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Kapitel 2
Оглавление21. Karl der Große im tiefen Bronnen zu
Nürnberg.
G r i m m , deutsche Sagen I., 28. J. G ü n t h e r großes
poet. Sagenb. II., 23.
Die Sage erzählt, daß Kaiser Karl der Große sich in
den fünfzig Klafter oder dreihundert Nürnberger Fuß
tiefen Brunnen der Burg zu Nürnberg verflucht habe
und in demselben hause, wo ihn dann ein Verbrecher,
den die Nürnberger Herren in den Brunnen hinabgelassen,
um der Sache auf den Grund zu kommen, leibhaftig
gesehen haben soll, und zwar an einem Tische
sitzend, um welchen ihm der Bart schon zweimal herumgewachsen.
22. Wie Karl der Große geboren ward auf der
Reismühle am Würmsee.
Erzählt von H o r m a y r , goldene Chronik S. 17. Vgl.
A r e t i n ä lteste Sage über die Geburt und Jugend
Karls des Großen. München 1803. U. F ü t e r e r
Cod. mon. C.p. 69 membr. 4. (K l ö k l ) der
Petersbrunnen. München 1817. S. 46. Gedichte von d e
l a M o t t e F o u q u é , J . S u t n e r , H e i l e r ,
K . G e i b . H . F ö r i n g e r im Oberb. Archiv I.,
397
Pipin wohnte eine Zeit lang auf der Burg zu Weihenstephan
bei Freising. Nun gedachte er sich zu vermählen
und schickte seinen Hofmeister, einen bösen Ritter,
die Braut abzuholen. Da wurde der und sein ruchloses
Weib mit einander eins, die fremde Prinzessin
zu tödten und statt derselben ihre eigene Tochter unterzuschieben,
die jener sehr ähnlich sah. Der Hofmeister
führte die fremde Königstochter von ihres Vaters
Hof im prächtigen Zuge fort. Der Abschied war unendlich
traurig, als hätte die Aermste geahnt, welch'
Unglück ihrer warte. Nach dem letzten Nachtlager vor
Weihenstephan nahm der Hofmeister einen starken
Umweg in die tiefe Wildniß zwischen dem Würmund
Ammersee. Dort harrte seiner verborgen Weib
und Tochter. Er nahm bei der Nacht der Prinzessin
königliche Gewänder und ihren Fingerring, legte ihr
dafür seiner Tochter Anzug vor ihr Lager und befahl
Zweien seiner treuesten Knechte, wie er in aller Stille
abgezogen sei, die Königstochter ungestüm aufzuwecken
mit dem Begehren, sie sollte ihnen ohne Widerrede
folgen. Das that sie, obgleich mit großem
Schrecken. Ihr geliebtes Hündlein folgte ihr. Auch
vergaß sie nicht ihr Werkzeug und Gold und Seide,
denn sie konnte gar herrlich wirken.
Als sie nun mitten im finstersten Dickicht waren,
sagten ihr die Knechte, sie hätten geschworen, sie zu
tödten, ließen sich aber doch erbarmen an so viel
Schönheit und Jugend, und brachten als Wahrzeichen,
daß sie gethan, wie ihnen befohlen, dem bösen Hofmeister
ihr blutiges Oberkleid und ihres Hündleins
Zunge. Der war dessen froh und die Hochzeit seiner
Tochter mit Pipin wurde vollzogen. Die arme Königstochter
in der Wildniß trieb aber der Hunger wieder
zu den Leuten. Ein häßlicher Köhler, dessen sie anfangs
gar sehr erschrack, weil sie ihn für den leibhaften
bösen Feind hielt, der ihrer Seele nachstelle, führte
sie zum Müller in der Reismühle bei dem alten
Heidenorte Gauting. Dem Müller war nun des edlen
Königs Tochter eine Magd, nur sagte sie nicht, wer
sie sei und was mit ihr geschehen. Sie machte wunderschönes
Kunstwerk in Gold und Seide, das trug
der Müller auf ihr Bitten gen Augsburg und verkaufte
es dort fränkischen Handelsleuten. So schwanden
Jahre und Tage dahin. Da verirrte sich einst Pipin in
dem weiten Wald mit seinem Knecht, seinem Arzt
und Sterndeuter. Der Abend brach herein. Von den
Hörnern der Gefährten hatten sie schon seit vielen
Stunden keines mehr erschallen gehört. Der Knecht
war auf eine Tanne gestiegen, und sah ganz in der
Nähe Rauch. Sie ritten rasch darauf los und fanden
den Köhler, und verlangten zu essen. Er konnte ihnen
nichts geben, denn er hatte selbst nichts, aber er führte
sie auf die Reismühle gen Gauting, da erquickten
sie sich. Der Sterndeuter trat vor die Hütte und blickte
an den Himmel und kam hocherstaunt wieder herein
und sprach zu Pipin: »Herr! ihr sollt diese Nacht von
Eurer Hausfrau einen Sohn gewinnen vor dem die
Christenkönige und die Heidenkönige sich neigen.«
Da sprach Pipin: »Wie kann das sein? Es ist halb
Mitternacht und noch weit auf Weihenstephan.« Der
Sterndeuter ging noch einmal hinaus und sprach:
»Dennoch ist es so, Ihr werdet bei der sein, die Euere
Hausfrau ist und schon lange war.« Da stürmte Pipin
auf den Müller, er solle sagen, ob nicht jene Frau bei
ihm verborgen. Der König hätte ihn getödtet, als er
gestand, es sei wohl schon sieben Jahre eine engelschöne
Jungfrau bei ihm, die keines Menschen Auge
gesehen. Da mußte die Jungfrau herfürgehen, und
Pipin schmeichelte ihr: »es stehe in den Sternen, sie
sei sein ehelich Weib.« Da war zwischen ihnen viel
Frage und Antwort, obgleich die Jungfrau ihr Geschick
lange nicht offenbaren wollte, wegen des
schweren Eides, bis der König ihr erklärte, er sei
durch Todesfurcht erzwungen und ungültig. Die edle
Bertha zeigte ihm nun seinen eigenen Brautring, den
er ihr durch den verrätherischen Hofmeister gesendet
und Pipin war außer sich vor Freude, gebot den Seinigen
Schweigen, so lieb ihnen ihr Leben sei, nahm
zärtlichen Urlaub und erreichte des Abends noch die
Burg, die jetzund Pael heißt und kam des andern
Tages gen Weihenstephan. Dort erzwang er das Geständniß
der Knechte, die Bertha verschont, ließ seine
Weisesten rufen, den Hofmeister dazu, erzählte seine
Falschheit und Missethat, als wäre sie einem andern
geschehen, fragte darauf mit schrecklichem Blick und
Ton den Hofmeister: »Was gebührt einem für solche
Missethat?« Blaß und zitternd sprach dieser: »Ich will
kein Urtheil fällen über mich selbst.« Da verdammte
ihn der gemeine Rath zum schmählichen Tode. Die
Hofmeisterin, die den verdammlichen Rath gegeben,
ward eingemauert, und ihre Tochter, die unterschobene
Königin, in einem besondern Gemach verwahrt,
doch starb sie bald aus Gram.
