Читать книгу Sagenbuch der Bayrischen Lande - Alexander Schöppner - Страница 4
Kapitel 1
Оглавление1. Die Sage vom Untersberg.
Von A . A . L . F o l l e n . – Der U n t e r s b e r g bei
B e r c h t e s g a d e n auf B a y e r n s und
O e s t e r r e i c h s Grenzscheide, gleich dem
Kyffhäuser ein wahrer Königspalast der Sage. Vergl.
Frater F e l i z i a n ' s merkwürdige Reise zum Kaiser
Karl im Untersberg. Salzburg, 1787. Beschreibung vom
Untersberg. Brixen, 1850. H . F . M a ß m a n n der
Untersberg. München, 1831. L. B e c h s t e i n
Volkssagen Oesterr. I., 72. G r i m m deutsche Myth. II.,
190. L. S t e u b Aus dem bayerischen Hochlande, S.
161. ff. Wiederholungen der Sage in Gedichten von
E . v . S c h e n k , J . N . V o g l , T h .
C r e i z e n a c h , F . G . P o c c i , G . M ü h l
u . A .
Nun höret Wunder sagen
Vom tiefen Untersberg:
Ihn hat in Heidentagen
Gehöhlt ein wild Gezwerg;
Der Wölbung Breit' und Länge
Ist mächtig ausgespannt,
Und gehn zwölf Geistergänge
Hinauf in's deutsche Land.
Auf unterird'schen Matten
Dort athmet fremde Luft,
Wo nie getrübt sich gatten
Der Blumen Licht und Duft;
Dort stehn zwei reiche Bronnen
In Marmel wohlgethan,
Die treiben recht mit Wonnen
Thausprudel himmelan.
Zur Rechten draus und Linken
In tiefem Wiesengrün
Die Blumen sieht man trinken
Und mannigfach erblühn:
Bis beide Flüss' im Strome
Zum Marmelbecken gehn,
Und vor dem goldnen Dome
Als Silberspiegel stehn.
Dem Dom genüber spiegelt
Vier Riesen diese Fluth,
Die Arme sind versiegelt,
Ihr Stolz gelähmte Wuth;
Es ruht ihr demantsteinern
Arm-, Brust- und Nackenband
In eines viermal kleinern
Gekrönten Helden Hand.
Dringt unsre Sonne nimmer
In's unterird'sche Haus,
Doch geht ein Heil'genschimmer
Von Domes Kuppel aus;
Empor zwei Thürme schießen
Von buntem Edelstein,
Und ihre Blumen sprießen
Und sonnen sich im Schein.
Zwei Säulenbündel tragen
Die Heil'gen ob dem Thor,
Und stehn in's Kreuz geschlagen
Zwei Kreuzesschwerter vor;
Das ein' ist diamanten,
Das ander' ist Rubin,
Smaragd- und Saphirkanten
Die Griff' und Knäuf' umziehn.
Hoch donnernd und ergötzlich
Das Domgeläut' erschallt,
Und schafft lebendig plötzlich
Den Palm- und Eichenwald;
Dann ziehn viel reine Pfaffen
Voll Eifer nach dem Dom,
Und Volk in hellen Waffen,
Ein wogenvoller Strom.
Zweifach den Bart gespreitet
Auf goldnes Brustgewand,
Voran mit Krone schreitet
Ein Held, den Stab in Hand:
Das sind die Streiter Christes
Und die vom deutschen Reich,
Und Karl der Kaiser ist es,
Ein Hirt und Held zugleich.
Im Klang geweihter Harfen,
Im Waffenblitz und Licht,
Geht Karl mit einem scharfen,
Tiefsinnigen Gesicht;
In all' dem Volk wie einsam:
Ein heilig Herrscherbild,
Und doch so treu gemeinsam,
Mit Allen traut und mild.
Wie lang' die deutschen Helden
Dort unten halten Wacht:
Das muß die Zukunft melden
Und steht bei Gottes Macht;
Imgleichen was sie singen,
Und segnen leis und laut,
Ist von verborgnen Dingen
Und Gottes Herz vertraut.
Auch dämmert in der Nische
Dort Kaiser Friederich.
An einem Marmeltische
Bezaubert hält er sich;
Doch wann den Tisch zum dritten
Sein Funkelbart umreicht,
Dann kommt er vorgeschritten
Und Bann und Zauber weicht.
Dann fängt im Walserfelde
Der Baum zu grünen an, –
Und das ist sichre Melde:
»Bald wird die Schlacht gethan!«
Und wird er Früchte tragen
Am strotzenden Geäst:
»Dann wird die Schlacht geschlagen,
Dann kommt das Erntefest.«
Dann hebt es an zu raunen
Im Volk von Land zu Land,
Dann blasen Heerposaunen
Die Welt in Waffenbrand,
Drängt Alles zum erdorrten,
Ergrünten Baume schon:
Aus Unterberges Pforten
Steigt Karl zum hohen Thron.
Dann soll'n die Guten richten
Die Bösen allzumal,
Zerschlagen und zernichten
Bei Wals im Rachethal.
Dann strahlt in hehrem Feiern
Vom Baum der Welfenschild,
– Und Keiner kann entschleiern
Den Geist von diesem Bild.
2. Der Kaiser im Untersberg.
Histor. Schatzkästlein für Bayern. München, 1832. I., 7.
Noch waren zehn Jahre nicht vorüber, als Luther
seine Reformation begonnen. Da ging ein andächtiger
Bürger von Reichenhall eines Sonntags nach der
Frühmesse weit aus lustwandeln. Er kam an den Untersberg,
sah mit Erstaunen den Berg offen wie durch
ein Kapellenthörlein, darüber eine Inschrift mit silbernen
Buchstaben, einer Sprache, die kein Sterblicher
gehört. Ihm entgegen schritt ein eisgrauer, ehrwürdiger
Mönch mit einem mächtigen Schlüsselbund, ganz
in ein großes Buch vertieft. Eine ungeheure Pforte
flog klirrend und prasselnd auf und auf einer schönen
Wiese stand eine unendliche Kirche mit zweihundert
Altären und mehr als dreißig Orgeln. Zweimal dreihundert
Mönche sangen die Horen. Darauf schlug die
große Glocke markerschütternd und doch lieblich an,
und aus allen Winkeln kam zahlloses Volk zum
Hochamt. Nach dem Gottesdienst bewirthete der
Mönch den Reichenhaller Bürger köstlich und führte
ihn umher in den Wendungen des Berges. Da sah er
den Barbarossa, der einst in den Pabsthändeln Salzburg
mit Feuer und Schwert verwüstete, unter betäubendem
Kriegeslärm, Trommelwirbel und Tromme-
tengeschmetter und wehenden Fahnen, – dann wieder
in einsamer Majestät den großen Karl mit dem langen
Silberbart. Reicht der das zweite Mal die ganze lange
Tafel herum, so bricht der jüngste Tag herein. – Lustwandelnd
begegneten sie auch vielen unlängst verstorbenen
Bayerfürsten, Herren und Frauen, Salzburger
Erzbischöfen, Pröbsten von Bertholsgaden und St.
