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Kapitel 11

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201. Der Dombau zu Bamberg.

Von A u g u s t K o p i s c h . – P o m a r i u s p.

185. M ü n s t e r cosmogr. l. III. bei G r i m m d.S.

II., 175.

Beim Dombau zu Bamberg ging es zu langsam her,

Da betete Frau Baba, auf daß es anders wär'!

Nun schenkt' ihr Gott ein Wunder. Damit war's so

bestellt:

Sie bracht an jedem Abend eine große Schüssel Geld.

Die setzt' sie an die Pforte und jeder Werkmann nahm

Sich selber seine Löhnung, wie er vorüber kam.

Doch mehr als er verdiente, konnt' er nicht nehmen

dort,

Und wollt' er mehr sich langen, so rollt' es wieder

fort.

Den Fleißigen schmeckt es süße, wie lauter

Honigseim,

Gewaltig griffen die Faulen, doch brachten sie wenig

heim.

Da wurden sie endlich wacker: nun bauten sie den

Chor,

Nun setzten sie Stein auf Stein da, nun stieg der Dom

empor!

Es blieb Frau Baba's Schüssel fast bis zur Hälfte voll,

Tagtäglich war sie leichter, nun ging es, wie es soll!

Tagtäglich blieb ein Groschen, nun war's der rechte

Zug!

Am Groschen war zu merken, es hab' ein Jeder g'nug.

Frau Baba sprach: »Das Wunder ist Bild vom

Himmelreich:

Da gibt es keinen Faulen, da schafft ein Jeder gleich;

Was Gott sie heißt vollbringen die Engel in schnellem

Flug,

Und wessen Jeder werth ist, deß hat ein Jeder genug.«

202. Die Schale der heiligen Kunigund.

H o f f m a n n ann. Bamb. p. 47.

Im Dom zu Bamberg befindet sich das Grab des heiligen

Paares Heinrich und Kunigunde. Ein Bildwerk

dieses Grabmales zeigt die Kaiserin, wie sie die Bauleute

der Stephanskirche bezahlt. Es war nämlich

unter den Werkleuten ein bösartiger, unzufriedener

Mann, der bestahl den Schaffner des Baues beim Ausbezahlen,

so daß die bestimmte Summe niemals zureichen

wollte. Man konnte dem Diebe lange nicht auf

die Spur kommen. Da begab sich die heilige Kunigundis

eines Tages selbst unter die Werkleute, und

hielt eine Schale dar, aus welcher sich jeder seinen

Pfennig nahm. Auch der Dieb griff in die Schale,

nahm aber, wie früher, unvermerkt mehrere Pfennige.

Kaum hatte er sie ergriffen, als ihm die Hände entsetzlich

brannten, so daß er heulend davonlief, und als

er nach Hause kam, nur noch Einen Pfennig in der

Hand hatte.

203. Der Hahn im Dom zu Bamberg.

B e r t h o l d , Geschichte von Rügen und Pommern I.,

230. bei N o r k Mythol. d. Volkssagen S. 568.

Im Dom zu Bamberg befindet sich ein Hahn, von dessen

Bedeutung man sich Folgendes erzählt: Die alten

Pommern verehrten den Hahn. Dieß benutzte der Bischof

Otto, als er zu ihrer Bekehrung auszog. Denn

indem er in einen silbernen Arm die Gebeine des heiligen

Veit einfassen, und an demselben zugleich das

Bild eines Hahns anbringen ließ, bewirkte er, daß die

heidnischen Pommern, weil sie vor dem Hahne niederfielen,

zugleich den Reliquien des Heiligen Verehrung

erwiesen. Dieses letztere geschah zwar unwissend

von ihnen, aber sie wurden dadurch doch der

gnadenreichen Einwirkung der heiligen Gebeine theilhaftig,

und um desto leichter waren sie zum Christenthum

zu bekehren.

204. Domkröten zu Bamberg.

C.v. F a l k e n s t e i n S. 105. Bericht des hist. Ver. zu

Bamberg 1840. S. 16. L. B r a u n f e l s Mainufer, S.

118.

Am Eingang des Doms zu Bamberg liegen zwei große

steinerne Thiere, welche der Sage nach Kröten sind.

Das Volk erzählt, zur Zeit des Dombaues habe der

Teufel aus besonderem Neid über den Fortgang des

christlichen Werkes zwei Thiere geschickt, halb Kröten,

halb Löwen, welche zur Nachtszeit den Bau untergruben

und beinahe zum Einsturze brachten. Wie

man der teuflischen Thiere Herr geworden, verschweigt

die Sage.

205. Adalbert von Babenberg.

Von S c h ö p p n e r . – L i u t p r a n d II. c. 3.

