fischlein zu fangen.

Diese sah von weitem ein Jäger und ward entzückt

von der Schönheit des Angesichts und dem Liebreize

der Gestalt. Schnell eilte er hinunter in's Thal und gesellte

sich zur anmuthigen Fischerin. Er bewunderte

ihr Geschick, die Fischlein zu angeln und schmeichelte

ihr mit schönen Worten. Das Mägdlein aber lächelte

schalkhaft und meinte, daß sie wohl noch bessere

Angeln als diese verwahre: wer damit gefangen

werde, der könne sich nimmer entledigen. Das verstand

der Jäger gar wohl, denn er merkte bereits, daß

er selbst mit seinem Herzen an dieser Zauberangel gefangen

worden. Indessen schätzte er sich glücklich,

die Liebe der holdseligen Wasserjungfrau gefunden

zu haben und wollte ihr eben den ersten Kuß auf die

Lippen drücken – als in demselben Augenblick die

Nixe in den Fluthen der Saale verschwand. Da stand

nun der arme Liebesjäger und sah der Treulosen nach,

und erzählte den Erlen und Saalweiden sein Herzeleid.

Und noch heute wandelt der Jäger einsam das

Thal auf und ab und klagt in vernehmbaren Tönen

sein Schicksal.

270. Des Dörfchens Name.

Von J. R u t t o r .

Am Ufer einst der Saale

Ein Dörfchen ward erbaut;

Es lacht im Sonnenstrahle

So niedlich und so traut.

Wie viel der Wandrer kamen

An diesen neuen Ort,

Erfuhren keinen Namen,

Und reisten wieder fort.

Des Dörfchens schlichte Leute,

Mit Sprachkunst unbekannt,

Da Jedermann sich scheute,

Hatten's noch nicht benannt.

Einst kam auf seinem Wege

Ein Wandrer in den Gau;

Und in dem Feldgehege

Stand eine alte Frau.

Und nach dem Dörfchen deutet

Der junge Wandersmann;

Und da er näher schreitet,

Zu fragen er begann:

»Ist's euer Dorf, das niedlich

Mir dort entgegenlacht?

Es scheinet mir so friedlich,

Von stiller Lust umfacht!«

Kaum hat sie dieß vernommen,

Da eilet sie nach Haus;

Im Dörfchen angekommen,

Ruft sie voll Freuden aus:

»O hört es, gute Leute,

Dieß Dörfchen, unbekannt,

Es werd' von uns seit heute

Stets ›E u e r d o r f ‹ genannt.«

»Denn wißt es, daß so eben

Ein Mann, mir unbekannt,

Den Namen ihm gegeben,

Es ›Euerdorf‹ genannt.«

»Ja,« riefen froh die Leute,

»Ihn hat uns Gott gesandt. –

Das Dörfchen wird bis heute

Noch ›Euerdorf‹ genannt.«

271. Die Eilingsburg bei Kissingen.

F r . P a n z e r Beitrag S. 181.

Die Saale fließt an einem Berge vorüber, die Patzeleiten

genannt. In dem östlichen steilen, dichtbewaldeten

Abhang steht der Sandsteinfelsen zu Tag. Dieser

Platz heißt E i l i n g s b u r g . In den Felsen führt die

Wichtelshöhle, an deren Eingang soll ein hohler

Raum sein, gleich einer Kammer, von welchem aus

ein schmaler, niedriger Gang bis Aura führen und,

nach alter Sage, ganz kleinen Leuten, Wichtelen genannt,

zum Aufenthalt gedient haben soll.

In L i n d e s an der Saale, in der L i n d e s m ü h l ,

lebte in alten Zeiten ein Müller, welchen diese Wichtelen

zum reichen Mann machten, denn sein Speicher

war immer voll Getreid. Einst stieg ein Wichtel über

die Treppe nach dem Speicherboden. Obgleich er nur

eine Kornähre trug, so kreischte er doch wehleidig

und unaufhörlich. Darüber wurde der Müller zornig

und rief: »Du Blutkröt, wie kreischt du über dein

Aerla Korn!« Auf diese rauhe Rede trugen die Wichtelen

alles Getreid fort, und machten den Müller zum

armen Mann.