Zeno. – Auf die Frage, was diese hier thäten, gab das
Mönchlein dem Reichenhaller Bürger eine solche
Maulschelle, daß er glaubte, alle neun Chöre der
Engel singen zu hören und diesen Backenstreich bis
an sein Lebensende verspürte. Doch wurde er wieder
freundlich und schlug ihm uralte, mächtige Bücher
auf aus Thierhäuten und Baumrinden. Darin stand
Vieles von den Strafen der Gottlosen, von Türken und
Schweden, vom Gräuel der Verwüstung, daß die
Wölfe wieder in die Städte dringen und in Salzburg
ihre Jungen hinter St. Ruperts Altar legen würden;
von zwei großen Schlachtfeldern am Rhein und auf
den Walserfeldern bei Salzburg und wie zuletzt der
Barbarossa mit den Seinen aus dem Bergesdunkel
steigen und den Sieg entscheiden werde. – Dann zeigte
der Mönch dem Reichenhaller Bürger die zwölf betretenen
Ausgänge aus dem Untersberg in verschiedenen
Gegenden. In einer derselben wies er ihm einen
dürren Birnbaum, der schon einmal umgehauen worden,
aber aus der Wurzel frisch wieder ausgetrieben.
Wenn der wieder umgehauen, noch einmal grüne und
Früchte trüge, werde ein wehrhafter Bayerfürst zu
dem Baume treten, seinen Schild daran hängen, allen
Neidern und Widersachern obsiegen und Bayern groß
machen.
Gütig entließ der Mönch den Reichenhaller Bürger
auf den alten Weg. Bei jäher Todesstrafe verbot er
ihm, sich umzusehen und bevor fünfunddreißig Jahre
verflossen, Etwas von diesen Geschichten irgend einer
lebendigen Seele zu offenbaren.
3. Karl der Große im Untersberg.
Von K a r l U l m e r .
Da wo der Alpen Gruppe
Umgränzt den bayrischen Gau,
Erhebt mit hoher Kuppe
Ein Berg sich düstergrau.
Dort hört man bald ein Gedröhne,
Wie schaurigen Waffenklang,
Bald rauschende Orgeltöne
Und hehren Festgesang.
Tief in des Berges Schooße
Erstreckt sich ein hoher Saal;
Drin hauset Karl der Große,
Die Recken mit ihm zumal.
Mit Zepter und Kaiserkrone,
Mit langem, weißen Bart,
So sitzt er auf marmornem Throne,
Und waltet nach alter Art.
Oft fragt er nach seinem Volke,
Ein Herold gibt Bericht;
Da mehrt sich stets die Wolke
Auf Karol's Angesicht.
Und neben steigt im steilern
Geschicht ein Gewölb empor,
Getragen von strebenden Pfeilern,
Mit Orgelruf und Chor.
Hier steht, umstrahlt von Lichtern,
Der Bischof am Altar,
Um ihn mit strengen Gesichtern
Der Priester greise Schaar.
»Die Kirche – sie ist zerfallen,«
Erschallt des Bischofs Wort:
»Doch lebt in unsern Hallen
Der wahre Glaube fort.«
»Das Reich – es liegt in Trümmern,«
So ruft der Kaiser mit Macht:
»Doch webt es, ohne Verkümmern,
Hier unten in firner Pracht.«
»Und sind erfüllt die Zeiten,«
Erwiedern Alle zugleich:
»Dann wappnen wir und bereiten
Das neue, heilige Reich.«
4. Friedrich der Rothbart im Untersberg.
K o c h - S t e r n f e l d , Geschichte von Berchtesgaden
I., 75. G. M a ß m a n n a.a.O.
Die Marmorgewölbe des Untersberges umschließen
den gebannten Kaiser Friedrich, sein Hoflager und
seine Heerschaaren; in langen Zügen wallen die vertriebenen
Mönche durch Erdklüfte unter Seen und
Flüssen nach den benachbarten Kirchen und feiern in
St. Bartholomä, in Gredig, im Münster Berchtesgadens
und im hohen Dom der Hauptstadt zur Mitternachtsstunde
unter Glockenklang und Orgelton den
Gottesdienst. Kriegerische Musik und Waffengeklirr
schallt, besonders bei nahendem Kriege, aus des Berges
Höhlen; wilde Ritter und Knappen durchstürmen,
dem Landvolk zum Schrecken und sich zur Pein, auf
feurigen Rossen, in glühenden Panzern, mit sprühenden
Waffen, die benachbarten Gefilde. Sie eilen mit
scheidender Nacht wieder in den Berg zurück, dessen
eherne Pforte zwischen den eingestürzten Oefen (Felsklüften)
beim Hallthurm hinter den Trümmern der
Burg Planen dem Wandrer nur selten und augenblicklich
sichtbar wird. Hier harren diese Gebannten unter
Gebet und guten Werken ihrer Erlösung und jenes
furchtbaren Tages, da Unglauben und Gewalt den
höchsten Grad erreichen und die Völker sich wie im
Wirbelwind an einander drängen werden, um auf der
weiten Ebene von Wals die Völkerschlacht zu schlagen,
in der Kaiser Friedrich mit seinen Heeren der
guten Sache den Sieg erringt.
5. Ein Wanderer in den Untersberg.
L. B e c h s t e i n , die Volkssagen, Mährchen und
Legenden Oesterreichs. I., 75 ff. M a ß m a n n a.a.O.
In der Salzburger und Berchtesgadner Gegend geht
ein altes, seltenes Büchlein von Hand zu Hand, das
beschreibt eine gar wundersame Mähr, die sich mit
einem Manne, Namens Lazarus Aigner (nach Andern
Gitschner), zugetragen und in dem Büchlein von ihm
selbst für wahrhaftig beschrieben wird.
Es war im Jahre 1529, als dieser Mann, ein Diener
des Stadtschreibers zu Reichenhall, mit seinem Herrn,
dem Pfarrer Martin Elberger und noch zwei andern
Männern aus Reichenhall auf den Untersberg gingen.
Da kamen sie zu einer Felsenschlucht, der hohe Thron
genannt, wo ein Loch in den Berg ging. Unter dem
Felsen stand eine Kapelle, die trug eine Schrift von
silbernen Buchstaben, welche die Wanderer ansahen
und lasen. Nachher sind sie wieder nach Hause gegangen.