L a m b e r t . S c h a f n . ad. a. 907. O t t o

F r i s i n g . VI., 15. M a r i a n . S c o t . ad a. 908.

u.A. bei F a l k e n s t e i n Nordg. Alterth. II., 272.

A y r e r s Reimchronik, Bamberg 1838 S. 19.

Dem Babenberger dräuet umsonst des Königs

Schwert,

Auf seiner Veste spottet des Feindes Adalbert;

Herr Konrad, Ludwigs Bruder, erlag des Grafen Arm,

Der König fordert Rache mit seiner Mannen

Schwarm.

Doch stark auf seinem Schlosse, ein Aar im

Felsennest,

Hält sich der Babenberger mit seinen Mannen fest;

Da sinnen Ludwigs Schranzen auf einen schlauen

Rat,

Der Mainzer Bischof Hatto erfand die schnöde That.

Als Friedensherold wandelt in's Schloß der fromme

Mann

Und trägt dem Babenberger die Huld des Königs an:

»Kommt mit mir, edler Ritter! versucht der Gnade

Glück,

Ich führ' euch schlimmen Falles auf eure Burg

zurück.«

Der Ritter treu und bieder vertraut dem falschen

Mann,

Sie gehn, doch halben Weges der Erzbischof begann:

»Das Fasten mag beschwerlich bis zu dem Lager sein,

Beliebt es euch, so nehmen wir erst ein Frühstück

ein.«

»Ihr ehret mich, Herr Bischof,« versetzt der Graf

darauf,

»Begebt ihr Euch zum Imbiß auf meine Burg hinauf.«

So kehren sie noch einmal auf Babenberg zurück,

Nicht ahnt der edle Ritter sein trauriges Geschick,

Sie gehn zum zweiten Male, gelabt mit Speis und

Trank,

Ach! edler Babenberger, es ist dein letzter Gang!

Kaum tritt er in das Lager, da hält man sein Gericht,

Der König ihm das Urteil des Hochverrates spricht.

Und wie der Graf den Bischof des schnöden Truges

schilt,

Entgegnet dieser höhnend: »Ich hab' mein Wort

erfüllt,

Ich führt' zurück euch wieder!« – Der Mainzer

sprach's und lacht.

So ward der Babenberger darauf zum Tod gebracht.

206. Die Feuerprobe der heiligen Kunigund.

Nach L o h e n g r i n Nr. 754 u. P o m a r i u s S. 181

bei G r i m m d.S. II., 174. L u d e w i g script. Bamb.

I., 346. C r a n z Saxon. l. IV., c. 32 H o f f m a n n p.

52.

Kaiser Heinrich II. und Kunigund, die blieben beide

unbefleckt bis an ihren Tod. Der Teufel wollte sie da

unehren, daß sie der Kaiser zieh von eines Herzogen

wegen, mit dem sollte sie in Ungebühr stehen. Die

Fraue bot dafür ihr Recht, dazu kam manich Bischöfe

und Fürsten. Da wurden sieben glühende Eisenschaaren

gelegt, die sollte die Fraue treten. Sie hub auf ihre

Hände zu Gott und sprach: »Gott, du weißt wohl allein

meine Unschuld; ledige mich von dieser Noth, als

du thätest der guten Susanne von der ungerechten Bezeugniß!

« Sie trat die Schaar kecklich und sprach:

»sieh Kaiser, so schuldig ich deiner bin, bin ich aller

Männer.« Da ward die Fraue gereinigt mit großen

Ehren. Der König fiel ihr zu Füßen und die Herren

alle.

207. Der Gang nach dem Kalkofen.

Sage von der Gertraudenkapelle zu B a m b e r g . –

N . H a a s Geschichte der Pfarrei St. Martin zu

Bamberg S. 93. Vgl. S c h i l l e r s Gang zum

Eisenhammer.

Es war ein Edelknabe der Kaiserin, welchen man des

sträflichen Umgangs mit ihr verdächtigt hatte. Diesen

befahl der Kaiser im Kalkofen jenseits des Maines zu

verbrennen. Also gab man den Arbeitern die Weisung,

den Ersten, welcher kommen und fragen würde,

ob des Kaisers Befehl vollzogen, ohne Weiteres zu ergreifen

und in den Kalkofen zu werfen. Diesen Befehl

bewirkte ein gottloser Kämmerling Kunigundens,

indem er den unschuldigen Edelknaben beim Kaiser

verläumdete. Als nun der Jüngling, das Gebot seines

Herrn zu vollziehen, des Weges nach dem Kalkofen

wandelte, kam er an der Kapelle der heiligen Gertraud

vorüber, wo der Priester so eben das h. Meßopfer verrichtete.