Daß vom Schloß Aura ein unterirdischer Gang abzieht,

sagt Erzähler, ist gewiß; denn einst wollten die

jungen Edelleute den in diesen Gängen verborgenen

Schatz suchen; wie sie aber vordrangen, sahen sie drei

Gestalten um einen Tisch herum sitzen, welcher ganz

mit Gold bedeckt war; sie erschraken und liefen so

schnell davon, daß einer über den andern fiel.

272. Jud Schwed in Kissingen.

B e c h s t e i n S. 131.

Am Rathhaus der Stadt Kissingen schaut oben ein

bärtiger Mannskopf, der sich in den Haaren rauft, als

ein Wahrzeichen herab. Das nennen die Einwohner

den Jud Schwed und erzählen davon folgende Sage:

Im dreißigjährigen Kriege, als die Schweden diese

ganze Gegend heimsuchten, wurde auch Kissingen

von ihnen belagert und hart bedroht. Doch widerstand

die Stadt tapfer und wäre vielleicht nicht erobert worden,

wenn nicht ein Jude an ihr zum Verräther geworden

wäre. Dieser wußte einen unbewachten Ausgang

durch die Mauer und führte die Feinde dort ein. Doch

empfing er seinen Lohn und zum Andenken wurde

sein Bild, wie er sich aus Reue die Haare ausrauft, am

Rathhaus befestigt. Hernach kam es auch, daß man

ihn und die Seinen nicht mehr bei ihrem wahren

Namen, welcher der Vergessenheit überliefert wurde,

rief, sondern Schwed, zur ewigen Erinnerung; und

dieser blieb auch, denn noch heute leben Nachkommen

von ihm zu Kissingen, welche den Namen

Schwed führen.

Eine andere Sage von diesem Juden kündet aber

gerade das Gegentheil des vorstehenden. Nach dieser

goß der Jude für die Bürger Kugeln, welche die geheimnißvolle

Eigenschaft hatten, unfehlbar zu treffen,

und den Schweden so tödtlich wurden, daß sie abziehen

mußten. Darauf wurde des Juden Kopf als Erinnerungszeichen

dankbar am Rathhaus angebracht.

273. Wie Kissingen vor den Schweden gerettet

ward.

L a u r . H e l b i g alveare cath. p. 874. G r o p p

coll. nov. script. Wirceb. II., 95. B e c h s t e i n S. 132.

Unter der Anführung Reichwalds näherte sich ein

Trupp Schweden dem Städtlein Kissingen. Sie lagerten

sich in aller Stille auf den benachbarten waldigen

Höhen, mit der Absicht, zur Nachtszeit den Angriff

zu machen. Nun traf es sich, daß zur selben Zeit etliche

Krämer, vom Jahrmarkte heimkehrend, des

Weges zogen. Diese bemerkten den im Hinterhalte

lauernden Feind und setzten alsbald die Kissinger von

der bevorstehenden Gefahr in Kenntniß. Da versammelten

sich die Bürger und wandten zu allererst ihre

Blicke zur gnadenreichen Mutter des Herrn und begaben

sich in ihren Schutz mit frommen Gelübden. Darauf

faßten sie Muth und rüsteten sich wacker zum

hartnäckigsten Widerstande. Wie nun die Schweden

heranrückten und anfingen, das Städtlein zu berennen,

wurden sie bald von denen auf der Mauer zurückgeschlagen.

Als sie sich aber ermannten und den Angriff

erneuerten, fand sich unter den Kissingern ein Bürger,

P e t e r H e i l mit Namen, der kam auf den Einfall,

man sollte alle Bienenkörbe von ganz Kissingen zusammenbringen

und von den Mauern hinunter auf die

Feinde werfen. Also geschah es. Zahllose Bienenschwärme

stürzten sich auf die betroffenen Feinde

und brachten sie mit ihren Stichen in solche Verlegenheit,

daß sie den Belagerten gegenüber wehrlos sich

in aller Eile auf die Flucht begaben. Die Kissinger

aber zogen zum Dank für so wunderbare Rettung alljährlich

am dritten Fastensonntag in Prozession von

der Pfarrkirche nach dem Kirchlein der Muttergottes,

deren Schirm und Schutz sie gefunden hatten. Dem

P e t e r H e i l wurde als Denkmal ein steinerner

Kopf am Rathhaus gesetzt, den man noch heutiges

Tags sehen kann.