Später kam unter ihnen das Gespräch auf die
Schrift, deren Buchstaben ihnen entfallen waren, und
der Pfarrer sprach zu Aigner, er möge doch nochmals
hinaufgehen und die Schrift abschreiben. Dieser ging
an einem schönen Septembertage, der ein Mittwoch
war, allein auf den Berg, fand die Schrift mit uralten
Buchstaben in die Wand gehauen, und schrieb sie ab:
S.O.R.C.E.I.S.A.T.O.M. Ueber dem Aufschauen und
Abschreiben dieser alten Inschrift wurde es Abend
und zu spät, den Rückweg anzutreten. Daher bettete
sich Lazarus nahe der Höhlung auf weiches Moos und
entschlief. Am andern Morgen machte er sich auf und
wollte wieder hinab nach Reichenhall, sah sich jedoch
zuvor im Gehen ein wenig in die Weite um und siehe!
plötzlich steht vor ihm ein barfüßiger Mönch, der
betet aus einem Buche und trägt eine große Bürde
Schlüssel auf der Achsel. Jetzt redet der Mönch ihn
an: »Wo bist du gewesen? Wo gehst du hin? Hast du
gegessen oder bist noch hungrig?«
Lazarus antwortete schlecht und recht, und der
Mönch hieß ihn mit sich gehen. Sie gingen aufwärts
gegen den hohen Thron, kamen wieder an eine Felskluft,
die war mit einer eisernen Thür versperrt, welche
der Mönch mit einem seiner Schlüssel aufschloß,
und dann traten sie in den Berg ein. Der Mönch
sprach zu Lazarus Aigner: »Lege deinen Hut allda
nieder, so kannst du wieder heraus; innen aber sprich
zu Niemand ein Wort, es sage einer zu dir, was er
wolle. Mit mir darfst du reden und mich fragen, was
du willst. Merke auch wohl, was du siehest und hörest.
« Innen zeigte sich ein großer Thurm mit einer
goldgezierten Uhr. Da sprach der Mönch: »Schau auf
die Uhr, auf welcher Stund' der Zeiger steht und um
welche Stund es ist.« Es war sieben Uhr. Als Lazarus
Aigner aufschaute, sah er ein herrliches Gebäu mit
einem doppelten Glockenthurm, wie ein ansehnliches
Kloster, das auf einer schönen weiten Wiese lag. Ein
Brunnen war daneben mit schneekaltem Wasser,
rundum war schöner grüner Wald. Der Wanderer kam
mit dem Mönch in eine Kirche, die so weit war, daß
er von der hintern Kirchthür kaum auf den Chor hinaufsehen
konnte. Dort beteten Beide, und der Mönch
hieß den Mann in einem Stuhle bleiben und sagte
ihm, daß die Kirche zweihundert Altäre habe und
über dreißig Orgeln. Als Lazarus in dem Stuhle saß,
kamen eine Treppe herunter mehr als dreihundert
Mönche, alte und junge, blickten ihn scharf an, gingen
auf den Chor und sangen die Horas andächtiglich.
Nun erklangen alle Glocken, und unzählbare Schaaren
Andächtiger, angethan mit herrlichen Kleidern, erfüllten
das unterirdische Gotteshaus. An allen Altären
wurde Messe gelesen und das Hochamt gesungen, und
alle Orgeln erdröhnten, und zahllose Instrumente wurden
laut mit himmlischer Musik. Dann verlor sich das
Volk und die Mönche wandelten wieder an dem Erstaunten
vorüber. Hernach führte der Mönch Jenen
eine Treppe von achtzig Staffeln hinauf in einen Speisesaal
voll hoher doch unverglaster Kirchenfenster zu
beiden Seiten, daraus man hinabsah auf die Wiese.
Daran stieß der Convent, oben gewölbt und mit schönen
Fenstern wohl versehen. Darinnen standen lange
Tische, und an einem derselben speiste der Mönch
den Lazarus Aigner mit üblicher Klosterkost und
einem Becher Wein. Zur Nonzeit (drei Uhr Nachmittags)
gingen Beide wieder in die Kirche, die wieder
voll Volkes war. Nach der Non gingen sie in die Bibliothek,
da sah Aigner viele Leute auf dem Anger hin
und her gehen, und auf Befragen, wer diese seien, antwortete
der Mönch: »Es sind alte Kaiser, Könige,
Fürsten, Bischöfe und andere Ritter, Herren und
Knechte, Edle und Unedle, auch Frauen, christliche
Leute, welche den christlichen Glauben zur letzten
Zeit Untergangs der Welt helfen erretten und vertheidigen.
«
Die Bücher in der Bibliothek waren uralt, aus
Baumrinden und Häuten und mit alten unbekannten
Buchstaben beschrieben. Vieles las und erklärte der
Mönch. Zur Vesperzeit gingen Beide abermals in die
Kirche, dann in den Convent zum Speisen, dann in
die Complet. Darauf ordnete sich ein langer Zug der
Mönche mit Büchern und Laternen, und gingen je
zwei und zwei nach dem hohen Thurme, durch welchen
Lazarus eingegangen war in den Untersberg. Da
sah man zu zweien Seiten sechs Thüren, und der
Mönch nannte zwölf verschiedene Kirchen in der Umgegend,
in welche man durch diese Thüren gelange,
nach Salzburg, Reichenhall und andere. Er sprach:
»Jetzt gehen wir nach St. Bartholomä bei Berchtesga-
den;« und so that sich die eine Thür auf, und sie gingen
in einem breiten und schönen Gange fort und fort.
Einmal sagte der Mönch: »Schau, Lazarus, jetzt
gehen wir tief unter dem See,« damit er den Königssee
meinte, an welchem St. Bartholomä gelegen ist. In
der Kirche sangen sie die Metten und gingen dann zurück.
Der folgende Tag wurde vollbracht, wie der erste,
nur daß sie zur Nacht in den Dom zu Salzburg gingen
und dort ihr Gebet verrichteten. Hernach lasen sie in
der Bibliothek die großen Bücher voll alter Geschichten
und zukünftiger Ereignisse, und der Mönch sprach
viele Weissagungen, wie es dermal einst in der Welt
sich zutragen werde. Als sie so lasen und mit einander
sprachen, ersahen sie einen Kaiser unter dem Volke,
mit Kron' und Scepter, der hatte einen grauen Bart
vom Haupte bis zum Gürtel, und der Mönch sagte:
»Das ist Kaiser Friederich, welcher einstens auf dem
Walserfelde ist verzuckt worden. Schau ihn wohl an,
er ist in solcher Gestalt, wie er ist, verloren gegangen.
« Auch andere verstorbene Fürsten und edle Herren
mehr erblickte Lazarus, auch seiner noch lebenden
Bekannten Etliche, und fragte den Mönch was diese
in dem Berge machten und ihr Thun und Lassen sei?
Da gab ihm der Mönch eine solche derbe Maulschelle,
daß er sie sein Lebelang empfand, und sprach zornig:
»Was bedarfst du Wissens und Forschens nach
den Geheimnissen Gottes?« –
So waren nun bereits sieben Tage vergangen, als
der Mönch sprach: »Lazarus, nun ist es Zeit, daß du
wiederum hingehest, oder willst du hierinnen verbleiben,
so magst du es auch thun.«
Aigner antwortete: »Ich will hinausgehen.«
So geleitete ihn der Mönch zu dem Thurme, versah
ihn mit Zehrung und guter Ermahnung, hinfort demüthig
zu leben, hieß ihn auch wieder auf die Uhr
schauen, deren Zeiger eben wieder auf sieben stand,
und den Hut aufsetzen, der noch dort lag. Dann redete
er noch Manches von künftigen jämmerlichen und
kümmerlichen Zeiten, so noch kommen würden, und
schlüßlich befahl er ihm, er solle Alles, was er gehört
und gesehen in dem wunderbaren Berge, fleißig merken
und beschreiben, doch nicht eher, als nach fünfunddreißig
Jahren. Zuletzt segnete er ihn und sprach:
»Nun gehe hin im Namen des Friedens, du wirst
schon dermal einst wieder zu mir kommen! Schaue
dich auch nicht um!«
Und so kam Lazarus Aigner mit Zittern wieder hervor
aus dem Schooße des Untersberges und herab
nach der Stadt Reichenhall, und war ganz stille.
