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Kapitel 8

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141. Wie Kaiser Ludwig Pillenreuth errichtet.

A d l z r e i t e r P. II., l. 3., p. 61. B r u s c h chron.

mon. Geam. p. 361. F r a n k o n i a . Ansbach 1813, II.,

2.

Als Kaiser Ludwig der Bayer sich im Jahre 1345 mit

seiner Gemahlin zu Nürnberg befand, befanden sich

unter den Hoffräulein der Kaiserin etliche, welche den

Beschluß faßten, in's Kloster zu gehen. Also baten sie

den Kaiser, ihnen in der Stille des Nürnberger Waldes

ein Klösterlein zu erbauen, allwo sie ihr Leben gottselig

verbringen könnten. Da ließ sich der Kaiser ein

Pferd vorführen und ritt hinaus in den Wald, um einen

bequemen Platz für das Klösterlein ausfindig zu machen.

Wie er nun so eine Weile im Walde umherritt,

hörte er einen überaus schönen Gesang, nach welchem

er hinlenkte, und als er dahin gekommen, sah er

auf einer Eiche das Bildniß des gekreuzigten Erlösers.

Darin erkannte er einen Fingerzeig Gottes, stieg vom

Rosse, zeichnete eigenhändig mit dem Beile den

Baum und befahl, daß an dieser Stelle das Kloster errichtet

würde, welches von dem aufgefundenen Bilde

und dem ausgereuteten Hain den Namen Bildenreuth

davontrug.

142. Sankt Hiltegund zu Münchaurach.

L a d i s l . S u n t h e m . monast. Franc. ap.

O e f e l e script. rer. Boic. II., 605. Vita S. Hilteg. ap.

O e f e l e I., 625. usw.

Sankt Hiltegund ward mit sechs Schwestern von ihren

Eltern adelich und in Gottesfurcht auferzogen. Als

aber ihr Vater und Mutter starben, gelobte sie Gott,

Keuschheit ihres Leibes zu bewahren. Hierauf nahm

sie Graf Göswein von Höchstat, der ihr Freund war,

zu sich und hielt sie als seiner Töchter eine. Da ward

Sankt Hiltegund durch Graf Herman von Höchstat,

Pfalzgrafen bei Rhein, an einen bayrischen Herrn verlobet,

der mit großem Volk zu Höchstat lag. Als nun

Graf Herman mit dem Bräutigam gen Aurach kam,

das zu der selbigen Zeit nur ein Schloß war mit einer

Kapelle geweiht St. Peter, ging Sankt Hiltegund früh

in die Kapelle, beichtet und empfängt den Fronleichnam

unsers Herrn Jesu Christi. Der Bräutigam aber

und seine Leute aßen und tranken und wollten darnach

gen Bayern auf die Hochzeit reiten. Wie das

Sankt Hiltegund vernahm, ging sie abermals in die

Kapelle und bat Gott, daß er sie eh ihren Geist aufgeben,

als ihre Reinigkeit verlieren lasse. Da verschied

Sankt Hiltegund vor dem Altar und ihre Seel ward

von den Engeln geführt zu den ewigen Freuden. Dar-

nach wollt sie der Bräutigam todt heim gen Bayern

führen, aber Niemand konnte den Leichnam bewegen,

also ward sie auf selber Statt ehrlich begraben. Nach

einiger Zeit erschien Sankt Hiltegund Graf Hermans

Kapellan und vermahnt ihn, daß er dem Grafen sage,

daß er ihren Erbtheil an das Kloster gebe. Aber dieser

getraute es ihm vor Furcht nicht zu sagen. Da erschien

Sankt Hiltegund dem Kaplan zum drittenmal und gab

ihm ungestüm einen Backenstreich, davon er das Zeichen

sein Lebtag trug. Da sagte der Kaplan dem Grafen

das Wunderwerk, aber der Graf glaubt ihm nicht.

Nun ritt Graf Gosweins Sohn, Graf Herman, nach

Lamparten zu König Conrad auf den Tag von des römischen

Reichs wegen. Und als sie in eine Stadt

kamen, da fiel ein Berg über die Stadt, und ward der

junge Graf Herman mit vielen andern Menschen erschlagen.

Als das Graf Goswein hörte, daß sein Sohn

also todt war, da baut er das Kloster und gab all sein

Gut darzu, und verließ mit seiner Hausfrau Luitgard

Alles, was sie hatten und kamen in das Kloster. Hie

wohnte der Graf in Gottesfurcht bei den Menschen,

und die Gräfin ließ sich verschließen mit fünf Jungfrauen

und lebten tugendlich bis an ihr Ende. Diese

liegen zu Münchaurach im Kapitel begraben.

143. Das Quackenschloß.

Von G. N e u m a n n . – Felsenmasse im

W i e s e n t t h a l e . Der Name »

Q u a c k e n s c h l o ß « mag sich im Munde des

Landvolks nach dem Bestandtheil der Felsen:

Rauchwacke, gebildet haben.

Es träuft der letzte Schnee in leichten Wassertropfen

Vom grünen Tannenzweig, die lust'gen Vögel klopfen

Die Schnäbel in den Stamm und fliegen auf und ab;

Der Blumen Knospe schwillt, und junge Kräuter

sprießen

An grünen Bächen, die im Thale plätschernd

schießen,

Dem Lenz zu Dank, der Freiheit gab.

Durch Thal und Berg seht ihr den muntern Jäger

schweben,

Vergessend selbst das Wild im frischen

Frühlingsleben,

Da rennt vor ihm ein Hirsch in scheuem Sprung

vorbei,

Ihm nach! – Thalwärts, bergauf eilt er, die flücht'gen

Spuren –

Verfolgend durch's Geheg, durch Wald und Feld und

Fluren –

Bald ist von Hirsch und Weg er frei.

Wohin trug ihn so schnell das übereilte Jagen?

Hoch stemmt sich mancher Berg, deß Gipfel Wälder

tragen,

Die Felsenklippe steht so kalt und fremd ihn an.

Von allen Klüften nur der eig'nen Worte Schallen,

Auf stein'gem Boden nur des bangen Fußtritts

Wallen,

Kein Himmelsstern scheint seiner Bahn!

Nur irre Lichter sieht er auf- und nieder tanzen,

Und hohe Felsen rings wie aufgeworf'ne Schanzen

Mit knappem Grase steh'n, das ihre Stirne deckt.

Ist das der Zauberberg, in dem so unermeßlich

Gehäuft die Schätze sind? – Noch war ihm

unvergeßlich

Die Sage, die sein Träumen weckt.

Und wie er sinnt und wählt, sieht er des Berges

Spalten

Von Lichterglanz umwebt hell blinken, und Gestalten

So zahlreich, schwarz und klein, flieh'n hüpfend draus

hervor,

Sie grüßen nickend ihn, sie winken und sie flüstern

Zu ihm, der näher tritt und nach den Schätzen lüstern

Schon muthig steht am engen Thor.

Durch einen Bogengang von weißem Alabaster

Begleitet ihn die Schaar, im weitern Gehen faßt er

Sich Muth, daß ihm sein Werk gelingt.

Indeß das Gnomenvolk auf feinen luft'gen Sohlen

Buntscheckig ihn umtanzt in lust'gen Capriolen

Und durch den Gang voraus ihm springt.

Welch' bunter Zauberglanz, welch' farbenreiche

Helle!

Mit zagem Herzen hält er an der innern Schwelle,

Komm! – ruft es ihm, indem er staunend sich besinnt.

Sein Fuß tritt Mosaik vom Grüne der Smaragden,

Von Jaspis und Opal, und was aus tiefen Schachten

Noch sonst der Gnomen Fleiß gewann.

Die Decke strahlet von Beryllen und Saphiren,

In deren blauem Spiel Topase sich verlieren;

Von hohen Wänden blitzt der feurige Rubin.

Die Säulen sind Kristall, und ihre Kapitäle

Von lilla Amethyst, – so geh'n die Zaubersäle

In funkelnd weiter Ferne hin.

Da naht ihm von dem Thron, den tragen gold'ne

Greife,

Die Feenkönigin, umringt von einem Reife

Der schönsten Elfen, die zu ihrem Dienste steh'n,

Wie der Juwel im Gold des Ringes schön sich malet,

Und aus der Sterne Kreis die holde Venus strahlet,

So hier die herrlichste der Feen.

Von ihrer Stirne blitzt des Diamants Agraffe,

Aus ihrem Augenpaar der Liebesflamme Waffe,

Und durch der Lippen Roth der Zähne Elfenbein.

Sie lächelt hold und spricht mit wundersüßen Lauten,

Die ihrer Liebe Gluth dem Staunenden vertrauten

Und tief in's Herz ihm dringen ein.

Er wird von diesem Schau'n, von diesen Worten

trunken,

Es flammen lockend süß des Zauberreiches Funken

Um ihn, ihr Auge winkt, es reizt ihr Blüthenmund.

Verschwieg'ne Bitte spricht nun kühn vom Sang der

Elfen,

Es klingt ein schallend Lied, die Gnomen alle helfen,

Und ihn umschlingt des Tanzes Rund.