Wie Pipin heimkam aus dem langen Feldzug wider
die Sachsen, eilte er auf die Reismühle am Würmsee.
Der Müller trat ihm entgegen und reichte ihm einen
Pfeil zum Wahrzeichen, in der Mühle sei ihm ein
Sohn geboren von der schönen Bertha. D a s w a r
d e r g r o ß e K a r l .
Pipin führte seine Fürsten und Ritter zu seiner
Frau, zeigte ihnen ihr armes Kämmerlein, und ihr
Lager blos von weichem Moos, und zog dann mit ihr
ab unter lautem Schall und Ruf und Waffenklang auf
Weihenstephan zuerst und dann nach Frankreich, wo
sie als Königin des Landes gegrüßt, und ihr schöner,
kühner Knabe getauft wurde, Carolus Magnus, dessen
Ruf durch alle Welt ging.
23. Karl der Große auf der Salzburg.
Von J . B . G o ß m a n n . – D i e S a l z b u r g bei
N e u s t a d t an der S a a l e ( auf welcher K a r l der
Große im Jahre 790 gefahren sein soll), einst Palatium
der fränkischen Könige, wo B o n i f a c i u s die
Bischöfe weihte, wo K a r l d e r G r o ß e eine
byzantinische Gesandtschaft empfing und mit den
Sachsen Frieden schloß. G r o p p Wirztb. Chronik I.,
423.
Wer ist der Held so groß, so kühn,
Flußaufwärts dort zu Schiff?
Das ist Karolus Magnus,
In seine Salzburg einzuzieh'n
So eben im Begriff!
Wer hat sich dort zu Thron gesetzt
Mit Kron' und Kaiserstab?
Das ist Karolus Magnus,
Wie er den Sachsen Frieden jetzt
Nach dreißig Jahren gab!
Wer zieht denn dort, als ging's zum Strauß
Waldeinwärts hoch zu Roß?
Das ist Karolus Magnus,
Er reitet früh zum Jagen aus
Mit seines Hofes Troß!
24. Feuchtwangens Ursprung.
Erzählt von K . A . B ö h a i m b . Vgl. C . v .
F a l k e n s t e i n Buch der Kaisersagen S. 9.
Auf seiner Reise durch Frankenreich kam Karl der
Große auch in den alten Rießgau. Hier überkam ihn
ein Fieber auf der Jagd. Ermattet setzte er sich auf
einen Fichtenstock und rief lechzend nach Wasser.
Allein die ausgesandten Boten kehrten wieder, ohne
dem erkrankten Kaiser den ersehnten Labetrunk reichen
zu können. Da flog plötzlich eine wilde Taube
aus dichtem Gesträuch in die Höhe, man folgte sogleich
ihrer Spur, und die reinste Quelle floß aus dem
Gestein. In gierigen Zügen trank Karl von dem Wasser,
das Fieber verließ ihn, neugestärkt bestieg er sein
Roß, hob seine Hände dankend zur himmlischen
Jungfrau empor und gelobte, an der rettenden Quelle
ein Kloster zu stiften, und es der Verehrung Mariens
zu widmen. So entstand das Stift Feuchtwangen und
die Stadt gleichen Namens. Bei der Reparatur der
Stiftskirche 1572 fand man einen versteinerten
Fichtenstock, auf dem einst der schmachtende Kaiser
saß. Unweit des Dechanthofes ist der Brunnen, mit
Quadersteinen gefaßt, noch jetzt zu sehen und wird
das »Taubenbrünnlein« genannt. Auch werden auf
dem Petzenberge noch Grundmauern eines alten, gra-
benumzogenen Jagdschlosses Karls des Großen angetroffen.
25. Der Altmühlfluß und die Fossa Carolina.
Nach A v e n t i n , C h r o n . U r s p . ,
F a l k e n s t e i n in Verh. des hist. V.f.O.u.R. 1838, 2.
u. 3. H. S. 332.
Der heilige Willibald nennt die Altmühl in seinem
Schreiben an den Papst einen heiligen Fluß, und Wägemann
schreibt: Die Altmühl, Alchmona, war vor
Alters ein heiliger Fluß.
Die Altmühl ist auch aus den Zeiten Karls des Großen
berühmt. Dieser wollte die Donau mit dem Rhein
verbinden und diese Verbindung sollte durch die Altmühl
und Rezat bewerkstelligt werden. Es wurde mit
vielen Arbeitern der Anfang gemacht, allein stark eingefallenes
Regenwetter und sumpfiges Erdreich sollen
die Ausführung verhindert haben. Aventin gibt noch
eine andere Ursache an. Es sollen sich nämlich wunderliche
Dinge während der Arbeit zugetragen haben;
ganze Haufen Getreidkörner wurden auf den Feldern
gefunden, und wenn das Vieh davon genoß, so starb
es augenblicklich. Das daraus gemachte Mehl verschwand
unter den Händen; zur Nachtszeit wurden
die Arbeiter durch Gespenster erschreckt; man hörte
schreien und lärmen und schreckliches Geräusch, wie
wenn das wüthende Heer im Anzug wäre und Alles zu
Grunde gehen wollte.
In der Nähe von Weissenburg am Sand sieht man
noch die Spuren des Unternehmens.