6. Das Schloß der Zwerge.
Von S c h ö p p n e r . – S. Beschreibung vom
Untersberg, Brixen, 1850.
Ein Bauer hat erzählt: ich fuhr ein Fuder Wein
Am Untersberg vorbei von Salzburg nach Hallein.
Es war bei Niederalm am Brückenkopf gerade,
Als mir von ungefähr ein graues Männchen nahte.
»Grüß Gott! mein lieber Hans, wohin mit deinem
Wein?
Ei folge mir zum Berg, ich will dein Käufer sein.«
Ich schüttelte den Kopf, der Antrag schien mir Posse,
Und trieb mit hellem Knall zu rascher Fahrt die
Rosse.
Da springt der Zwerg mit Wut hervor und donnert:
halt!
Und zähmt der Rosse Mut mit riesiger Gewalt.
Mir gruselte vor Angst, es sträubten sich die Haare:
»In Gottes Namen denn! befehlet nur, ich fahre.«
Das Wichtlein ging voraus, ich fuhr bedenklich nach,
Da überkam mit Macht ein Schlaf mich allgemach.
Doch hielt der Schlaf nicht lang, und als ich jetzt
erwachte,
Ein wunderschönes Schloß vor meinen Augen lachte.
Auf einem Felsen hoch gebaut von Marmelstein,
Die Fenster von Krystall im Morgensonnenschein.
»Wolan, mein lieber Hans!« begann hierauf der
Kleine,
»Das ist der Markt, dahin du fährst mit deinem
Weine.«
So fuhr ich durch das Thor mit hellem Peitschenknall,
So daß des Hofes Raum erklang vom Wiederhall.
Da kamen wie geweckt viel hundert kleine Leute
Und hüpften auf mich zu und grüßten voller Freude.
»Willkommen lieber Hans! sei froh und wohlgemut,
Bei uns ist Ueberfluß und Küch' und Keller gut.«
Sie spannten hurtig dann die Rosse von dem Wagen
Und sorgten in dem Stall für deren leeren Magen.
Mich selber brachten sie in einen Speisesaal,
Darinnen duftete der Tisch vom besten Mahl.
Doch schmeckte leider mir kein Trinken und kein
Essen,
Ich konnte meinen Wein und Wagen nicht vergessen.
Und als ich nun gespeist, da zog der Zwerge Troß
Mit Ungestüm mich fort, zu zeigen mir das Schloß.
Ein Flügel that sich auf, da ward ein Saal betreten
Geschmückt mit Stickerei auf seidenen Tapeten.
Doch war ein zweiter Saal noch herrlicher an Pracht,
Die Decke und die Wand von purem Gold gemacht.
Die Fenster von Krystall und spiegelglatt der Boden
Mit Steinen wohlgefügt, mit weißen und mit rothen.
Und an den Wänden rings erblickt' ich Ritterwehr
Und Waffen mancherlei von edlem Golde schwer.
Und mitten in dem Saal da standen erzgegossen
Der Riesenbilder vier, mit Ketten angeschlossen.
Und ob den Vieren stund ein gülden Königlein,
Das schien der Recken Herr und Oberster zu sein.
Da fragt' ich einen Zwerg, was dieser Bilder Sinn sei;
Der gab mir den Bescheid, daß Wissen kein Gewinn
sei.
So sah ich manchen Saal von wunderbarer Pracht,
Doch endlich traten wir in einer Wölbung Nacht.
Nur spärlich drang der Tag durch eines Loches
Spalte,
Ich schaute flugs hindurch in eines Hofes Halde.
Da sah ich eine Schaar der schönsten Frauen gehn,
Dergleichen nie mein Aug' hat Schöneres gesehn.
Doch faßte flugs ein Zwerg mich an dem Zopf
behende
Und machte süßem Schaun gewissenhaft ein Ende.
Darnach gelangten wir in eines Kellers Raum,
Der war so riesengroß, ich sah das Ende kaum.
Da lagen ohne Zahl die Fässer goldnen Weines,
Der Nektar von Tirol, der Himmelsthau des Rheines.
Da setzten sich die Herren auf eine Bank von Stein
Und sagten schönen Dank für meine Fuhre Wein;
Und Einer kam daher mit schwerem Sack beladen
Und zählte auf den Tisch die prächtigsten Dukaten.
»Das nimm,« begann der Wicht, »an Zahlung für den
Wein!« –
Ich schob mit großem Dank die goldnen Füchse ein.
Darauf entließen mich die Wichtlein aus dem
Schlosse,
Schon harrten wolgeschirrt am Wagen meine Rosse.
Ich schwang mich lustig auf und fuhr in leichtem Trab
Des goldnen Glückes froh den Wunderberg hinab.
7. Vom Hans Gruber und der goldenen Kette.
Die vor. Schrift.
Hans Gruber, Bürger und Gastgeber zu Salzburg, der
auch Holzmeister auf dem Untersberg war, ein
schlichter rechter Mann, saß einst auf dem Untersberg
auf seinem grünen Plätzlein, wo er immer gesessen
war, und sah den Holzknechten zu, wie sie Holz
machten. Als er nun an einem Tage sein Brod gegessen
und von einem Brünnel, das in der Nähe seines
Plätzchens war, getrunken hatte, trug sich Folgendes
zu. Während er den Knechten, über die er Holzmeister
war, zuschaute, stand auf einmal zunächst der
steinernen Wand eine eiserne Thüre offen, und eine
Person, die wie ein Mönch aussah, sagte zu ihm:
»Hans, geh herein!« Aber der Holzmeister getraute
sich nicht, und ging nicht. Abermals sprach der
Mönch: »Hans, geh herein!« Aber der Hans ging
nicht; denn er fürchtete sich. Zum drittenmale sprach
der Mönch: »Sieh! wenn du hereingehst, so gebe ich
dir die goldene Kette, die ich hier am Arm trage!«
Hans sah die Kette an seinem Arm wohl, aber er
sprach: »Gib mir nur ein Glied von dieser Kette, so
bin ich zufrieden, aber hinein gehe ich nicht, denn ich
fürchte mich.« Da riß der Mönch drei Glieder von sei-
ner Kette ab und warf sie dem Holzmeister in den
Hut, in den sie gerade fielen. Laß diese Niemanden
unter drei Tagen sehen, und sei froh, daß du sie gerade
in deinem Hute aufgefangen hast. Denn wäre ein
Glied neben hin gefallen, so würdest du mir nimmer
entkommen sein dein Leben lang, bete fleißig! Hierauf
ging der Mönch in den Berg und schlug die Thüre
zu, daß es wiederhallte. Vorher hatte der Holzmeister
schon durch die Thüre in den Berg geschaut, und er
hatte nicht anders gedacht, als sähe er einen neuen
Himmel und eine neue Welt. Als der Holzmeister zu
seinen Knechten, die wohl den Schall vernommen,
aber da sie weiter entfernt waren, den Mönch nicht
gesehen hatten, zurückkam, erzählte er ihnen von dem
Mönche, was er gesagt hatte, und wie er durch die
Thüre eine neue Welt zu sehen geglaubt habe. Von
den goldenen Ringen aber schwieg er still. Diese hatte
er in seinen Rockbusen gesteckt, und drei Tage behalten.
