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Kapitel 10
Оглавление181. Der lange Becher.
Von B. G ö r w i t z .
Am Markte zu Hof war seit etlichen Tagen
Ein wunderbarlicher Brief angeschlagen,
D'rinn stund: »Ihr Wohlehrbaren, Getreuen
Von Hof, hört mich, es soll Euch nicht reuen,
Ich komme zum künftigen Sonntag Mittag
In Euere Stadt, und will gemach
Mich als Gast an Euerer Großmuth ergötzen
Und meine durstige Kehle letzen;
D'rum stellet in jeglichem Fenster droben,
Das sich bis zum ersten Gaden (Stock) erhoben,
Eine Kandel kräftig Gebräu heraus,
Ich geh' dann vorbei, und trink' sie aus!«
Die wackeren Nachbarn befolgten sofort
Die seltsame Vorschrift Wort für Wort. –
Der Tag und die Mittagsstunde war da,
Und richtig – noch ehe man sich's versah',
Kam ein schlanker Gesell die Straße daher, –
Einen solchen Riesen gab's nicht mehr! –
Er schaute bei'm hellen Sonnenschein
Zum ersten Gaden gerad hinein,
Und brachte die Kandeln bequem sich zum Mund,
Und leert' sie der Reihe nach bis auf den Grund,
Und that das noch einmal und abermals wieder
Die Straße wandelnd auf und nieder;
D'rauf rückt' er sein Hütlein, und mit Behagen
Spaziert er noch über zween Fuhrmannswagen,
Dann ließ er den Höfern in Gruß und Blick
Des »langen Zechers« Verheißung zurück.
Man hat noch die Läng' vom sothanen Riesen
Durch ein Zeichen im Mittelgäßlein erwiesen;
Auch treibt man das Zechen noch jetzund ins Weite,
Geht's nicht in die L ä n g e , so geht's in die
B r e i t e ! –
182. Der lange Mann in der Mordgasse zu Hof.
W i d m a n n Höfer Chronik bei G r i m m d.S. I., 243.
Vor diesem Sterben (der Pest zu Hof 1519) hat sich
bei Nacht ein großer, schwarzer, langer Mann in der
Mordgasse sehen lassen, welcher mit seinen ausgebreiteten
Schenkeln die zwei Seiten der Gassen betreten
und mit dem Kopf hoch über die Häuser gereicht
hat; welchen meine Ahnfrau Walburga Widmännin,
da sie einen Abend durch gedachte Gasse gehen müssen,
selbst gesehen, daß er den einen Fuß bei der Einfurt
des Wirthshauses, den andern gegenüber auf der
andern Seite bei dem großen Haus gehabt. Als sie
aber vor Schrecken nicht gewußt, ob sie zurück oder
fortgehen sollen, hat sie es in Gottes Namen gewagt,
ein Kreuz vor sich gemacht, und ist mitten durch die
Gasse und also zwischen seinen Beinen hindurch gegangen,
weil sie ohne das besorgen müssen, solch Gespenst
möchte ihr nacheilen. Da sie kaum hindurch
gekommen, schlägt das Gespenst seine beiden Beine
hinter ihr so hart zusammen, daß sich ein solch groß
Geprassel erhebet, als wann die Häuser der ganzen
Mordgasse einfielen. Es folgte darauf die große Pest
und fing das Sterben in der Mordgasse am ersten an.
183. Wie ein Hirtenknabe wohlfeile Zeit macht.
Nach B. G ö r w i t z Sagenschatz v. Oberfr. S. 47.
Um das Jahr 1694 kam eine große Theuerung in's
Land. Reiche Leute mehrten ihren Reichthum durch
Wucher, die Armen geriethen in großes Elend. Da
lebte unweit von Rosenbühl ein frommer Hirtenknabe;
dem erschien, als er eines Tages seine Heerde weidete,
ein Engel mit einem Kreuzlein in der Hand, zum
Zeichen, daß er ein guter Geist seie, und von Gott gesandt.
Dieser verkündigte dem Knaben, daß über die
reichen Wucherer, wofern sie nicht schleunigst Buße
thäten, schreckliche Krankheit und Noth kommen
würde. Das erzählte der Knabe aller Orten. Die Wucherer
schrieen: das sei Teufelstrug, und fuhren fort,
die armen Leute zu bedrücken. Da geschah es um Johanni,
daß der Engel dem Hirtenknaben zum drittenmale
erschien, als dieser seine Schafe auf der Trift
weidete. »Gieb mir ein Stücklein Brod!« sagte er zu
dem Knaben. Allein der Knabe litt selber Noth und
hatte nichts mehr, als ein trocken Rindlein, für selben
Tag seinen Hunger zu stillen. Das theilte er gutherzig
mit. Da nahm es der Engel aus der Hand des Knaben
und sprach: »Gottes Segen wird sein über diesem
Brode, ich will hingehen und es vertheilen auf allen
Wegen.« Und siehe, von Stund' an bewährte sich das
Wort und der Hunger verschwand und es kam wohlfeile
Zeit, also daß die Leute glaubten, die Gestalt sei
eines Engels gewesen.
184. Das Zwergloch bei Marlesreuth.
Ausf. Beschreib. des Fichtelbergs, S. 93. G r i m m d.S.