26. Heidenschlacht Karls des Großen vor
Regensburg.
Aus einem Lobgedicht von H a n s S a c h s in Verh.
des hist. V.v.O.u.R. 1845, Bd. IX., S. 5. A r n p e k h
chron. l. II. c. 2. ap. P e z thes. anecd. T. III.
M e r i a n top. Bav. S. 55. u.A.
Kayser Carl der Groß genannt,
Der führt ein Krieg mit Taffilo,
Ein Herzog nennt Bayern also;
Ihm das ganz Bayerland einnahm.
Nachdem er auch für Regenspurg kam,
Thät mit den Hunnen ein Feldschlacht,
Ein große Summa der Feind umbracht,
Die von dem Kayser wurden erschlagen,
Auf's Kaysers Seiten auch etlich lagen,
Die man herrlich begraben hat
Zu St. Peters-Kirch vor der Stat.
Zu der Zeit Kayser Carl bezwungen,
In der Stadt Regenspurg alt und Jungen,
Daß sie den christlichen Glauben annahmen;
Ließen sich tauffen allesammen.
Dieser Sieg Karls des Großen über die Heiden vor
Regensburg soll in der Gegend, wo das alte Schottenklösterlein
Weihsanktpeter gestanden ist, errungen
worden sein. Da wo gegenwärtig die gothische Gelübdsäule
auf der sogenannten »Predig« sich erhebt,
soll während des ungleichen Kampfes ein Engel dem
Kaiser das Schwert überreicht, und hier und um die
ganze südliche Seite der Stadt sollen 30000 christliche
Ritter den Tod im Kampfe gegen die unzählbaren
Heiden gefunden haben. Nach gewonnener Schlacht
ließ der Kaiser die Leiber der in der ersten und zweiten
Schlacht gefallenen Christen in einer großen
Grube sammeln und über sie einen Hügel errichten,
den man nachmals den S i e g b e r g (collis victoriae)
nannte.
27. Des Gotteshauses Metten Ursprung.
A d l z r e i t e r P. I. l. 9. p. 198 u. B r u n n e r P .
II. l. 1. p. 20.
Ein frommer Hirte zu Michaelbuch, Gamelbert mit
Namen, fand einst, unter einem Baume erwachend,
ein Buch auf seinem Herzen, und nachdem er darin
heiligen Unterricht gefunden, wurde er Priester und
weidete die geistliche Heerde. Er pilgerte später nach
Rom und taufte unterwegs einen Uto, der, als er herangewachsen,
zu ihm kam und von ihm zum geistlichen
Hirten geweiht wurde. Später ging der fromme
Uto über die Donau, und diente Gott als Einsiedler an
einer Quelle im Walde, die noch heute der Utosbrunnen
heißt. Dort traf ihn Kaiser Karl der Große, der
sich auf der Jagd in jene Gegend verirrt hatte, als er
so eben von der Arbeit ausruhte und sein Beil an
einem Sonnenstrahl in der Luft aufgehängt hatte.
Staunend sah der Kaiser das Wunder und nahte sich
dem heiligen Einsiedler gar ehrerbietig. Da fiel ihm
dieser zu Füßen mit der Bitte, an dem Orte ein Gotteshaus
zu errichten.
Also erbaute Karl Kirche und Kloster zu Metten,
und ernannte Uto zum ersten Vorsteher daselbst im
Jahre des Heils 801, wie Hund berichtet.
28. Der Hahnenkampf zu Kempten.
Von A. S c h ö p p n e r . – Nach C r u s i u s ann.
Suev. dod. I. p. 330 bei G r i m m deutsche Sagen II.,
104. H o r m a y r a.a.O. S. 20: »Noch zur Zeit der
Reformation stellten die lateinischen Schüler zu S. Mang
den Hahnenschlag oder Hahnenkampf dar, der einst dem
schwachen Ludwig den Vorzug über seine Brüder
gegönnt.«
Der Kaiser Karol saß mit seinem Ehgemahl
Zu Kempten auf der Burg vergnügt im Speisesaal.
Sie sahn in guter Ruh mit wonnerfülltem Herzen
Der Prinzen frohes Spiel und jugendliches Scherzen.
Da trat des Spielens satt der älteste, Pipin
Mit diesem Worte schnell zu Hildegardis hin:
Sag' Mutter: »kommt einmal der Vater in den
Himmel:
Nicht wahr, als König sitz ich dann auf seinem
Schimmel?«
Da sprang der Bruder Karl sogleich herfür und
sprach:
»Auch i c h will König sein, ich geh nicht
hintennach!«
Zuletzt kam Ludewig, der jüngste von den Knaben:
»Nicht wahr, lieb Mütterchen, die Krone werd' ich
haben?«
Da sprach Frau Hildegard: »Ei Kinder, hört mich an:
Ein jedes geht hinaus und holt sich einen Hahn;
Die kämpfen dann für euch und wessen Hahn der
Meister:
Des Frankenreiches Herr und deutscher König heißt
er!«
Die Knaben hatten bald die Hähne bei der Hand,
Im Augenblicke war der heiße Kampf entbrannt.
Vergebens wehrten sich Pipins und Karols Krieger,
Am Ende blieb der Hahn des kleinen Ludwig Sieger.
Und der als König so zu Kempten ging davon,
Bestieg als König auch des Frankenreiches Thron.
29. Hildegardis und Taland.
Von F . A . S c h u l z e – Nach Annal. campid., Nic.
F r i s c h l i n Comoedia: Hildegardis magna, Vincent.
bellov. spec. hist. VII., c. 90-92 und dem Gedicht:
C r e s c e n t i a , bei G r i m m d. Sagen II., 102.
H o r m a y r goldene Chronik von Hohenschwangau S.
20: »bis in die Tage der Reformation führten die Kinder
der Sanct H i l d e n g a r d e n s c h u l e beim Münster
zu K e m p t e n um Fastnacht das Spiel von der
frommen Königin auf.«
Der große Karl, er saß einmal
Zu Worms in seines Thrones Saal,
Und zwischen Grafen und Herren stand
Dicht vor dem Throne Herr Taland.