Sie waren Gold, und als er sie am vierten Tag
wog, hatten sie drei Pfund drei Vierling an Gewicht.
Nachher ging der Holzmeister wiederum mit den
Knechten auf den Wunderberg, um die eiserne Thüre
zu suchen; aber sie fanden sie nicht. Diese ganze Geschichte
betheuerte Hans Gruber, und es ist ihm bei
seiner Redlichkeit und Geradheit zu glauben.
8. Des Hirten Stab.
Mündlich.
Es ging einmal ein Hirtenknabe den Untersberg
hinab, und weil es sehr schwül war, so streckte er sich
in's weiche Gras an einer frischen Quelle nieder und
schlief ein. Als er erwachte, griff er nach seinem
Stabe, den er in die Quelle gelegt hatte. Aber o Wunder!
anstatt des alten mit Eisen beschlagenen Stockes
blitzte ein nagelneuer Hirtenstab von purem Golde
aus dem Wasser. Voll Freuden nahm ihn der Knabe
und eilte damit spornstreichs den Berg hinunter seinem
Dorfe zu. Daselbst entstand ein großes Aufsehen
über den kostbaren Fund, und alles Volk machte sich
unverweilet, schwer mit altem Eisen beladen, auf den
Weg nach dem Goldbrünnlein. Alldort wollte Jeder
zuerst seine Bürde von Eisen in's Wasser werfen.
Bald war die Quelle angefüllt. Aber vergeblich warteten
die guten Leute auf die Vergoldung; am Ende
mußten sie ihr Eisen wieder aus dem Wasser ziehen
und beschämt nach Hause wandern.
9. Goldsand, Goldkohlen und Goldzacken vom
Untersberg.
G r i m m . Brixener Volksbuch. L. S t e u b a.a.O.
Im Jahre 1733 ging Paul Mayr, Dienstknecht zum
Hofwirth von St. Zeno auf den nahen Untersberg, in
der Absicht, um vielleicht zu seinem Unterhalte etwas
finden zu können. Denn schon stand der Berg im
Rufe, daß in seinem Innern Gold verborgen sei. Da
nun dieser Unweit des Brunthals fast die halbe Höhe
des Berges erreicht hatte, kam er zu einer Steinklippe,
worunter ein Häuflein Sand lag. Er dachte, dieß könnte
vielleicht für ihn taugen, und füllte zur Probe alle
Taschen mit solchem Sande. Freudig eilte er nach
Hause zurück, als ihm plötzlich ein Mann begegnete
und ihn fragte: »Was trägst du da?« Vor Furcht und
Schrecken blieb Paul stumm vor ihm stehen! Da ergriff
ihn der Fremde, leerte ihm die Taschen und
sprach zu ihm die warnenden Worte: »Jetzt gehe nimmer
den alten Weg zurück, sondern einen andern!
Und wenn du dich hier wieder sehen läßt, so fürchte
für dein Leben.« Paul ging. Aber das Gold war zu reizend,
als daß er die Stelle nicht noch einmal zu finden
versuchte. Er nahm aber dießmal, um der frühern Gefahr
zu entgehen, einen gut bewaffneten Freund mit.
Doch ihr Suchen war umsonst: die Stelle fand sich
nicht mehr.
Zwei Holzknechte sahen einmal in der Nähe eines
Hügels Kohlen in der Sonne liegen. Der Eine hob drei
davon auf, der Andere fünf. Während sie weiter gingen,
warf der Erste seine Kohlen in einen nahen kleinen
Weiher, bei dem sie vorüberkamen, indem er sich
dachte, sie seien ihm zu nichts nütze. Aber kaum
waren die Kohlen in's Wasser gefallen, so färbte sich
dieses, und er hatte es zu bereuen, daß er sie hineingeworfen,
denn es war Gold. Der Andere behielt seine
Kohlen und als er nach Hause kam, war es Gold. Es
ging zwar jener wieder zurück, um sich andere Kohlen
zu holen, allein anstatt Goldkohlen fand er Nattern
und Schlangen.
Es ist noch nicht so lange her, so kam Sebastian
Fletscher, Scheuerbauer zu Fagen, an den Untersberg
und sah da an einem Felsen lange Goldzacken herunterhängen.
Er versuchte etwas davon abzusprengen,
aber da sie mit der Hand nicht loszubrechen waren, so
ging er nach Hause, um eine Hacke zu holen, legte
aber vorher noch einen großen Steinhaufen zusammen
unter den Felsen hin, um die Stelle nicht zu verfehlen.
Als er mit der Hacke wieder zurückkam, fand er zwar
den Steinhaufen, aber die Goldzacken waren nirgends
mehr zu erschauen.
10. Die wilden Frauen.
Von F r i e d r i c h B e c k .
Sie kommen hervor aus den felsigen Höh'n
Vom Berge die Frauen, die wilden;
Da hütet die Ziegen ein Knabe so schön;
»O hüt' uns die Schäflein, die milden!«
Sie flehen und locken mit schmeichelndem Wort,
Sie haschen ihn eilig, sie ziehen ihn fort
Am ringsum bebüschten, am schattigen Ort;
Das Kind ist hinweg und entschwunden,
Noch hat es kein Auge gefunden.
Es forschte der Vater; wie schmerzlich dringt
Zum Mutterherzen die Wunde;
Ein Jahr ist vergangen; kein Hirte bringt,
Kein Jäger den Aeltern noch Kunde;
Da gingen sie einstmals im Walde hinan:
»Wer sitzet so säuberlich angethan
Mit dem grünen Röcklein auf schattigem Plan?
Der Knabe, der ist es! O Wonne,
Heut schien uns die glücklichste Sonne!«
Sie rufen ihm freudig, sie rufen ihm laut:
»O eil' in die Arme der Deinen!
Wir haben gesund dich und blühend erschaut,
Den längst wir als Todten beweinen;
Wer gab dir Gewande so zierlich und neu?
Wer pflegte wohl deiner so lieb und treu?
Bekenne nur Alles, verkünd' es uns frei;
Wer immer uns schützte den Knaben,
Wir wollen's ihm danken mit Gaben!«
Sie traten ihm näher, sie priesen ihr Glück,
Das Kind, das betrachtet sie lange,
Es heftet mit Schweigen den staunenden Blick
Auf beide gar furchtsam und bange;
Und als sie ihm reichen zum Gruße die Hand,
Da hat es sich eilend zum Fliehen gewandt,
Hat Vater und Mutter nicht wieder erkannt,
Schon ist es im Dickicht entschwunden,
Kein Aug' hat es wieder gefunden.
Und abermals stiegen von felsigen Höhn
Die Frauen des Berges, die wilden;
Ein Brüderlein hatte der Knabe so schön,
Er war es, auf den sie nun zielten;
Er saß auf dem Rosse, das zog vor dem Pflug,
Den jubelnden Reiter es willig ertrug,
Da gab es wohl Scherze und Lust genug,
Der Vater, er weilte von ferne;
Wie hatt' er sein Söhnlein so gerne!