I., 42. C.v. F a l k e n s t e i n Buch der Kaisersagen S.
96. Mündlich von L. Z a p f .
Zwischen Selbitz und Marlesreuth (bei Naila) befindet
sich im Wald eine Felsenhöhle. Man heißt sie das
Zwergloch. Hier unterm Felsen wohnten vor mehr als
hundert Jahren Zwerge, die mit den Bewohnern der
Ortschaft Naila Verkehr hatten.
Zwei redliche und glaubwürdige Männer aus Marlesreuth,
Albert Neffel und Hans Kohmann, welche
daselbst in hohem Alter in den Jahren 1679 und 80
starben, haben darüber dem Pfarrer Hedler zu Selbitz
den 15. Juli 1654 folgenden Bericht abgestattet.
Des Kohmanns Großvater fuhr einst mit zwei Pferden
auf seinen Acker in der Nähe des Zwerglochs.
Sein Weib hatte ihm zum Frühstück ein neugebackenes
Brod zugebracht, es in ein Tuch gewickelt an den
Rain gelegt, und war nach Gras auf die Wiese gegangen.
Da kommt in einer Weile ein Zwergweiblein und
bittet den Ackersmann, ihm das Brod zu geben, das
ihrige läge noch im Ofen, die hungrigen Kinder aber
könnten nicht abwarten, bis es fertig wäre, Mittags
wollte sie's richtig zurückerstatten. Der alte Kohmann
hat dem Weiblein das Brod herzlich gern hingegeben.
Mittags kommt darauf die Zwergin wieder und
bringt einen noch warmen Kuchen auf sehr weißem
Tuche, reicht ihn jenem mit Dank und sagt, er möge
das Brod nehmen und ohne Scheu genießen, ihr Tüchlein
aber liegen lassen, da sie es selbst abholen
würde.
Dieß ist auch geschehen. Und das Weiblein hat
hinzugefügt, nun müßten sie bald scheiden und ihren
bequemen Sitz hier verlassen, denn es würden so viel
Hammerwerke in der Gegend aufgerichtet, die sie beunruhigten;
auch vertreibe sie das viele Schwören und
Fluchen der Menschen umher, gleich wie die Sabbatsentheiligung,
wo die Hausväter vor der Frühsonntagskirche
auf's Feld gingen und die Früchte beschauten,
welches doch sündlich wäre.
An einem Sonntage sind einmal etliche junge Marlesreuther
Bauern mit Lichtern in die Zwergenwohnung,
bald aufrecht, bald gebückt, eingedrungen und
nach langem Gehen endlich auf einen geräumigen
Platz in viereckiger Form und zierlich mit Felsen ausgearbeitet,
gelangt. Nach allen Seiten hin haben sie
viele kleine Thüren und Kämmerlein gefunden und
zum Theil besehen.
Da ist ihnen aber ein Grausen angekommen, sie
haben den Rückweg wieder gesucht, und sind Alle einige
Tage unwohl gewesen.
185. Die Gräfin Beatrix von Orlamünde, oder
die weiße Frau auf der Plassenburg.
Die Literatur der Sage bei F a l k e n s t e i n Nordg.
Alterth. III., 151. G r i m m d.S. II., 376;
S t a d e l m a n n Archiv. f. Oberfr. I., 116. Die ältesten
Erzähler: L u c ä uralter Grafensaal S. 373; B r u s c h
chron. mon. Germ. p. 133, R e n t s c h Cedernhayn S.
318. Neuerdings: J.v. M i n u t o l i die weiße Frau.
Berlin 1850. Hier nur die Sage der P l a s s e n b u r g ;
was N e u h a u s , Berlin etc. angehört, s. bei
M i n u t o l i . G r i m m a.a.O. u. H o r m a y r
Taschenb. 1830, S. 441.
Beatrix, des Grafen Otto von Orlamünde ehelich Gemahel,
eine geborne Herzogin von Meran, verlor frühzeitig
ihren Herrn. Sie war aber von ungemeiner
Schönheit und wohnte zu Plassenburg mit ihren Waisen,
einem Knäblein und einem Mägdlein, beide unter
zwei Jahren. Wie nun der Wittwe seltene Schönheit
dem jungen Burggrafen Albrechten zu Nürnberg behagte,
also erklärte einstmals derselbe seine keusche
Liebe, vorgebend, wann nicht vier Augen im Wege
stünden, wollte er mit dieser Wittwe zu Plassenburg
eine Heirath anschlagen. Sogleich hinterbrachten dieses
Wort des Burggrafen der Gräfin zu Plassenburg
die heimlichen Ohrenbläser. Weil nun solches ihren
Ohren schmeichelte, auch ihren Lüsten wohlgefiel,
gedachte sie darauf, wie sie die Kinder aus dem Weg
räumen möchte. Und damit es das Ansehen hätte, als
wären sie an einer heftigen Krankheit gestorben und
schnellen Todes verfahren, so durchstach sie den Wirbel
auf dem Haupte beider mit einer Nadel und tödtete
also ihre leibliche Kinder.
