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Kapitel 4
Оглавление61. Das Weidwiesenweiblein bei Reichenhall.
L. S t e u b aus dem bayr. Hochlande. S. 170.
In den Jahren 1782 und 1783 ging in hiesiger Gegend
viel Gerede von dem Weidwiesenweiblein. Es war
dieß ein ganz winziges Weiblein mit schwarzem Gewande
und mit einem kleinen Tiegel in der Hand, in
welchem ein Lämpchen brannte. Das Gesicht sah man
nicht, man meinte eher, sie hätte keines, denn ein großer
Hut lag ganz flach auf ihren Schultern. Wenn nun
die Leute bei Nacht über die Weidwiesen nach Hause
gingen, so war oft auf einmal, und ohne daß man
sehen konnte, woher es gekommen, das Weidwiesenweiblein
da, ging nebenher und leuchtete ihnen. Dieß
that sie meistens recht getreulich und zuverlässig, zuweilen
aber, wenn es ihr so ankam, führte sie die
Leute an ganz abgelegene Oerter, wo sie gar nicht hin
wollten, ließ sie da stehen, und war nicht mehr zu erschreien.
Sie sprach nichts und doch hatte Niemand
einen Schrecken vor ihr, vielmehr kam es allen so vor,
als wenn es so sein müßte, gab ihr auch Niemand
einen Dank für ihre Begleitung. Einmal aber zerbrach
einem Fuhrmann in finsterer Nacht beim Kalkofen ein
Rad, und da stand plötzlich das Weiblein neben ihm
und leuchtete mit einem Lämpchen. Dem Fuhrmann
war dieß ein großer Trost und er sagte deßwegen:
»tausend Dank!« Darüber sprach das Weiblein voller
Freuden: »Hätte an einem Dank schon genug gehabt;
jetzt sieht mich Niemand mehr,« und war verschwunden.
Hatte auch ganz Recht, denn von dieser Stund'
an hat sie Niemand mehr gesehen.
62. Spucksagen von der Wegscheid bei
Reichenhall.
L. S t e u b a.a.O. S. 173.
Ein Schneiderssohn von Unken ging einmal mit seinem
großen Fanghunde bei Mondenschein über die
Wegscheid. Da sieht er plötzlich einen schwarzen
Mann neben sich, der in gleichem Schritt und Tritt
mit ihm geht, aber kein Wort spricht. Der Fanghund
voll Schrecken, läuft auf der Stelle davon. Der
Schneiderssohn zieht Messer und Gabel aus seiner
Hosentasche und bewehrt sich damit, traut sich aber
vor Entsetzen nicht, den Schwarzen anzureden. Dieser
blieb auf der Säumerbrücke stehen, der Schneidersohn
aber kam todtenbleich, Messer und Gabel noch
krampfhaft in den Fäusten haltend, in's Wirthshaus zu
Schnagelreit, und nahm Nachtherberge daselbst, wollte
auch um tausend Gulden nicht mehr weiter gehen. –
Etwas anderes Seltsames hat sich vor zehn oder zwölf
Jahren mit dem Knecht im Kaitl, Lenzl Niederberger
zugetragen. Dieser war nämlich auf Vorspann gewesen,
und ritt mit seinen zwei Pferden bei hellem Mittag
über den Allerseelenbühel, nahe an der Wegscheid,
heimwärts. Da stürzt auf einmal ein langer,
dicker Baumstamm, oben und unten abgesägt, aus
dem Gebüsch heraus auf die Straße, und schickt sich
an, ihm nachzukugeln. Der Niederberger schlug nun
kurzen Trab an, aber auch der Baumstamm beeilte
sich, und als jener hielt oder langsam ritt, that es ihm
auch der Baumstamm nach, also, daß er immer eine
Spanne hinter den Pferden daherkollerte. Dieß kam
dem Lenzl gar zu absichtlich vor, und da er einen
Spuck vermuthete, auch jählings einen Schrecken
fühlte, so sprengte er im Galopp den Berg hinab bis
in's Kaitl, wobei er den Baumstamm noch lange in
wilder Hatz hinter sich dreinjagen hörte. Gleich darauf
ging er mit den andern Knechten hinaus, um nachzuspüren,
konnte aber von dem Baumstamm nichts
mehr sehen.