274. Schloß Huhnberg.

B e c h s t e i n S. 245.

Ueber Nüdlingen, zwischen Münnerstadt und Kissingen

gelegen, ist eine Burgstätte auf einem ziemlichen

Hügel sichtbar, welche heute Huhnberg genannt wird,

vor Alters aber Henneberg genannt wurde, wie eine

Urkunde vom Jahre 1243 deutlich aussagt. Den

Namen soll Burg und Berg von einem zahmen oder

Haushuhn erhalten haben, das zur Zeit, als man die

erstere gründen wollte und für dieselbe noch keinen

Namen wußte, auf diesen ein Ei gelegt. Zur Unterscheidung

des Namens von dem weit früher schon erbauten

Stammschlosse Henneberg aber, habe man es

später nicht Henne-, sondern Huhnberg genannt, und

diese Burg durch das Bild eines Haushuhns von dem

Wappen der ersteren, einer Wildhenne, unterschieden.

Die Sage verkündet, daß, von Erbauung dieser Burg

an, alle hundert Jahre Mittags und Mitternachts ein

Huhn auf dem Schloßberge dreimal fröhlich schreie

und so das Jahrhundert verkünde, wie man es zuletzt

noch, namentlich im Jahr 1742, gehört haben will.

Noch soll unter den verschütteten Kellern und Gewölben

der Huhnburg viel Geld und Wein verborgen

sein. Die Leute erzählen: Jeder, der den Schloßplatz

besuche, finde bei seinem ersten Kommen, wenn er

nicht an die Schätze denke, und nicht auf deren Hebung

ausgehe, eine kleine Oeffnung, welche in die

Tiefen hinabführe; benutze er dieses Glück, so könne

er reich werden, doch nie werde zum zweitenmale

diese Gelegenheit geboten. Wer die Oeffnung finde

und einen Stein in sie hinabwerfe, höre diesen nicht

auf den Grund fallen, so tief hinab gehen Keller und

Gewölbe, so tief ruhen die Schätze. Versuche, durch

Nachgrabung sie zu heben, schlugen gänzlich fehl,

und mußten bald unterbleiben, denn die Grabenden

sahen sich seltsam erschreckt und in ihrem Vorhaben

gehindert. Auch wurden Versuche solcher Art obrigkeitlich

untersagt. Daher harren die Schätze noch der

Erhebung.

275. Botenlauben.

Von F r a n z S c h m i d t . – J ä g e r Gesch. des

Klosters Frauenrod im Archiv d. hist. V.f.U.u.A.V., 57.

L. B e c h s t e i n Geschichte u. Gedichte Otto's von

Botenlauben S. 40. Dessen Sagenschatz S. 133. Vaterl.

Mag. von F r . M a y e r , 1838, S. 356.

Wie sich die Blasenperle bebend

Drängt aus der Lebensquelle Schoos:

So ringt sich von des Sängers Herzen

Des Liedes Luftgebilde los.

Verzeiht, Ihr Freunde dieses Thales,

Daß sich ein Harfner Euch gesellt,

Und wenn Ihr ruht hier unter Ulmen,

Sich mit der Harfe zu Euch stellt!

Dort blickt herab die B o t e n l a u b e ,

Einstmals ein stolzes Ritterhaus,

Zerstückt, zerstreut jetzt und zerstäubet,

Bewohnt nur von der Winde Saus.

Einst sah B e a t r i x , seine Herrin,

Herab auf ihren S a a l a grund,

Es maß das Gut ihr stolzes Auge,

Das unter ihrem Scepter stund.

Da weht ein Lüftchen an die Hehre –

Es sank ihr Schleier schnell zu Thal,

Sie sann erschreckt und ihr Geträume

Sank mit dem Schleier allzumal.

