Читать книгу Sagenbuch der Bayrischen Lande - Alexander Schöppner - Страница 8

Kapitel 5

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81. Herzog Otto's Liebe auf der Gretlmühl bei

Wolfstein.

Von W o l f g a n g M ü l l e r . – Die G r e t l m ü h l

bei W o l f s t e i n unterhalb L a n d s h u t . S .

O e f e l e II., 573. G r i m m d.S. II., 204. E o s I., 93.

Das Volk wußte lange davon zu sagen. – Eine

Bearbeitung in 7 Romanzen von B ü s s e l in

H o r m a y r s Taschenb. 1830, S. 421.

Ei, Herzog Otto sprich, wohin?

Wo ziehst du träumend in den Wald!

Kommt dir der Krieg nicht in den Sinn

Der durch dein Bayerland erschallt?

Er denkt nicht an den heißen Streit,

Ihm thut so wohl des Waldes Grün,

Als wollt vergeßne Jugendzeit

Noch einmal fröhlich um ihn blühn.

Das Laubwerk rauscht ihm Märchen vor,

Die Blumen duften süß ihn an:

Aus Baum und Busch der Vögel Chor,

Sie grüßen all' den schönen Mann.

Der Abend kommt, er merkt es kaum,

Der Traum entweicht, da ist es Nacht.

Er ist verirrt im Waldesraum;

Ei woran hat er denn gedacht?

Da blinkt ein Licht, ein Mühlwerk geht,

Er folgt dem Rauschen, folgt dem Schein,

Er klopft an's Haus, das vor ihm steht;

Die schöne Müllerin läßt ihn ein.

Es staunen beide ohne Laut,

Kaum bieten schüchtern sie den Gruß;

Doch wird die Schönheit bald vertraut,

Sie kosen wechselnd Kuß um Kuß.

Er kehrt erst, wie der Morgen lacht. –

Ei Herzog Otto sprich wohin?

Er geht durch grüne Waldesnacht

Mit träumend ahnungsvollem Sinn.

Zu Wolfstein auf dem Jägerschloß

Läßt ihm die Liebe keine Ruh,

Er geht des Ritterschmuckes bloß

Bei Tag und Nacht der Mühle zu.

Er pflanzet grüne Ulmen hin

Auf seinen Weg zum Mühlengrund,

Geht zwischen durch zur Müllerin

Und pflegt den süßen Liebesbund.

Ei Herzog Otto schöner Held,

Weil deine Liebe war so stark,

Verlor dein Heer auf blut'gem Feld

Die schöne Brandenburger Mark.

Doch ach, was soll ihm Reich und Kron?

Er gäbe Alles hin sogleich,

Denn er beherrscht vom schönsten Thron

Der Liebe helles Wunderreich.

Da wölbt der Himmel stets sich blau,

Die Blumen weckt der Sonnenschein,

Es sinkt und klingt durch Wald und Au,

Nicht schöner kann's im Himmel sein.

Ob Schloß und Mühle längst zerfiel,

Die Ulmen deuten noch die Zeit,

Und flüstern oft des Abends viel

Von süßer Liebe Heimlichkeit.

82. Sattlern bei Vilsbiburg.

S a t t l e r n Feldkapelle der Pfarrei G a i n d o r f unfern

V i l s b i b u r g . – A d l z r e i t e r P. II. l. 1. p. 19.

H o r m a y r goldene Chronik, S. 106. E o s 1825, N.

178, S. 722.

Als der siegreiche Ludwig nach der Schlacht bei

Ampfing seinen hohen Gefangenen, Friedrich den

Schönen, nach Regensburg führte und durch das

grüne Waldthal an der Vils, bei Görzen, im schlechten

Wege ritt, stürzte urplötzlich das Roß unter ihm

zusammen und konnte durch kein Mittel wieder emporgebracht

werden, ja selbst der Reiter saß vor

Schrecken ganz betäubt auf dem gestürzten Rosse wie

angeheftet. Da meinte der edle Marschalk, nun Stallmeister

des Königs, Parzival von Sporneck, das sei

ein deutliches Zeichen von Oben, wie Ludwig der

himmlischen Frau noch Dank schulde, dieweilen sie

ihn im Gewühl der Schlacht mit ihrem Schilde gedekket.

Solche Vermahnung ward von dem Sieger mit

Dank angenommen und das Gelübde gethan, an dem

Orte des Unfalles der lieben Frau ein schönes Betkirchlein

aufzurichten. Alsobald soll sich des Königs

Roß ermannt und freudig wiehernd aufgesprungen

sein. Ludwig erbaute das Kirchlein und schenkte das

edle Roß sammt herrlichem Sattel und Zeug zur neuen

Kapelle, welche davon den Namen Sattlern empfing.

83. Der Natternberg.

Mündlich.

Deggendorf genüber am rechten Ufer der Donau erhebt

sich der Natternberg, auf dessen Gipfel noch die

Trümmer eines Schlosses, des Grafen von Bogen, stehen,

in welchem Herzog Heinrich der jüngere von

Landshut, genannt der Natternberger, erzogen ward.

Wie dieser seltsame Felsen mitten in die Donauebene

gekommen, weiß die lebendige Volkssage zu berichten.

Die Deggendorfer waren vor Zeiten ein braves,

gottesfürchtiges Völklein, daran der Teufel, wie natürlich,

kein Wohlgefallen fand. Schon lange war er

bemüht, denselben einen recht boshaften Streich zu

spielen. Da fand er im Land Italia einen gewaltigen

Felsblock, gerade hoch und breit genug, um einen

Strom wie die Donau zu stemmen und ihm ein anderes

Rinnsal anzuweisen. Also faßte er das schöne

Felsstück und trug es in raschem Fluge durch die

Lüfte bis in die Gegend, wo Deggendorf liegt. Schon

freute er sich in Gedanken, den Berg in die Donau zu

schleudern und das fromme Deggendorf durch Ueberschwemmung

zu vertilgen: da klang urplötzlich das

Aveglöcklein vom nahen Kloster zu Metten herüber,

und in demselben Augenblick ließ der Böse den Fel-

sen wie gelähmt in's flache Land an der Donau fallen.

Und daß diese Geschichte sich also wahrhaftig zugetragen,

beweiset der Natternberg, welcher noch heutiges

Tags an derselben Stelle ruht.

84. Die Braut von Fürstenstein.

Von A d a l b e r t M ü l l e r . – F ü r s t e n s t e i n ,

Schloß im Bayerwalde, Ldg. P a s s a u .

»Wohin, wie die Windsbraut, mein edler Herr!

Wohin im Hochzeitgewand?

Es blutet der Sporn, es schäumt die Mähr', –

Es glüht unter'm Hufe der Sand.«

So sprach zum Junker von Falkenau

Ein Frauenbild wohlgethan;

Die Fremde saß früh im Morgengrau

Am Hochgerichte und spann.