Und des Gesanges Macht, der Liebe gold'ne Töne,

Die reiche Herrlichkeit, der Königin Jugendschöne

Weckt aller Wünsche Drang im ahnenden Gemüth.

Die heiße Gluth brennt ihm durch Adern und durch

Nerven, –

Darf er ein solches Herz, ein solches Glück

verwerfen,

Wie's keinem Sterblichen geblüht?

Weh' ihm! – es lockt ihr Bild in des Kristalles Spiegel

So tausendfach ihn an, ihr Brautkuß ist das Siegel

Das ihn in Fesseln schlägt; sein Busen schwillt vor

Stolz.

Er schwelgt im höchsten Glück, im seligsten

Entzücken,

Er schwört's: es soll mich nichts zur Heimath mehr

entrücken,

Zur alten Hütte schlecht von Holz! –

Doch bald ist er am Gold- und Edelsteine-Schimmer,

Am reichsten Glanze satt, er reizt und lockt ihn

nimmer

Manch unerfüllter Wunsch tritt bitter in sein Glück.

Mit längst gewohnter Pracht will neue Sehnsucht

streiten,

Er mißt in banger Furcht langweil'ge Ewigkeiten,

Und nie, o nie darf er zurück!

Des Taumelkelches Schaum ist raschen Zugs

verflogen,

Um wahre Seligkeit sein Herz so kalt betrogen,

Nun düstert sich sein Blick selbst auf dem gold'nen

Thron,

Vom vollen Marmortisch, von der Geliebten Seite,

Von ihrer Elfen Tanz zieht Schwermuth ihn in's

Weite;

Doch nie, o nie darf er davon!

»O laß mich noch einmal die Sonne an dem blauen,

Am nächt'gen Himmelszelt die gold'nen Sternlein

schauen,

Bei lust'gem Hörnerklang im Wald mich jagen früh;

Und dann im Abendroth umarmen die Geliebte,

Die mit so heiterm Wort mir jeden Schmerz

zerstiebte, –

Sie liebt ich – Königin, dich nie!«

Ein lauter Todesschrei entringt sich der Getäuschten;

Indeß die Gnomen all' ihn täppisch roh umkreisten,

Die Elfen jammernd steh'n, rafft er sich wild empor.

Rasch rennet er hinaus, ihn graust der bunte Zauber

Wie Macht der Hölle an, er löst den Bann, denn

tauber

Als harter Fels ist nun sein Ohr.

Da schallt ein Donnerschlag dumpf durch der Erde

Gründe,

Es kracht im jähen Sturz der Berg, in seine Schlünde

Sinkt tief des Schlosses Pracht mit seinem

Strahlenmeer.

Ihn jagt die Angst zur Flucht, es packt ihn kalt im

Nacken,

Doch endlich sieht er um – da ragen graue Wacken,

An ihrer Fläche kahl und leer.

Ist dieß der Wände Glanz, sind dieß die stolzen

Säulen,

Wo jetzt in finst'rer Nacht ein schauerliches Heulen

In engen Spalten tobt und durch die Höhlung braust?

Es wuchert Farrenkraut am Fels bei braunem Ginster,

Und des Gewölbes Schlund gähnt schauerlich und

finster,

Wo Lieb' und Zauber einst gehaust.

Der Gnomen Haß verfolgt die Menschen und sie

locken

In ihre Nähe sie mit hellen Feuerflocken,

Scharf lauert ihre List auf den, der fürbaß zieht.

Denn in der Zaubernäh' trifft ihn bald Regenschauer,

Bald ein geworf'ner Stein aus sichrer Felsenmauer,

Daß der Erschreckte ängstlich flieht.

144. Der Streitberger Ende.

J. H e l l e r Muggendorf, S. 208. G. N e u m a n n

Erinnerungen an die fränkische Schweiz, S. 93.

Der letzte Herr von Streitberg soll nur einen Sohn gehabt

haben; die Kindswärterin trug ihn einmal an

einem siedenden Kessel mit Wasser vorbei; das Kind

sah hinein, wurde durch seinen eigenen Schatten getäuscht,

wollte nach jenem langen, fiel in den Kessel

und fand seinen Tod. Kurz darauf kam Streitbergs

Frau nieder, gebar aber ein Mädchen; zu gleicher Zeit

wurde die Frau eines Webers zu Veilbrunn von einem

Knaben entbunden. Der alte Streitberg suchte beide

Kinder auszutauschen, doch konnte sich der Weber

nicht dazu verstehen. Streitberg hielt sich einst lange

zu Bamberg auf, und kehrte des Nachts nach Hause.

Auf der Höhe bei Burggrund verfehlte der Kutscher

den Weg, und der Wagen mit den vier Pferden stürzte

über einen hohen Felsen in das Thal hinab, so daß

Alles verloren war. Dieß soll auch die Veranlassung

seyn, daß man den Felsen den T o d t e n s t e i n

nennt. Das Ereigniß fällt in's Jahr 1690.

145. Burggeist zu Heilsberg.

Mitgetheilt von Frhr. von B ö h n e n .

Auf der Burg zu Heilsberg bei Wiesent sollen vor

Zeiten Raubritter ihr Unwesen getrieben, die nahen

Dorfbewohner belästigt und die vorüberziehenden

Handelsleute ausgeplündert haben. Der Geist eines

der ruchlosesten dieser Ritter muß zur Strafe noch

heute um Mitternacht in den Ruinen der Burg umgehen.

Er kann erst dann erlöset werden, wenn eine aus

dem Wartthurm entsprießende Tanne so groß wird,

daß man von ihr Bretter zu einer Wiege sägen kann.

In diese Wiege wird ein Knabe gelegt, der muß sich

dem geistlichen Stande weihen und als neugeweihter

Priester den Burggeist mit seinem Gebete erlösen.

146. Das Kreuz.

Von F r a n z S c h m i d t . – Sage der Gegend von

E b e r m a n n s t a d t in O b e r f r . – Biene, Bamberg

1837, S. 158.

Im Schweizerland der Franken trägt eine Felsenwand

Ein Kreuz von schlichtem Holze, wie's graue Zeit

schon stand.

Hat wohl das Kreuz erhöhet die Trauer, war's der

Dank?

Es denken Christi Opfer die Herzen froh und krank.

Von einem Sterbebette eilt einst ein Priester spät,

Dem Sturm voran zu schreiten, der auf am Himmel

steht,

Es stellt dem kühnsten Läufer im Gang der Sturm sich

gleich,

Es stand ereilt der Pfarrer bald in der Nächte Reich.

Des Priesters Silberlocken durchfurcht des Regens

Guß,

Und vor dem Abgrund tastet des Greises schwanker

Fuß.

Da sendet Gott zur Leuchte den allgewalt'gen Blitz,

Daß rückwärts tritt der Priester vom grausen

Felsenritz,

Und auf den Knieen betet: »Herr, deiner Rache Gluth

Verwandelst du in Lämplein zu deiner Wand'rer

Hut.«

Da, wo das Kreuz sich hebet, erschien das

Rettungslicht

Uns Allen recht zum Zeichen: Gott läßt die Seinen

nicht!

147. Der goldene Fuchs zu Rothenbühl.

R o t h e n b ü h l Weiler Lbg. E b e r m a n n s t a d t in

Mittelfranken. – Vat. Mag. Erlangen 1837. S. 374. J.

H e l l e r Muggendorf, S. 167.

Das Sprüchwort sagt: Mancher sucht sein Glück in

der Ferne, das er doch ganz in der Nähe hätte. Dieß

traf einst buchstäblich bei dem Manne ein, aus dessen

Leben wir nachfolgende Geschichte erzählen wollen.

Von Streitberg nach Ebermannstadt ziehen sich angenehme

und fruchtbare Wiesengründe, bewässert durch

Schöpfräder aus der nahen Wiesent. Links im Thale,

nicht ferne von Ebermannstadt, erhebt sich der stattliche

Weiler Rothenbühl. Vor langen, langen Jahren

stand hier ein verfallenes Kapellchen und daneben die

ärmliche Hütte eines Landmanns, der sich kümmerlich

im Schweiße seines Angesichtes mit seinem zahlreichen

Kinderhäuflein ernährte. Aber Gottesfurcht

wohnte in der ärmlichen Hütte und täglich wurden in

ihr betende Hände zum Geber aller Gaben empor gehoben,

daß der den nöthigen Unterhalt verleihen und

auch für die heranwachsenden Kleinen sorgen wolle.

Und Gott erhörte dieses Bitten in reichster Fülle.

Einst als der bekümmerte Hausvater nach des

Tages Last und Hitze der Ruhe pflegte, hatte er einen

gar sonderbaren Traum. Denn es erschien ihm eine

Gestalt, ernst und ehrwürdig, die gebot ihm und

sprach: »Mache dich auf und reise nach Regensburg,

und wenn du dort angekommen, so gehe auf die große

Brücke, daselbst wirst du Glück und Wohlstand finden.

«

Und als der Mann erwachte, erzählte er der treuen

Hausfrau seinen Traum und beide lächelten darüber.