»Bin in der Hand des mächt'gen Glückes

Ich mehr wohl, als ein dünn Gespinnst:

Ein Hauch entfährt aus seinem Munde,

Was ich mir zählte zum Gewinnst.

Es baue nicht auf diese Erde,

Wer stille sel'ge Wonne sucht,

Denn zu Vergänglichkeit und Moder

Ist alles Erdengut verflucht.«

So sann die Gräfin in dem Fenster,

Aus dem der Schleier ihr entrann. –

Und wo der Schleier ward gefunden,

Stieg bald ein Kloster himmelan.

Dort stand die Gräfin auch am Fenster,

Und sann, wie reich sie sei zur Zeit,

Zwar nicht an Gütern nächst der S a a l e ,

Doch an der Seelen Seligkeit.

276. Frauenroda.

Von J . B . G o ß m a n n .

Mit still vergnügtem Sinnen

Beim Abendsonnenstrahl

Steh'n auf den hohen Zinnen

Der Ritter und sein Gemahl.

Sie schau'n ihr liebes Franken

Und schau'n hinab ins Thal,

Und haben fromme Gedanken,

Der Ritter und sein Gemahl.

Laßt uns ein Kloster bauen

Und beten drin zumal.

So sprach die Perl' der Frauen

Zum Ritter, ihrem Gemahl.

Das eben ist mein Sinnen,

Doch wird mir schwer die Wahl,

Wo Raum sei zu gewinnen!

Der Ritter so zum Gemahl.

Da kam ein Sturm geflogen

Mit großer Gewalt zumal,

Der hat den Schleier gezogen

Vom Haupte seinem Gemahl.

Ihn trug der Wind im Wehen

Wohl über Berg und Thal,

Das haben mitangesehen

Der Ritter und sein Gemahl.

Ihr Knappen, auf! ihr geschwinden,

Zum Suchen auszugeh'n!

Wo man den Schleier wird finden,

Da soll das Kloster steh'n.

Drei Tage sind verschwunden,

Und nach der dritten Nacht,

Da wird der Schleier gefunden

Und in die Burg gebracht.

Des Klosters Bau wird begonnen,

Wo man den Schleier fand,

Er ward bestimmt für Nonnen

Und Frauenrode genannt.

In selbem Kloster thäten

Der Ritter und sein Gemahl

Für ihre Seelen beten

Gebetlein ohne Zahl.

Im Kloster zu Frauenrode

In Zellen eng und schmal,

Da ruhen nach ihrem Tode

Der Ritter und sein Gemahl.

Dort hängt zur ew'gen Feier

Am heiligen Altar,

Der wunderbare Schleier,

Der Gottes Bote war.

277. Die luftige Brücke.

B e c h s t e i n S. 124.

Bei der alten Klosterstätte zu Frauenrode ist es, der

Sage nach, nicht geheuer. Lodernde Feuer oder bläuliche

Flämmchen werden in gewissen Nächten brennend

auf dem Kirchhof oder in der Nähe der Klosterkirche

erblickt, welche einen großen dort vergrabenen

Schatz anzeigen. Nicht weit von der Kirche erhebt

sich ein Hügel, auf welchem vor langen Zeiten erst

eine Burg, dann ein Theil des Klostergebäudes gestanden.

Von dort führte ein bedeckter Gang nach der

Kirche, über welchen die Nonnen schritten, wenn sie

auf dem Chor sich versammelten, die Horas zu singen.

Man sieht noch überm Portal die vermauerte

Oeffnung. Alljährlich in gewissen heiligen Nächten

erblickt man diesen Gang durch die Luft und den Zug

gespenstiger Nonnen und sieht die Kirche erleuchtet,

doch ist es nicht gut lange hinzusehen, noch viel weniger

die Kirche dann zu betreten, denn in dieser halten

die Geister Mette und es knieen vor dem Altar die

Gestalten des Stifters und der Stifterin und hinter

ihnen alle, die in der Kirche begraben wurden; von

dem Haupte Beatricens weht der weiße Schleier, und

auf Otto's Haupte rauschen die Blätter eines welken

Lorbeerkranzes geisterhaft im Hauche der Nacht.