»Herr Taland, lieber Bruder mein,
Ich muß in's Sachsenreich hinein,
Muß dort das heil'ge Kreuz zu rächen,
Der falschen Götter Altar zerbrechen.
Und bis ich solches Werk beend't,
Führt Ihr allhier das Regiment,
Damit – Gott gebe das in Gnade! –
Kein Unheil meinen Landen schade.
Daneben seid mit guter Wacht
Auf mein Gemahl und Kind bedacht!
Denn diese Lieben sind mir eben
Das beste Theil von meinem Leben.«
Als Hildegardis nun von fern
Fortziehn sah den Gemahl und Herrn,
Und fast ihr Aug' in Thränen brach,
Trat zu ihr Herr Taland und sprach:
»O Dame, wie ich keine sah,
Was geht mir dein Geschick so nah!
Drum sage, was zu dieser Frist
Ein Trost in deinen Nöthen ist?
Ich schafft' ihn dir, auch noch so fern,
Und wär's vom Firmament ein Stern,
Und wär's mein armes Leben gar,
Ob deiner Ruh' gäb' ich's fürwahr!«
»Was hätte mit dem Leben dein,
Herr Taland, wohl mein Trost gemein?
Mein einz'ger Trost, mein einz'ger Stern
Zog fort mit dem Gemahl und Herrn.«
Als sie nun immer nicht vergißt,
Daß der Gemahl beim Feinde ist,
Und Herr Taland mit List und Mühn
Sie strebet von ihm abzuziehn;
Als nun die Frau so tugendlich
Herr Taland überall beschlich,
Und ihres Herzens fromme Huld
Verkehren wollt' in arge Schuld:
Da lud die Treue ihn zum Schein
In ein geheim Kloset hinein,
Entschlüpfte drauf und hielt den Bangen
An diesem dunkeln Ort gefangen.
Doch kaum erschallt der Kunde Ton:
Der Sieger kehrt nach seinem Thron!
So läßt, in Freude mild und groß,
Die Königin den Armen los.
Und als er so der Haft entrann,
Und drauf das freie Feld gewann
Eilt unter wilden Herzensschlägen
Er dem verrathnen Karl entgegen.
»Mein Herr und König, ach verzeiht,
Wenn ich statt Wonn' Euch bringe Leid,
Wenn jetzt das Unheil aus meinem Munde
Vergiftet des Sieges süße Kunde.«
»So sprecht, Herr Taland, doch sogleich,
Welch' Unfall traf mein armes Reich,
Oder wohl gar mein liebes Gemahl,
Oder mein Kind, oder alle zumal?«
»Nicht Reich und Kind! zu dieser Stund
Ist beides, Herr! stark und gesund,
Aber, o dürft ich doch nimmer sprechen
Von dem verruchten, schwarzen Verbrechen!«
Schon wacht des Königs ganzer Grimm:
»Sprich, Unglücksbote!« zürnt er ihm,
Und was auch Taland's Gewissen sagt,
Die schuldlose Gattin wird verklagt:
Sie habe verletzt der Treue Band,
Gesündigt frech an König und Land,
Und daß kein Hüter ihr Aug' bewache,
Verschlossen Herrn Taland im finstern Gemache.
Und Karl befiehlt, im Zorn entbrannt:
»Die Buhlerin, sie sei verbannt!
Und daß ihr Blick ferner dem Frevel nicht tauge
So raubt auf immer das Licht ihrem Auge!«
Wie drauf Herr Karl auf seinem Schloß
Erscheint, da ist die Lust nicht groß,
Denn Hildegardis' Mißgeschick
Betrübet jeden guten Blick;
Noch fühlen All' ihr herbes Leiden,
Als sie vom Kinde mußte scheiden,
Und durch den Spruch, den Karl gefällt,
Hinausziehn in die fremde Welt. –
Inzwischen wankt in düsterm Sinn
Die tiefgebeugte Königin,
Das Herz beim Kind und beim Gemahl,
Der Gränze zu und neuer Qual.
Die niedern Knechte, ihr Geleit,
Gedenken jetzt in Traurigkeit
Zum Erstenmal, daß um zu enden,
Sie ihr die Augen sollen blenden.
»O Gott,« ruft ihre Dienerin,
»So richtest du die Tugend hin!«
Doch jene zürnt: »Mit Gott kein Rechten!«
Und wendet mild sich zu den Knechten:
»So nehmet dieses Auges Licht!
Seitdem das Liebste mir gebricht,
Erregt die Erde mir nur Schmerzen,
Den Himmel schau' ich mit dem Herzen!«
Allein das Auge, wie verklärt,
Das nach den Knechten hin sich kehrt,
Macht, daß das Herz der Harten zagt,
Und Keiner sie zu blenden wagt.
»Lebt wohl, Frau Königin! wir gehn,
Mag auch, was will, mit uns geschehn!
Das hohe Licht des Himmels spricht
Aus Euerm Blick, die Erde nicht.«
»Sieh Gottes wundervolle Hand!«
Ruft sie, zur Dienerin gewandt,
Und nimmt vereint mit ihr den Pfad
Gen Rom nun hin, der heil'gen Stadt.
Doch Karl'n dem König fehlt die Ruh
Und Herrn Talanden auch dazu;
Ja dieser Arge büßt den Schein
Der Augen nun von selber ein.
Umsonst ist aller Aerzte Fleiß –
Da zieht er, wie auf Gott's Geheiß,
Zu baden sich im Segensstrom,
Mit seinem Bruder Karl gen Rom.
Und siehe da, kaum sind sie hier,
Da tritt die hohe Frau herfür,
Berührt den Blinden, und sogleich
Umfängt ihn neu des Lichtes Reich.
Und vor ihr nieder sinkt Taland,
Und spricht: »So hat's der Herr gewandt!«
Bekennt freiwillig jede Schuld
Und fleht um Hildegardis' Huld.
»Das gilt dein Leben, arger Knecht!«
Ruft Karl; doch Gnad' ergeht für Recht,
Auf Hildegardis' frommes Flehn
Darf er nur aus dem Reiche gehn.
Drauf durch des heil'gen Vaters Mund
Fleußt neuer Segen auf den Bund
Des hohen Paars, zu Gottes Ehr';
Den scheidet forthin Keiner mehr.