Aber in der nächsten Nacht kam die Gestalt wieder;

da ward der Hausvater ernster und nachdenkender,

denn die Geschichte ging ihm im Kopfe herum.

Die sorgliche Frau jedoch wendete ein, daß es denn

doch zu gewagt sei, auf einen bloßen Traum hin eine

so weite Reise zu machen.

Und siehe, in der dritten Nacht kam die Gestalt

noch einmal, ermahnte den Mann nachdrücklich, daß

er sein Glück ja nicht versäumen solle, und bezeichnete

ihm den Tag, an dem er auf der Brücke zu Regensburg

sich einfinden solle. Nun half nichts mehr.

»Weib!« sagte er, »ich muß dem dreimaligen Wink

des Himmels folgen, packe mir mein Ränzchen zur

Reise.« Und die Frau selbst war jetzt leicht überzeugt,

daß man solchem Ruf zu folgen nicht versäumen

dürfe. So wanderte also der Mann am frühen Morgen

gen Regensburg und nach mehreren Tagen mühseligen

Marsches gelangte er endlich dahin, und stand am

bestimmten Tage schon mit Sonnenaufgang auf der

ihm im Traum bezeichneten Stelle der Donaubrücke.

Reiter und Wagen und Fußgänger zogen hier von

Stund zu Stunde in buntem Gedränge an ihm vorüber,

eilig ihren Geschäften nachgehend.

Und obgleich unser Reisender Jeden betrachtete,

weil er meinte, von diesem oder jenem müsse das

Glück ihm angeboten werden, so kümmerte sich doch

Niemand um ihn und vergebens harrend und verlassen

sah unser Wanderer in ängstlicher Stimmung, der Erfüllung

seines Traumes entgegen.

Die Sonne brannte heiß auf die Brücke, kein Schatten

bot sich dar, und so gerne der Mann sich dieser

unbequemen Stellung entzogen hätte, so getraute er

sich doch nicht fortzugehen, aus Furcht, sein Glück

zu versäumen, denn die Erscheinung hatt' es ihm ja so

bestimmt verkündet. Es wurde Mittag. Unser Bauersmann

hielt sein Mittagsmahl aus der Tasche auf der

Brücke und die Hoffnung würzte ihm die einfache

Kost, daß es ihm besser schmeckte, als wenn er bei

einer reichen Tafel gesessen. Mancher guckte ihn darüber

an; da glaubte der Bauer immer, der wird es

wohl sein. Doch drehten sie alle den Kopf und gingen

ihren Weg weiter.

So ging es nun den Nachmittag hindurch, die

Schatten wurden länger, der Abend kam heran; die

Glocke des nahen Doms tönte zum Abendgebet. Da

wurde der Reisende betrübt über sein hoffnungsloses

Warten, und er zog sein Käpplein ab, betete und emp-

fahl dem Vater in der Höhe sein Schicksal, sein Weib

und seine Kinder in der fernen Heimath. »Ich will ja

gerne arm bleiben,« sagte er, »wenn es so über mich

beschlossen ist, hilf nur mir und den Meinigen überall

durch, bewahre mir Zufriedenheit und ein gottesfürchtiges

Herz.«

Auf solches Gebet ward dem armen Mann leicht

und froh um's Herz. Und er schickte sich an, seinen

bisher so standhaft behaupteten Platz zu verlassen,

um in der Herberge eine Unterkunft für die Nacht zu

suchen. Da kommt ein Bürgersmann vorüber, der

bleibt verwundert vor ihm stehen und redet ihn also

an: »Ei, guter Mann! schon zum drittenmale bin ich

heute vorübergegangen und immer seh' ich dich hier

stehen. Was erwartest du denn hier?« Bei solcher Anrede

geht dem Begrüßten das Herz auf und er erzählt

dem Fragenden seinen Traum und den Kummer über

die bisherige Täuschung. Der Bürgersmann aber lacht

und spricht: »Wer wird aber auch auf einen Traum

gehen; Träume sind Fäume! Wenn einer auf Träume

achten und ihnen zu Gefallen gar weite Reisen machen

wollte, der hätte fürwahr viel zu thun! Träumte

mir nicht auch gestern: an einem Orte, genannt Rothenbühl,

steht eine verfallene Kapelle; dort unter

dem Platz, wo ehemals der Altar gestanden, liegt ein

goldener Fuchs begraben. Wie, wenn ich nun darauf

achten wollte? Weiß ich doch nicht einmal, ob es nur

ein Rothenbühl auf Erden gibt und ein goldener

Fuchs – wo sollte der herkommen? Darum rathe ich

dir, gutes Bäuerlein! gehe du morgen wieder nach

Hause, und hebe lieber meinen goldenen Fuchs in Rothenbühl,

den ich dir gerne überlasse, anstatt daß du

auf der Brücke hier auf einen Schatz wartest!« Unser

Bauersmann, der bisher das Maul verwundert aufgesperrt,

ließ sich das auch nicht zweimal sagen.

Gar schön bedankte er sich bei dem Bürger, nahm

freundlichen Abschied von ihm, schlief die Nacht hindurch

vor lauter Begierde nur wenig und der erste

Strahl der Sonne fand ihn schon weit weg von Regensburg.

Rastlos wanderte er fort und fort und kam

glücklich heim zu den Seinen. Erstaunt empfingen die

den mit froher Miene eintretenden Hausvater, der sich

kaum Zeit nahm, ihre Frage zu beantworten, sondern

sogleich Schaufel und Hacke ergriff und an dem bezeichneten

Ort zu graben anfing. Und nicht lange, so

glänzte ihm etwas Goldenes entgegen und das war

wirklich ein schwer in Gold gearbeiteter Fuchs. Von

seinem Staunen wollen wir nichts weiter erzählen,

sondern nur noch beifügen, daß er einen Theil des reichen

Fundes dem Landesherrn überlieferte, aber das,

was er behielt, war immer noch genug, daß er sich

bald ein neues, stattliches Wohnhaus erbauen, die

umliegenden Felder und Wiesen ankaufen und seine

Tage in Ruhe und Frieden durchleben konnte.

148. Die Riesenburg.

Von G. N e u m a n n . – Die R i e s e n b u r g bei

E n g e l h a r d s b e r g unweit M u g g e n d o r f in

Oberfr.

Es liegt des Sommertages Gluth

Schwer auf dem stillen engen Thal,

Und Alles sucht des Schattens Hut

Vor glüh'nder Sonne Stich und Strahl.

Des Berges Inn'res thut sich auf.

Wo Felsenmassen ragend stehn,

Und über Steinesstufen auf

Erklimm' ich diese kühlen Höh'n.

Hier weht der Vorzeit Geist mich an,

Der riesige Gedanken zeugt,

Indeß was unten liegt im Plan

Dem schwindelhohen Blick entfleucht.

Hier haben Riesen einst gehaust,

Die Felsenburg sich aufgethürmt,

Die nie der Welt Geräusch umbraust,

Die jetzt den müden Wand'rer schirmt.

Aus dem vielzackigen Geklüft,

An dem das Echo donnernd kracht

Les' ich geheime Zauberschrift,

Die Schauer alter Märchenpracht.

Zwei Brüder lebten einig lang

Von Raub und Mord, sie trafen gut

Und machten rings der Gegend bang,

Denn Mancher lag in seinem Blut.

Was fern kam, hat ihr Blick erspäht

Vom nahgeleg'nen Adlerstein,

Der hoch auf freier Fläche steht,

Und schauet weit in's Land hinein.

Aus des Versteckes offnem Rund

Entsenden sie den Todespfeil;

Sie schonen Keinen, tief im Grund

Hemmt ihr Geschoß des Wand'rers Eil.

Doch Keiner wagt's, das Räuberpaar

Zu stören in dem wüsten Raub;

Der Berg ist nicht erkletterbar,

Sie sind für alle Bitten taub.

In ihrer Höhlen tiefer Wand

Birgt ihre Gier der Schätze Hauf'.

Mit Felsen schließt die Riesenhand

Die Oeffnung immer zu und auf.

Doch endlich, da sie lange Zeit

In ihrer Burg vereint gelebt,

Sind sie ob einem Raub entzweit,

Den zu besitzen jeder strebt.

Und da der Eine einst entwich,

Will ihn der Bruder schließen aus,

Verrammelt rings zum Schutze sich

Mit Stein und Fels das Riesenhaus.

Der Andre kommt, stürmt wild empor

Laut fluchend, als der droben nimmt

Den schwersten Stein zur Wehr hervor,

Den treffend, der rasch aufwärts klimmt.

Er fällt. – Doch rüttelt seine Faust

Im jähen Sturz die Felsen all',

Daß auf das Haupt des Feindes braust

Der Steine rascher Niederfall.

Und Beide geh'n in Einer Stund

Zum Tod, der endigt ihren Zwist:

Der Riesen Bild im Stein thut kund,

Was einstmals hier geschehen ist.

Noch steht die Riesenburg so kühn

Und trotzt der Zeit Vernichtungszahn,

Die ihrem grauen Stein mit Grün

Das schönste Kleid hat umgethan.