»Ich reit fürbaß gen Fürstenstein,

Zum Schlosse, wohl stattlich erbaut;

Die Fahrt ist eilig, es wartet mein

Mit Sehnsucht die herzliebe Braut.«

»Ach, guter Ritter! Jetzt ist nicht Einst –

Aus Rosen weht Leichenduft;

Die du in's Brautbett zu führen meinst,

Sie schlummert in modriger Gruft.«

»Ha Natter! den Stich bezahlst du zur Stund;

Nicht straflos sagst du mir Spott;

Erst gestern küßt' ich Süßliebchens Mund,

So warm und so purpurroth.«

Er rief's und zuckte das scharfe Schwert,

Und hieb mit Zornesgewalt –

Doch spurlos, wie duftigen Nebel, durchfährt

Das Erz die Frauengestalt.

Da bäumt sich der Rappe von Geisternäh'

Und stürzt mit dem Reiter thalab;

Dem Armen wird es um's Herz so weh:

»Ach Liebchen! so lägst du im Grab?«

Es flattert im Winde sein blondes Haar,

Sein Busen athmet mit Noth;

Er klagt und seufzet wohl immerdar:

»O weh mir! ist Liebchen todt?«

Und als die Sonne zu Rüste ging,

Beschien sie des Fürstensteins Thurm;

Vom Giebel ein schwarzes Fähnlein hing,

Drin sauste gar traurig der Sturm.

Die Sterbeglocke klang dumpf an's Ohr,

Sie klang sonder Unterlaß –

Drauf sprengte ein Rappe herein zum Thor –

Im Sattel kein Ritter saß.

85. Schneiderburg.

Von A.v. P l a t e n . – Schneiderburg oder

K r e m p e n s t e i n auf österr. Boden, doch ganz nahe

P a s s a u am rechten Donauufer. Auch von J . N .

V o g l besungen.

Ein Schneider flink mit der Ziege sein

Behauste den Krempenstein,

Sah oft von der felsigen Schwelle

Hinab zu der Donauwelle,

In reißenden Strudel hinein.

So saß er oft und so sang er dabei:

Wie leb' ich sorgenfrei!

Meine Ziege die nährt und letzt mich,

Manch' Liedchen klingt und ergötzt mich,

Fährt unten ein Schiffer vorbei!

Doch ach, die Ziege, sie starb und ihr

Rief er nach: Wehe mir!

So wirst du mich nicht mehr laben,

So muß ich dich hier begraben;

Im Bette der Donau hier?

Doch als er sie schleudern will hinein,

Verwickelt, o Todespein!

Ihr Horn sich ihm in die Kleider;

Nun liegen Zieg' und Schneider

Tief unter dem Krempenstein.

86. Handlab.

H a n d l a b Wallfahrtskirche, 11/2 Stunde von

F l i n t s b a c h , Ldg. V i l s h o f e n in

N i e d e r b a y e r n . – A. M ü l l e r u. B. G r u e b e r

der bayerische Wald S. 109.

In einer hohlen Eiche des Bannwaldes von Engelsberg

hatte ein frommer Hirt das Bildniß der Himmelskönigin

aufgestellt. Täglich in den Abendstunden fand

sich dort die Burgfrau ein, um der Gottesmutter ihr

Leid zu klagen. Anna, so hieß sie, lebte in unglücklicher

Ehe, denn ihr Gatte war rauhen Gemüthes, über

dem blutigen Waffenspiele und der wilden Lust der

Jagd und des Trinkgelages die Pflege der häuslichen

Freuden vernachlässigend. Wenn die arme Dulderin

betete, kniete immer der Hirt ihr zur Seite; so wollte

sie es, damit er sein Flehen mit dem ihrigen vereinige.

Doch der Weltsinn faßt die Reinheit solcher Seelenverwandschaft

nicht; er kann Mann und Weib sich

nicht nähern sehen, ohne an Unerlaubtes zu denken.

Ein Knappe im Schlosse, dem guten Hirten gram, flüsterte

dem Eheherrn schlimmen Verdacht in's Herz.

Dieser, dem falschen Buben nur zu willig Gehör leihend,

eilt in den Wald hinaus, sieht das Paar an der

Gnadenstätte knieen, reißt in blinder Zorneswuth das

Schwert aus der Scheide und trennt mit gewaltigem

Hiebe der Gattin die Hand vom Arme. Ohne einen

Laut der Klage auszustoßen, hob Anna voll Vertrauen

auf die mächtige Fürbitte Mariens, den blutigen

Stumpf gegen Himmel, und im Augenblicke war die

Hand wieder an ihrer Stelle. Nur ein rother Streifen,

rings um das Handgelenk sich ziehend, blieb als

Denkzeichen der gräßlichen Verwundung zurück. Der

Ritter, dem das Walten der höhern Mächte so augenfällig

sich kund gethan, ging in sich, änderte sein wildes

Leben und war fortan ein frommer, christlicher

Hausvater. Die Kirche, welche an der Wunderstätte

errichtet wurde, nannte das Volk in seiner Sprachweise

»Maria Handlab.«

87. Der Schatz auf dem Hohenbogen.

Sage vom B u r g s t a l l , Gipfel des

H o h e n b o g e n s im B a y e r w a l d e . A.

M ü l l e r s u. B. G r u e b e r s bayer. Wald. S. 265.

Von diesem Schatze gehen wunderliche Sagen. Er

liegt hundert Lachter unter dem Burgstall in einem

kupfernen Kessel. Alle hundert Jahre einmal wird ein

Mensch geboren, der ihn unter gewissen Bedingnissen

zu heben vermag. Ein solcher war ein Hirte von

Schwarzenberg, welcher eines Tages seine Heerde auf

der sogenannten kleinen Ebene am Flusse des Burgstallkegels

weidete. Als er Abends eintreiben wollte,

vermißte er ein junges Rind, und nach einigem Suchen

hörte er es hoch oben im Walde Laut geben. Er

stieg eilig den Burgstall hinan und war schon nahe

dem Gipfel, als plötzlich eine wunderschöne, aber

seltsam und fremdartig gekleidete Jungfrau vor ihm

stand und ihn mit einschmeichelnder Stimme anredete:

»Du kommst zu guter Stunde hieher. Wisse, daß es

in meiner Hand liegt, dich zum reichsten Manne im

Lande zu machen. Ich kann dir offenbaren, auf welche

Weise du den unter unsern Füßen vergrabenen Schatz

heben magst.« Der Hirt, welchen beim ersten Anblikke

der Erscheinung ein heimliches Grauen beschlichen

hatte, faßte Muth und entgegnete, daß er bereit

sei, die Unterweisung zu vernehmen. Freudig fuhr die

Jungfrau fort: »Finde dich heute über acht Tage zu

Beginn der Mitternachtsstunde am Fuße des Burgstalls

ein, begleitet von zwei Priestern, welche die Beschwörungen

zu sprechen wissen. Ihr werdet den

Schatz erhoben auf dem Gipfel des Berges liegen

sehen. Schreitet nur muthig darauf los und laßt euch

nicht irren, was euch immer in den Weg trete, sähe es

auch noch so schrecklich aus; denn es ist eitel Blendwerk

des Bösen, das euch weder an Leib noch Seele

schaden kann. Bist du an die Schatztruhe herangekommen,

so greife mit beiden Händen keck in den

Goldhaufen ein, und er ist dein für immer. Aber wehe,

so du durch die Künste Satans dich zur feigen Flucht

bewegen ließest, wehe dann mir! Abermal müßt' ich

hundert Jahre umherirren und könnte nicht zur ewigen

Ruhe eingehen. Siehe dieses zarte Reis!« hier wies sie

auf ein dem Boden entsprossendes Ahornbäumchen,

»es muß zum starken Baume heranwachsen, aus seinem

Stamme müssen Bretter geschnitten und diese zu

einer Wiege gefügt werden; der Knabe, welcher in

dieser Wiege ruhen wird, muß Mann geworden sein,

dann erst darf ich wieder auf Erlösung hoffen. Gedenke

der unaussprechlichen Leiden einer armen Seele

und erbarme dich meiner, wie du willst, daß Gott der

Herr sich deiner erbarme!«

In den letzten Worten lag der Ausdruck eines so

herzzerreißenden Jammers, daß der Hirt davon auf's

Tiefste ergriffen ward und mehr durch den Wunsch,

so große Pein zu lindern, als durch die Begierde nach

den verheißenen Reichthümern zu dem Wagnisse der

Schatzhebung sich getrieben fühlte. Eben wollte er

der Jungfrau seinen Entschluß kund geben, als sich

die Gestalt derselben in leichten Nebelflor auflöste,

den der Abendwind über den Gipfel des Burgstalls

hinwegtrieb. Aus dem Gebüsche aber, an welchem die

Erscheinung gestanden, kam das verlorene Rind hervor

und folgte willig seinem Herrn auf den Weideplatz

hinab.

Des andern Tages hatte der Hirt nichts eiliger zu

thun, als nach Neukirchen zum Kloster der Franziskaner

zu gehen, und dem Pater Guardian den wunderbaren

Vorfall zu berichten. Dieser hielt mit den Vätern

Rath, was in der Sache zu thun sei, und man kam zu

dem Entscheide, daß es sich hier um die Erlösung

einer armen Seele und einen Triumph über den Satan

handle, wozu die Diener der Kirche hilfreiche Hand

bieten müßten. Nachdem der Guardian seinem Kloster

von dem Hirten einen erklecklichen Antheil an

dem Schatze ausbedungen hatte, ertheilte er zwei

Mönchen, welche als die geübtesten Exorcisten der

Gemeine galten, den Auftrag, sich durch Beten und

Fasten zu dem heiligen Werke vorzubereiten.

Zur bestimmten Zeit trafen die Väter und der Hirt

am Burgstalle zusammen, und eben schritten sie über

den Weideplatz hin, als die Thurmuhr zu Neukirchen

die eilfte Stunde angab. Mit dem letzten Schlage loderte

auf dem Gipfel eine hohe Flamme empor, und

die Mönche erkannten dieß als das Zeichen, daß der

Schatz sich erhoben habe. Nachdem sie den Hirten

gewarnt, nicht von ihrer Seite zu weichen, schickten

sie sich an, dem bösen Feinde tapfer zu Leibe zu

gehen. Aber kaum hatten sie einige Schritte bergan

gemacht, als im Walde ein seltsames Leben rege

ward. Eulen und Fledermäuse flatterten den nächtlichen

Wanderern in dichten Schwärmen entgegen, aus

dem Unterholze links und rechts warf es mit Todtenbeinen

nach ihnen, und grinsende Schädel kollerten

unter ihren Füßen hin. Die frommen Söhne des heiligen

Franziskus ließen sich von diesem Spucke keineswegs

anfechten, sondern drangen mit lauter Stimme,

die Bannformeln hersagend und nach allen Seiten hin

Weihwasser sprengend, rastlos voran. Schon mochten

sie die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, als der

bisher mondhelle Himmel sich plötzlich verfinsterte

und ein Sturm losbrach, welcher den ganzen Berg aus

seinen Grundvesten heben zu wollen schien. Die Blitze

fuhren hageldicht auf die Baumwipfel nieder, der

Donner krachte Schlag auf Schlag, die Gießbäche

stiegen im Nu brausend über ihre Ufer und wälzten

mannshohe Fluthen gegen die Drei herab. Diese mein-

ten bis an den Hals im Wasser zu gehen; aber wie sie

näher zusahen, fanden sie, daß nicht ein Faden ihres

Gewandes naß war. Darum achteten sie es auch nicht

weiter, als ihnen noch allerlei Schreckbilder, bald

thierähnlich, bald menschlicher gestaltet, in den Weg

traten, und erreichten den Gipfel, ohne daß ihnen ein

Haar gekrümmt worden wäre.

Hier sahen sie wenige Schritte vor sich, hell von

der noch immer lodernden Flamme erleuchtet, ein kesselartiges

Gefäß, das bis zum Rande mit funkelnden

Goldmünzen gefüllt war. Eben wollte der Hirt vortreten,

um, wie ihm die Jungfrau geboten, den Schatz zu

erfassen, da wankte der Boden unter ihm, und von unterirdischer

Kraft gehoben, wich ein mächtiger Felsblock

polternd von seinem Platze. Aus der Oeffnung,

die sich gebildet, kroch ein scheußlicher Lindwurm

hervor und ringelte seines Leibes endlos gestreckte

Glieder dreimal um den Gipfel des Burgstalls herum,

einen furchtbaren Schutzwall vor dem gefährdeten

Mammon aufthürmend. Das Erscheinen dieses Ungeheuers

setzte die Herzhaftigkeit der guten Mönche auf

eine zu harte Probe. Sie glaubten sich schon gepackt

von scharfen Zähnen des Drachen und purzelten mehr

als sie liefen, den steilen Abhang hinunter. Dem Hirten,

der sich von seinen geistlichen Helfern verlassen

sah, blieb nichts übrig, als ihnen zu folgen. Wohl vernahmen

sie hinter sich die Stimme der Jungfrau, wel-

che in kläglichen Lauten zum Ausharren ermahnte,

aber die Flüchtlinge waren nicht mehr zum Stehen zu

bringen. Nur einmal hatte der Hirt umzuschauen gewagt

und gesehen, wie der Gipfel des Berges sich

spaltete und in seinem weiten Risse die Schatztruhe

verschlang. Darauf erhob sich ein tausendstimmiges

Geheul, welches ihm das Blut in den Adern gerinnen

machte. Es war das Hohngelächter der Hölle.

88. Die Riesengeis auf dem Hohenbogen.

Der H o h e n b o g e n im B a y e r w a l d e . – A.

M ü l l e r u. B. G r u e b e r der bayer. Wald. S. 268.