Und zum Gedächtniß der Geschicht
Hat Hildegardis aufgericht
Ein Kloster, welches, hoch erhöht,
Zu Kempten diesen Tag noch steht.
30. Wie Sancimon und Celebrand das Kloster zu
Kempten gebauet.
P . F . H u e b e r Unsterbl. Gedächtniß etc. der
Helden von Thaurn, Andechs und Hohenwarth.
Ingolstadt 1670. S. 190. B r u s c h chron. p. 98.
Der erste Stein des fürstlichen Klosters Kempten ist
von Rolando, so dazumal aus den Franzosen der
stärkste soll gewesen sein, im Beisein vieler Fürsten
und Herren mit großer Majestät gelegt worden. Zu
Verfertigung des ganzen Gebäues aber hat Hildegardis
zween an Größe und Stärke unvergleichliche Riesen
gebraucht, Sancimon und Celebrand mit Namen,
welche so viel Stein und Mörtel alltäglich herzugetragen
haben, als sechzehn gemeine Taglöhner hätten
ausrichten können; waren aber dabei dermaßen gefräßige
Leut, daß sich Jedermann mit Lachen über sie
verwundert, da sie wie andere Herkules ganze Ochsen
hinweggefressen. Einer derselben, Celebrand, ist nach
dem Tode der Stifterin nach Welschland gekommen,
Sancimon aber zu Kempten gestorben und mitten in
des Klosters Kirche begraben worden.
31. Heinrich Findelkind von Kempten.
Nach dem Volksbuch: Historisches Schatzkästlein für
Bayern. München 1832. I., S. 21. Vgl. H o r m a y r
goldene Chronik S. 128.
Der Mayr von Kempten, von seinem Abte geliebt,
und durch diese Gunst, durch rastlosen Fleiß und
Segen von Oben bereichert, hatte neun Söhne. Dazu
wurde ihm ein zehnter Knabe bei Nachtszeit vor die
Thüre seines Hauses gelegt. Die Hausfrau und Ehewirthin
murrte: es seien der Kinder ohnehin schon
genug. Aber der Hausherr erbarmte sich des armen
Wurmes, seiner schönen Gestalt und rührenden Unschuld,
und so hatte er nun zehn Kinder und zog sie
alle glücklich auf. Aber er hatte Bürgschaft gethan für
einen Freund, dem war das Glück untreu. Betrüger
brachten ihn um einen großen Theil des Seinigen.
Meeresstürme begruben mehrere seiner Schiffe in den
Abgrund. – »Bürger muß man würgen,« – sagt ein
altes, aber nicht gutes Sprichwort, und so erging es
auch dem armen Mayr von Kempten. Er verdarb
gänzlich. Mit sich und der Welt zerfallen, wurde der
fröhliche Mann ein Menschenfeind und selbst den eigenen
Kindern abhold. Er schlug sie und trieb sie aus
dem Hause, daß sie dienten und ihm aus dem Brod
kamen. Der zehnte, der arme Heinrich Findelkind,
war am schlimmsten daran. Aber er lief doch lieber in
die unbekannte große, weite Welt hinaus, als daß er
sich zu Hause todtschlagen ließ. Da fanden an der
Heerstraße zwei Priester, die nach Rom zogen, den
weinenden Knaben, trösteten ihn, gaben ihm Brod;
mit ihnen ging er über den Arlberg. Drüben wohnte
ein rauher und streitbarer, aber frommer Ritter. Man
hieß ihn nur den Jackl über Rhein. Der gab den Priestern
reichlich Almosen und fragte: »Wo wollt Ihr mit
dem Knaben hin?« Sie erwiederten: »Er ist zu uns gelaufen
auf dem Feld.« Darauf der Ritter: »Laßt ihn
mir, daß er meine Schweine hüte.« Die Priester antworteten:
»Er kann thun, was er will,« und Heinrich
Findelkind wurde Knecht und Schweinehirt beim
Jackl über Rhein, erhielt des Jahrs zwei Gulden Lohn,
ging fleißig jeden Sonntag mit dem Ritter in die Kirche
und trug ihm das Schwert nach. Wie sie da, dem
fernen Geläute nach, den Berg hinabsteigen, brachte
man ihnen oft viele Leichen entgegen von unglücklichen
Pilgern, die des Winters auf dem Arlberg in
Schneegestöber oder unter Lawinen zu Grund gegangen.
Raubvögel und Raben hatten ihnen die Augen
ausgehackt, die Kehlen abgefressen, und sie auf mannigfache
Weise verunstaltet. Das erbarmte den Heinrich
Findelkind so sehr, daß er bitterlich weinte und
ein heiliger Eifer in ihn drang, solches Unglück zu
verhüten. In vollen zehn Jahren hatte er fünf Gulden
in Allem ausgegeben und also noch fünfzehn Gulden
übrig von seinem Verdienst mit dem Hirtenstab. Da
trat er eines hohen Festtages vor die Kirchthüre mit
dem Ausrufe: Ob Jemand die fünfzehn Gulden nehmen
wollte und damit einen Anfang machen auf dem
Arlberge, daß die armen Pilger nicht also verdürben.
Aber die Leute lachten vielmehr des thörichten Beginnens
eines Betteljungen und Niemand wollte die erste
Hand anlegen. Da rief Heinrich Findelkind von
Kempten zu Gott dem Allmächtigen und zu St. Christoph
dem starken Nothhelfer, und rettete gleich den
ersten Winter sieben Menschen das Leben und ein
paar Jahre darauf über fünfzig Menschen. Darauf stiftete
er eine eigene Bruderschaft St. Christophs auf
dem Arlberg, und zog für diese edle Bruderschaft bettelnd
durch alle Länder und erhielt reiche Gaben. Die
Kirchenfürsten von Salzburg, Chiemsee, Freising,
Passau, Regensburg, Augsburg und Würzburg gaben
ihm reichen Ablaß. Das Bruderschaftsbuch nennt
unter den vorzüglichsten Wohlthätern der Stiftung
unter andern auch die Landgrafen von Leuchtenberg
und Grafen von Montfort und Ortenburg und viele andere
Ritter. Herzog Leopold der Stolze von Oesterreich
bezeigte im Dezember 1386, nachdem im Juli
vorher sein Vater bei Sempach wider die verachteten
und verspotteten Schweizerbauern mit dem Kern seines
stolzen Adels gefallen, es sei der arme Knecht
Heinrich von Kempten, in seiner Jugend ein Findelkind,
mit großer Andacht und Begierde vor ihn gekommen,
daß er wollte gern ein Haus bauen auf dem
Arlberg und in dieser Wildniß wohnen und sitzen,
vorzüglich damit die armen Pilger und Kaufleute
nicht ferner so elend zu Grunde gingen. Es seien ja
viel gute Dinge angefangen worden von einfältigen
Leuten. Darum befehle er allen seinen Hauptleuten
und Richtern, ihn dabei zu schützen und zu schirmen.