Auf der Wegscheid thut es auch oft bei Nachtszeit
vom Felsen herab grauenvolle Schreie, aber so arg
war es seit Menschengedenken nicht, wie im Jahre
1831. Damals hörte man in dieser Gegend ein jämmerliches
Winseln und Heulen von den höchsten
Wänden herunter, welches gegen vierzehn Tage sich
vernehmen ließ und zu keiner Stunde des Tages oder
der Nacht verstummte. Endlich hat sich der Brunnenwärter
vom Nesselgraben aufgemacht, um in den Bergen
oben umzusehen, woher das Winseln käme. Als
er auf den höchsten Matten sich befunden, mußt' er
wahrnehmen, daß dasselbe nicht aus dieser Gegend,
sondern gerade unter ihm aus den Klüften der Wand
hervordringe, wo sie am steilsten abschließt, so daß
sich keine Gemse da halten kann. Er verwunderte sich
höchlich, erachtet es aber zu gefährlich, den Laut weiter
zu verfolgen, und begab sich unverrichteter Dinge
wieder bergabwärts. Nun kam aber der Kreuzer von
Helmbach, ein muthiger Bergsteiger von den besten,
der seine Schafe suchte, dieses Weges, und als er von
dem Andern den Hergang gehört, bedachte er sich,
dem Abenteuer nachzugehen; legte also seine Joppe
und seinen Hut ab, kletterte mit äußerster Gefahr seines
Lebens, was keiner glauben möchte der die Wand
betrachtet, durch die Schrunden auf den Ort zu, woher
das Winseln kam, und sah da ein uraltes
zusammengehocktes Weiblein in einer Felsenspalte
sitzen, so zu winseln fortfuhr und auf seine Fragen,
wie sie um Gotteswillen an diesen Ort gekommen,
keinerlei Antwort gab, vielmehr mit den dürren Händen
ihm geradenwegs in's Gesicht fahren wollte. Hierauf
hat sie der Kreuzer ohne Umstände herausgerissen
und mit sich zu gehen gezwungen, was sie gleichwohl
ganz sichern Trittes that. So kam er mit ihr wieder auf
die Matte, wo er seine Joppe und seinen Hut niedergelegt,
und bückte sich nach diesen und zog sie wieder
an. Als er sich nun aber nach dem Weiblein umdrehte,
war dasselbe verschwunden, und konnte von ihm trotz
alles Suchens da herum nicht mehr gefunden werden.
Jetzt kam aber auch das ganze Ding dem Kreuzer
nicht mehr geheuer vor, vielmehr erfaßte ihn ein jähes
Grauen, also daß er mühselig nach Hause kam und
eine Woche krank lag vom Schrecken. Selbigen Tages
ist das Weiblein noch bei dem Bauern am See gesehen
worden, wo sie sich auf die Bank vor die Hausthüre
setzte. Die Bäuerin gab ihr einen Krapfen, erhielt
aber keinen Dank dafür und auch keine Antwort
auf die Fragen, die sie ihr stellte. Gleich darauf saß
sie unten am Kaitl auf der Sommerbank, erhielt eine
Nudel, gab aber auch kein Wort von sich, sondern nur
ein leises, unverständliches Flüstern. Das Winseln
wurde von diesem Tage an nicht mehr gehört, das
Weiblein aber auch in der ganzen Gegend nicht mehr
erkundet. Es wird aber dieses Weiblein von denen,
die es gesehen, übereinstimmend als ein kleines Mütterlein
beschrieben, von uraltem Gesichtchen mit vielen
hundert Fältchen darin, übrigens im Anzuge recht
reinlich und sauber, aber ganz altmodisch. Sie hatte
auf dem Kopf ein schwarzes Häubchen mit schmalem
schwarzem Pelzbräm, das fast bis auf die Augen hereinging;
ein rothes Corsett von älterem Schnitte, als
man sich erinnern kann, mit ganz langen Schößen auf
dem Rücken, ein blaues Schürzchen und schwarzes
Röcklein.