Etliche wissen, die Gräfin sei eine Tochter des
Landgrafen Ulrich von Leuchtenberg gewesen und
habe sich 1321 mit dem Grafen Otto von Orlamünde
verheirathet. Auch wird sie bald Agnes, bald Kunigunde
geheißen.
Die Leichname der ermordeten Kinder seien in dem
nahen Cisterzienser-Nonnenkloster Himmelkron beigesetzt
worden. Die Gräfin selbst habe in einem Kerker
zu Hof Buße gethan, oder sei, wie sich noch heutiges
Tages die Leute der Gegend erzählen, als Büßerin
auf bloßen Knieen von Plassenburg bis nach Himmelkron
gerückt.
186. Die weiße Frau.
Von L. Z a p f .
Die Gräfin Orlamünde
Wallt nächtlich durch das Schloß,
Und große Schlüsselbünde
Umklirren ihr den Schoß.
Sie läßt sie rasselnd fallen
Droht Unheil ihrem Haus,
Daß durch die stillen Hallen
Es mächtig dröhnt und graus.
Sie kann nicht Ruhe finden
Die Kindesmörderin,
Sie muß die Hände winden
Und wandeln her und hin;
Die alten, öden Zimmer
Durchrauschen allezeit
Um Mitternacht, und nimmer
Wird sie davon befreit.
Sie schreitet in den Gängen
Im weißen Bauschgewand,
In stummer Trauer hängen
Die Ahnen an der Wand.
Sie blicken starr hernieder,
Gespenstisch auf ihr Leid,
Wenn durch das Dunkel wieder
Aufschimmert hell ihr Kleid.
So büßend ihre Sünde
Wallt durch den weiten Bau
Die Gräfin Orlamünde,
Die blut'ge weiße Frau.
187. Die Gräfin von Orlamünde.
Von A u g u s t N o d n a g e l .
Von des Schlosses hohem Söller
Schaut die Gräfin in das Thal;
Auf dem Schlosse ruht die Zither,
Sieh! da sprengt ein stolzer Ritter
Her im Abendsonnenstrahl.
Albrecht war's, genannt der Schöne,
Nürnbergs hochberühmter Graf,
Der die Städter zwang zu weichen
Und mit scharfen Schwertesstreichen
Jeden kecken Gegner traf.
Freundlich blickt er auf zum Schlosse
Und sein Helmbusch flattert weit;
Denn er grüßt mit Flammenblicken
Liebe fordert sein Entzücken,
Erster Wonne Seligkeit.
Zum Vasallen tritt die Gräfin:
»Hayder, sattle flugs dein Roß!
Beut dem Grafen Hand und Minne,
Ob ich ihn zum Herrn gewinne
Und zum Lohne nimm dies Schloß!«
Wie der Bot' auch fliegt von dannen,
Träg enteilt ihr doch die Zeit.
Sieh! da springen in das Zimmer
Ihre Kinder, lieb wie immer
Voller schelm'scher Fröhlichkeit.
Wollt' ihr einen Vater haben,
Herzgeliebte Kinder mein? –
»Vater ging zu Gottes Freuden,
Wo die Wolkenlämmer weiden,
Spielt er mit den Engelein.«
Hayder kommt zurück und kündet,
Was betrübt der Ritter sprach:
»Laßt, o Herrin dies Beginnen,
Nimmer darf Euch A l b e r t minnen,
Eh' der Tod vier Augen brach!«
Weh! sie starrt just auf die Kinder
Und durchschnitten zuckt ihr Herz.
Der verschmähten Liebe Plagen
Kann die Stolze nicht ertragen
Und zur Wuth wächst an der Schmerz.
Mit der Flamme in dem Busen
Wandelt sie drei Tage hin –
Hört nur in den eignen Hallen
Spott und Hohngelächter schallen,
Kann sich selbst nicht mehr entfliehn.
»Hayder – fleht sie dumpfen Tones –
Fördre meine Ungeduld;
Morde die verhaßten Kleinen,
Sie, nur sie kann Albrecht meinen
Und ich trage jede Schuld!«
Hayder lockt die beiden Kleinen
In's Gebüsch mit Spiel und Scherz;
Dort am Weiher, ohn' Erbarmen
Packt die Eisenfaust die Armen,
Zuckt den Dolch auf's zarte Herz.
Ach, das Mägdlein fleht zum Mörder,
Thränen in dem Angesicht:
»Lieber Hayder laß uns leben,
Will dir Orlamünda geben –«
Doch das rührt den Buben nicht.
Auch das Knäblein ringt die Hände:
»Lieber Hayder schone mich,
Kriegst dann meinen Helm, den neuen,
Traun! es wird dich nicht gereuen,
Mutter selbst belohne dich!«
Doch sie fallen – da verwirrt
Gottes Zorn des Mörders Sinn;
Und er kommt mit wildem Tritte,
Schleudert in der Diener Mitte
Seinen Dolch der Gräfin hin.
»Kennst du wohl das Blut der Kinder,
Das der Wolf im Forste leckt?
Die dort, wo die Birken neigen
Haselbusch mit schlanken Zweigen
Wehmuth zitternd nun bedeckt?« –
Albrecht kam in's nahe Kloster:
»Heilige Väter, tröstet mich,
Dieser Mord, davon in Tagen
Später Zeit man noch wird sagen,
Ward begangen – weh! um mich!