Der Finken lustig Lied erschallt

Jetzt in der unbewohnten Burg,

Es zieht den dunkeln Tannenwald

Ein holder Friede sich hindurch.

149. Epple1 von Geilingen.

Altes Volkslied. U h l a n d deutsche Volksl. I, 341. M.

P h . K ö r n e r , histor. Volksl. S. 195. – E p p e l e i n

von G a i l i n g e n oder G a i l e n r e u t h ,

N ü r n b e r g s unversöhnlicher Feind, wurde 1381 zu

N e u m a r k t gerädert. W a l d a u ' s verm. Beitr. zur

Gesch. d. Stadt Nürnberg I., 221. J. H e l l e r

Muggendorf, S. 48. J o h . a b I n d a g i n e

Beschr. d. Stadt Nürnberg, S. 511. G r i m m d.S. I., 199,

woselbst die Literatur. – Burg G a i l e n r e u t h im

W i e s e n t t h a l e in Oberfranken.

1.

Es was ein frisch freier reutersman,

der Epple von Geilingen ist ers genant.

Er reit zu Nürnberg auß und ein,

ist der von Nürnberg abgsagter feind.

Er reit zu Nürnberg fürs schmids haus:

hör, lieber schmid, trit zu mir herauß!

Hör, lieber schmid, nu laß dir sagen:

du solt mir meim roß vier eisen aufschlagen!

Beschlag mirs wol und beschlag mirs eben!

ich will dir ein guten lon drumb geben.

Da greift er in die taschen sein,

gab im vil der roten gülden fein.

Schmid, du solt nit vil davon sagen!

dein herren müßen mirs wol bezalen.

Er reit wol für das wechselhaus,

nam in ir silberins vogelhaus.

Er reit wol auf den Geiersperg

und machet in ir vogelhaus lär.

Sie schickten im ein boten hinnach

wo Eppele wolt ligen die nacht?

Hör, lieber bot! so ich dich muß fragen:

was hörst du vom Epple von Geilingen sagen?

Das magst wol für ein warheit jehen:

du habst in mit dein augen gsehen.

Da reit er unter das Frawentor,

da hieng ein par reuterstifel vor.

Torwechter, lieber torwechter mein!

wes mag diß par reuterstifel sein?

Sie seind eins freien reutersman,

Epple von Geilingen ist ers genant.

Er nam die stifel auf sein gaul

und schlugs dem torwechter umb das maul.

Se hin, torwechter! da hast du dein lon,

das zeig dein herren von Nürnberg an!

Der torwechter was ein bhender man,

sagts seinen herrn und der gmeinde an.

Sie schickten sibenzig reuter on gfär:

wo der Epple hin kommen wär?

Söldner! eur gfangner will ich nit sein,

eur seind sibenzig, ich nur allein.

Si triben in auf ein hohen stein,

der Epple von Geilingen sprangt in den Main.

Ir söldner! ir seind nit eren wert,

eur keiner hat ein gut reuterpfert.

Wie bald er sich auß dem sattel schwang!

und zog im selbs das par stifel an.

Da reit er über ein awen, was grün,

begegnet im ein kaufman, der daucht sich kün.

Hör, lieber kaufman, laß dir sagen!

wir wöln einander umb dtaschen schtagen.

Der kaufman was ein bhender man,

er gurt dem Epple sein taschen an.

Des kaufman er gar wol vernam,

ein beurin im auf der straßen bekam.

Die beurin er fraget auf der stet:

was man vom Eppele sagen tet?

Die beurin im ein antwurt gab:

der Eppele wär ein nasser knab.

So sag mir, liebe beurin schon!

was hat dir Eppele leids geton?

Epple von Geiling sich bald bedacht,

wie bald er da ein feur aufmacht!

Er nam das schmalz und macht es warm,

stieß ir die hend drein biß an die arm.

Se hin! da hast du den rechten lon,

und sag: der Eppele hab dirs geton!

Er schickt sein knecht gen Farnbach hinab:

man solt im bereiten ein gutes mal.

Da kam der Epple von Geilingen ein,

da bot im der wirt ein külen wein.

Der Eppele lugt zum fenster hinauß,

da schub man im vil wägen fürs haus.

Lieber wirt, tu mir die türen auf

und laß mich sprengen über auß!

Da sprangt er über acht wägen auß,

am neunten gab er den gibel auf.

So ligt mein muter am Rein, ist tot

darumb muß ich leiden große not.

Da zog er auß sein gutes schwert,

erstach damit sein reisig pfert.

Eppele! hetst du das nit geton

beim leben wolten wir dich lon.

Den Epple von Geilingen namens an,

brachten gen Nürnberg den gfangnen man.

Und fürten in auf den rabenstein,

man legt im den kopf zwischen die bein.

Fußnoten

1 Eppelein, urkundlich stets Eckkelein. S. D o r f -

m ü l l e r , Archiv f.G.u.A. in Oberfr. II., 63.

150. Eppelin von Gailingen.

2.

Von V . B . S t r a u c h .

In's Thal der Wiesent schaut kühn und fest

Ein Schloß von felsigem Rande,

Dieß war einst Epplins von Gailingen Nest,

Berüchtigt im fränkischen Lande,

Und noch heut zu Tag'

Erzählet die Sag'

Von Epplins Schwänken und Kniffen

Und seinen verteufelten Pfiffen.

Er war ein gar trotziger, wilder Kumpan,

Mocht' keinem der Nachbarn gefallen,

Was war in der Gegend wo immer zu fah'n,

Schnell war es in Eppelins Krallen,

Und flink wie die Well',

Wie der Blitz so schnell,

War er hier und dort und zu Hause,

Und schwelgt beim gestohlenen Schmause.

Dieß ging wohl mit richtigen Dingen nicht zu,

Sonst hätte man längst ihn gezwungen,

Doch wenn man ihn angriff, da war er im Nu

Von vierzehn Gesellen umrungen;

Drum war auch im Land

Die Sage bekannt:

Der Epplin von Gailing und Dramaus,

Der reit' allemal zu vierzehnt aus.

Einsmals der Ritter an's Freien ging,

Er liebte die schöne Mathilde,

Der Knapp' ihm die stattliche Wehr umhing,

Und schmückt ihn mit blinkendem Schilde;

Sein kühner Blick

Gab bei Schönen ihm Glück,

Er hatte sich nimmer betrogen,

Mathilde war ihm gewogen.

Und er ging zum Vater mit keckem Sinn,

Die Tochter zum Weibe begehrend.

Nie wird meine Tochter Euch Gaudieb Gewinn!

Sprach der Burgherr von Nürnberg verwehrend;

Euch gebühret ein Strick

Um's freche Genick,

Flugs packt Euch aus unseren Mauern,

Sonst werdet zu spät ihr's bedauern.

Und der Ritter zieht ab mit der langen Nas'

Und macht sich behend aus dem Staube,

»Ha! wart' nur du Alter, dir nehm' ich den Spaß,

Der Geier holt dennoch die Taube.«

Und sein zärtlich Wort

Find't ein gutes Ort,

Sie folgt dem verkleideten Knappen,

Der sie holt mit gesatteltem Rappen.

Dieß macht nun die Nürnberger Herren gar wild,

Sie können's nicht länger ertragen,

Sie ziehen hinaus mit Lanze und Schild,

Den Dieb auf die Finger zu schlagen,

Und gefangen im Streit

Kriegt Eppelin Zeit,

Im tiefsten Verließe bescheiden

Zum Galgen sich vorzubereiten.

Schon ist zum Tode die Stunde bereit',

Doch Epplin sollte noch nützen;

Sein Rößlein gar flink und gar tüchtig im Streit,

Mocht' gerne der Burgherr besitzen.

Doch das Roß trägt den Herrn

Und sonst Niemanden gern,

Drum sollt' es erst Epplin besteigen,

Dem Burgherrn die Führung zu zeigen.

Man bringt ihn zum Walle, er schwingt sich auf's Roß

Und tummelt's in mächtigen Kreisen,

Und lenkt es so zierlich, daß Ritter und Roß

Hoch Gaul und Reiter wohl preisen;

Da kocht ihm das Blut,

Es durchblitzt ihn der Muth,

Und im Nu ist die Rettung gelungen,

Der Graben der Burg übersprungen.

Nun lachet sich Epplin die Haut erst recht voll,

Den Nürnberger Herren zum Spotte,

Und treibt er sein Wesen erst ernstlich und toll

Mit seiner verwegenen Rotte.

Kein Eimerchen Wein

Kam nach Nürnberg hinein

Vom Leisten und Stein und Randsacker,

Den er nicht gezehntet, der Racker!

Die Nürnberger Herren, die stehen und schau'n:

»Ha, das ist des Teufels Genosse!«

Doch eh' sie dem eigenen Auge noch trau'n,

Ist längst er staubaus mit dem Rosse.

Und von der Stund

Ist das Sprüchwort kund:

In Nürnberg wird keiner gehangen,

Es sei denn er wäre gefangen.

151. Eppelein von Gailingen.

3.