63. Das Edelweiß.
Sage von der M o r d a u , erzählt von F r a n z
E n g l e r t .
Auf dem Grenzgebirge Berchtesgadens gegen Reichenhall,
liegt die Alpe Mordau.
Im Jahre 1382 bezog Kathei, das schönste Diendl
im Berchtesgadner Land, dieselbe als Sennerin.
Manch stattlicher Bua stieg hinan zur Alpe, um Kathei
zu besuchen, allein die Aelplerin hatte gar früh
schon ihr Herzchen an Lenzei verschenkt, der, ein
treuherziger Gebirgssohn, kein anderes Madl anschaute.
So machte es freilich Kathei nicht, denn es
schien ihr gar lustig, von allen Aelplerinnen weit und
breit die schönste zu heißen, und sah es gerne, wenn
manch schmucker Bua in Sonntagsjoppe, mit Goldquaste
und Spielhahnfeder auf dem Hut, zu ihr heraufstieg.
Leider war der arme Lenzei eben so eifersüchtig
als Kathei schön, und das verbitterte ihm gar viele
Stunden.
Es war auch der Kathei nicht mehr so recht ernst
mit dem Lenzei, denn ein »Jager« gefiel ihr jetzt besser,
der sie gar oft auf der Alm heimsuchte.
Das merkte denn Lenzei bald und krämte sich sehr.
Kathei aber sann darauf, wie sie den Bua sich vom
Hals schaffen könne. Und wie sie einmal wieder dar-
über nachsann, da hörte sie den »Jager« am Fenster,
der juchzte ihr zu und sang:
Steig' i' aufi auf d' Alma,
Ja da werd' ma's Herz weit – und
Sich i' d' Senndrinn geh',
Thuat's mi grüß'n schö',
Ko's nit sag'n, wie's mi' freut.
Als der Jäger in den Kaser trat, erzählte sie ihm,
worüber sie nachgedacht. Der Jäger wußte bald Rath,
meinte, Kathei sollte ihn nur ausschicken, um ein
schönes Edelweiß1 von den Felswänden zu pflücken
und das könne ihm schon einmal den Hals kosten. Da
schauderte freilich Kathei zusammen, aber sie ging
doch darauf ein und schickte den Lenzei, als er wieder
kam, auf den hohen Göhl, um das schönste Edelweiß
zu pflücken, das er finde, und je größer und schöner
es sei, desto mehr sei es ein Zeichen seiner treuen
Liebe.
Lenzei war heute gekommen, um Kathei zu sagen,
daß Herzog Friedrich von Bayern, vom Propsten Ullrich
aufgereizt, ins Berchtesgadner Land komme, um
es zu verwüsten. Darum wolle er heut auf der Alm sie
beschützen, damit ihr kein Leid geschehe. Aber Kathei
lachte und meinte, sie brauche ihn nicht zum Beschützer,
und bestand darauf, daß er ihr das Edelweiß
hole.
Der gute Lenzei bestieg die Berghöhe des Göhl, wo
das Edelweiß gedeiht, und je größer er Blüthen sah,
desto mehr pochte sein Herz vor Freude. Schon
glaubte er sich im Besitz manch' schöner Blüthe, die
er an gefahrvoller Felswand gepflückt und womit er
Kathei zu überraschen gedachte, da sah er am äußersten
Felsrand ein ungewöhnlich großes Edelweiß. Das
mußte ihm, wie er wähnte, das Herz der geliebten
Aelpnerin sicher wieder ganz zuwenden. Nicht sah er
die Gefahr, nur die Blüthe erblickte sein Auge. Er
nahte dem Edelweiß, brach die schöne Blüthe, aber
der einstürzende Felsenrand nahm ihn mit sich hinab
und zerschmettert an den unzählig hervorstehenden
Felsspitzen stürzte er todt in den Abgrund.