Vor uralten Zeiten weidete eine Geis auf dem Hohenbogen,

welche so ungeheuer groß war, daß ihr Rücken

die Wipfel der höchsten Bäume überragte. Tag für

Tag fraß das Unthier zwei Morgen Landes ab. Einmal

schlief es am Rande eines Hohlweges und ließ seine

strotzenden Euter über diesen herabhängen. Ein Holzwagen,

der aus dem Hochwalde herabkam, riß ihm im

Vorüberfahren eine Zitze weg, und aus der Wunde

ergoß sich ein Wolkenbruch von Milch, welcher sieben

Dörfer am Fuße des Berges hinwegschwemmte.

Das war das erste und letzte Mal, daß stromweise

Milch geflossen ist im gelobten Lande Bayerwald.

89. A Mährlein von der Rusel.

Von J . A . P a n g k o f e r , Gedichte in altb. Mundart

1846. Anm. S. XLI. – Sage aus dem Bayerwalde auf der

R u s e l bei D e g g e n d o r f , wo auf beiden Seiten der

Strafe viele Quellen hervorsprudeln.

Duat drob'n af en Beag is a Beagerl,

Im Beagerl drin wiathschaft a Zweagerl

Wos sie hot am Beagerl zuatrog'n

Mit'n Zweagerl, miakt's af, will i sog'n.

Dea Zweagerl is duaten scho hausat

Wohl iatza a voll's Joahrtausat

Und lebt schö still und alloa

Im olten, kluftinga G'stoa.

So olt ols a is und so leizi

So fleißi is a, und freut si,

Doß a thuat no so kräfti si spüan,

Und ko drin im Beagerl handthian.

Z' eascht hot a im Fels mit sein Hammerl

Sie ausg'haut a wundanetts Kammerl,

Na Gangerl dee Kreuz und dee Quea

Tiaf unten und ob'n drüba hea.

Daß drinna net is goar so dunkel,

Hängt af ea viel liachte Karfunkel.

Mit Gold und mit edeln Kristall

Ziat Kammerl und Gangerl ea all.

Diamal ja z' Mittogen in Summa

Thuat's Mannerl zon Beagerl 'raus kumma

Schaut nieda neugieri in's Thal,

Und waarmt si am sunninga Strahl.

Do sicht a drei Lamperl springa,

Do höat a a Deanerl singa,

Und wiar a dees Deanerl schaut,

Do schlagt sei olts Heazerl so laut.

Do hockt a si hi und thuat sinna:

Wiar is 's so langweili do drinna

Wia schö waar's net, wann i drin hätt',

Dees Dannerl so liab und so nett.

Do thuat a si putzen und waschen,

Viel Edelstoa schiabt a in Taschen

Posiali macht ea 's Kumplament

Und 's Deanerl, dees lacht ohne End.

Na thuat a afwoarten maniali

Mit dee Edelstoa, fei und ziali,

Und 's Deanerl, dees freut si so viel

Am glanzenden, blitzaden G'spiel.

Dem Deanerl voneascht is fast grauli,

Do wiad's nach und nach goar votrauli,

Da Zweag so guatmüathi als wild

Wiar a Kind mit en Deanerl spielt.

Da Zweagl, voliabt do geduldi,

Und's Deanerl, so sanft und unschuldi,

Treib'n 's so bis da Winta kimmt hea,

Do is mit en Spiel'n nix meha.

Zon Deanerl sogt schmeichlat do Zweagl:

Geh', schliaf da 'nei in mei Beagl,

'S is trauli und waarm in mein Haus

Und ziat hab' i 's wundavoll aus.

Wia thuat si dees Deanerl freua

An oll dem Schöna und Neua

Vowändt so voständi und schlau

Im Zweagerl sein prächtiga Bau.

Sichst, sagt a, da wohn' wiar a Prinz i,

Mei Hausrath is künstli und winzi

Und Alles von Silba und Gold,

Wia 's a Weiberl nua wünschen si wollt'.

Ea gibt ihr dee Sachan in d' Hand'l:

Da spiel nua, sagt a, und tand'l

So lang und so viel als di freut

Meintweg'n fuat in Ewikeit.

Und's Deanerl dees loßt si 's net schaffa,

In lauta Tandl'n und Gaffa

Vogißt si si ganz und goar,

Dabei genga hi zeha Joahr.

Da sollt iah und bricht af en Pflasta

A Lilienkranz von Alabasta.

Und si und da Zweagl daschreckt

Foahrn af wia vom Schlafa afg'weckt.

Da Zweagerl no kloa und no schmächti

Si oba a Riesin hochprächti,

A Jungfrau liebreizat und hold

Nua g'wickelt in Lockerln wia Gold.

As klingt ihra schmerzlichs Jamman

Durch alle Gangerln und Kamman,

Da Zweagl ringt d' Handeln und woant,

Und steht in da Eck wia vostoant.

Durch dee Gangeln, so schmohl und so nida,

Ko d' Riesin net aussa meah wida.

As hilft aus der schrecklinga Noth

Da Arma nua endli da Tod.

An Soarg vo lauta Korallen

Mit an Deckel von liachten Krystallen

Voll goldna und Edelstoa-Pracht

Da Zweag füa sei Schatzerl hot g'macht.

Do sitzt a bei ihran Füaßen

Und laßt seine Zahra draf fliaßen

Ohne End' und im ewinga Schmeaz;

Denn an Beagzweag bricht niemal sei Heaz.

Da Zweag, dea muaß woana und trauan,

So lang nua dee Welt no mag dauan,

Zwoa Brünnerln, dee rieseln da h'raus

Seine Zahra vom Zweagen sein Haus.

Viel Veicherl und Röserl pranga

Wo kemma dee Brünnerl ganga,

Eiskalt und kristallen rei,

Und fassen dee Ranfterln ei.

As murmeln wehmüathi und rieseln

In Schatten af glanzaden Kieseln,

Und Jeden, dea trinka draus thuat,

Wiad weh und wiad woanale z' Muath.

Und fragst mi, wo is dees Beagl,

Wo ewi drin woant 's arm Zweagl

Um 's Riesendeandl; 's is halt

Af da Rusel im boarischen Wald.

90. Die Lichtenegger.

Ruine L i c h t e n e g g bei R i m b a c h nächst

K ö t z t i n g im Bayerwald. B. G r u e b e r u. A.

M ü l l e r der bayer. Wald. S. 262.

Das Volk erzählt, die Ritter von Lichtenegg und vom

Hohenbogen seien lange Jahre gegen einander in

Fehde gewesen. Endlich stellte sich der Lichtenegger

an, als sei er des Haders müde, und wußte durch

gleißnerische Botschaften seinen Gegner und dessen

Söhne dahin zu bringen, daß sie zu einem Sühnversuche

auf seinem Schlosse einritten. Hier bewirthete er

sie auf's köstlichste, aber während sie, keines Argen

sich versehend, dem Weine ihres falschen Gastwirthes

wacker zusprachen, ließ dieser verrätherischer Weise

durch seine Leute die ihrer besten Vertheidiger beraubte

Burg Hohenbogen ersteigen und in Brand stekken.