Von G e o r g N e u m a n n .

Was braust mit Staubgewölke herab in's enge Thal?

Voran ein hoher Ritter in rauhen Panzers Stahl,

Sein Blick so siegesmuthig, die Schaar so keck und

kühn,

Als wollten sie zur Schlacht nicht, nur zum Bankette

zieh'n.

Der Tag ist heiß und schwüle, es lechzet Mann und

Roß;

Noch ist es Zeit zum Fange, die Schenke winkt dem

Troß;

Es lohnt sich zu verweilen, dann gilt's dem

Waarenzug,

Von welchem ein Verräther die falsche Kunde trug.

Der Ritter, sommermüde, schläft in der Schenke

Gemach,

Der ausgesandte Späher macht ihn wohl zeitig wach.

Doch hat am hellen Tage umsponnen ihn Verrath,

Schon ruft, da er noch schlummert, blutfordernd

rasche That.

»Hie Eppelein!« – »Hie Nürnberg!« – erklingt das

Feldgeschrei,

Trompetenstoß, Schwertklirren ruft jeden Mann

herbei.

Ha! das ist nicht die Beute, das ist der Reichsstadt

Heer,

Heran stürmt ihr Geschwader, wie Windsbraut über's

Meer.

Der Ritter greift die Waffen. Hei! wie sein starker

Arm

Gleich einem Blitzstrahl schmettert auf dichten

Söldnerschwarm,

Die Seinen zittern nimmer, so lang sein Zuruf klingt,

Und wallend hoch zu Rosse sein rother Helmbusch

winkt.

Wild rasseln Schild und Kolbe, das Schwert nach

Blute lechzt,

Daß unter seinen Streichen der Feinde mancher ächzt;

Bezeichnet ist am Boden mit Blut ein jeder Schritt,

Da sinkt mit jedem Städter ein Gailinger auch mit.

Und ob auch Zornesflammen von Epplein's Augen

sprüh'n,

Und heiß, sich durchzuhauen, die Eisenarme glüh'n,

Die Feinde, übermächtig, steh'n um ihn dicht geballt,

Der Speere scharfe Spitzen gebieten höhnisch: Halt!

O weh! wo sind die Treuen? – Was Flucht nicht trieb

voraus,

Das haucht in Todesröcheln die Räuberseele aus.

Die Städter schlugen tapfer; nun muß Herr Eppelein,

Gefangen und gebunden, auch ihr Triumphzug sein.

Auf einem dürren Klepper nimmt ihn der ganze Troß

Entwaffnet in die Mitte und hinter ihm sein Roß.

Im Fluge geht's zur Reichsstadt, es freu'n sich Alle

jetzt

Des Preises, den die Ratsherrn auf seinen Kopf

gesetzt.

In's enge Thurmgefängniß sogleich der Ritter kam,

Dieweil der Bürgermeister vom Fange Kunde nahm.

»Der Vogel sitzt im Garne, nun wohl, ich will ihn

seh'n,

Ich eile gleich zum Thurme, laßt ihn heruntergeh'n!«

»Willkommen, edler Ritter! Ihr seid nun Nürnbergs

Gast,

Gönnt euch von schweren Thaten die ungewohnte

Rast:

Ihr nahmt mir meine Tochter, ich nehme ihr jetzt

euch,

Weil ihr wollt euern Adel dem meinen machen

gleich.«

»Ihr habt der Stadt gesendet manch' stolzen

Fehdebrief,

Der sie mit einem Räuber zu schlechtem Kampfe rief;

Doch gönnt euch meine Gnade ein besseres Quartier,

Will's Gott, so sollt ihr bleiben die längste Zeit

allhier.«

»Habt Dank für eure Güte,« entgegnet jener kalt,

»Ihr seid an Spott ein Jüngling, wenn auch an Jahren

alt.

Daß ihr mich habt erreichet, half List euch mehr als

Kraft,

Im gleichen Waffentanze hätt' ich mich euch entrafft.«

Und hin zu seinem Rosse ging er mit stolzem Gang,

Das dem gewohnten Helden das Haupt

entgegenschwang;

Hell sprühen seine Augen, die Mähne flattert hoch,

Es scharret wild im Boden, daß weit der Sand entflog.

»Ihr seid ein kühner Reiter,« sprach drauf der Herr

von Stark,

»Wer solchen Hengst besteiget, darf sein nicht

schwach von Mark;

Von uns blieb Keiner oben, so reitet ihn mir vor,

Ihr werdet nicht entrinnen, verschlossen ist das Thor.«

Der Alte löst die Zügel. Keck schwingt der Held sich

auf,

Es dreht sich rasch im Kreise der Hengst zu

schnellem Lauf;

Hoch wirft er seinen Nacken und freut sich seiner

Last,

Und rasch hat auch der Reiter den feinsten Plan

erfaßt.

In immer weitern Bogen spornt er das edle Roß,

Daß weit zurück sich wendet der gaffenden Knechte

Troß.

Der Alte freut sich weidlich; Eins scheut hier Roß und

Held,

Er denkt an die Gestalten der fabelhaften Welt.

Der Reiter nimmt die Länge des Hofes fest in's Aug',

Er scheint sich zu gefallen in edler Reitkunst Brauch.

Doch späht verborg'nen Blickes er über des Grabens

Rand,

Sein Herz sehnt rachedurstig sich nach dem freien

Land.

Er wagt's! des Thieres Sehnen darf er gewiß vertrau'n,

Auf seiner Hufe Fliegen den Plan der Freiheit bau'n;

Jetzt rasch im wilden Sprunge zur Mauer mit Gewalt

Sprengt er und über den Graben, daß Huf und Stein

erschallt.

»Soll's gelten Tod und Leben, so gelt' es dir und

mir!«

Es flog wie durch die Lüfte ein Pfeil das edle Thier,

Und glücklich hat er jenseits des Grabens Rand

erreicht,

Als den erstaunten Bürgern der Schreck die Wange

bleicht.

»Der Teufel sitzt im Rappen!« – ruft die verblüffte

Schaar,

Kaum weiß der Bürgermeister, wie's recht geschehen

war.

»Bei Gott! der ist entronnen selbst bei verschloss'nem

Thor,

Rasch auf zu Roß, ob einer dem Flüchtling kommt

zuvor.«

»Der Rath wird schwer den lohnen, der ihn, wenn todt

auch, fängt« –

Und Alles rasch auf Pferden zum Thor hinaus sich

drängt.

Wie Donner hallt die Brücke, die Rosse fliegen wild,

Es jagt die Schaar zerstreuet in's niedere Gefild.

Der Ritter hört der Rosse und Reisigen Geklirr,

Ihr Fluchgeschrei umtobet ihn rechts und links so

wirr.

Ihm fehlet Schild und Lanze, die Faust vermißt das

Schwert,

Nur durch des Renners Eile ist Rettung ihm beschert.

Er rast mit Windesflügeln den wohlbekannten Pfad,

Nichts hemmt den kühnen Flüchtling, des Rosses

Sprung schafft Rath;

Doch scheint es zu ermatten, es stöhnt in Staub und

Schweiß,

Den Ritter packt's mit Grausen, das Blut wird ihm so

heiß.

»Greif aus, mein Rapp', mein Retter! – greif aus zum

letzten Ritt,

Laß mich nicht elend sterben, der Ruhm mit dir

erstritt,

O hauche nicht dein Leben vor meiner Grenze aus! –

Dort ragen meine Thürme, Glück auf, wir sind zu

Haus!«

Und vor der letzten Brücke, mit Schweiß und Blut

bedeckt,

Das Roß todtmatt im Grase die starken Glieder

streckt;

Doch oben grüßt den Ritter sein sich'res Gailenreuth,

Man kennt ihn, lautes Jauchzen ihm Gruß

entgegenbeut.

Ist es der todt Geglaubte, der längst gesuchte Held? –

Wie an der Mühle Steinbank er keuchend niederfällt,

Vermag er kaum zu sprechen: »Sorgt nur für meinen

Hengst,

Denn wär' er nicht gewesen, ich wär' gestorben

längst.«

Das Roß hebt Kopf und Augen zu seinem Herren auf,

Der trauernd denkt, hier endet das Thier den letzten

Lauf;

Die Nüstern schnauben matter. – »Hab' Dank,«

spricht Eppelein,

»Mein Retter, du sollst ruhmvoll allhier begraben

sein.«

152. Eppelins Roß.

G.v. H e e r i n g e n , Franken S. 126.