Des armen Hirtenknaben und Findelkindes von
Kempten edles Werk begann und bestand durch mehrere
Jahrhunderte. Es erhielt Tausenden das Leben
und sicherte einen für den Handel wichtigen Straßenzug.
32. Sankt Mang, des Allgäu's Apostel.
P. B r a u n Gesch. v. Bisch. v. Augsburg, I., 90.
H o r m a y r goldene Chronik von Hohenschwangau, S.
19. T a f r a t h s h o f e r der h. Magnus, Apostel des
Allgäu's. Kempten 1842. Augsb. Unterhaltungsbl. 1843,
S. 169.
Es geht die Sage, daß Sankt Mang, der Apostel des
Allgäu's, vorerst in das Pfrontner Thal gekommen sei,
und er habe anfangs am Breitenberg und auf dem
Roßberg sich aufgehalten. Jetzt noch heißt ein Brunnen
der Mangenbrunnen, der auf dem Berge droben
entspringt; man sieht ihn aber nur acht Tage vor bis
acht Tage nach Sankt Mangenfest, wie eine glitzernde
Fahne, die zur Feier ausgesteckt wird. Weiter zeigt
man auf dem Roßberg den Mangenacker, und weiter
unten den Mangensitz, wo er gerastet hat. Darauf aber
ist der Heilige hinübergezogen gegen Füssen, zuerst
an den Aletsee, wo noch die Sankt Mangenalpe ist,
und dann nach Julienbach, welches jetzt Faulenbach
heißt; und endlich ist er mit Gottes Hülfe hinüber geschritten
über die Klamm des Lechs, an der »Lusalten
«, wo noch im Felsgrund Sankt Mangentritt zu
sehen ist bis auf den heutigen Tag.
33. Sankt Mang zu Kempten und Roßhaupten.
Die vor. Schriften.
Magnus, der Apostel des Allgäus, kam auf seiner
Wanderschaft mit Thosso nach Kempten. Dort hatten
sich seit geraumer Zeit die Bewohner vor schrecklichen
Drachen und Schlangen geflüchtet, welche ihrer
statt die Häuser bewohnten. Magnus erkannte darin
einen Wink des Himmels, die Heiden durch wunderbare
Hilfe für den wahren Gott zu gewinnen. So geschah
es eines Tages, als Magnus und sein Gefährte
betend für das Volk auf den Knieen lagen, daß ein ungeheurer
Drache aus dem Gemäuer hervorbrach. Der
heilige Magnus befiehlt ihm im Namen Jesu Christi,
des lebendigen Gottes, sich vor ihm zu beugen, und
schlug ihm mit dem Stabe des heiligen Gallus auf den
Kopf. Augenblicklich stürzte das Unthier todt vor ihm
nieder, und auch alles übrige Gewürm und Ungeziefer
verschwand.
So hauste auch in der Gegend, wo jetzt das Pfarrdorf
Roßhaupten liegt, in tiefer Schlucht ein scheußlicher
Lindwurm, der Menschen und Vieh erwürgte.
Die Sage erzählt, derselbe habe besonders Pferden
nachgestellt und in seiner Höhle einen ganzen Berg
von R o ß h ä u p t e r n angelegt, woher denn nach-
mals dem Dorfe der Name R o ß h a u p t e n . Der
heilige Magnus kam dahin, ging, mit einem Kreuze
auf der Brust, seinen Stab in der einen und einen
Pechkranz in der andern Hand, auf den Lindwurm los,
und schleuderte ihm unter Anrufung Gottes den Pechkranz
in den Rachen. Das Unthier zerbarst vor seinen
Füßen, der Heilige aber dankte Gott auf den Knien für
die wundervolle That.
34. Sankt Mang und die Bären.
E r m e n r . u. T h e o d o r . Vit. S. Magni bei
F a l k e n s t e i n Antiqq. Nordg. I., 227, (e).
Der heilige Magnus war einmal auf Befehl seines
Meisters Columban in den Wald gegangen, um Aepfel
zu holen, als sich ein Bär vor ihm dort eingefunden
hatte und in gleicher Verrichtung dort beschäftiget
war. Sankt Mang befahl ihm, er solle mit Aepfelauflesen
inne halten, bis er zuvor für sich gesammelt habe,
welchem Befehl der Bär auch zur Stelle nachgekommen.
Demselben Gottesmann sind die Bären wie Lämmer,
zahm und sanftmüthig nachgefolgt, auch zu
Dienst und Befehl gewesen, wie Theodorus im Leben
des heiligen Magnus umständlicher berichtet.
35. Der Mangensprung bei Füssen.
Von? – Bei F ü s s e n bildet der Lech einen Durchbruch
durch steile Felsen; das ist der M a n g e n s p r u n g .
A . C . C a m m e r e r Naturwunder S. 123.
Wer immer heut' nach Füssen kommt,
Der sieht den Mangenstab;
Er betet, was dem Herzen frommt,
Und fragt nach Magnus Grab.
Drauf weiß wohl Keiner ihm Bescheid,
Weil keines nah und fern,
Doch gibt man Jedem das Geleit
Zum Mangen-Sprunge gern.
Da ist ein harter Felsenstein,
Ganz nah' am wilden Fluß,
Ein Tritt gar tief gegraben ein,
Er ist von Magnus Fuß.