Agnes liebt' ich wie mein Leben,
Höher stand mein Gott mir nur;
Aber treue Kindespflichten
Wollt' ich dennoch stets verrichten,
Bis mich löset die Natur.
Vater lebt mir noch und Mutter,
Dennoch bin ich nun allein. –
Ach ihr Männer! heil'gen Lebens
Nimmer schloßt ihr euch vergebens
Vor dem tiefen Elend ein!«
Und im Kloster ruhn die Leichen
Arm in Arm, wie man sie fand.
Agnes war seit jenen Stunden
Aus der Heimathflur verschwunden
Pilgernd in's gelobte Land.
188. Volkslied von der Herzogin von
Orlamünde.
W a l d e n f e l s antiqq. sell. I. XII. p. 465.
W u n d e r h o r n II., 232.
Albert Graf von Nürnberg spricht:
»Herzogin ich liebe nicht;
Bin ein Kind von achtzehn Jahren
Und im Lieben unerfahren,
Würde dich zum Weib ich nehmen,
Doch vier Augen mich beschämen;
Wenn nicht hier vier Augen wären,
Die das Herze mein beschweren.«
Orlamündens Herzogin
Spricht zu sich in ihrem Sinn:
»Wittwe bin ich schön vor allen,
Aller Fürsten Wohlgefallen;
Wenn nicht hier vier Augen wären,
Würde seine Lieb' mich ehren.
Kinder ihr vom schlechten Mann,
Der mich hielt im strengen Bann.
Weil ihr meine Land ererbet
Wenn ihr nicht unmündig sterbet.«
Also Oel in Flammen wüthet,
Das statt Wasser aufgeschüttet.
Also deutet sie die Rede
Auf zwei eigen Kinder schnöde,
Die im Saal zum Spiel abzählen
Unter sich den Engel wählen.
»Engel, Bengel, laß mich leben
Ich will dir den Vogel geben.«
Nadeln aus dem Wittibschleier
Zieht sie, daß er falle freier,
Zu dem wilden Hager spricht:
»Nimm die Nadeln und verricht,
Schwarzer Hager, du mein Freier
Fürchtest nicht den schwarzen Schleier,
Fürchtest du nicht auch vier Augen,
Die zum Zusehn auch nicht taugen,
Setz' dich mit zu ihren Spielen,
Daß sie keine Schmerzen fühlen,
Daß die Wunden niemals sprechen,
Mußt du in das Hirn sie stechen.«
Herkules zum Hager spricht,
Eh' der ihm das Hirn einsticht:
»Lieber Hager, laß mich leben,
Will dir Orlamünde geben1,
Auch die Plassenburg, die neue,
Und es soll mich nicht gereuen.«
Herula zum Hager spricht,
Eh' er ihr das Hirn einsticht:
»Lieber Hager, laß mich leben,
Will dir meine Docken geben,
Engel, Bengel, laß mich leben,
Will dir meinen Vogel geben.«
Hager sich als Mörder nennt,
Eh' er sich das Hirn einrennt.
»Gott, ach Gott, wo werd' ich ruhen,
Höre schon den Vogel rufen,
Gott, ach Gott, wo soll ich fliehen,
Sehe schon den Vogel ziehen.«
Albert spricht zur Herzogin,
»Das war nicht der Rede Sinn,
Meinte unsre eignen Augen,
Wie wir nicht zusammentaugen.«
Beide Kinder unverweset
Liegen noch im Marmorsarge,
Als wär' heut der Mord gewesen,
Recht zum Trotze allen Argen.
Fußnoten
1 Var: Will dir Norden und Nisden geben.
189. Marienweiher.
J . A . E i s e n m a n n , geograph. Beschreibung des
Erzbisthums Bamberg. S. 443.
Vor Zeiten war die Gegend um Marienweiher mit
dichten Wäldern bedeckt, und an der Straße, welche
durch dieselbe von Franken nach Sachsen führte,
standen in verschiedenen Entfernungen von einander
sogenannte Nothwirthshäuser. Im zwölften Jahrhunderte
befuhr einmal auch ein sächsischer Fuhrmann,
welcher ein Marienbild in Franken hatte fertigen lassen,
um solches mit nach Hause zu bringen, die
Straße, und nahm in dem Wirthshause an diesem
Orte, damals Vordersee genannt, sein Nachtquartier.
In derselben Nacht wurde das Haus von Räubern
überfallen; der Fuhrmann aber mit seiner ganzen
Habe entkam glücklich den gierigen Händen der Räuber.
Aus Dankbarkeit gegen Gott und Maria, welche
er in dieser großen Gefahr um Hülfe angefleht hatte,
ließ er hierauf das mitgeführte Marienbild an dem
nämlichen Orte aufrichten und eine Kapelle von Holz
darüber bauen; auch soll er sich daselbst später, nachdem
er seine Güter in Sachsen verkauft hatte, angesiedelt
haben. Bald wurde diese Kapelle von Pilgern und
andern Andächtigen, nah und fern, häufig besucht.