Eine schöne, adelig gekleidete Frau mit drei Knaben,

die sie umsprangen, und einem Mägdlein, welches sie

an der Hand führte, kam den Burgpfad herab und

setzte sich auf die Bank vor der Sachsenmühle. Aber

so schön sie war, tiefer Kummer wohnte in ihrem

Antlitz und Thränen rieselten, wie sie da saß, über

ihre Wangen. »Springt nur,« sagte sie zu den Knaben,

»ihr seid doch arme Waisen. Euer Vater wird nimmer

zurückkehren aus der Haft, denn den Tod hat ihm die

Reichsstadt geschworen. Ach, vielleicht lebt er schon

nicht mehr, denn sie machen gar kurzen Prozeß da

drinnen gegen gefangene Ritter.« Und kaum hatte sie

das Wort gesprochen, als aus dem Dickicht ein Mann

hervorbrach, athemlos und mit verstörten Zügen. Sein

eilender Gang war nach der Mühle gerichtet, an deren

kleines Fenster er heftig klopfte. »Brod!« rief er der

Müllerin entgegen, welche erschrocken heraussah,

»Brod und Wein! und Linnen zum Verband! Geschwind,

Weib! eilet euch, es ist kein Augenblick zu

verlieren.« Da schrie die Burgfrau von Gailenreuth

laut auf und stürzte auf den Mann zu, umfing ihn mit

ihren Armen. »Eppelin! Eppelin!« war der einzige

Laut, den sie hervorbringen konnte. Und die Knaben

eilten herbei und sprangen laut jubelnd an dem Vater

empor und das zarte Mägdlein schmiegte sich an

seine Knie. Er aber starrte Alle an und drängte sie zurück.

Das Brod und den Weinschoppen, welches beides

die Müllerin aus dem Fenster hielt, riß er an sich

und ein weißes, feines Tüchlein, womit die Burgfrau

ihre Thränen getrocknet hatte, und ihren Schleier noch

dazu, und rannte damit in das Dickicht zurück. Aber

Frau Hedwig, die den Gatten nur zu wohl erkannt

hatte, folgte mit ihren Kindern jählings nach. Und da

wo das Gebüsch sich nach dem Wege öffnete, hart am

Rande des Waldes, sahen sie den Ritter zu einem Gegenstand

hineilen, der am Boden lag. Es war ein Roß.

Er warf sich neben ihm auf die Knie nieder, benetzte

seine mattschnaubenden Nüstern mit Wein und steckte

ihm Brod, das gleichfalls damit befeuchtet war,

zwischen die Zähne. Dann zerriß er den Schleier und

das Tuch, tauchte sie in den nahen Fluß und schlang

sie um die blutenden Beine des Gaules, während er

ihm zuweilen die Seiten und den Hals klopfte. Staunend

sahen solches Frau Hedwig und ihre Kinder mit

an. Sie erkannten jetzt wohl das braune Streitroß des

Gatten, des Vaters; aber fast war es schwer zu erkennen,

Blut und Schaum bedeckte es und ohnmächtig

streckte es seine starken und schönen Glieder. »Eppelin!

Eppelin!« rief jetzt Frau Hedwig noch einmal,

»du siehst dein Weib und deine Kinder nicht vor dem

Rosse und hast uns zurückgestoßen seinetwegen. Verwundet

ist es, wie es scheint, es gibt ja der Rosse

mehr, sollte man glauben.« Da wandte sich Eppelin

um und umarmte sein Weib. »Nur keines mehr wie

dieses,« erwiederte er auf ihren liebenden Vorwurf.

»Weib! Kinder! geht hin, liebkoset das Roß in seinen

letzten Zügen, denn ihm verdankt ihr, daß ihr mich

wieder sehet. Ueber den Burggraben der Nürnberger

Veste hat es mich getragen.« Und sie thaten, wie er

gebot. Mit zarten Händen streichelten sie das treue

Thier und thaten ihm wohl und suchten sein fliehendes

Leben zu halten, aber der Sprung war zu gewaltig

gewesen, und hatte seine Sehnen zerrissen. Nur bis

hierher noch reichte seine Kraft, den Herrn im flüchtigen

Laufe zu tragen, jetzt war sie erschöpft. Noch einmal

wieherte das Roß aus tiefer Lunge auf, noch einmal

wandte es den Kopf nach seinem Herrn und wieder

von ihm ab, dann brach es im Todeskampfe. Eppelin

von Gailingen ließ an der Stelle, wo das treue

Thier starb, einen Stein errichten.

153. Die Mistelgauer.

M i s t e l g a u Dorf, Ldg. B a i r e u t h . – A . C .

C a m m e r e r Naturwunder S. 129.

Von den Bewohnern der Umgegend werden die Mistelgauer

spottweise H u m m e l n geheißen. Von

dem Herkommen dieses Namens geht folgende Sage.

Einmal schickten die Mistelgauer einen aus ihrer

Mitte nach Nürnberg, um daselbst schönes Wetter zu

kaufen. Man gab ihm zu Nürnberg eine Schachtel mit,

mit dem Auftrage, sie nicht zu öffnen. Doch war der

Mensch neugierig und öffnete die Schachtel. Da

summte eine Hummel heraus und freute sich des Lebens.

Jener aber lief ihr nach und schrie beständig:

»Hummel, Hummel, nach Mistelgau!«

154. Die Wunderquelle bei Weidenberg.

Erzählt von K. T e u p s e r in B. G ö r w i t z

Sagenschatz v. Oberfr. S. 58.

Die Wunderquelle des Heilbrunnens unweit der Ruine

des Pfeiferschlosses bei Weidenberg, wurde im Jahre

1660 von einer Frau, mit Namen Agnes Herrmann,

aus dem Filialdorf Warmensteinach, entdeckt. Diese

litt seit längerer Zeit an einem kranken Arm, der ihr

unsägliche Schmerzen verursachte.

Oft geschieht es, daß man in verzweifelten Lagen

Hoffnung und Heil in Unmöglichkeiten und fabelhaften

Fügungen sucht – so auch die arme Frau. Als sie

nämlich am fürchterlichsten litt, sagte sie zu ihrem

kaum sechsjährigen Söhnlein: »du mußt mir helfen,

Kind, sonst bin ich verloren!« – da lächelte der Kleine

freundlich und sagte: »Ei freilich will ich dir helfen,

Mütterchen, wozu hätte mir denn sonst das weiße

Männchen im Traume das heilsame Brünnlein gezeigt.

Ich weiß den Weg dahin genau und will dich

führen.«

Obwohl der Knabe noch niemals diesen Pfad gegangen

war, so leitete er doch wirklich die gläubige

Mutter an die verheißene Quelle, darin sie den kranken

Arm baden sollte. Sie that es und wurde ihres Uebels

ledig. Die Genesene verbreitete mit dankbarem

Herzen die Kunde von der Wunderkraft des Heilbrunnens

und viele Leidende bestätigten diese. Man stellte

nachmals einen Opferstock auf, der reiche Spenden

für das Gotteshaus Weidenberg aufnahm und endlich

die Mittel zu den zwei großen, im Jahre 1738 gegossenen

Glocken darbot.

155. Die Königsheide.

Unweit B e r n e c k . – J.v. P l ä n c k n e r Piniferus S.

168.

Von der Königsheide auf dem Fichtelberg wird erzählt,

daß daselbst ein alter König entweder seine Residenz

und Begräbnißplatz gehabt, oder eine Schlacht

gethan habe, welches auch bezeugen die Gebeine,

Hirnschalen, alte, rostige Degen, Schild, Helm und

andere Kriegsrüstung so in den letzteren Jahrhunderten

noch von dem Landvolk hin und wieder auf dem

Felde ausgegraben und gefunden worden. Dieser

König soll nebst seinen vornehmsten Helden an einer

Quelle begraben liegen, indem er sich im Kampfe für

die alte heidnische Religion nach der Königsheide zurückgezogen

habe, hier aber nach tapferer Gegenwehr

sammt seinen Getreuen von den umwohnenden Christen

erschlagen worden sei.

156. Die Sage von den goldsuchenden

Venedigern und Wahlen im Fichtelgebirg.

Von L. Z a p f . – Nach B r u s c h , G r o ß , und

P e r t s c h die Ausf. Beschr. des Fichtelgebirges.

Leipzig 1716. G o l d f u ß u. B i s c h o f Beschr. d.

Fichtelgebirges I., 298 ff. J.V.v. B a u m e r im Archiv

f.G.u.A.v. Oberfr. II., 163. M. S c h o t t k y Bilder d.

südd. Alpenwelt S. 241.

Es ist eine der schönsten Sagen des Fichtelgebirges,

die alte Kunde von den geheimnißvollen Fremdlingen,

die sich einst in seinen Wildnissen herumtrieben. Sie

ließen sich nur zuweilen in den Walddörfern blicken,

als Mäusefallenhändler oder in Köhlertracht, und

brachten die meiste Zeit im tiefen Forste zu, in Höhlen

und an den Brunnen und Bächen. Da gruben sie

nach edlen Metallen und suchten Goldkörner, welche

sie wuschen und schmolzen. Oft fand das Volk, welches

eine furchtsame Scheu vor ihrem Wesen und

Treiben hatte, an heimlichen Plätzen verlassene, niedergebrannte

Feuer, und daneben Spaten, Pfannen

und Meisel oder gar eines ihrer Büchlein, in denen sie

die goldreichen Stellen und Punkte des Gebirges verzeichnet

hatten. Auch hörte man wohl zu Zeiten ihr

dumpfes Pochen und Schlagen.