Von da herüber sprang Sankt Mang
Zum nächsten Schroffen hin,
Wo er mit wilden Mächten rang,
Die zitterten vor ihm.
Und staunend sieht der Wandersmann
Den Tritt und weiten Sprung,
Und glaubt, daß Heilige gethan,
Was Keinem sonst gelung.
Und glaubt, daß Glaube stärker ist,
Als jeder Marmelstein,
Daß frommer Eifer schneller ist,
Als jedes Vögelein.
Und kommt auch mancher Jungherr hin,
Und mißt den großen Tritt,
Und ist zu weit nach seinem Sinn
Von Fels zu Fels der Schritt:
So spricht der Führer artiglich
Zu ihm an seiner Seit':
»Wohlweiser Mann, du irrest dich,
Dein Messen fehlet weit,
Der Mann, der solches hat gethan
War eine Kraftnatur;
Bemiß doch nicht den großen Mann
Nach deiner Zwergstatur!«
36. Das Kirchlein des Auerbergs.
Mündlich.
An der Nordgrenze des Landgerichts Füssen im
schwäbischen Allgäu, liegt der Auerberg mit einem
dem heiligen Georg geweihten, von dem umwohnenden
Volke häufig besuchten Kirchlein, von dessen Erbauung
sich im Munde des Volkes eine Sage erhalten
hat. In grauer Vorzeit kam ein gewaltiger Rittersmann
in diese Gegend. Er saß milden Anblicks auf einem
blendend weißen Rosse, mit Purpur angethan, einen
silberstrahlenden Helm auf dem Haupte. Man sah ihn
niemals, nach Anderer Art, von wildem Trosse gefolgt,
den Edelhirsch und den Eber jagen, auch hörte
man nichts von Schmausen und Gelagen auf seinem
Schlosse. Nur mit den Drachen und grausen Unthieren,
welche das Land bedrängten, lag er in Fehde, und
wo es eine Unschuld zu retten oder zu schirmen gab,
da war er männiglich bereitet. Es ward überhaupt
nichts Edles und Gutes gethan, was er nicht aus allen
Kräften beförderte. Damals gedachten die Bewohner
jener Gegend auf der Höhe des Auerberges eine Kirche
zu bauen. Sie begannen das Werk, allein es ging
wider Erwarten langsam von Statten, weil das Herbeischaffen
der Steine auf den Berg gar beschwerlich
war. Da flehten sie inbrünstig zu Gott um Förderung
und Segen ihres Beginnens, und siehe da, von selbem
Augenblicke an gedieh der Bau auf wunderbare
Weise. Denn Gott hatte ihnen einen wackern Helfer
geschickt, das war kein Anderer, als jener treffliche
Rittersmann, welcher mit den Ungeheuern und Drachen
Krieg führte. Dieser arbeitete Nachts, während
die Leute ruhten, an dem Bau der Kirche, schleppte
auf seinen gewaltigen Schultern Steine herbei und
fügte sie mit kunstreicher Hand aufeinander. In wenigen
Tagen stand die Kirche vollendet da, also daß
man ob des wunderbaren Anblickes kaum seinen
Augen trauen mochte. Mit der Vollendung des Werkes
war aber auch der wackere Bauhelfer verschwunden,
und Nichts als die Erinnerung ist dem Volke geblieben,
daß es der heilige Rittersmann – Georg gewesen.
37. Der Schatz am Kienberg.
Augsb. Unterhaltungsblatt, 1843. N. 43, S. 169.
Bei Pfronten, am Fuße des Kienbergs, wo man in das
Achthal hineingeht, liegen großmächtige Felsstücke,
darunter ein Schatz verborgen ist. Es haben nämlich
zur Schwedenzeit die geistlichen Herren umher sich
dahin gerettet und ihr Zeug geflüchtet, als: eine Kiste
voll Geld, eine Kiste voll Leinwand und eine Kiste
voll »digenem« (geräuchertem) Fleisch. Darauf ist
aber die Pest gekommen, daran sie alle gestorben
sind; und so liegen denn die Schätze alle noch unter
den Felsblöcken. Aber der muß noch gefunden werden,
der sie heben könnte.
38. Die wilden Männer.
Die vor. Schrift a.a.O.
In den Engen des Achthals bei Pfronten haben ehedem
viele »wilde Männer« gehauset, wie alle Leute
noch erzählen. So ist einer auf dem B ä r e n m o o s
gewesen, ein gar arglistiger Geist. Man sagt, er habe
zu seinen Lebzeiten mit einem seiner Freunde einen
Handel gehabt wegen einer Wiese, und habe deßhalb
einen falschen Eid geschworen. Nach seinem Tode
nun, da er noch keine Ruhe gegeben und besonders
seine Freunde aus Haß und Neid verfolgt habe, sei er
durch geistliche Mittel in's Bärenmoos hinaus verbannt
worden. Seit der Zeit blieb zu Nachts kein
Mensch mehr dort in der Nähe, und man trieb sogar
das Vieh hinweg, damit demselben der Geist nicht
schaden könne. – So hat auch der
S c h a i d b a c h m a n n viel Uebels gestiftet, wo ihm
ein Mensch ist in die Nähe gekommen, der kein gutes
Gewissen gehabt hat. Höret nur eine Geschichte:
Eines Tages gehen mehrere »Buben« in's Holz auf
den Schaidbach. Spät Abends, als sie nun zusammen
kommen in einer Heuhütte, um da zu übernachten,
hören sie auf einmal »Juche!« schreien. Die »Buben«,
wie sie eben sind, antworteten sogleich mit einem
»Juchezer«. Da aber rappelt's plötzlich über ihren
Köpfen, als wenn ein Haufen Steine über das Dach
ausgeschüttet würde. Jetzt sind die drinnen in der
Hütte freilich nicht wenig erschrocken und haben kein
Wörtlein gesagt, sondern sind mäusleinstill geblieben.
Da ruft der wilde Mann von außen: »Gebt mir
nur ein Härlein heraus von eurem Haar, so habe ich
euch sammt und sonders.« Ihr könnt denken, daß sie
das wohl haben bleiben lassen. So ist er denn wieder
ruhig geworden. Seit vielen, vielen Jahren aber hört
man nichts mehr von diesen und andern wilden Männern,
denn, wie man sagt, so hat sie der Papst Pius
VI. »verbetet«, als er in den achtziger Jahren in diese
Gegend gekommen; andere aber sagen, es habe sie
Kaiser Joseph II. auf immer gebannt.