Als die Flammen thurmhoch aufloderten, führte

er seine Gäste schadenfroh an's Fenster und warf dann

die hinterlistig Getäuschten in das Burgverlies.

91. Herkommen des Pfingstlritts zu Kötzting.

K ö t z t i n g im Bayerwalde. – Das Königr. Bayern in

seinen Schönheiten, III., 7.

Aus nah und ferne kommen zu Kötzting am Pfingstmontage

morgens berittene Männer und Bursche zusammen,

die in paarweiser Ordnung zur Kirche des

heiligen Nikolaus in Steinbühl einen Kreuzgang ausführen.

Voraus reitet ein Geistlicher mit dem Allerheiligsten,

dann der Meßner, Fahnen- und Bildträger.

Nachdem der feierliche Gottesdienst abgehalten, und

in einer wunderherrlichen Waldgegend und den um

das Kirchlein aufgeschlagenen Wirthszelten einige

Rast gemacht ist, steigt Alles wieder zu Pferd und

man kehrt in fröhlicher Stimmung zurück nach Kötzting.

Selten daß es beim Heimritte im Gedränge ungeschulter

Rosse und meist unsicherer Reiter zu einem

Unfalle kommt.

Der außerhalb des Marktes auf einem freien Wiesplatze

angekommene Wallfahrtszug schließt sich zu

einem Kreise und es empfängt hier ein Kötztinger

Bürgerssohn, der nach dem Urtheile und der Auswahl

des Magistrates und des Pfarrers vor Anderen als tugendreich

gehalten wird, aus der Hand des Geistlichen

ein aus Flieder, rothem Band und Silberdraht geflochtenes

Ehrenkränzchen um den linken Arm. Es

gehen verschiedene Ueberlieferungen über die Entstehung

dieses Rittes; unter andern die folgende. Noch

bedeckte der Urwald die Gegend und ringsher

herrschte finsteres Heidenthum. Unten im Thale von

Chammerau aber bestand schon eine Christenkirche,

zu welcher Steinbühl weit oben in der Bergwaldung

als Tochterkirche gehörte. Es geschah nun, daß der

Chammerauer Pfarrherr noch nächtlicher Weile in seinen

Filialbezirk gerufen wurde, es verlangte ein Sterbender

nach der letzten Wegzehrung. Weil aber die

Heiden nicht nur, sondern auch grimmige Raubthiere

den Pfad unsicher machten, entschlossen sich unterwegs

die jungen Männer von Kötzting freiwillig, dem

Geistlichen zu Pferd ein Schutzgeleite zu geben. Mit

anbrechendem Tage brach eine Heidenschaar hervor

und des Priesters Leben sammt dem Allerheiligsten

schien in Gefahr. Da wurden die Gottlosen von den

Kötztinger Jünglingen hart angefallen und in hitzigem

Kampfe theils erschlagen, theils zur Flucht in die

Wälder getrieben. Von solch mannhafter That soll das

erwähnte Ehrenkränzlein ein Erinnerungszeichen sein.

92. Sagen von Chameregg.

C h a m e r e g g unweit C h a m e r a u im

Bayerwalde. – A. M ü l l e r u. B. G r u e b e r a.a.O. S.

297.

Wenn man über den Grund innerhalb des Wallgrabens

hinschreitet, dröhnt es dumpf unter den Füßen,

als ob man über ein Gewölbe schritte. Daher die Sage

von dem verschütteten Burgkeller, in welchem auf

steinernen Gantern uralter Rheinwein liege, ohne

Reife und Dauben, von seinem eigenen Weinsteine

gefaßt. Auch Schätze läßt das Landvolk hier vergraben

sein und gibt an, zur Herbstzeit, an stillen Tagen,

wo kein Lüftchen sich spüren lasse, drehe oft das auf

dem Boden liegende Laub von freien Stücken sich im

Wirbel herum, und es funkle dann vor den Augen der

Zuschauer wie Gold. Eine Frau, die eines Tages im

Burggraben Streu sammelte, hatte den Muth, mit dem

Rechen in das tanzende Laub zu schlagen, und es

sprangen drei Goldstücke hinweg, die jene aufraffte,

während der übrige Haufen sich schnell wieder in

dürre Blätter verwandelte.

Wie eine andere Sage erzählt, waren Chameregg,

die Burg auf dem benachbarten Lamberge, Chamerau,

Buchberg und Püdenstorf einst gefürchtete Raubnester.

Fünf Brüder hausten in diesen Schlössern und

fügten, vom Sattel und Stegreife lebend, den vorübergehenden

Handelsleuten viel Unheil zu. Wenn sie

Beute oder Feindesgefahr witterten, verständigten sie

sich von ihren Wartthürmen herab gegenseitig durch

Sprachrohre. Endlich erhoben sich, des ewigen Unfriedens

müde, die wehrhaften Männer der Grafschaft

und trieben die Unholde von dannen.

93. Der Drachenstich zu Furth im Walde.

In der O b e r p f a l z . – A. M ü l l e r ' s Beiträge zur

Gesch. u. Topogr. von F u r t h in Verh. des hist. Ver.

f.O.u.R. 1846, X. Bd. S. 162. Vaterl. Mag. von Dr. Fr.

M a y e r . München 1840. S. 353.

Dieses Fest, welches alljährlich am Sonntage nach

dem Frohnleichnamsfeste begangen wird, verdankt

seinen Ursprung wahrscheinlich einer jener alten

Lindwurmssagen, die ehedem fast in allen Gebirgsländern

unter dem Volke verbreitet waren. Das

Schauspiel, welches zum Nutzen der Wirthe, Bäcker

und Metzger noch immer sehr viele Zuseher aus der

Umgegend herbeizieht, geht in den ersten Nachmittagsstunden

des genannten Tages auf dem großen

Stadtplatze vor sich. Die auftretenden Personen sind:

Ein Rittersmann zu Pferd, in Harnisch und Blechhaube,

umgeben von einer Schaar Trabanten, dann eine

Königstochter aus unbekanntem Lande, welche zum

Zeichen ihres hohen Standes ein Goldkrönlein auf

dem Haupte trägt und mit so viel Silbergeschnür und

Schaumünzen behängt ist, als man nur immer auftreiben

kann. Eine Ehrendame, die »Nachtreterin« genannt,

begleitet die Prinzessin. Letztere nimmt auf

einer erhabenen Bühne Platz, und ihr gegenüber stellt

sich in einiger Entfernung der Drache auf, ein gräuli-

ches Ungethüm, dicken, ungestalten Leibes, freilich

nur ein Holzgerippe, mit bemalter Leinwand überzogen

und von zwei im Innern verborgenen Männern

bewegt. Ein dichtes Gewühl sammelt sich jedesmal

um diese abenteuerliche Erscheinung, und dann macht

sich der Drache bisweilen den Jux, mit weit aufgesperrtem

Rachen unter die Menge zu rennen, die eilig

zurückweicht und dabei in den possirlichsten Lagen

über einander purzelt. Der Hauptspaß aber ist, wenn

es dem Ungethüm gelingt, eine Böhmin aus dem Haufen

herauszupacken und ihr mit den Zähnen die breite

Tellerhaube vom Kopfe zu reißen.