Und als er die wilden Frauen ersah,
Da kam er zur Rettung geflogen;
Bald war er dem Kinde, dem sträubenden, nah,
Sie hatten's vom Pferde gezogen;
Doch furchtlos schalt er die Frechen aus:
»Gebt meinen Knaben mir schnell heraus,
Was treibt euch so kühn aus dem Felsenhaus?
Schon habt ihr geraubt mir den Einen;
Nicht will ich den Zweiten beweinen!«
Da sahen die wilden Frauen sich um,
Ihr Haar flog nieder im Winde,
Sie standen mit Thränen, sie standen stumm,
Sie ließen die Hand von dem Kinde:
»O wehe, wie wehe ist uns doch gescheh'n!
Wir dürfen dich, Kindlein, nicht wiederseh'n!«
So hörte man klagend zum Walde sie geh'n;
Sie schwanden wie Nebelgedüfte
Auf immer dahin ins Geklüfte.
11. Das Bergmännlein auf der Hochzeit.
Brixener Volksbüchlein a.a.O.
Im Dorfe Glas, eine Stunde vom Untersberge, war
einmal eine Hochzeit. Alles war heiter und lustig. Da
kam auf einmal ein Bergmännlein, das seinen Berg
verlassen hatte, in die Wirthsstube, wo eben getanzt
wurde. Sogleich bat er, auch mittanzen zu dürfen, und
als man es ihm bewilligte, da machte er mit mehreren
Jungfrauen allemal drei Tänze. Er tanzte so zierlich
und schön, daß alle Anwesenden Freude und Lust
fanden, ihm zuzuschauen. Nachdem er getanzt hatte,
schenkte er jeder der Brautpersonen eine kleine
Münze, die vier Kreuzer werth war, und sagte ihnen,
sie sollten sie zu ihrem übrigen Gelde legen, und der
Segen werde ihnen dann gewiß nicht fehlen. Zugleich
gab er ihnen Allen Ermahnungen, sie sollten lustig
und fröhlich sein, aber in Ehren, sie sollten in Frieden
und Eintracht mit einander hausen, und ihre Kinder
christlich und fromm erziehen. Zu den Brautleuten
sprach er, sie sollten nicht hoffärtig werden, und von
dem Ueberflusse, der ihnen werden würde, auch ihren
Nachbarn mittheilen; denn nur dann werde der Segen
und der Reichthum ihnen bleiben. Nach diesen Ermahnungen
blieb er noch bei der Hochzeit, bis es
Nacht ward, trank und aß mit ihnen, aber nur weniges.
Endlich bedankte er sich und verlangte einen
Mann unter den Holzleuten, der ihn über den Fluß
Salzach zu seinem Berg führte. Dazu erbot sich auch
ein Fischer, Namens Johann Ständl, und das Bergmännlein
ging mit ihm an den Fluß zur Ueberfahrt.
Während sie überfuhren, verlangte der Fuhrmann seinen
Lohn, und das Bergmännlein gab ihm in Demuth
drei Pfennige. Dieß verschmähte der Schiffer und beklagte
sich auch darüber, daß es ihm zu wenig sei.
Das Bergmännlein gab ihm aber zur Antwort, er sollte
die drei Pfennige nur behalten; denn er würde dann
an seiner Baarschaft keinen Mangel zu erleiden
haben, wenn er anders seinem Uebermuthe Einhalt
thäte. Zugleich gab das Männlein dem Schiffmann ein
kleines Steinlein, und sprach zu ihm die Worte:
»wenn du dieses an den Hals hängen wirst, so wirst
du nie zu Grunde gehen!« Zuletzt ermahnte er den
Fuhrmann noch zu einem demüthigen Lebenswandel,
und ging schnell, nachdem er ausgestiegen war, von
dannen und dem Berge zu. – Was ihm das Männlein
von der Wunderkraft des Steinleins gesagt hatte, ging
in demselben Jahre noch in Erfüllung; denn es rettete
ihn wirklich vom Ertrinken.
12. Der Jäger im Untersberg.
L. S t e u b Aus dem bayerischen Hochlande, S. 167.
Vor Zeiten kam einmal ein Jägerbursch in den Untersberg
und blieb ein Jahr darinnen. Als er wieder herausging,
hörte er in der Gmain zur Kirche läuten und
ein Mädchen sagte ihm, daß ein Seelengottesdienst
gehalten werde für einen Jäger, der vor'm Jahr auf
dem Berge verloren gegangen sei. Darauf begab er
sich in die Kirche, kniete vor das Speisegitter, und als
es Zeit zum Opfer war, stand er zuerst auf und ging
voran. Nun erkannten ihn erst seine Verwandeten und
Befreundeten und verwunderten sich gar sehr, daß der
mit dem Opfer ging, für dessen arme Seele sie den
Trauergottesdienst hatten halten lassen. Der Jäger
hat's aber nur dem Erzbischof von Salzburg erzählt,
und sonst Niemanden, wo er gewesen und was er erlebt,
starb übrigens schon ein Vierteljahr darnach.
13. Der Birnbaum auf dem Walserfeld.
Von A d a l b e r t C h a m i s s o . – Der
Zusammenhang dieser Sage mit den Sagen des
Untersberges wird die Ueberschreitung der politischen
Grenze rechtfertigen.
Es ward von unsern Vätern mit Treuen uns vermacht
Die Sage, wie die Väter sie ihnen überbracht,
Wir werden unsern Kindern vererben sie aufs neu':
Es wechseln die Geschlechter, die Sage bleibt sich
treu.
Das Walserfeld bei Salzburg, bezeichnet ist der Ort,
Dort steht ein alter Birnbaum verstümmelt und
verdorrt,
Das ist die rechte Stätte, der Birnbaum ist das Mal,
Geschlagen und gewürget wird dort zum letzten Mal.
Und ist die Zeit gekommen und ist das Maaß erst
voll, –
Ich sage gleich das Zeichen, woran man's kennen soll,
So wogt aus allen Enden der sündenhaften Welt
Der Krieg mit seinen Schrecken heran zum
Walserfeld.
Dort wird es ausgefochten, dort wird ein Blutbad sein,
Wie keinem noch die Sonne verliehen ihren Schein,
Da rinnen rothe Ströme die Wiesenrain' entlang,
Da wird der Sieg den Guten, den Bösen Untergang.
Und wann das Werk vollendet, so deckt die Nacht es
zu,
Die müden Streiter legen auf Leichen sich zur Ruh,
Und wann der junge Morgen bescheint das Blutgefild,
Da wird am Birnbaum hangen ein blanker
Wappenschild.
Nun sag' ich euch das Zeichen: ihr wißt den
Birnbaum dort,
Er trauert nun entehrt, verstümmelt und verdorrt,
Schon dreimal abgehauen, schlug dreimal auch hervor
Er schon aus seiner Wurzel zum stolzen Baum empor.