Der alte P a c h e l b e l widmet in seiner »Beschrei-

bung des Fichtelberges« (1716) diesen seltsamen

Männern und ihrem geheimen Thun einen eigenen

Theil, »worinnen eigentlich dasjenige enthalten, was

die Ausländer, nemlich Wallonen, Venetianer, Mailänder,

Modeneser, ingleichen Brabander und Flandrer

in ihren theils verlornen und hernach gefundenen,

theils aber ihnen abgenommenen Verzeichnüßen der

fündigen Oerter auf, an und um den Fichtelberg; wie

auch in Ober- und Nieder-Sachsen, am Hartz, in Böhmen,

Bayern, Pfaltz und Voigtland etc. bemercket und

beschrieben haben, insonderheit die Verkundschafftung

der besagten Oerter des Venedigers Giovanni

Carnero, Johann Schottens, des Gratiani Grundelli

eines Venetianers, der sich achtzehn gantzer Jahre

umb den Fichtelberg aufgehalten, und sein Verzeichnüß

1531 am Dienstag nach Galli aufgesetzet; item

des Sebastian Verso eines Venedigers, wie auch drei

anderer Unbenannter etc.«

Unter andern finden sich nun darin folgende Stellen,

welche am besten geeignet sind, das mystische

Wesen dieser Sage darzuthun, welche Ueberlieferung

und Aberglauben in einen eigenthümlichen, romantischen

Schleier hüllen.

»G e s t a l t u n d F a r b e n d e r G o l d k ö r -

n e r , w i e s i e S e b a s t i a n V e r s o i n s e i -

n e m W a h l e n b ü c h l e i n b e s c h r i e b e n . 1)

Etliche Goldkörner sind roth, wie rostig Eisen; 2) etli-

che wie Granaten, dunkel, durchsichtig; 3) etliche

kuglicht rund; 4) etliche wie Erbsen; 5) etliche wie

Bohnen; 6) etliche sehen wie Pech aus, sind auch gut;

7) etliche zerspringen wie Glas im Zerschlagen, sind

gut; 8) etliche sehen rauh, grau und bleifarbig aus,

sind mild und mürbe, sind auch gut; 9) etliche graulicht

wie Mohnfarb, oder 10) blau inwendig mit

einem frischen Glanz; 11) etliche lassen sich fletschen

und plezen wie Blei, diese notabene sind die besten;

12) Gold ist auch in weißen Kieselsteinen, die weiße

Aederlein haben etc.«

»Vom F i c h t e l s e e schreibt Giovanni Carnero,

ein Venediger, und Joh. Schott also: Dieser See sei

in des H. Markgrafen Land anzutreffen, zu höchst auf

der See-Lohe, und sei auf 40 Klafter nicht zu ergründen.

Man solle zu oberst auf diesem Berg etwan einer

Spannen tieff einschlagen, so finde man gar grüne

Steine, wann man diese in einer Gluth wärmet, so

würden sie roth, und wann man sie dann zu Silber

leget, so werde aus diesen Steinen gar gut Gold, welches

bißher allen Menschen verborgen geblieben.«

»Z e l l e : S a a l e . Zu Zelle soll einer vor Alters

gewohnt haben, H i l d e b r a n d genannt, der zu Hof

neun Häuser gebaut, und das Erz dazu geholt haben

soll, wo die Saale am Fichtelberg bei Zelle entspringet,

welches der Schmied zu Zelle (ehedessen nemlich)

wohl weiß.

Bei dem Ursprung der Saale findet man ein Loch,

dessen Erde wie ein weißer Laimen ist. Notabene,

wenn diese ein wenig von der Sonne gedörret wird, so

färbt sie, wie eine blaue Lasur, daß man also wohl

etwas mit machen und anstreichen kann. In dieser

Gruben oder darunter, daneben, dabei, schlage einen

Sinter durch den Laimen, bei ein bis fünf Ellen tief,

so findestu einen reinen und wohlgediegenen Goldgang,

und von dannen einen Armbrustschuß weit bei

dem Flüßlein gegen Hoff zu, da stehet auf einem kleinen

Bühel eine Tanne mit vielerlei Zeichen an der

Rinde, woselbst man findet dreierlei theure Marcasiten,

als Gold, Silber, Kupffer. Der Hügel ist mit

Reißig verhauen, notabene daß es nicht jedermann

finde, wegen des Hügeleins und Flüßleins allda,

damit es verblendet ist. Notabene darunter findet man

des H i l d e b r a n d s seinen Marcasit. Carnero.«

»L u c h s b u r g b e i W u n s i d e l . Dieses Gebürg

nahe bei Wunsidel am Fichtelberg ist einer unüberwindlichen,

schrecklichen Höhe; darauff siehet

man alte Stollen und unterschiedliche Gänge, darinnen

findet man Gold und Silber, und das ist nahe bei

denen alten Schlössern, so vor Zeiten Raubschlösser

derer von Losburg gewesen, daher dieser Berg den

nahmen hat. Vor dem einen Schloß gegen dem Thor

herauswärts zur rechten Hand ist ein alt Gewölbe oder

Keller in die Erden hinein, dafür liegt ein sehr großer

Stein, darinnen liegt ein sehr großer eiserner Kasten

mit einem unglaublichen Schatz von Gold, Silber und

Kleinodien, dieser stehet auf einem viereckigten kupffernen

Kessel, der ist voll gemischter Gulden einer

Elle hoch und breiter dann eine Elle, obenauf stehet

ein Kupfern Gefäß, darin ist eine güldene Crone und

schöne Kleinodien von Edelgesteinen, so ehemals die

Herren von Losburg einem König abgeraubet und

dahin vergraben, wie das Schloß ist zerstöhret worden.

Wann du ihn suchen wilst, so suche ihn unter der

Staffel, da ist ein viereckigt Loch, darinnen der Schatz

stehet, darum müssen die Staffeln von oben herab bis

auf den Grund zur untersten abgebrochen werden. Am

Sonntag Epiphanias ist er am besten zu heben. Probatum

est. Carnero.«

Wie bei den Sagen von den goldenen Kirchen und

Kapellen im Innern der Berge, so ist auch hier der

Kern der G o l d r e i c h t h u m des Ochsenkopfes

oder Fichtelberges, der sich in mancherlei Sprüchen

und Symbolen im Volke ausspricht.

Eine alte Begebenheit wird erzählt, welche sich an

diese abenteuerlichen Uebertragungen anknüpft.

Ein Venetianer, der häufig das Fichtelgebirge besuchte,

kehrte oft bei einem Landmanne in Wülfersreuth

ein, welcher ihn gastfreundlich aufnahm und

ihm bot, was er vermochte. Einstmals nun kam er

wieder, jedoch um für immer Abschied zu nehmen.

»Ich kehre jetzt in meine Heimath zurück, um die

Früchte meiner langjährigen Mühen friedlich zu genießen,

« sagte er, »und werde wohl nie mehr deine

gastliche Schwelle überschreiten. Wenn du jedoch

einst irgend ein Anliegen auf dem Herzen hast, so

komme zu mir in das ferne Venedig, und ich will dir

von deinem Kummer helfen. Ich glaube, ich werde

dich noch bei mir sehen.« Er schied. Und siehe, nach

Jahren zogen schwere Wolken über das kleine Haus,

so daß der besorgte Mann keinen Retter mehr wußte

aus Noth und Sorgen, als seinen alten Freund in

Welschland. Da machte er sich auf, pilgerte hinab gen

Süden und erreichte glücklich die große Meerstadt.

Nun ward ihm aber bange, als er die weiten Straßen

beschaute; wie wollte er seinen Freund ausfindig machen,

dessen fremden Namen er längst vergessen? Als

er jedoch in halber Verzweiflung die köstlichen Paläste

ringsum anstarrte, da rief es plötzlich aus einem

derselben: »Hans, Hans!« und ein reichgeschmückter,

vornehmer Mann stürzte heraus, um den Staunenden

zu umarmen. War das der Venediger in den schlechten

schwarzen Kleidern, den er einstens beherbergt? –

Er war es und hatte ihn in seiner Fichtelberger Tracht

sogleich wieder erkannt; und er führte ihn hinauf in

die herrlichen Säle voll Pracht und Reichthum, die

den armen Waldmann glauben ließen, Alles sei ein

Traum, und vergalt ihm nun Alles tausendfach, was er

dem Fremdling einst in seiner Heimath Gutes gethan.