Inzwischen sprengt der Ritter zur Prinzessin heran,

und es entspinnt sich zwischen beiden nachfolgender

Dialog in altväterischen Knittelversen:

R i t t e r .

Grüß Gott, grüß Gott, ihr königliche Tochter mein!

Was macht ihr auf diesem harten Stein?

Mich dünkt's, ihr seid ganz trauervoll,

Die Sach', die Sach' steht nicht gar wohl.

P r i n z e s s i n .

Ach, edler treuer Rittersmann!

Mein' Noth und Treu' zeig ich euch an,

Ich wart dahier aus Drachengräul,

Er wird mich schlucken in schneller Eil.

R i t t e r .

Schad't nicht, schad't nicht, seid wohlgemuth!

Die Sach', die Sach' wird b'währt und gut;

Rufet zu mir und betet zu Gott,

Er wird uns helfen aus aller Noth.

P r i n z e s s i n .

Ach edler treuer Rittersheld,

Flieht weit hinweg; flieh't weit in's Feld!

Sonst müßt ihr euer ritterliches Leben

Mit mir bis in den Tod aufgeben.

R i t t e r .

Ich als starker Rittersmann,

Das grausam' Thier macht mir nicht bang;

Mit meinem Degen und Rittershand

Will ich ihn räumen aus dem Land.

P r i n z e s s i n .

Seht, seht, ihr Ritter und Herr;

Das grausam Thier tritt schon daher.

Während dieser Worte rückt der Drache gegen die

Bühne vor und stellt sich an, als wollte er die Prinzessin

verschlingen. Doch der kühne Ritter sprengt ihm

entgegen und stößt seine Lanze tief in den Rachen des

Ungeheuers. Bei diesem Manöver muß aber derjenige,

welcher die Rolle des Ritters spielt (immer ein junger

Bürgerssohn) sich wohl in Acht nehmen, daß er die in

der Gaumenhöhlung verborgene Blase trifft. Das

Volk will heute Blut sehen, sey es auch nur unschuldiges

Ochsenblut, und wenn der Held des Tages fehl

sticht, so überschüttet ihn ein Hagel von Spottreden.

Ist der Lanzenstoß glücklich beigebracht, so zieht der

Ritter sein Schwert, und haut den Drachen ein paarmal

über den Schädel, dann macht er ihm mit einem

Pistolenschusse vollends den Garaus.

Nachdem er auf diese Weise das Scheusal unschädlich

gemacht hat, kehrt er zu der Prinzessin zurück

und ruft siegesfroh aus:

Freud', Freud' ihr königliche Tochter mein!

Jetzt könnt ihr frisch und fröhlich sein;

Dem Drachen hab' ich geben seinen Rest,

Weil er die Stadt hat lang geprest.

Die Prinzessin dankt ihm darauf mit diesen Wor-

ten:

Ach edler treuer Rittersheld

Weil er den Drachen hat angefällt,

Zu seinem Degen und Ritterlanz

Verehr' ich ihm ein schön Ehrenkranz.

Hiemit steigt sie von der Bühne herab und spricht,

indem sie dem Ritter den Kranz um den Arm bindet,

die Schlußverse:

Der Herr Vater und Frau Mutter werden kommen

sogleich,

Und werden uns geben das halbe Königreich.

Die Trabanten nehmen jetzt den Ritter und die

Prinzessin in die Mitte, und geleiten sie in die Herberge

zum Rittertanze. Auch die Zuschauer zerstreuen

sich in die Schenken, und das Fest endet, wie die

Volksfeste immer, mit einem allgemeinen Trinkgelage.

94. Der Hirschenritt.

Sage von F u r t h in der O b e r p f a l z . – A.

M ü l l e r Beiträge zur Gesch. u. Topogr. der alten

Grenzstadt Furth im Walde, in Verh. d. hist. Ver. f.O.u.R.

1846. Bd. X., S. 144, A. 18.

Die Schützen von Furth und ihre Jagdabentheuer

waren vormals weit und breit berühmt. Lange Zeit hat

sich im Munde des Volkes die Ueberlieferung von gewaltigen

Kämpfen dortiger Jäger mit Wölfen und

Bären, sowie die Kunde von einem schlimmen Ritte

erhalten, den vor etwa hundert Jahren den Stadtschreiber

L a n n e r von Furth auf einen Hirschen gethan.

Lanner hatte auf einer Jagd in Daberg, an welcher mit

ihm mehrere Bürger Antheil nahmen, einen Hirschen

erlegt und in übermüthiger Waidmannslust sich auf

den Rücken des vermeintlich todt daliegenden Wildes

gesetzt. Plötzlich aber sprang dieses auf die Läufe,

warf den Kopf zurück und preßte mit seinen Geweihen

den Stadtschreiber so fest an sich, daß dieser sich

nicht mehr losmachen konnte. Und nun ging's im

windschnellen Laufe dem Dickichte zu. Erreichte dieses

der Hirsch, so war Lanner verloren; die spießigen

Aeste des Unterholzes rissen ihm das Fleisch vom

Leibe. Da schlug einer der Jagdgefährten, ein entschlossener

Mann und sicherer Schütze, seine Büchse

an und brannte in Gottes Namen auf Tod und Leben

los. Der Hirsch, tödtlich getroffen, brach zusammen,

und der Stadtschreiber war gerettet. So oft dieser sein

Abenteuer erzählte, versicherte er, daß er beim Niederstürzen

des Hirschen eine Erschütterung in allen

Gliedern gefühlt habe, als seien Himmel und Erde auf

ihn gefallen.

95. Der Notthaffte Herkunft.

R u n d i n g alte Veste unweit C h a m im

B a y e r w a l d e , lange Zeit Besitz der Notthaffte,

deren Abkunft von einem friesischen Ritter

R a d i b o l d die Sage erzählt. – Das Gedicht aus einer

Reimchronik etwas geändert im Oberpfälzer Anzeiger,

1845, S. 109 und Bayer. Wald von A. M ü l l e r u. B.

G r u e b e r . S. 289.

Es lebt' ein Ritter in Friesenland,

Herr Radibold von Eggemont,

Auf Erden war kaum seines Gleichen,

An Stamm und Tugend königlich,

Keinem Ritter durft' er weichen.

Bevor der Vater kam in's Grab,

Dem Sohn ein reiches Weib er gab,

Dem Ritter war's nicht eben;

Sie kränkt' ihn bis an ihren Tod,

Und war untreu daneben.