39. Das Aelplein bei Wertach.
Von K a r l F e r n a u .
Zu Wertach nah bei Hindelang
Lebt einstmal unter Sing und Sang
Und manchem Weltentand ergeben
Herr Bach ein lustig Pfarrerleben.
Es war ein Männlein, schlau, verdreht,
Und wie es leider manchmal geht,
Obwohl zum Streiter auserkoren,
Zum Heil der Kirche nicht geboren,
Leicht glitt er über alles hin
Und nahm es kurz nach seinem Sinn.
Nun hört: ein Aelplein war gelegen
Auf hohem Berg, ein Weide-Segen,
Voll Gras und Saft und Blumenduft,
Recht in der freien Gottesluft,
Doch mühten sich in altem Streite
Drum Hindelang und Wertach beide,
Mit Zeugen und mit Dokumenten
War dieser Zank gar nicht zu enden.
Da fiel zuletzt es Einem ein:
Weil Ende muß bei Allem sein,
So soll's zum Schiedsspruch kommen! – Bach
Stand eben unter seinem Dach,
Als eine Schaar von Freund' und Feinden
Der eifersüchtigen Gemeinden
Zum Pfarrdechanten eilend kam
Und ihn zum Friedensrichter nahm.
Da waren sie am rechten Orte;
Denn alsogleich sprach er die Worte:
»Ich will nach Glaub' und Wissen schalten,
Zu keiner der Parteien halten –«
Indessen lächelt er gar fein,
Denn schnell fiel eine List ihm ein.
Schon freut' er sich, ein weltklug Männlein,
Im Geist der abgefallnen Spänlein,
Womit er seine Pfründ' und Pfarr'
Gesonnen zu bereichern war.
An Ort und Stell' der fetten Weiden
Wollt er den langen Zwist entscheiden;
Und als der Tag kam, den er wählte,
Auf den er die Partei'n bestellte,
Da hielt ein Jeder Arbeitsrast,
Und eilte hoffend und in Hast
Herbei, hinan den Bergeshang,
Ganz Wertach und ganz Hindelang.
Die Sonn' erheiterte die Herzen,
Vergessen wurden manche Schmerzen;
Denn auf der freien Gotteshöh'
Vergißt der Mensch so gern sein Weh.
Und nun Herr Bach? Den Spruch zu sprechen
Macht ihm wohl großes Kopfzerbrechen? –
Nicht doch! o, der geübte Mann
Der griff sein Ding viel leichter an.
Zerhau'n den Knoten! Alexandern
Gleich auf das Aelplein hinzuwandern,
Dacht' er im Geist: kaum konnt' er warten,
Ging schon beim Frühroth in den Garten,
Und nahm vom Brünnlein, das dort fließt,
Den Schöpfer, draus man Wasser gießt,
Und stellt ihn keck und wohlgemuth
Ueber dem Haupt in seinen Hut.
Drauf von dem Boden, wo er stand',
Faßt' er den feinsten Gartensand
Und streut' ihn sorgsam und verstohlen
Inwendig auf der Schuhe Sohlen,
Und stieg zu Pferd! O Doktor Bach,
Das geht gewiß dem Rechte nach!
Versammelt standen sie schon all',
Als Bach heraufritt durch das Thal;
Er stieg gar froh von seinem Pferde,
Fest trat er auf des Aelpleins Erde;
Und da er in der Mitte stand, –
Die Augen Aller aufgespannt –
Sprach er, der kleine Pfarrdechant:
»Ihr Leute, habt mich kommen lassen:
Seid ihr bereit, den Spruch zu fassen?
Seid ihr bereit, ihn zu vollziehen?« –
Ja! ward vom Bauernvolk geschrieen. –
»So will ich nun auf euer Klagen
Als Schiedsmann richten, thun und sagen,
Was Rechtens ist und bleibt: hört ihr!
So wahr ein Schöpfer über mir,
Steh' ich auf Wertach-Boden hier.«
Das konnt' er leicht sagen mit seinen Sohlen,
Und mit dem Schöpfer zum Wasserholen!
Der Spruch gar Manchen schlimm verdroß!
Des theuren Guts war Hind'lang los;
Durch Doktor Bach nun war es klar,
Bei wem das Recht auf's Aelplein war;
Auf Erden ließ sich's nicht mehr nehmen;
Die Andern mußten sich bequemen. –
Doch der im Himmel oben ist,
Der Herr vernahm des Dechants List,
Befand die Weise arg und schlecht
Und selbst das Urtheil ungerecht.
Der Schöpfer ließ ihn nimmer ruh'n,
Der Boden brannt' ihm in den Schuh'n;
Und als Herr Bach in kurzer Zeit
Gesegnet drauf die Endlichkeit,
Sah man – so hört man Leute sagen, –
Ihn oft zu Pferd um's Aelplein jagen,
Im schwarzen Mäntlein, wie er war,
Da er das Recht fand also klar. –
Ein Kreuz steht auf den Felsenhöh'n,
Wo einst das Aelplein grün und schön
Im reichen Gottessegen lag;
Es wurde kahl nach kurzem Tag.
40. Nehmet die Goggeler nicht mit.
Sage von W i e d e m a n n s d o r f , Landg.
I m m e n s t a d t in Schwaben, mitgeth. von K . A .
B ö h a i m b .
Zur Zeit des dreißigjährigen Krieges flohen die Bewohner
von Wiedemannsdorf, zur Pfarrei Thalkirchdorf
gehörig, in die Bergschluchten, packten Alles
auf, was lebte und schwebte, steckten die Hennen und
Hähne in Säcke; da habe eine Dirne die andern Bewohner
ermahnt: »nehmet die Hahnen nicht mit, sie
könnten uns mit ihrem Krähen verrathen.« Daher besteht
daselbst das Sprichwort: »nehmet die Goggeler
nicht mit,« was nach dortiger Deutung heißt: schafft
die Schwätzer bei Seite.