Nach der Mette ziehen die Nonnen alle still zurück

und schwinden in Nebel, wie sie dem Hügel sich nähern.

278. Sterneckerschloß bei Roth nächst

Kissingen.

F r . P a n z e r Beitrag S. 182.

Auf dem Berg Sterneck stand in alten Zeiten ein

Schloß gleichen Namens, welches aber in die Tiefe

versunken ist. Von dem Sterneckerschloß zieht, so

geht die Sage, ein unterirdischer Gang unter der Saale

durch, und hat in dem Thurme des alten Schlosses zu

Steinach seine Mündung. Vor Zeiten kamen durch

diesen Gang zwei Jungfrauen auf die Kirchweih in

Steinach zum Tanze. Sie waren allgemein unter dem

Namen: »die Sterneckerfräulein« bekannt. Sie durften

nie über die zwölfte Stunde weilen. Einst suchten sie

die jungen Leute zu bestimmen, länger zu bleiben;

nur eine ließ sich bewegen, und weilte bis zwei Uhr in

der Nacht, gerieth aber dann in große Angst und eröffnete

ihren Tänzern, daß sie schwerer Strafe nicht

entgehen werde; sie möchten nur nach der Saale

gehen, zeige diese einen rothen Strich, so habe sie

ihre Schuld mit dem Leben gebüßt. Hierauf eilte sie

durch den unterirdischen Gang fort. Die jungen Leute

sahen die blutigen Wellen. Von nun an kommen die

Sterneckerfräulein nicht mehr zum Tanz. Einst ging

ein Mann am Weihnachtstag früh fünf Uhr von Stei-

nach nach Windheim. Als er an das Schloß Sterneck

kam, sah er eine Schlüsselblume. Er wunderte sich,

im Winter eine so schöne Blume zu finden, pflückte

und steckte sie auf den Hut. Nun irrte er aber lange im

Walde herum, und es war ihm, als ob ihn eine unsichtbare

Macht in die Höhe ziehe. In Schrecken und

Angst gelangte er vor ein großes Thor eines Schlosses,

welches sich von selbst öffnete. Er trat in das

Schloß und sah ein weißes Fräulein, neben ihr zwei

weiße Tücher ausgebreitet; auf dem einen lag ein

Haufe Roggen, auf dem andern ein Haufe Weizen.

Dabei lag ein schwarzer Hund. Der Mann faßte Muth,

nahm von jedem Haufen eine Handvoll Körner, steckte

sie in die Tasche, und verließ das Schloß. Als er ein

Stück Weges gegangen war, sah er nach der Schlüsselblume,

hatte sie aber nicht. Aber die Körner hatten

sich in pures Gold verwandelt. Es reute ihn, daß er

nicht mehr genommen hatte. Noch vor nicht langer

Zeit, wird erzählt, gruben Schatzgräber im Sterneckerschloß;

sie fanden Asche, zusammengeschmolzene

Metalle; endlich zogen sie einen Kessel mit Geld herauf;

aber schnell errichtete der Teufel hinter ihnen

einen Galgen und nannte einen der Schatzgräber mit

Namen; voll Schrecken rief dieser: Jesus! Maria! da

versank der Schatz, und er hatte nur den Kesselring in

der Hand. Eine Frau sah öfter den Schlangenkönig,

wie er sich in der Saale badete. Als er einst wieder

kam, breitete sie auf der Wiese am Ufer ein weißes

Tuch aus, auf welches der Schlangenkönig seine

Krone legte. Die Frau nahm die Krone und lief nach

ihrer Wohnung; der Schlangenkönig eilte ihr aber so

schnell nach, daß die gerade noch zur rechten Zeit die

Hausthüre hinter sich zuwerfen konnte, gegen welche

der Schlangenkönig mit solcher Gewalt stieß, daß er

todt zu Boden fiel. Die Sage von dem

Sterneckerfräulein ist in dortiger Gegend ziemlich

verbreitet.

279. Von der Burg Steineck.

B e c h s t e i n S. 248.