Als dieselbe, aus nicht benannter Ursache, in Brand
gerieth, warfen die dortigen Bewohner, deren Zahl inzwischen
sich sehr vermehrt hatte, das Bild, um es
vor den Flammen zu retten, in den nahen Weiher: entdeckten
aber an demselben, als sie es wieder herauszogen,
eine Beschädigung in dessen Gesichte neben
der Nase, welche jetzt noch zu sehen ist. Nachher
wurde daselbst eine große Kirche von Stein, wahrscheinlich
vom Bischofe Otto II. erbaut und darinnen
das berühmte Marienbild, dessen Verehrung je länger
desto mehr sich verbreitete, aufgestellt.
190. Der Geist zu Lichtenfels.
J. H e l l e r , in: Das Königreich Bayern in seinen
Schönheiten III., 20. L. B r a u n f e l s die Mainufer S.
87.
Noch sieht man im Städchen Lichtenfels die Mauerreste
einiger Burgen, in welchen es, der Volkssage
nach, nicht geheuer ist; denn es geht dort der Geist
des edlen Fräuleins Podica von Schaumberg um, welche
vor Kummer starb, als ihr Bräutigam aus der
Fehde bei Scheßlitz nicht wieder zurückkehrte. Nun
hört man nächtlicher Weile ihr leises Rufen: »Kömmt
mein Kunimund noch nicht?« Und so lange muß das
Fräulein rufen und auf Erlösung warten, bis ihr eine
barmherzige Stimme antwortet: »Längst fiel dein Kunimund
bei Scheßlitz.« Warum ihr bis heute Niemand
den Liebesdienst erwiesen, verschweigt die Sage.
191. Alberada zu Banz.
Von F r a n z S c h m i d t . – H e n r i c i origg.
Banz. ap. L u d e w i g script. Bamb. II., 48.
B r u s c h chron. mon. Germ. p. 52 u. 281.
Frau Alberade herrscht im weiten Banzagau,
Was Itz und Main umfluthet, war treu der schönen
Frau,
Es wiegte sich ein Knäblein auf ihrem Mutterschoos,
Es herzte sie ein Mägdlein mit kindlichem Gekos.
Wer ist mir gleich an Ehren, und wer mir gleich an
Glück?
Sprach stolz die hohe Gräfin, berufend ihr Geschick.
Es drehte seinen Kreisel der Junker auf dem Eis,
Des Maines Spiegeldecke gab ihn den Wellen Preis.
Und Fräulein Judith blickte zur nahen Burg so gern,
Die sich zum Raubhorst thürmte dem Katzenburger
Herrn.
Sie brach die ersten Veilchen im Forst vor Stegelitz –
Und vor der Mutter Augen raubt' sie der kecke Fritz.
Da riß die Gräfin bebend den Handschuh von der
Hand
Und rief: »Dir ew'ge Fehde, du feiger Weiberfant!
Kannst meinen Arm du höhnen, sollst du die Zunge
flieh'n.
So lang sie lallt im Munde, soll sie dir Flüche
sprüh'n«1.
Sie weihte Banz zum Kloster und sich zur Nonne ein;
Und ihre Flüche sollten fortan nicht kraftlos sein:
Es war Herrn Friedrichs Töchtern der Tugend Glanz
versagt,
Und seine Söhne wurden der Raubsucht angeklagt.
Fußnoten
1 Der Handschuh soll in der Luft verschwunden sein.
192. Alberada's Born.
Aldeberade, still und fromm,
Kehrte zurück vom heil'gen Rom –
Ihr Gatte, weil mit Muth und Lieb'
Er treu dem Kaiser Heinrich blieb,
War jüngst in Gregor's Bann gestorben.
Sie hatt' beim Papst als Gnad' erworben,
Daß ehrenvoll, in Bamberg's Dom,
Die Leich' zu sel'ger Ruhe komm'.
Mit ihren Dienern fest und treu
Betrat das Maingau sie auf's Neu.
Da in Gebirg und dichtem Wald
Verirrten sich die Pilger bald –
Verschwunden war der heit're Main,
Rings schloß sie rauhe Wildniß ein –
Die Eule schwirrte durch die Zweige –
Hier modert' die gesunk'ne Eiche,
Die morsche Tann' sank mit Gekrach,
Kein Lichtstrahl drang durch's wald'ge Dach,
Die Rosse konnten nicht mehr weiter –
Der Wildniß ließen sie die Reiter.
Jäh ging es nun hinab im Lauf,
Dann wieder still den Berg hinauf,
Müd' auf die forstumzog'ne Haide
Kam die Verirrte und's Geleite.
Da sank der jüngste Knappe nieder
Und schloß die matten Augenlider:
»Ich muß verschmachten!« seufzt er leise,
Und gleiche Klag' ertönt im Kreise:
»Wenn nicht ein Labetrunk uns rettet,
So werden wir in's Grab gebettet
Hier in der Wildniß schauerlich –
O Herr und Gott, erbarme dich!«
Die Gräfin kniet hin zum Gebet
Und brünstig zu dem Herrn sie fleht:
»Du Ewiger, deß starke Hand
Uns schirmte in dem fernen Land,
Uns über's Alpeneis geleitet,
Im Schneesturm Hülfe uns bereitet,
O laß, so nah' der Heimath Höh'n,
Mich und die Meinen nicht vergeh'n!