Reich beschenkt kam er zurück und führte von da an

ein sorgenfreies Leben. –

Zur Erzählung dieser Sage von L. Z a p f noch eine

Bemerkung des B r u s c h i u s . Aus der Wahlensage

erklärt sich das Sprichwort, das sich dergleichen

Goldsucher etwan haben hören lassen, nämlich, d a ß

m a n a n u n d um d e n F i c h t e l b e r g

e i n e K u h w e r f e m i t e i n e m S t e i n ,

d e r S t e i n s e i a b e r b e s s e r d e n n d i e

K u h . Da man jedoch seit Jahrhunderten weder die

in den Sagen bezeichneten Goldgänge finden, noch

die Steine zu Gold brennen konnte, so verbreitete sich

der Glaube, daß das Gebirge verwünscht sei, und

seine Schätze von Berggeistern verschlossen gehalten

würden. Daher ist ein mit einer goldenen Kette und

starkem Schloß verwahrter Berg das Sinnbild des

Fichtelberges. Doch können nach der Volkssage diese

Schätze dereinst von frommen und einfältigen Menschen

erhoben werden. Denn am Sankt Johannistag

öffnet sich

157. Die Geisterkirche auf dem Ochsenkopf.

Von L u d w i g B r a u n f e l s . – Ausf. Beschr. des

Fichtelberges S. 69. G o l d f u ß u. B i s c h o f a.a.O. I.,

302. J.v. P l ä n c k n e r Piniferus S. 141.

Am Sankt Johannismorgen steigt

Ein Knab' zum Fichtelberge:

Das ist der Tag, der offen zeigt

Den goldnen Schacht der Zwerge;

Und wer da fühlet kecken Muth,

Mag rauben aus der Geister Hut,

Weß' ihm das Herz gelüstet.

Der Knab' erklimmt in Sprung und Lauf

Die steilsten Bergeshänge;

Und wie er hört vom Dorf herauf

Der Glocken Morgenklänge,

Da fällt des Frühroths erster Schein

Wohl auf das kalte Felsgestein

Mit wunderbarem Glänzen.

Und eine Blum' im Goldgewand

Steigt auf am steilsten Orte;

Er pflückt sie; und die Felsenwand

Zeigt plötzlich eine Pforte.

Und von der Blume kaum berührt,

Springt auf das Eisenthor; es führt

Hinein zur Geisterkirche.

Auf Silbersäulen dringt empor

Gewölbe von Rubinen;

Ein Hochaltar steht dort im Chor,

Vom Himmelslicht beschienen.

Aus jeder Nische goldner Glanz!

Von Säul' zu Säulen schwebt ein Kranz

Aus Perlen reich geflochten.

Ein Priester Segensworte spricht

Zum frommen Volksvereine;

Doch sieht der Knab' den Priester nicht,

Und nicht die Kirchgemeine.

Dann hebt sich an ein heil'ger Sang

Mit Glockengruß und Orgelklang,

Und wonnig lauscht der Knabe.

Doch eine leise Stimme ruft:

»Frisch auf, du kühner Knabe,

Eh' dir die Kirche wird zur Gruft,

Nimm von der reichen Habe!

Nimm Gold und Perlen und Gestein

Nimm, weß' begehrt das Herze dein,

Nur eil', und kehre nimmer.«

Der Knabe hört's, doch geht er nicht:

Was Gold und Steingeflimmer!

Ihm ist so wohl, so klar und licht;

Und scheiden möcht' er nimmer.

Und wieder ruft's: »Geschwind! geschwind!

Du bist verloren, mein armes Kind!«

– Er bleibt, er lauscht dem Sange.

Mit Eins verstummt der Geisterchor;

Und bei dem letzten Halle

Da wird es Nacht; das Eisenthor

Schließt sich mit Donnerschalle.

Da sinkt er hin im goldnen Schacht,

Da ist er in der Zwerge Macht;

Kein Auge sah ihn wieder.

158. Die Geisterkirche auf dem Ochsenkopf.

Von L u d w i g Z a p f .

Einsam, schauerlich und stille

Ist's am hohen Fichtelberg,

Oben fliegen scheu die Raben,

In der Tiefe klopft der Zwerg.

Graue Wolken hängen flockig

In den finstern Wald herein,

Sausend regen sich die Bäume,

Wasser rieseln vom Gestein.

Ungesehen blüht im Schatten

Noch die Wunderblume hold

Und im Innersten verborgen

Düster glüht das rothe Gold.

An dem heil'gen Tage aber,

Der Johanni ist geweiht,

Zeigt sich, wenn sie drunten läuten,

Offen alle Herrlichkeit.

Eine Kirche in den Felsen

Hat sich schimmernd aufgethan,

Edle Schätze, Gold und Silber,

Schaut der Wald verwundert an.

Sonnenhelle Strahlen leuchten

In die Wildniß weit hinein,

Und die alten Bäume prangen

Wunderlich im Zauberschein.

Eile, Menschenkind, zu haschen,

Das zur heil'gen Stelle tritt,

Nimm soviel die Arme fassen,

Doch beflügle deinen Schritt!

Denn wie drunten nun gesprochen

Wird das Evangelium,

Mit dem Wörtlein Amen! krachend

Schließt der Fels sich wiederum.

Wunderbar, wie er erglommen,

Ist erloschen nun der Schein,

Und in seine düstern Schatten

Hüllt der Wald sich wieder ein; –

Einsam, schauerlich und stille

Ist's am hohen Fichtelberg,

Oben fliegen scheu die Raben,

In der Tiefe klopft der Zwerg.

159. Das Brautpaar.

B. G ö r w i t z Sagenschatz S. 49.

Ein armer Aschenbrenner zu Bischofsgrün, der eines

Morgens ausgegangen war, um die zu seinem Geschäft

geeigneten Bäume auszuwählen, wurde jählings

von einem Unwetter überrascht, und stellte sich,

Schutz suchend, von Ohngefähr in eine Felsengrotte.

Kaum war er ein Weilchen dort gestanden, als er ein

seltsames Klingen und Singen hinter sich vernahm. Er

wendete sich stracks um, und gewahrte zu seinem

höchsten Erstaunen ein weites, strahlendes Gewölb,

dem Innern einer Kirche vergleichbar. An den Wänden

und Emporen hing Gold und Silber wie Eiszapfen

herab, und Perlen und Edelgesteine waren da aufgethürmt

wie Zwiebelstränge. Der gute Aschenmann gedachte

bei diesem köstlichen Anblick an nichts anderes,

denn an sein Weib, das er herzurufen müsse; er

lief fort nach dem Dorfe, und brachte dieses, trotz

alles Sträubens, daher. Schon glaubte er die Grotte

wieder zu erkennen – ja, die Grotte war's – aber von

all' den Schätzen und Herrlichkeiten war nicht die

Spur geblieben. Dem getreuen Ehemann ward

Schimpf und Spott von seinem Weibe, er mochte ihr

betheuern so viel er wollte.

Mittlerweile war auch der Sohn dieser Eltern mit

seinem Bräutlein herangekommen und ließ sich von

dem Vater den seltsamen Vorgang erzählen. »Ei,«

sagte der, »warum ist das mir nicht geschehen und

meiner Gretl. Wenn wir mitsammen die Grotte offen

gefunden hätten, wir wären flugs hineingegangen;

denn wenn eine Kirche darinnen ist, so würden wir

auch einen Priester gefunden haben, der uns getraut

hätte. Dann wären wir glücklich geworden mit einem

Male.«

Indem der Bursche dieß noch sprach, war, wie

durch einen Zauberschlag, die Grotte abermals geöffnet,

und drinnen zeigte sich eine gar herrliche Aussicht.

Zur Linken stand eine goldene Kirche mit stattlichen

Thürmen und strahlenden Fenstern, und helles

Geläut tönte von droben hernieder; zur rechten Seite

stand ein zierliches Haus, von Gärten und Wiesen

umgeben, und es schaute, mit Blumen und Kränzen

geschmückt, recht hochzeitlich aus. – »Da haben wirs

ja, was wir wünschen,« rief des Aschenmann's Sohn,

indem er sein Bräutlein in den Arm nahm – »dort ist

die Kirche zur Trauung, daneben unsere Wirtschaft –

ade, Vater und Mutter – da drinnen sind wir glücklicher

als droben!« – Mit diesen Worten war das Brautpaar

verschwunden, und nimmermehr kehrte es wieder.

160. Der goldne Ziegelstein.

W a l d s t e i n im F i c h t e l g e b i r g . – K. Z a p f ,

Wanderungen zu den Burgruinen des Fichtelgebirgs S.

35.

In der Nähe des Waldsteins war einst ein armer Taglöhner

mit Holzhauen beschäftigt. Eben als er im Begriffe

stand, nach Hause zu gehen, trat aus dem Gemäuer

der Veste ein kleines, freundliches Männchen,

das ihn durch Geberden ersuchte, einen Ziegelstein

mit nach Hause zu tragen. Der Holzhauer nahm und

betrachtete den Ziegel und wollte eben fragen, zu welchem

Behufe er ihn mitnehmen solle, als sich das

Männchen schon wieder entfernt hatte; er glaubte nun,

man wolle ihn zum Besten haben, und warf den Ziegel

weg. Zu Hause angekommen, fragte seine Frau,

warum seine Hände und verschiedene Stellen seiner

Kleider so glänzten? Nun sah er, daß der Ziegelstaub,

welcher, während er den Ziegel betrachtete, an seinen

Händen und Kleidern geblieben war, purer Goldstaub

geworden sei. Jetzt erst wurde ihm klar, welches

Glück ihm die Erscheinung zugedacht hatte; er lief in

größter Eile zurück, um den weggeworfenen Ziegel zu

holen; allein – er war und blieb verschwunden.


Sagenbuch der Bayrischen Lande

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