Im Walde Questenberg, wo sich das Gebirge des

Burg Wallbacher Forstes hinabsenkt gegen die sanften

Ufer der fränkischen Saale, in der Nähe des ohnweit

Bocklet gelegenen Marktfleckens Steinach, hart

über dem Dörfchen Roth, liegt heutzutage die Trümmerstätte

der ehemaligen Burg Steineck. Diese wurde

von Rittern bewohnt, welche ein heilloses Leben führten,

täglich zechten, fluchten, und an keinen Gott und

keine Erlösung glaubten. Diesen Rittern diente eine

alte, fromme und gottesfürchtige Magd, welche öfters

in den langen Winterabenden den Tummelplatz roher

Lustbarkeiten und Laster verließ, und herabging nach

Roth, um bei einfachen und guten Bauersleuten zu

spinnen. Einst am Christabend, welcher auf Burg

Steineck gänzlich ungefeiert blieb, ging die Alte auch

herab, sich mit den befreundeten Leuten der gnadenreichen

Geburt des Weltheilandes zu freuen, und blieb

über die Mitternachtstunde in Roth. Als sie den Weg

zur Burg wieder betrat, und in deren Nähe gelangte,

kam es ihr sehr befremdlich vor, daß sie nicht, wie

sonst, schon von weitem wüstes Geschrei, Gesang

und Becherklirren hörte; noch mehr aber verwunderte

sich die Alte, als sie kein erleuchtetes Fenster mehr

sah. Endlich mischte sich Schreck, Erstaunen und

Grauen in ihrem Innern, als sie die Burg gar nicht

wiederfand, sondern an ihrer Stelle nur zerbrochene

Außenmauern, und wüste Trümmer. Die Burg war

mit sammt den gottlosen Rittern, deren Schändlichkeit

in dieser heiligen Nacht ihren Gipfel erreicht hatte,

und mit sammt den in ihr aufgehäuften, durch Raub

zusammengerafften Schätzen – versunken. Die alte

Magd glaubte zu träumen, oder einen Schlaf, ähnlich

dem der Siebenschläfer geschlafen zu haben, und ging

ganz bestürzt und zitternd wieder nach Roth hinunter,

wo sie den Leuten erzählte, was sich zugetragen, sie

zu einem gottgefälligen Leben ermahnte, und bald

darauf zum ewigen Leben einging. Auf der Trümmerstätte

der Burg Steineck aber ist es nicht geheuer. Gespenster

haben dort ihr Wesen, vornehmlich in der

Christnacht, und doch soll es nur in dieser Nacht

möglich sein, die Schätze zu heben, die in ihrem tiefen

Schooße ruhen. Manche versuchten das, doch ist

es noch Keinem geglückt.

280. Der Todtemannsberg.

Die vor. Schrift S. 121.

Unter den schwarzen Bergen, die sich in der südlichen

Nähe des Kreuzberges zwischen Brückenau und Kissingen

düster bewaldet erheben, liegt eine Höhe, der

Todtemannsberg geheißen, deren Namen die Sage folgender

Begebenheit zuschreibt. Ein Reisender verirrte

sich zur Winterszeit in diese etwas unwirthbare und

öde Gegend, in welcher die Dörfer ziemlich einzeln

liegen. Die Nacht übereilte den Mann, er suchte

Schutz gegen die Kälte, fand aber keinen andern, als

einen Busch, in welchen er, da er vor Ermattung nicht

weiter konnte, sich niederkauerte, und entschlief. Er

erwachte nicht wieder aus seinem Schlafe und Niemand

wußte, wohin der Reisende gekommen. Er ward

vermißt, überall gesucht und sein Signalement in Zeitungen

beschrieben, doch vergebens: er kehrte nicht

zurück. Erst im Vorsommer ließ ein Zufall auf einem

hohen Baume am Berg einen todten Körper entdekken.

Der Baum war so tief eingeschneit und der Schnee

so fest gewesen, daß der Reisende den Baumgipfel für

einen Busch gehalten, in welchen er sich gebettet, und

als der Schnee hinwegthaute, war sein Leichnam dro-

ben ruhig hängen geblieben. Daher vom todtgefundenen

Mann des Berges Name.


Sagenbuch der Bayrischen Lande

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