Ich weiß, dein Vaterauge sieht
Auf uns, die hier der Tod umzieht,
Du leitest auf dem Lebenspfade,
Dein ist die Macht, doch auch die Gnade!
Du, der von Moses kahlen Felsen
Sich Wasserfluthen hieß entwälzen,
Kannst diesem Boden kahl und trocken
Die Rettungsquelle auch entlocken!«
Sie richtet voll Vertrau'n sich auf,
Ihr Stab berührt des Sandes Hauf' –
Rasch quillt hervor ein Wasserstrahl
Und plätschert über's Moos in's Thal.
Sie und die Ihrigen erquickt
Der Trunk, den Himmelsgnade schickt,
Sie füllen die verdorrten Flaschen,
Ihr Schleichen wird zum muntern, raschen,
Belebten Gang und bald und leicht
Ist froh der gelbe Main erreicht,
Und herrlich liegt das Stammschloß Banz
Hoch in der Abendsonne Glanz.
Das Brünnlein aber rauschte fort,
Belebend sanft den wilden Ort.
Die Gräfin faßte es in Stein,
Führt' nach ihm Wege durch den Hain
Und bald ward es durch's ganze Land
Aldeberada's Born genannt.
193. Das Irrglöcklein von Seßlach.
Von F r . R ü c k e r t .
Der Tag verlischt, es senket grausend
Die Nacht vom schwarzen Himmel sich,
Und Nebelwinde streichen sausend
Durch Waldesgründe schauerlich;
Das Fräulein irrt mit bangem Schweigen
Allein auf ungebahnten Steigen.
Sie schreckt das Rauschen jedes Blattes,
Sie schreckt des eignen Fußes Tritt;
Es leuchtet aus der Luft kein mattes,
Kein bleiches Sternlein ihrem Schritt;
Sie irrt mit jedem neuen Schritte
Nur tiefer nach des Waldes Mitte.
Da drehet sich vor ihren Blicken,
Im leichten Tanz am schwarzen Moor,
Sie mit Verderben zu bestricken,
Der Waldesgeister reges Chor;
Sie lassen düstre Flammen glühen,
Um täuschend sie hinabzuziehen.
Sie scheinen Lichter niedrer Hütten,
Sie scheinen fern, und sind ihr nah;
Sie treibt sich an mit schnellern Schritten,
Sie fliegt hinzu, schon ist sie da;
Schon ist sie da! und freudig sehen
Die Argen sie am Abgrund stehen.
Schon will sie in die Tiefe gleiten,
Da ruft sie's an aus tiefem Wald;
Ihr ist, als wenn ein fernes Läuten
Ihr rückwärts in die Ohren schallt;
Sie wendet sich halb froh, halb bange,
Und horcht dem wunderbaren Klange.
Und vor dem Klang in Luft zerflogen
Sind alle Flämmlein fort im Nu;
Sie wandelt mächtig angezogen
Dem wunderbaren Klange zu;
Er führt sie weit auf Weg und Stegen,
Und endlich aus des Walds Gehegen.
Und dämmern siehet sie die Häuser
Des Weilers aus der Ferne schon;
Da klingt es leis' und immer leiser,
Und gar verklungen ist der Ton;
Schnell mit andächtiger Geberde
Senkt betend sie das Knie zur Erde.
Sie weinet frommen Dankes Thränen,
Ihr Haupt verhüllend in's Gewand,
Den Rettern, die mit leisen Tönen
Sie riefen von des Todes Rand;
Dann will sie freudig aufwärts schauen,
Und sieht den Tag im Osten grauen.
Und sieht mit rothbestrahlten Zinnen
Auf fernem Berg ihr hohes Schloß;
Sie rafft sich auf, und eilt von hinnen
In ihres bangen Vaters Schooß.
Mit Staunen aus der Tochter Munde
Hört er die wundervolle Kunde.
Dann baut er auf derselben Stelle,
Allwo sein Kind sich wiederfand,
Ein kleines Thürmlein und Kapelle,
Mit Schieferdach und Mörtelwand;
Und in des Thurmes höchstem Stocke
Hängt hellen Klanges eine Glocke.
Und bei des Abends ersten Sternen
Schlägt hoch im Thurm das Glöcklein an,
Durchhallt des Waldes weite Fernen,
Und ruft den irren Wandersmann;
Er folgt getrost mit sichern Schritten
Dem Rufe zu des Weilers Hütten.
Das Glöcklein hängt in der Kapelle
Dreihundert Jahr und drüber schon,
Und immer klingt es klar und helle,
Und immer heller wird sein Ton.
Es heißt, zu seiner Stiftung Kunde,
Irrglöcklein bis auf diese Stunde.
194. Die lichten Steine.
L. B e c h s t e i n S. 200.
Inmitten des Steinschuttes der Burgruine Lichtenstein
erheben sich hochragend zwei Felsenblöcke über dem
Boden, und es geht die Sage, daß dieselben seit undenklichen
Zeiten in dieser Stellung gestanden, nämlich
einer dicht über dem andern gelehnt und geneigt,
ohne daß einer den andern berührt, und so dem Lichte
zwischen sich freie Bahn lassend. Davon soll nun
auch der Namen der Lichtensteiner, sowie ihr Wappen
herrühren, welches zwei weiße gezackte Steine im
rothen Felde, deren Spitzen sich nicht berühren, zeigt.