Da gedachte der Edelknabe frommen Sinnes,

dem h. Opfer beizuwohnen und sodann seinen Gang

nach dem Kalkofen fortzusetzen. Unterdessen war

auch der Kämmerling herausgegangen, Nachfrage zu

thun, ob des Kaisers Gebot vollzogen. Da ergriffen

ihn die Knechte und warfen ihn in die Glut des Ofens.

Gott hatte gerichtet. Der Kaiser erkannte seinen Irr-

thum und dankte Gott, daß er der Unschuld Zeugniß

gegeben.

208. Der Truppacher Fluch.

T r u p p a c h Dorf, Ldg. B a i r e u t h , mit dem

Stammschlosse der von T r u p p a c h . – J .

H e l l e r Muggendorf S. 200.

Ein Truppacher soll es gewesen sein, welcher als

Kämmerling der heiligen Kaiserin Kunigundis, diese

bei ihrem Gemahl des Ehebruchs bezüchtigte. Sie

mußte, um ihre Unschuld zu beweisen, sich der Feuerprobe

durch das Gehen auf glühenden Pflugschaaren

unterwerfen. Nachdem sie dieses gethan, soll sie dem

Truppacher geflucht haben, daß seines Geschlechtes

nie über drei auf einmal den Harnisch tragen würden.

Und so geschah es; denn über 600 Jahre von jener

Zeit an sollen nie vier Truppacher den Harnisch getragen

haben.

209. Bamberger Wage.

Von K. S i m r o c k . – M a n l i i loci comm. coll.

p. 46. Vita S. Henrici ap. L u d e w i g I., 307.

H o f f m a n n p. 70. G r i m m deutsche Sagen I., 382.

H o r m a y r Taschenb. 1838, S. 144.

Zu Bamberg auf des Kaisers Grab,

Der einst der Welt gebot,

Der ihr Gesetz und Rechte gab

Und hielt bis in den Tod,

Ein Denkmal hat man ihm geweiht,

Das Denkmal ist von Stein –

Da thronet hoch Gerechtigkeit,

Die soll auch steinern sein.

Die Wage hält sie in der Hand

Und so geziemt's der Frau,

Und gleiches Recht ertheilt dem Land

Und allem Volk genau.

Nur eins befremdet euch zu seh'n,

Daß, wie sich deutlich zeigt,

Die Zunge, statt gradein zu steh'n

Sich einer Seite neigt.

Und eine alte Sage spricht,

So hat man mich belehrt,

Verbürgen kann ich's freilich nicht,

Doch scheint's bemerkenswerth:

Wenn einst der Wage Züngelein

Sich mitten inne stellt,

Das soll ein sich'res Zeichen sein

Vom Untergang der Welt.

Drum glaubt nicht, was Propheten lang,

Schon in die Welt posaunt,

Es ist zum nahen Untergang

Die Welt noch nicht gelaunt.

Posaunen Jericho's, der Schall

Euch viel zu früh entquillt:

Ihr seht ja, daß noch überall

Bamberger Wage gilt.

210. Bamberger Wage.

Von K . F . G . W e t z e l .

Zu Bamberg in dem Dome

Ruht Kaiser Heinrich wohl,

Der Zweite dieses Namens,

Den Jeder deutschen Samens

Mit Recht hochhalten soll.

Auf seinem Grab gehauen

Steht die Gerechtigkeit,

Zu ihrer Hand die Wage;

Davon geht eine Sage

Aus grauer Väterzeit.

Das Zünglein an der Wage

Nicht ganz die Mitte hält;

Wann's aber gleich wird stehen,

Wird man anbrechen sehen

Das Ende dieser Welt.

In Walserland bei Salzburg

Ein wilder Birnbaum ist,

Ganz ausgedorrt zu schauen,

Der, einmal umgehauen,

Frisch immer wieder sprießt.

Wenn er zum vierten Male

Ausschlägt und Früchte trägt,

Wird sein in Walserfelden

Wohl eine Schlacht der Helden,

So all' die Bösen schlägt.

Dann herrschen die Gerechten

Auf Erden eine Zeit

Noch vor dem jüngsten Tage,

Bis ihnen steht die Wage

Ew'ger Gerechtigkeit.

211. Die Jungfrau an der Fürstenthüre des

Domes zu Bamberg.

Mündlich.

Der Wärter am Jakobsthore zu Bamberg hatte eine

Tochter von großer Schönheit. Da fanden sich lüsterne

Herren, das Mägdlein zu verführen; sie widerstand

aber allen Einflüsterungen und bewahrte ihre

Unschuld. Das verdroß den Satan, und er brachte es

dahin, daß die reine bei ihrem Vater sündigen Wandels

angeklagt wurde. Der Vater glaubte den falschen

Aussagen und ließ sein eignes Kind zum Tode verurteilen.