Wann nun sein Stamm, der alte, zu treiben neu
beginnt,
Und Saft im morschen Holze auf's neu lebendig rinnt,
Und wann den grünen Laubschmuck er wieder
angethan,
Das ist das erste Zeichen: es reift die Zeit heran.
Und hat er seine Krone erneuert dicht und breit,
So rückt heran bedrohlich die langverheißne Zeit,
Und schmückt er sich mit Blüthen, so ist das Ende
nah,
Und trägt er reiche Früchte, so ist die Stunde da.
Der heuer ist gegangen zum Baum und ihn gefragt,
Hat wundersame Kunde betroffen ausgesagt,
Ihn wollte schier bedünken, als rege sich der Saft,
Und schwöllen schon die Knospen mit jugendlicher
Kraft.
Ob voll das Maaß der Sünde: ob reifet ihre Saat
Der Sichel schon entgegen? ob die Erfüllung naht?
Ich will es nicht berufen, doch dünkt mich eins wohl
klar:
Es sind die Zeiten heuer gar ernst und sonderbar.
14. Die letzte Schlacht.
Von F . W . R o g g e .
Saht ihr die Ebne drüben?
Das ist das Walserfeld,
Wo einst in künft'gen Zeiten
Der Schlachten letzte fällt.
Die Guten und die Bösen
Befehden sich darauf,
Daß von dem Blut geschwollen,
Hinbraust der Ströme Lauf.
Und in dem Walserfelde
Da steht ein Birnenbaum,
Daß zwier die Art ihn fällte,
Gewahrt das Auge kaum.
Nun ragt er fast verdorret
Gespenstisch durch den Plan,
Ohn' ein geheimes Grausen
Mag ihm kein Wand'rer nahn;
Doch wenn er wieder grünet
Und sich mit Blüthen schmückt,
So wißt, es sind die Zeiten
Schon nah heran gerückt!
Und wenn die Blüthen gefallen,
Die Frucht zur Reife schoß,
Bricht rasch von allen Enden
Der Sturm gewaltig los.
Dann hängt der Fürst der Bayern
Sein Wappenschild daran,
Und Niemand weiß zu deuten,
Warum er das gethan.
15. Friedrich der Rothbart zu Kaiserslautern.
G r i m m deutsche Sagen I., 382. C . v .
F a l k e n s t e i n das Buch der Kaisersagen S. 13. F r .
W e i ß die maler. und romant. Pfalz. S. 146.
Etliche wollten, daß Kaiser Friedrich, als er aus der
Gefangenschaft bei den Türken befreit worden, gen
Kaiserslautern gekommen und daselbst seine Wohnung
lange Zeit gehabt. Er baute dort das Schloß,
dabei einen schönen See oder Weiher, noch jetzt der
Kaisersee genannt, darin soll er einmal einen großen
Karpfen gefangen und ihm zum Gedächtniß einen
güldenen Ring von seinem Finger an ein Ohr gehangen
haben. Der selbige Fisch soll, wie man sagt, ungefangen
in dem Weiher bleiben, bis auf Kaiser
Friedrichs Zukunft. Auf eine Zeit, als man den Weiher
gefischt, hat man zwei Karpfen gefangen, die mit güldenen
Ketten um die Hälse zusammen verschlossen
gewesen, welche noch bei Menschen-Gedächtniß zu
Kaiserslautern an der Metzler-Pforte in Stein gehauen
sind. Nicht weit vom Schloß war ein schöner Thiergarten
gebauet, damit der Kaiser alle wunderlichen
Thiere vom Schloß aus sehen konnte, woraus aber seit
der Zeit ein Weiher und Schieß-Graben gemacht worden.
Auch hängt in diesem Schloß des Kaisers Bett an
vier eisernen Ketten und, als man sagt, so man das
Bett zu Abend wohl gebettet, war es des Morgens
wiederum zerbrochen, so daß deutlich jemand über
Nacht darin gelegen zu haben schien.
Ferner: zu Kaiserslautern ist ein Felsen, darin eine
große Höhle oder Loch, so wunderbarlich, daß niemand
weiß, wo es Grund hat. Doch ist allenthalben
das gemeine Gerücht gewesen, daß Kaiser Friedrich,
der Verlorne, seine Wohnung darin haben sollte. Nun
hat man einen an einem Seil hinabgelassen und oben
an das Loch eine Schelle gehangen, wann er nicht
weiter könne, daß er damit läute, so wolle man ihn
wieder heraufziehen. Als er hinab gekommen, hat er
den Kaiser Friedrich in einem güldenen Sessel sitzen
sehen, mit einem großen Barte. Der Kaiser hat ihm
zugesprochen und gesagt, er solle mit Niemand hier
reden, so werde ihm nichts geschehen, und solle seinem
Herrn erzählen, daß er ihn hier gesehen. Darauf
hat er sich weiter umgeschaut und einen schönen weiten
Plan erblickt und viel Leut, die um den Kaiser
standen. Endlich hat er seine Schelle geläutet, ist ohne
Schaden wieder hinauf gekommen und hat seinem
Herrn die Botschaft gesagt.
16. Barbarossa.
Von F r i e d r i c h R ü c k e r t .
Der alte Barbarosse
Der Kaiser Friederich,
Im unterird'schen Schlosse
Hält er bezaubert sich.
Er ist niemals gestorben,
Er lebt darin noch jetzt,
Er hat im Schloß verborgen
Zum Schlaf sich hingesetzt.
Er hat hinabgenommen,
Des Reiches Herrlichkeit,
Und wird einst wiederkommen
Mit ihr zu seiner Zeit.
Der Stuhl ist elfenbeinen,
Worauf der Kaiser sitzt,
Der Tisch ist marmorsteinen,
Worauf sein Haupt er stützt.
Sein Bart ist nicht vom Flachsen,
Er ist von Feuers Gluth,
Ist durch den Tisch gewachsen,
Worauf sein Kinn ausruht.
Er nickt als wie im Traume,
Sein Aug' halb offen zwinkt
Und je nach langem Raume
Er einem Knaben winkt.
Er spricht im Schlaf zum Knaben:
Geh' hin vor's Schloß, o Zwerg,
Und sieh, ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg!
Und wenn die alten Raben
Noch fliegen immerdar,
So muß ich auch noch schlafen
Verzaubert hundert Jahr.
17. Die Fahrt der Todten zu Kaiserslautern.
Mündlich.
Längst ruht kein Stein mehr auf dem andern, wo weiland
die stolze Veste Barbarossa's prangte. Nur einmal
im Jahre, an dem Sterbetage des großen Kaisers,
erhebt sich um Mitternacht die untergegangene Burg
aus der Erde und leuchtet in altem Glanze. Alsdann
steigen Ritter und Knappen aus ihren Gräbern hervor
und versammeln sich in stummer Trauer. Auf den
zwölften Glockenschlag setzt sich des Kaisers Trauerzug
in Bewegung. Lange Reihen von schwarzen Rittern
ziehen ohne Sang und Klang aus den geöffneten
Thoren des Schlosses. Der erste derselben trägt Barbarossa's
Haupt; oft glaubt man dumpf den theuren
Namen des Kaisers aussprechen zu hören. Also bewegt
sich der feierliche Zug durch alle Straßen der
Stadt ungefähr bis zur Zeit der Hahnenkrähe, dann
nimmt er seinen eiligen Rückzug in die Veste, die Gestalten
verschwinden, die Ritter legen sich wieder in's
Grab, die Kaiserburg ist wieder versunken, und nur
die Raben bezeichnen flatternd und krächzend die
Stätte, wo weiland Barbarossa in seiner Herrlichkeit
thronte.