Er zog vor Unmuth aus seinem Land,

Bekriegte Böhmen mit starker Hand;

Manch' Abenteuer er triebe,

Bis eines edlen Ritters Kind

Mit ihm verfiel in große Liebe.

Die Mutter zu der Tochter spricht:

Trau du dem fremden Ritter nicht,

Dem Vater will's nicht gefallen,

Du bist im ganzen Nordgauland

Die schönste Maid von allen.

Mit ihr durch manchen Wald er reit'

In Lieb' vertreiben sie die Zeit;

Er jagt nach wilden Thieren,

Seine liebste Frau in gleicher Lust

Thut er im Wald verlieren.

Drei Monat er's nicht finden mag,

Deß führten Beide große Klag',

Sein Herz litt Todesquale.

Er dacht' an ihren schwangern Leib,

Mit ihm weint Berg und Thale.

Seine Hündlein jagten auf einer G'spar

Da erst ein Hirsch hingangen war,

Der Hirsch lauft schnell zum Felse,

Wo er so lang ernähret hat

Die wunderschöne Else.

Der Ritter eilt den Hündlein nach,

Im Fels seine liebste Frau er sach,

Züchtiglich er sie umfinge;

Desselben Tags drei Knäblein schön

Er froh von ihr empfinge.

Kein Mensch auf Erden aussprechen mag,

Was große Freud' war auf Ungemach;

Im Wald nach längs und zwerche

Seine Ritter kamen und schrieen all:

Das heißt der Elsenberge.

Der Hirsch von den Knaben nimmer wich,

Kein Hund den Hirschen mehr anficht,

Sie dankten Gott gar feine,

Und fingen drauf zu bauen an

Das feste Schloß Hirschsteine1.

Er baut's für seine Söhnlein klein,

Daß sie gute Ritter möchten sein.

Von ihm drei Geschlechter kamen:

Die W a r t e r , H ü r n h e i m und N o t t h a f f t

Sind E k s e n b e r g e r eines Stammen.

Ein jeder kriegt selbst Leut' und Schloß,

Ein G'schlecht des andern schier vergaß;

Nach etlich hundert Jahren

Waren Herrn Radibold viel zerstört

Und meisten Theils verloren.

Fußnoten

1 Gemäuer von H i r s c h s t e i n rechts der Straße

von Waldmünchen über das Mauthhaus nach

Münchsdorf in Böhmen.

96. Zum Brünnlein bei Roding.

Volksbüchlein von A u r b a c h e r II., 122.

Unfern Roding, im Regenthale, liegt ein Berg, auf

dem eine Kirche steht, zum B r ü n n l e i n genannt.

Schon in uralten Zeiten floß dort eine frische, klare

Quelle, deren Wasser sich fernab in einem Becken

sammelte. Der Rasen umher war so üppig und der

Born so erquicklich, daß der Hirt gern seine Heerde

dahin trieb, wo sie sattsame Nahrung fand und Kühlung

unter Buchen und Tannen. Eines Abends, als die

Dämmerung ihn zur Rückkehr mahnte, wollte er noch

vorerst seinen Durst stillen am Brunnen. Da, wie er

an den Rand des Beckens tritt, sieht er auf dem Wasser

ein schönes Marienbild schwimmen. Mit freudiger

Begierde will er es haschen; aber je länger er darnach

greift, desto tiefer sinkt das Bild, bis es zuletzt seinen

Augen ganz entschwindet. Als er nach Hause gekommen,

erzählte er die wundersame Erscheinung dem

Pfarrer. Dieser zog des andern Tages, von vielen

Gläubigen begleitet, zur Stelle, und siehe da! das Marienbild

erschien wieder, wie es der Hirte berichtet,

auf der Oberfläche des Wassers. Der Priester hob es

ohne Mühe heraus, und trug es in die Kirche des

Ortes. Von der Zeit an geschehen große Wunder an

der Quelle. Viele, die an den Augen litten, oder lahme

Glieder hatten, oder sonst von Kräften gekommen

waren, erlangten wieder ihre Gesundheit. Es ward

daher zu Ehren Mariä ein Gotteshaus zur Stelle erbaut,

und das Bildniß dahin übertragen. Noch heutiges

Tages fließt die Quelle inmitten der Kirche, und

es finden immer noch viele Kranke Linderung und

Genesung am Gnadenorte »zum Brünnlein.«

97. Burg Steffling im Bayerwalde.

J . K . S c h u e g r a f in: Das Königreich Bayern in

seinen Schönheiten, III., 82.

In dem Schlosse Steffling oder Stefaning sollen ungeheure

Schätze verborgen sein. Die Landgräfin Adelheid,

eine geborne bayerische Prinzessin, hat hier im

alten Thurme viel Geld aufbewahrt; allein es glückte

bisher keinem Menschen, den Schatz zu erheben, weil

dieses erst zu Ende des gegenwärtigen Jahrhunderts

geschehen kann. Erst dann, wann diese Zeit gekommen

und der Schatz gehoben sein wird, wird die

Landgräfin von ihrer Strafe, als Burggeist umzugehen,

erlöst sein.

Johann Christoph Münster, der im Rufe eines Teufelsbeschwörers

stand, soll einmal mit Hülfe eines in

seinem Schlosse anwesenden Franziskaners alle

Hexen seiner Hofmark um die Geisterstunde im

Schloßhofe versammelt haben. Als sie nun alle da auf

dem Platze waren, mußten sie auf seinen Ruf in den

Backofen spazieren und darin tanzen; aber dieser

Spott wäre den beiden Frevlern bald theuer zu stehen

kommen. Die Hexen fielen nämlich nach dem Glokkenschlage

Zwölf alsobald über die Beschwörer her,

banden und kitzelten sie so heftig und anhaltend, daß

sie ihr Leben würden geendigt haben, hätte man nicht

schleunigst aus der Burgkapelle den Kreuzpartikel

herbeigebracht, und ihnen beiden auf Kopf und Brust

gelegt. Noch bis zum Jahre 1802 war dieser merkwürdige

Hexentanz am Backofen abgemalt zu sehen.

98. Der Frauenstein bei Bogen.

L. Aemil. H e m a u e r Chronik von Ober-Alteich.

Aswinische Bogen usw. Straubing 1679. A. K i e f l der

Bogenberg. Passau 1847. S. 33.

Der Frauenstein ist ein Felsen in der Donau, auf welchem

der Sage nach das jetzt in der Kirche auf dem

Bogenberg befindliche Gnadenbild sich vorgefunden

hat. Davon meldet die Oberalteicher Chronik: Im

Jahre nach Christi Geburt 1104, als Graf Aswinus,

ein Bruder Friedrichs I., des Stifters unsers Klosters,

auf seiner festen Burg Bogenberg Hof hielt, ist das

wunderbare Bildniß der Muttergottes auf der Donau

dem Flusse zuwider heraufschwimmend ankommen

und hat auf einem Steinfelsen so lange Stand gehalten,

bis es von den Einwohnern ersehen und dem Grafen

aller Verlauf mit Verwunderung angedeutet worden.