Als sie nun hinausgeführt wurde und auf dem

letzten Gange an der Fürstenthüre des Domes die auferlegte

Buße verrichten sollte, warf sie sich auf die

Kniee und rief zur heiligen Jungfrau: sie wolle gern in

den Tod gehen, nur möge die Schmach der Hinrichtung

von ihr genommen werden. Und siehe, als sie

das Wort gesprochen, fällt ein Ziegel vom Dach mit

großer Gewalt und schlägt die flehende todt. Alles

Volk erkannte die Unschuld der Tochter, und zum

Angedenken wurden zwei Bildsäulen: der heiligen

Jungfrau und des Mägdleins – dieses fünf Ziegel in

der Hand – an der Fürstenthüre des Domes aufgestellt1.

Fußnoten

1 Fünf Gesetztafeln, als Anspielung auf die 10 Gebote.

So weiß das Volk zu deuten nach seiner Art.

212. Der Meßner zu Bamberg.

Von P h i l i p p W i l l .

Der Meßner Jobst zu Bamberg ward

Gar gern geseh'n bei frohem Schmause:

Ihn lockte mehr der Zecher Art,

Als frommer Dienst im Gotteshause.

Und wenn des Nachts bei vollem Glas

Die heiße Wang' ihm thät' erglühen

Bei Wein und Minnesold, vergaß

Er leicht des Tages heil'ge Mühen.

So war er einst vom Weine spät

Nach Mitternacht zur Ruh gegangen,

Und ohn' ein frommes Nachtgebet

Hat ihn der Schlummer bald umfangen.

Und hohl, wie aus dem Grabe tönt

Ein Pochen in des Domes Raume.

So dumpfen Tones nicht gewöhnt,

Erwachte Jobst aus schwerem Traume.

Und eilt voll Angst der Kirche zu,

Späht' rings im Tempel gar verdrossen,

Was ihn gestört aus süßer Ruh'

Ob wohl ein Beter eingeschlossen.

Er schaute nichts, doch plötzlich stieß

Sein Fuß an eines Grabmals Kante,

Das prunklos diese Inschrift wies,

Die nicht des Frommen Namen nannte:

»Es leuchte hier ein ew'ges Licht

Zu meines Namens Angedenken,

Und täglich sei's des Meßners Pflicht,

Die Lampe frisch mit Oel zu tränken.«

»Schlaf' still in deinem dunklen Haus,

Dir leuchten Gottes Sterne alle.«

So rief der Meßner frevelnd aus,

Eilt brummend aus des Tempels Halle.

Still war's. Der freche Spötter schlief.

Doch horch'! Welch' schaurig Grabespochen

Jobst wieder aus dem Schlafe rief,

Daß ihm begann das Blut zu kochen.

»So schweige doch, du todter Mann!

Was willst du mir die Ruhe stehlen?

Nicht zünd' ich dir die Lampe an,

Bis du mich suchst in meinen Pfählen.«

Es klirrt – erzittre Bösewicht! –

Es öffnet sich des Zimmers Thüre.

Da steht der Geist. »Riefst du mir nicht?

Nun folge mir, wie ich dich führe.«

Zum Dome rauscht es hin im Flug,

Das Thor geht auf, der Geist bleibt stehen

Am Grab. »Nun Jobst die Hand zum Krug,

Und thue jetzt, was nicht geschehen!«

Der Meßner that nach dem Geheiß;

Der Geist versank in Grabesstille,

Jobst aber fror das Blut zu Eis,

Geschehen war des Frevlers Wille.

Siehst du im Dom den Beter knie'n?

Jobst ist's, der Küster, frommergeben.

Der Herr hat ihm die Schuld verzieh'n,

Er führt ein bußgeweihtes Leben.

213. Ursprung der Kirche zum heiligen Grab in

Bamberg.

Eigentlicher Ursprung und Herkommen des

Jungfrauen-Klosters zum h. Grab. Bamberg 1786, S. 14.

H o f f m a n n l.l.p. 187. N. H a a s , Gesch. Der Pfarrei

St. Martin, S. 152. A. H a u p t , Bamberger Legenden u.

Sagen, S. 167.

Vor Zeiten, als noch »fahrende Schüler« singend das

Land durchzogen, kam auch ein Häuflein derselben

im Jahre 1314 nach Bamberg. Sie nahmen nahe der

Pfarrkirche St. Martin Herberge, sangen und spielten;

es war acht Tag nach Petri und Pauli. Da verlor ein

gewisser Simon all' sein Geld und seine Kleidung.