18. Der Roßkauf.
Altes Volkslied.
Durch den Wald hin ritt der Müller,
Will verkaufen seinen Schimmel;
Finster ist's, kein Mondenschein,
Und die lieben Sternelein
Halten sich verborgen.
Aus dem Busch tritt da ein Alter:
»Müller mag dich Gott erhalten;
Ist der Schimmel dir nicht feil?
Vierzig Thaler sind dein Theil,
So du ihn willst geben.«
Voran geht der Alte schnelle,
Und der Müller folgt zur Stelle:
Schau hier an das Felsenhohl,
Hier ist unser Stall sowohl!
Folge mit dem Schimmel.
»Sag', was sollen all' die Rosse
An die Krippen angeschlossen
In dem ungeheuern Raum,
Und daneben Sattel, Zaum:
Geht es bald zum Reiten?
Sag', was sollen all die Krieger,
Die dort in den Zellen liegen,
All' in Waffen fein und blank
Schlafen sie auf harter Bank:
Wollen sie an's Fechten?
Sag', wer ist dort eingeschlafen
Auf der weißen Marmortafel?
Und sein Bart wie Feuersgluth
Wächst ihm durch den festen Tisch,
Sag' es mir du Alter?«
Der da schläft, ich will ihn nennen:
Sollst den röm'schen König kennen!
Wenn es an der rechten Zeit
Wacht er auf und sein Geleit,
Auf wohl zu den Waffen!
All' die Ross' in diesen Höhlen,
Viele thuen uns noch fehlen,
Laufen dann in weiter Welt,
Wo der Herr die Fahne hält,
Unser röm'scher König!
19. Der Kaiser im Guckenberg.
Bei G e m ü n d e n am M a i n . – F . J . M o n e Anz.
IV., 409.
Bei Gemünden liegt der Guckenberg; von diesem geht
die Sage, daß vor langen Zeiten ein Kaiser mit seinem
ganzen Heere in ihn versunken sein soll. Nun sitzt er
darin an einem steinernen Tische, und wenn sein Bart
um den Tisch gewachsen ist, so wird der Kaiser mit
all' seinen Wappnern wieder hervortreten. Einstmals
kam ein armer Knabe auf den Berg, welcher in der
Gegend Semmeln zum Verkaufe trug, und traf daselbst
einen steinalten Mann an, der sprach freundlich
mit dem Knaben; dieser klagte ihm sein Leid, daß er
so wenig verkaufen könne, und sein Verdienst so gering
sei. Da sprach der Alte: »Höre Kleiner, ich will
Dir wohl einen Ort zeigen, wo Du alle Tage so viel
Wecke verkaufen kannst, als Du zu tragen im Stande
bist; aber Du darfst bei Leibe Niemanden etwas
davon offenbaren.« Darauf führte der alte Mann den
Buben in den Berg hinein, und es war im Berg wie in
einer großen Stadt, und gar ein reges Leben darin.
Viele Leute trieben Handel und Wandel, andere gingen
in die Kirche, noch andere hielten einen Bittgang.
Und an einem Tische saß der Kaiser gewaltig, und
sein langer Bart war schon zweimal um den Tisch ge-
wachsen. Dahin brachte nun tagtäglich der Knabe
seine Semmelwecke, und empfing dafür uraltes Geld.
Da aber nun in seinem Orte dessen bald zu viel umlief,
wurden die Leute stutzig, mochten es nicht mehr
annehmen, und drangen endlich in den Jungen, zu
sagen, wo er dieses alte Geld bekäme. Da offenbarte
er seinen ganzen Handel. Ein junger Freund von ihm
drang sich ihm nun beim nächsten Berggang zum Begleiter
auf, um des Guckenberges innere Herrlichkeit
auch wahrzunehmen; allein der Semmelbube fand
nicht nur den Eingang nicht wieder, sondern nicht einmal
den Berg, und kam ihm die ganze Gegend anders
und schier verwandelt vor.
20. Karl der Große im Karlsberg bei Fürth.
Von B. B a a d e r in F . J . M o n e ' s Anzeiger V.,
174.
Zwischen Nürnberg und Fürth liegt der Kaiser-Karls-
Berg, woraus in früherer Zeit oft ein schöner Gesang
von unbekannten Stimmen ertönte. Damals kam zu
einem Nürnberger Bäckerjungen, der Abends an dem
Berg vorbei ging, ein unbekanntes Männlein, und
sagte zu ihm: »Bringe von morgen an, täglich in der
Frühe einen Korb voll Brod hierher in den Berg; Du
wirst an dieser Stelle den Eingang sehen, und kannst
ohne alle Furcht hineingehen. Jedesmal wird Dir Dein
Brod baar bezahlt, und Du erhälst einen Sechser
Trinkgeld; wenn Du aber die Sache verräthst, kostet
es Dir das Leben!« Am andern Morgen sagte der
Junge seiner Meisterin, es sei ein großer Korb voll
Brod bestellt worden, nahm und trug denselben an
den Berg, woran er jetzt zum erstenmal eine Oeffnung
sah, durch die er hineinging. Alsbald kam ihm das
Männlein mit einem Licht entgegen, und führte den
Jungen in ein kostbar eingerichtetes Gewölbe, worin
ein Kronleuchter brannte und viele geharnischte Männer
schlafend umhersaßen. Hier legte der Knabe das
Brod ab, und wurde von dem Männlein mit lauter
neuem Gelde ausbezahlt, worauf er sogleich wieder
aus dem Berg gehen mußte. Bis zum dritten Tage
ging alles gut; an diesem aber fragte die Meisterin,
wer den Korb Brod bekomme und dafür das schöne
neue Geld bezahle? Der Junge gab zur Antwort: wenn
sie nur das Geld erhalte, solle sie nicht nach dem
Weitern fragen. Damit war die Meisterin aber nicht
zufrieden und schlich das nächste Mal dem Jungen bis
in die Nähe des Berges nach, worauf sie ihm bei seiner
Zurückkunft sagte: sie wisse jetzt, daß er das
Brod zum Kaiser-Karls-Berg bringe, wenn er nun
nicht Alles gestehe, werde er aus dem Dienste gejagt.
Durch diese Drohung wurde der Junge erschreckt, und
erzählte nun, wie es sich zugetragen hatte, aber klagte
dabei, daß er jetzt sein tägliches Trinkgeld, ja vielleicht
gar sein Leben verlieren werde. Am andern
Morgen ging er mit dem Korbe Brod wieder fort, kam
aber nicht mehr nach Hause und es ward auch keine
andere Spur von ihm gefunden, als seine Kleider, die
auf dem Wege zum Berg hie und da zerstreut lagen.
Seitdem ist der Gesang im Berge verstummt, dagegen
hört man daraus zuweilen Wehklagen und Weinen.