Als er zur Sennhütte nicht wiederkehrte, da ahnte
die treulose Aelpnerin, was geschehen, und schloß
sich furchtsam in des lachenden Jägers Arme.
Und wie schon die Nacht düster und dunkel wurde,
da wurde es geräuschvoll um die Sennhütte und von
Herzog Friedrichs von Bayern Soldaten drang eine
Schaar, die den Weg über die Mordau genommen,
herein, stießen den Jäger und die Sennerin nieder und
thaten sich wohl im Milchkeller des Kasers. Sterbend
errinnerte sich noch Kathei, wie Lenzei sie zu retten
gekommen war, und reuevoll erkannte sie des Himmels
heilige Rache. Ihre letzten Worte waren noch ein
reuevoll Gebet; des Jägers letzter Laut aber war – ein
Fluch.
Seitdem aber heißt die Alpe M o r d a u und behält
den Namen wohl auch für immer.
Fußnoten
1 Das Edelweiß ist eine der Lieblingsblumen der Gebirgsbewohner,
und bildet ihre schöne, weiße Sammtblüthe,
welche sich Jahre lang hält, die Hauptzierde
auf dem Hute der Gebirgsbäuerinnen.
64. Der König Wazmann.
Erzählt von F. E n g l e r t . – Vgl. M a ß m a n n a.a.O.
L. B e c h s t e i n , die Volkss. Oesterreichs, I., 67.
A u e r b a c h e r Volksbüchlein I., 123.
Es herrschte einmal vor alter Zeit im Berchtesgadener
Lande ein König, Namens Wazmann. Derselbe liebte
weder Menschen noch Thiere, und süße Lust war es
seinem grausamen Herzen, die Menschen zu quälen
und die Thiere zu martern. Darum war auch die wilde
Jagd seine höchste Freude, wo ihn Rüdengeheul und
Hörnerschall umgab, daß die Wälder davon widertönten.
Doch nicht allein er, auch Weib und Kind fanden
hohe Lust an der wilden Hetzjagd, wenn die dampfenden
Rosse unter ihnen zusammenstürzten, und das
todtgehetzte Wild von den Hunden zerfleischt wurde.
So ging es Tag und Nacht, sonder Ruh und Rast, über
Stock und Stein, bergauf und ab, der Saat des Landmannes
spottend. Lange Zeit trieb er es so, aber Gottes
strenges Strafgericht ereilte den Gottlosen.
»Halloh, hinaus zur wilden Jagd!« tönte es einst
wieder durch den Schloßhof; die Hörner schallten, die
Rüden heulten, und bald ging es mit Weib und Kindern
wieder dahin in wildem Zug. Im Dämmerlicht
sieht der König ein Mütterlein, die Enkelin auf dem
Schooß, und lenkt sein Pferd vor die Hütte hin, daß
Reiter und Roß sie zerstampfte. Und wie der Bauersmann
und sein Weib aus der Hütte trostlos traten, um
die sterbende Mutter im Hause zu betten, da hetzt der
König die schnaubenden Rüden auf sie, daß auch sie
unter den Zähnen der Bestien verscheiden. Lachenden
Blicks sieht der König zu, und mit ihm die Gattin und
Kinder, wie sterbend im Blute Menschen sich winden.
Da hebt das Mütterlein mit gebrochenem Blick
empor die zerfleischte Rechte und flucht fürchterlich
im Sterben dem König und der Königin mit ihren sieben
Kindern, daß sie die Strafe der Gottheit erreiche
und in Felsen verwandle. Und die Erde erbebt, der
Sturmwind braust, als ob das Weltende gekommen;
Feuer sprüht aus dem Schooße der Erde und wandelt
Vater, Gattin und Kinder zu riesigen Felsen um.