Seine Genossen verstießen ihn nun, und er nahm im

Badehaus hinter St. Martin seinen Aufenthalt. Am

Tage hatte er in einer silbernen Büchse das Allerheiligste

zu einem Kranken tragen sehen. Hätte ich diese

Büchse, dachte er, ich wollte damit aus allen Schulden

und Nöthen kommen. Der Gedanke wurde zur

That. Begleitet von dem Teufel in Gestalt eines Badeknechts

gelangte er durch ein Fenster in die Kirche,

band den Kirchner fest, welcher wachte, erbrach das

Sakrarium, und bemächtigte sich der kostbaren Büchse.

Es waren heilige Hostien darin. Ihr Anblick machte

ihm unheimlich und bange. Nach kurzem Zaudern

legte er die Hostien auf einem Kornacker nieder. Zur

Unterlage hatte er rothen Sendel genommen. Er nahm

mit dem silbernen Raube die Flucht nach Forchheim.

Dort ergriffen gestand er sein Unrecht, und wurde zu

Bamberg zum Tode verurtheilt, durch die Straßen geschleift

und gerichtet. Er starb voll Reue. Der Vorfall

setzte die ganze Stadt in Bewegung. Die Mägde des

Custos bei St. Gangolph hatten im Vorübergehen die

Hostien entdeckt. Sie eilten, die Sache ihrem Herrn,

dieser dem Pfarrer bei St. Martin zu hinterbringen.

Der begab sich an den bezeichneten Ort; nahend mit

Ehrerbietung wollte er wiederholt das Heiligthum erheben,

aber eine geheime Kraft lähmte seine Arme. So

kam der Bischof Wulfing in feierlichem Zuge, begleitet

von der Geistlichkeit und allem Volke der Stadt,

und erhob das Sakrament. Kranke und Lahme, welche

dem Zuge sich angeschlossen oder sich nachtragen

ließen, erhielten ihre Genesung. An demselben Orte,

wo der Gekreuzigte, wie dort zu Jerusalem im Grabe,

hier auf der Erde ruhte, wurde nun eine Kirche erbaut

und zum heiligen Grabe genannt. Anfangs umzäunte

man nur den Ort. Der Custos erbaute, unterstützt von

dem Bürger Tausendschön, die erste kleine Kapelle,

woraus nachmals die Kirche zum heiligen Grabe hervorgegangen.

214. Der Fürstenstreit.

Von A n d r e a s H a u p t .

Herr Wigand von Redwitz, ein fröhlicher Herr,

Saß schmunzelnd und lachend bei'm Becher,

Er möchte wohl einen Gesellen mehr,

Der alte lustige Zecher.

Er hatte in Bamberg zwei Gäste zumal,

Die beschied er zu sich in den prunkenden Saal.

Das waren der Herr von Wittenberg,1

Und der Fürst von Würzburg am Maine.

Der eine ein kleiner und harmloser Zwerg,

Der and're ein Riese bei'm Weine.

Es kamen die beiden, der eine zum Scherz,

Der and're zu laben am Weine das Herz.

Sie waren vergnügt bei'm Würfelspiel,

Und sprachen vom Fürst und vom Reiche,

Sie spielten zur Kurzweil, und wagten nicht viel,

Und leerten manch' perlende Neige,

Und wer 'ne Niete nach Hause trug,

Mußt' leeren den Becher auf Einen Zug.

»Ja, ja,« hebt jener von Wittenberg an,

»Ihr Herrn, das muß ich Euch sagen

Und daß es wahr ist, da setz' ich daran

So viel, als Ihr beide mögt wagen.

Im Reiche ist manches höchst seltene Ding:

Doch acht' ich das Alles mit Recht gering.

Denn wollt Ihr von Allem das Seltenste seh'n –

Mein, sag' ich mit Stolz, ist es eigen –

So müßt Ihr, Ihr Herrn, nach Wittenberg geh'n,

Dort will ich das Kleinod Euch zeigen.

Und seid Ihr nun wohl bei gesundem Verstand,

So schaut Ihr in anderm nur nichtigen Tand.«

»Ei doch,« hebt der Würzburger an und spricht,

»Das könnte ich nimmer verwinden,

Wenn bloß in Wittenberg, weiter nicht,

Ein Kleinod wäre zu finden.

Da kommt Ihr nach Würzburg, da zeig' ich Euch

wohl,

Wo man das Kleinod suchen soll.«

»Ihr Gäste,« versetzt der Bamberger d'rauf,

Und lächelt nach stillem Begrüßen,

»Ihr Gäste, Ihr müßt schon den Main gar herauf,

Gen Bambergs grünende Wiesen.

Hier ist Euch das Seltenste gleich zur Hand,

Ihr findet's nur Einmal im deutschen Land.«

»Nun denn,« so stimmen selbdritt sie an,

»Laßt seh'n, wer das Seltenste zeige.

Und daß sich der andere, Mann für Mann

Vor dem Eigner des Seltensten neige.