Man sagt, so lange diese Steine ständen, werde das
Geschlecht nicht gänzlich erlöschen, und so lange sei
der alten Burg Wiederaufbau zu hoffen. Noch ist auch
das Geschlecht der Freiherren von Lichtenstein nicht
erloschen; doch gingen die meisten der ehemaligen
Besitzungen in fremde Hände über, und viele wurden
Eigenthum der Grafen von Ortenburg, Rotenhan u.A.
195. Das Schneidersloch.
Die vor. Schrift S. 201.
Im Bereich der Burgtrümmer von Lichtenstein befindet
sich eine in Stein gehauene Felshöhle, die wird
das Schneidersloch genannt. Wildes Gestrüpp bedeckte
die Oeffnung, und sie konnte mit einem Steinblock
verschlossen werden. Im Innern erblickt man
eine Vertiefung am Boden, wie eine Feuerstätte, und
eine Art Futteral eingemeiselt, für eine Scheere. Hier
soll sich, so geht die Sage, zur Ritterzeit ein keckes
Schneiderlein verhalten haben, das lauerte den Knappen
auf, wenn sie einzeln mit Beute beladen, in die
Burg heimzogen, und erschoß sie tückisch und
meuchlings, worauf es dann herausfiel und die Gefällten
beraubte. Dieses Wesen trieb das Schneiderlein
lange Zeit, bis endlich seine Unthaten an das Licht
kamen, da ist es mit feurigen Scheeren und glühenden
Nadeln zu Tode gemartert worden.
196. Die Fickmühle1.
Die vor. Schrift S. 202.
Auf einer Felsenspitze in der Nähe der Burgruine
Lichtenstein soll eine sogenannte Fickmühle eingegraben
sein. Dort spielte einst der Teufel mit einem
Ritter. Gewann der Ritter, so mußte ihm der Teufel
eine lange Reihe von Jahren dienstbar sein, ohne
Lohn, gewann der Teufel, so war des Ritters Seele
sein eigen, ohne daß er demselben zu dienen brauchte.
Man weiß nicht, wer das Spiel gewonnen hat. Andre
sagen, hier habe Gustav Adolph mit seinen Generalen
um Dukaten gespielt, und diese aus einem noch zu sehenden
ausgehöhlten Loch, das man das Dukatenloch
nennt, genommen.
Fußnoten
1 Anderorts Zwickmühle, das bekannte Bretspiel,
vom alten Ficca, hin- und herfahren.
197. Wüstung Erbrechtshausen.
Die vor. Schrift S. 189.
Ueberm Schloß Königsberg gegen Morgen, wo man
nach Bramberg und Ebern geht, zwischen dem
Sperbersheig und Roßberg, einem Walde, liegt einsam
in der ebenen Feldflur ein Schafhof und über ihm
öde Kapellentrümmer. In dieses Hofes Nähe stand
einst ein Dorf, dessen Namen er fortpflanzt: Erbrechtshausen,
welches nach der Umwohner Sage versunken
ist. Noch steht ohnweit des Hofes die Dorflinde
neben einem Brünnlein, und die Kapelle hieß St.
Jakobskapelle und hat zum Dorfe Erbrechtshausen
gehört. Noch nicht lange ist's her, daß man nahe der
Kapelle mehrere alte Leichensteine liegen sah, doch
mit unlesbarer Schrift. Es soll dort nicht richtig und
geheuer, und bisweilen in gewissen stillen Mondnächten
das Dorf Erbrechtshausen wieder so, wie es vordem
gestanden, auf der Oberfläche zu sehen sein.
Dann steht auch die St. Jakobskapelle in ihrer alten
Gestalt wieder da, und man sieht Schaaren von gespenstigen
Männern und Frauen in dieselbe zum Gottesdienst
eilen.
198. Die Altensteiner.
Von M. J o h . E p i s k o p i u s . –
A l t e n s t e i n Burgruine beim Markt A l t e n s t e i n
Ldgr. Ebern. – Nach F r i e s , G r o p p , B r u s c h in
F . N . W o l f . Beschreib. d. Burgruinen und Schlösser
d. Ldgr. Eltmann I., 48. F. H o h n bei G o t t s c h a l k
V., 105.
Eyring von Reinstein vom Adel gut
Zum Bischof man erwehlen thut,
Da nach der Geburt Christi man schrieb
Zwölf 100 Jahr und 50 blieb.
Dieser wohl 16 ganze Jahr
Im bischöflichen Amt auch war,
Er hat aber gräulich auferlegt,
Wie man den ungehorsamen pflegt,
Würzburg und Rotenburg den Städten
Hat große Geldbuß, sie's kaum hätten.
Dieser ohn' all' Mittel war,
Ein grausamer Tyrann führwahr,
Er konnt auch seine Tyrannei
Treiben ohn all Furcht und Scheu,
Weil damals im Reich, wie man ließt,
Kein Haupt noch Kaiser gewesen ist.
Auch die von Altenstein das seyn
Gnug innen worden ingemein,
Ihr 12 aus ihren Geschlecht er hat
Heimlich erwürgt an einer Statt,
Welches sich also zutrug, nun hör,
Hernach nicht unrecht judicir.