Aswin verordnete alsobald, daß das Wunderbild

aus dem Wasser an das Land gebracht, dann mit

höchster Ehre und Andacht zur Zeit der Regierung

Abts Egino in seine Residenz getragen und in deren

Kapelle eingesetzt wurde.

99. Ludmilla von Bogen.

Wo sich der B o g e n b e r g jetzt mit seiner

Wallfahrtskirche erhebt, stand früher die Stammburg der

mächtigen G r a f e n von B o g e n . L u d m i l l a ,

A l b e r t s III., des letzten Bogeners, Wittwe wurde im

Jahre 1204 die Gemahlin des Herzogs von Bayern,

L u d w i g s I. des des Kelheimers. Die Bearb. von

einem Meistersänger, Monum. Boica XII., 92.

1.

Ein Fürst von payren kom gein pogen geriten;

Zw einer Gräfin Schön und Klug mit siten,

Er begert ir zu Freiden spil,

Si sprach, ich (nit) ein wil,

Er erwellet dann sein mein eelich man

So wil ich darumb ratt han.

Der Herr rayt in Freyem mut von danne,

Dy Gräfin vodert ir ratmanne:

Rat ir Herren edel und weis,

Ein her von payrn sezt seinen vleiß

Wie er mich äffen wolldet

Wenn ich das mit worten verscholdet

Der Rät ainer sprach vor Inn allen,

Fraw ir sult drey ritter an ainen tebich malen,

Und drey ritter dar under wol behut

Dy des Fürsten wortt merchken und ewren mut,

Das er seine wort, so taugen

Nicht mochte gelangen.

Der Fürst kom gein pogen widern

Mit gar frölichen gelidern

In der Gräfin Kammer verholen

Da dy rytter under dem tebich lagen verstolen.

Der Fürst redt der Frawen zu,

Ob sy seinen willen wolde thun.

Dy Fraw sprach und zeigt an den tebich,

Gelobt mir vor den ryttern dy ee frölich.

Der Fürst gelobt dy ee in heldes mut,

Dy Gräfin nam zu Zeugen dy ritter gut.

Gingen dy rytter frölich her für,

Der Fürst getrawrt und gedacht fur dy tür,

Er rait von dan zu landt

Im ein ander Landt.

Und da vergangen was ein ganz Jar,

Da kom der Fürst gein Landaw spatt,

Er wolt nicht da benachten

Zu seiner Hausfraw gein pogen was (wolt) er trachten.

Da sy kommen zu samen bayde,

Da vergassen sy alles ires Laide

Sy lebten mit einunder eelich (eeleich)

Als es zugehörtt der Fürsten reich

Der edlen Grafen von pogen

Helm Schilt und wappen

Ist komen an dy hochgeporen Fürsten loblich

Von payren mit erbschafft und name ewigklich.

100. Ludmilla von Bogen.

2.

Von H e i n r i c h D ö r i n g .

Die Blume der Frauen, des Landes Zier,

War Gräfin Ludmilla von Bogen,

Längst fühlte durch Neigung und Liebe zu ihr

Sich Ludwig der Bayer gezogen.

Ihr Gatte, Graf Albrecht, in Fehden gewandt,

Und rings als ein männlicher Ritter bekannt,

War jüngst mit dem tapferen Degen,

Freund Hein, im Zweikampf erlegen.

Dem Herzog schien's als die Nachricht erklang,

Nicht länger daheim zu behagen;

Es trieb ihn, die Ufer der Donau entlang,

Zum Schlosse der Gräfin zu jagen,

Er pries auf des Berges waldigen Höhn

Die Lage der Burg als bezaubernd und schön

Und bat, ihm als Huld zu gewähren,

Bisweilen hier wiederzukehren.

Bestürzt stand Ludmilla, voll sittiger Scham,

Und ließ nur mit Müh' sich erbitten,

Doch als er ihr Jawort errungen, da kam

Nun Ludwig fast täglich geritten,

Und fiel als ein loser und tändelnder Gast

Der Gräfin mitunter recht herzlich zur Last,

Die, weil sie im Stillen ihn liebte,

Sein Wesen verdroß und betrübte.

»Fürwahr,« sprach sie einst, »ein vergebliches Spiel,

Mit leerem Geschwätz mich zu quälen,

Ihr werdet so, glaubt mir's, auf immer das Ziel,

Wonach euch gelüstet, verfehlen;

Bekräftiget redlich durch Trauring und Hand

Gefühle, die längst euer Mund mir gestand!«

»Laß beides,« rief Ludwig, »als Zeichen

Der innigsten Liebe dir reichen.«

»Mit Gunsten, Herr Herzog, so weit sind wir nicht!«

Sprach lächelnd die Gräfin: »Laßt hören,

Geliebt es euch morgen den Treueid der Pflicht

Vor diesen drei Zeugen zu schwören?«

Sie sprach es, und deutete links mit der Hand,

Dort wies sich als Zierde der gothischen Wand

Geschmückt mit Wappen und Fahnen,

Ein Kleeblatt von tapferen Ahnen.

»Ho, ho!« rief der Herzog und lachte fast laut:

»Welch wunderliches Begehren!

Ihr scheint mir bei Laune, holdselige Braut,

Und unrecht wohl wär's, sie zu stören,

Drum füg' ich in seltsame Bitte mich gern,

Und leiste vor diesen gewappneten Herrn

Euch morgen den Eidschwur der Treue,

Durch den ich mich ewig euch weihe!«

Drauf reicht er am Morgen Ludmillen die Hand

Und sagte: »Ihr Ritter, seid Zeugen!«

Da dünkt's ihm, als tönte dicht hinter der Wand

Ein hallendes Echo: »Wir zeugen!«

Sie rollte sich leicht wie ein Vorhang empor:

Es traten drei stattliche Ritter hervor,

Und neigten mit ernster Geberde

Sich vor dem Erstaunten zur Erde.

Der Herzog warf starr, mit geöffnetem Mund

Den Blick auf die lebenden Büsten;

Es schien ihm, als hab er wohl reichlichen Grund,

Sich über den Schwank zu entrüsten.

Doch hielt von Ludmillen ein zärtlicher Blick

Gewaltsam den Ausbruch des Unmuths zurück;

Auch schien's, vor den peinlichen Zeugen,

Gerath'ner, sein Leid zu verschweigen.

»Fürwahr!« rief er lächelnd, »der Einfall gereicht

Dem weiblichen Scharfsinn zum Lobe;

Doch glänzt er in anderer Hinsicht vielleicht,

Nicht eben als rühmliche Probe!

Dem sei wie ihm wolle! Hier reich ich die Hand

Der Holden, die längst ich mein Eigen genannt,

Und schmück' auf erhabenem Throne

Ihr Haupt mit der bayrischen Krone.«


Sagenbuch der Bayrischen Lande

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