Und soll ihm verehren, so sei der Bund,

Ein Stückfaß, voll bis zum zischenden Spund.«

Und der Wittenberger beginnet sogleich,

Und spricht mit ernstem Behagen;

»Ihr Herrn, im ganzen deutschen Reich

Von den frühesten, ältesten Tagen,

Hat nie noch ein Mann solch Glück gehabt,

Und hat sich so innig und rein gelabt.

Denn seht, mein Volk ist bieder und treu

Hängt an mir mit heiligem Lieben,

Und bis auf heute so frisch und so neu

Ist dies Gefühl ihm geblieben.

Und ging ich hinaus in Waldesnacht,

Ich würde von tausend Augen bewacht.

Und macht' ich die Rund' durch des Landes Plan,

Und träfe an einsamer Stätte

Ein Bäuerlein, dem ich Unrecht gethan,

Und sagte: ›Dein Schoos sei mein Bette,‹

So schlief ich so ruhig, so sicher und kühl,

Als ständen zehn Wächter um meinen Pfühl.«

So sprach er mit inniger Herrscherlust;

»Ihr Herrn, nun wollet entscheiden;«

Und warf sich stolz und so frei in die Brust,

Wohl bist du, mein Fürst, zu beneiden.

Da nahm der Würzburger d'rauf das Wort,

Und fuhr dermassen zu prunken fort:

»Das ist wohl schön, doch das Seltenste nicht,

Das ist noch, und war schon gewesen;

So könnt Ihr, wenn Euch die Neugier sticht,

Wohl oft in der Chronika lesen,

Und glaubt nur, mein volkgeliebter Mann,

Daß kecklich der Würzburger auch das kann.

Doch sehet, es gibt was Seltneres noch,

Das stehet bei Würzburg am Maine;

Wie, freundliche Herren, ei sagt mir doch,

Habt Ihr nichts noch gehöret vom Steine?

Vom Steine bei Würzburg, der gibt mir im Jahr

Acht Fuder voll Weines, perlend und klar.

Denn solch ein Stein wohl das Seltenste ist,

Das jemals die Erde gezeuget;

D'rum wohl bedacht, was ihr thun jetzt müßt,

Ihr Herrn, Euch gehörig verneiget.

Das Volk in der Wüste hatt' auch 'nen Stein;

Doch gab er nur Wasser statt goldenen Wein.«

So sprach der von Würzburg; der Bamberger jetzt

Streicht lächelnd den Bart sich und trinket,

Und als er vom Zuge abgesetzt,

Da verläßt er den Sessel und winket:

»Ihr Herrn, nur gemach, so lang man denkt

Das Beste ward immer zuletzt geschenkt.

Ihr Wittenberger habt schon Eu'r Theil,

Das hat Euch mein Nachbar gereichet,

Bei Euch, Würzburger, hat's auch nicht Eil',

Daß man sich verbeuget und neiget,

Eu'r Steinlein ist doch nur ein winziger Zwerg

Gen den Riesen, den edlen Johannesberg.

Doch wollt Ihr seh'n in den deutschen Gau'n,

So Selt'nes, als nie Ihr gewähnet,

So müßt Ihr den Garten in Bamberg schau'n,

Der hoch auf der Brücke sich dehnet;

Und zeigt Ihr mir das an der Elbe, am Rhein,

So soll mein Stückfaß verloren sein.«

»Auf der Brück' ein Garten? – Das ist fürwahr

Ein Werk, so selten erkühnet!

Und was noch seltner – das ganze Jahr

Der Garten blühet und grünet;

Und kommt Ihr im Winter, und kommt Ihr im Mai,

Dem Gärtner ist's immer einerlei.«

Das Pärchen schüttelt das Haupt und schweigt,

Den Garten müssen sie schauen.

Und als sie die obere Brücke erreicht –

Kaum konnten den Augen sie trauen –

Vom Brückenkopf an bis zur Rathhaus-Thür,

Da grünte der Garten für und für.

Von der Thür bis zum anderen Brückenkopf

Zeigt Alles ein fröhlich Gedeihen,

Da blühten die Rosen, die Nelken im Topf,

Da lagen in zierlichen Reihen

Der Spargel, das Süßholz, das Kraut und der Kohl,

Sie lächelten zwar, doch bemerken sie's wohl.

Und drückten dem Fürsten die wackere Hand,

Die mild dem Drucke begegnet,

Wohl war kein einzig deutsches Land

An Früchten so reichlich gesegnet.

Und lächelten heiter, und schlugen ein:

»Dein, Bamberger, soll das Stückfaß sein.«

Fußnoten

1 In der Ballade: »Der reichste Fürst«: W ü r t e m -

b e r g .

215. Der Schäfer von Haid.

Mündlich.