Als Eyring einsmals auf ihr Schloß
(Nach Altenstein genennt wird das)
Da zwischen ihnen viel Hader war,
Kam, und sie hett vertragen gar,
Auch alls nun war in vergessen gstellt,
Bischof Eyring selbst böslich hält.
Dann als er war von ihnen tractirt
Aufs beste, wie sich dann gebührt,
Und ihm war alle Ehr erzeigt,
Sondern er thät wider alle Lehr
Freundlicher Wirtschaft, schwecht die sehr,
Auch wider seine Ehr und Treu,
Die er ihnen hat gelobet frey.
Da ward das Abendmahl vollendt,
Einen jeden fordert er behend
Insonderheit in sein Gemach,
Als wollt er mit ihnen halten Sprach,
Sobald aber einer zu ihm kam,
Ließ er denselben stracks halten an
Und niederhauen ohne Gnad.
Noch heutig's Tags weißt man die Statt
Im schönen adelichen Hauß,
Welches vor der Burg gebaut ist heraus.
Also geschah den eilfen all,
Der zwölfte aber merkt diesen Fall.
Herdegen mit nahm, der ein Ritter war,
Der wehrt sich fleisig der Gefahr,
Den Bischof er in Winkel trieb,
Und ihm im Grimm die Naß abhieb,
Er mußt aber sobald gleichwohl
Herhalten als die andern all.
Und wurden die zwölf entleibte Herrn
Von Altenstein mit großen trauren
Gen Lankheim in das Kloster geführt,
Allda begraben, wie sich's gebührt.
Wär nicht gewesen in Frankenland
Einer diß Geschlecht Seyfried genannt,
So war der ganze Stamm fürwahr
In einer Stund vertilget gar.
Es starb aber Bischoff Eyering,
Als Rudolph noch nicht allerding
Zum Kaiserthum bestättigt war,
Welchs ledig stand 17 Jahr,
Als nach des Herrn Christi Geburt
Tausend 266 gezehlet wurd.
199. Der Haß im Grabe.
Von F r a n z S c h m i d t .
Man sagt, der Tod versühne
Der Herzen alten Groll,
Doch sucht man über Gräbern
Auch noch der Rache Zoll.
Einst wollte man versenken
Des Herrn von Reinstein Sarg
Nächst einem Domherrngrabe,
Das einen Steiner barg.
Da hat von Stein Herr Endres
In altem Haß gemeint,
Sein Bruder könne schlafen
Nicht bei des Hauses Feind.
Man hat gelegt Herrn Heinrich
An einen fernen Ort,
Als ob auch über'm Grabe
Der Zwist noch wuchre fort.
Eiring von Reinstein pflanzte
So gift'gen Haders Kraut,
Dem Edle elf vom Steine
Sich blindlings anvertraut.
Mit sanftem Hirtenstabe
Stieg er zum Altenstein,
Um den entzweiten Brüdern
Ein Friedenshort zu sein.
Er hat sie wohl vereinet,
Denn er erschlug sie all:
Ein Grab im Kloster Langheim
Zeugt von der Brüder Fall.
200. Der alte Fuhrmann.
Von L. B r a u n f e l s . – Auf einer Anhöhe bei
B a u n a c h liegt die M a g d a l e n e n k a p e l l e ,
1473 von dem Fuhrmann U e b e r k u m (Victor) zu
seiner Begräbnißstätte gestiftet. – G r o p p Wirtzb.
Chronik I., 191.
»So manches Jahr ist's, daß ich zog
Mit dem Gespann thalein, thalaus;
Nur wo ich Luft der Alpen sog,
Im fremden Land war ich zu Haus.
Nun sind die Pferde blind und matt;
Krank lieg ich auf der Lagerstatt.
O daß mich bindet Todes Band
In enger Heimath, zwiefach Weh!
O läg' ich hoch an Bergeswand,
Bestattet im Lawinenschnee,
Daß meine Seel' aus leichter Gruft
Vernähm' den Gruß der Alpenluft.
Wenn still mein Herz, mein Körper kalt,
Lad' ihn, mein Knecht, dem Wagen auf;
Spann vor die Rosse, blind und alt,
Laß ihren Hufen freien Lauf:
Und wo sie ruh'n, da sei dir's recht;
Da grab' mich ein, du treuer Knecht.«
Des alten Fuhrmanns Herze brach,
Hat von den Alpen ausgeträumt.
Und was der Alte sterbend sprach,
Der treue Knecht hat's nicht versäumt;
Es zieh'n die Rosse, blind und matt,
Den todten Herrn zur Ruhestatt.
Durch Wald und Flur sie schleichen sacht,
Bis zu dem Berg, der einsam steht:
Da ist die alte Kraft erwacht;
Hinauf geht's, wie vom Sturm geweht,
Da hält hoch oben das Gespann;
Da gräbt ein Grab der treue Mann.
Wo still nun die Kapelle ragt,
Vom Athem des Gebirgs umkreist,
Wenn's durch die Nächte klingt und klagt,
Das ist des Alten trüber Geist;
Das ist von ferner Alpenluft
Der Gruß in eines Wandrers Gruft.