Am Ufer des Maines erglänzet ein schönes Kirchlein

zu Ehren der Muttergottes. Wie das erbaut worden,

erzählet die Sage. Es war ein heißer Sommertag, da

ruhte ein Schäfer bei seinen Schafen unter dem Schatten

eines Baumes, der hatte einen schönen Traum,

denn es war ihm, als sähe er einen lichten Engel zu

ihm niederschweben. Der Engel aber sprach: Geh'

hinauf auf jenen Berg, dort liegen Steine, davon fülle

deine Hirtentasche siebenmal und trage sie zu dieser

Stelle, alsdann hast du Steine genug, um eine Kirche

zu bauen. Das klang dem Hirten seltsam in die Ohren,

dennoch machte er sich auf, bestieg den Berg und trug

siebenmal seine Hirtentasche voll Steine an die Stelle,

wo ihm der Engel im Traume erschienen war. Als er

nun damit fertig war, ging er hin, Maurer und Werkleute

zu holen. Wie diese kamen und das winzige

Häuflein kleiner Steine erblickten, schlugen sie ein

helles Gelächter auf. Aber das währte nicht lange,

denn ehe sie sich's versahen, waren die Steinchen

große Steine und Quadern geworden, auch wollte der

Haufen Steine, als sie zu bauen anfingen, gar nicht

abnehmen, so daß eine ganze Kirche mit sammt dem

Thurme davon erbaut werden konnte. Und als nun das

Kirchlein fertig stand und die Glocken hell erklangen,

zogen die frommen Waller von weit und breit zur

Mutter des Herrn nach Maria-Haid.

216. Des Bischofs Jagd.

Von L u d w i g B r a u n f e l s . – Die Volkssage liebt

es, schalkhaft zu werden, vorab in Deutung der

Ortsnamen. H o f f m a n n ann. Bamb. p. 19.

S p r u n e r Handb. für Mainreisende S. 39. L.

B r a u n f e l s Mainufer S. 158. Franken von G.v.

H e e r i n g e n S. 74.

'S war in der guten alten Zeit;

Der Bischof und sein Jagdgeleit,

Die thäten mal auf's Pirschen gehn.

Er sprach: »Heut muß was Rechts geschehn!

Mir schwant's fürwahr, daß diese Jagd

Noch unsern Enkeln baß beklagt.«

Nun treibt der Bischof im Revier

Ein Häslein auf, ein zartes Thier;

Doch schnell entspringt's in's Uferfeld,

»Ach, H a s ' f o r t ! « seufzt der fromme Held.

Zum Denkmal für dies große Wort

Das Städtlein H a ß f u r t baut' er dort.

Und wie er schier den Muth verlor,

Da blicken plötzlich halb hervor

Zwei Hasenlöffel hinter'm Kraut,

»Ha, d e r i s ! « ruft der Bischof laut.

Zum Denkmal für dies große Wort

Das Kloster T h e r e s baut' er dort.

Der Has vergoß sein junges Blut.

Da sprach der Bischof wohlgemuth:

»Auf Pirschen bürsten, heißt der Reim;

Drum, habt ihr Jäger Durst, g e h t h e i m ! «

Zum Denkmal für dies große Wort

Das Dörflein G ä d h e i m baut' er dort.

O Vorzeit, die in Stein und Erz

Verkörpert fürstlich frommen Scherz!

Wo Stadt und Dorf und Kloster flugs

Aus der Geschichte Boden wuchs!

O Zeit, wir weckten dich so gern;

Doch ach! du schläfst den Schlaf des Herrn.

217. Der wandelnde Prior.

Von F . J . F r e i h o l z .

In Ebrachs Klosterhallen

Geht oft ein Geist umher

Im Grab zwar darf er liegen,

Doch ruhen nimmermehr.

Er war in Ebrach Prior,

Doch hielt er nichts aus Pflicht,

Drum darf er nimmer sterben,

Bis zu dem Weltgericht.

So oft ein ander Schicksal

Dem Kloster steht bevor,

Steigt er zur Geisterstunde

Aus seinem Sarg empor.

Er geht durch alle Säle

Bis hin zum Gotteshaus,

Dort spricht er dann mit Beben

Die Unglücksmähre aus.

Und weithin in die Runde

Hört jedermann den Geist

Der Kloster Ebrach Unglück

Und Mißgeschick verheißt.

Zweimal ist er erschienen,

Kömmt er zum drittenmal,

Dann droht dem alten Kloster

Wohl gänzlicher Verfall.

Und stürzen Ebrach's Mauern

In Trümmer und in Graus,

Dann darf er ruhig liegen

In seinem Bretterhaus.

Doch sterben darf er nimmer,

Wenn Alles auch zerbricht,

Sein Geist darf nicht vom Leibe,

Ob der verletzten Pflicht.

218. Vom Götzen Lollus in Franken.

F a l k e n s t e i n Thuring. Chronik I., K. 4.

Am Main, in der Gegend, wo nach der Zeit Schweinfurt

erbaut worden, wurde zur Zeit des Heidenthums

ein Götze verehrt, der L o l l u s hieß. Sein Bild war

von Erz, einem Jünglinge gleichend. Auf dem Haupte

trug er ein krauses, gelbes Haar. Um den Hals über

die Brust herunter, hieng ein Kranz von Mag- oder

Mohnsaamenköpfen. Mit der rechten Hand griff er

nach dem Munde, und faßte mit dem Daumen und

Zeigefinger die Zunge; mit der linken aber hielt er

einen Becher Wein, in welchem Kornähren lagen. Er

war ganz nackend und hatte um den Leib einen

Schurz. Das Bildniß stand in einem nächst dem Main

gelegenen Hain, der mit einem Zaun umgeben, wo

ihm das Volk zu gewissen Zeiten Trauben und Kornähren

zu opfern pflegte. Ein Strich Landes wird noch

heutigen Tages das »Löhle« oder »Lölle« genannt.

219. Die Jungfrauen der Petersstirn.

L. B e c h s t e i n , die Sagen des Rhöngeb. und des

Grabfeldes S. 156. H ä n l e u. S p r u n e r Handb. für

Mainreisende S. 51.

Das Jungfrauenkloster auf der P e t e r s s t i r n wurde

später in ein Mönchskloster verwandelt und 1283, als

es schon ganz verfallen war, an den Deutschherrenorden

abgetreten, der ein Ordenshaus daraus machte.

Auf dem Berge, wo das Kloster stand, der jetzt ganz

mit Rebenpflanzungen überdeckt ist, soll ein großer

Schatz vergraben liegen. Viele haben schon zu verschiedener

Zeit und Stunde drei Jungfrauen in schneeweißen

Kleidern auf diesen Mauertrümmern sitzen

sehen. – Einer Frau aus Schweinfurt erschienen einst

diese drei Jungfrauen im Traume und sagten ihr an,

sie möge auf die Petersstirn gehen und dort einen

Schatz heben. Sehr frühzeitig erwachte die Frau, kleidete

sich an und ward von einer wahren Sehnsucht

nach jenem Orte erfüllt, dem sie unverweilt zueilte.

Schon stand sie am Fuße des Berges, als die ersten

Strahlen der Morgensonne jene Mauertrümmer und

das kleine Häuschen vergoldeten, welches daneben

für die Weinbergshüter erbaut ist; da erblickte sie

droben die drei Jungfrauen gerade so, wie sie ihr im

Traume erschienen waren, freundlich winkend. Aber

der wunderbare Anblick dieser geisterhaften Wesen

erschreckte die Frau auf den Tod, so daß sie bewußtlos

niedersank. Andere Weinbergsleute fanden sie und

brachten sie wieder zum Bewußtsein. Hastig blickte

sie nach den drei Jungfrauen, doch diese waren verschwunden.

Als die Frau zu ihrem Mann zurückgeführt

wurde, schmälte dieser sie aus, daß sie nicht

mehr Muth an den Tag gelegt, sie würde ihr und sein

Glück gemacht haben. Auch einem Bürger aus

Schweinfurt sind auf der Mainleite, dicht über der Petersstirn,

da er auf der alten Straße fuhr, in einer stürmischen

Novembernacht die drei Jungfrauen, schleierweiß

auf der Mauer stehend, erschienen. Und es

schauerte ihn, daß er eilend vorüberfuhr.

220. Die goldgekrönte Schlange.

Die vor. Schriften.

Auf der Petersstirn ist schon oftmals eine Schlange erblickt

worden, die trägt auf ihrem Haupte ein goldenes

Krönlein. Einst ging ein Häcker (Weinbergsmann)

den Berg hinauf, wo noch die geringen Mauerschädel

des alten Klosters liegen; da rauschte mit raschem

Ringeln ihm eine große und glänzende Schlange

entgegen, die trug auf dem Haupt eine goldene

Krone und im Maul ein großes Bund Schlüssel, die

glitzerten und klingelten wie Silber. Der Häcker entsetzte

sich, hob seinen Karst, um nach der Schlange

zu schlagen, da sah ihn die Schlange wehmüthig an,

und bezauberte ihn mit ihrem Blick, daß er regungslos

stand, und da sah er denn, daß sie weinte wie ein

Kind. Als das einige Minuten gedauert, schwand die

Schlange in die Erde, und war ihm aus den Augen und

hinweg und war nirgends im Boden ein Loch zu

sehen.


Sagenbuch der Bayrischen Lande

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