So steht Wazmann mit Gattin und sieben Kindern
in riesige Felsen verwandelt, und blickt als ewiges
Wahrzeichen herab in's Berchtesgadener Land.
65. Der Ritter vom Marquardstein.
Von E d u a r d D u l l e r . – M a r q u a r d s t e i n
über dem Dorfe gl. N. südlich vom C h i e m s e e
gelegen – H u n d metrop. III., 81. F a l k e n s t e i n ,
Geschichten des Herz. Bayern, II., 481. u.A.
1.
Tief im Wald mit Pfeil und Bogen
Sitzt der Ritter finster lauernd,
Spähend nach dem blut'gen Ziele
Von dem Morgen bis zur Nacht.
»Hei! das ist ein seltsam Jagen
(Ruft er) – nach dem Edelhirschen;
S e l b s t g e h e t z t in bösen Tagen
Lüstet's mich nach sichrem Ziel.«
»Cuno! Cuno! böser Waidmann,
Sag', warum du mich befehdet,
Aus dem Eigen schnöd vertrieben; –
Arger Nachbar! sieh dich vor! –
Hast du mir doch nichts gelassen
Als den Wald, das Haus der Eule,
Als den Bogen und die Pfeile
Und den nimmersatten Haß.
Diesen Forst wirst du durchjagen,
Komm! ich harre – laß nicht warten!
Sieh! die Rache spannt den Bogen
Und der Haß wetzt diesen Pfeil.« –
Ritter Marquard sprach's im Forste
Schärfend seines Pfeiles Spitze,
Lauerd nach des Feindes Herzen
Von dem Frühroth bis zur Nacht.
Horch! da kams durch Busch und Zweige.
'S ist der Feind! – Empfiehl die Seele! –
Daß der Haß in Blut sich neige,
Schmiegt zur Sehne sich der Pfeil.
Und es trat aus dunklem Laube
Hell hervor im Himmelsglanze,
»Wie? das sind des Feindes Züge?!
Schläft der Haß in diesem Blick?
Ja! sie sind's die Augensterne,
Rache flammend aufgegangen
Wie? das Sternbild strahlet heute
Mild im liebevollem Glanz?
Ja! sie sind's die dunklen Locken,
Die mein Unglück arg umrankten,
Wie? in die verwünschten Banden
Jagt mich jetzo süße Lust?
Ist der Schmerz denn in die Freude,
Ist die Rach' verkehrt in Sehnen,
Ist der Trotz verthaut in Thränen
Und der Haß gelöst in Lieb'?
Weib in deiner Zauberschöne
Ob du lächelst, weinest, tödtest, –
Jagdbewehret, kampfgerüstet,
Gleich der Heidengöttin dort. –
Cunos Tochter, Adelheide
Wärst du? Ja! das sind die Züge!
Rollt nicht in der Jungfrau Busen
Auch des Vaters böses Blut?!
Sind nicht ihre Blicke Pfeile,
Die den Weg zum Herzen finden,
Die die Rache kühn bezwingen
Und ertödten allen Haß?
Weh! was ich im Vater hasse,
Liebend tritt mir's hier entgegen,
Lieb' ich, was ich sollte hassen,
Haß ich, was mir liebend naht?«
Schönheit hat die schärfste Waffe;
Diesen Blicken stirbt sich's selig; –
Senk den Speer und brich die Pfeile
Ernster Jäger tief im Wald!
2.
»Niemals ruh'n will ich, noch rasten,
Bis der Feind, der Nachbarritter,
Flüchtig geht', der ärmste Bettler
In der Bayern reichem Land.«
»Feindlich stehn die beiden Burgen,
Hoch auf Felsen hie und drüben,
Starrt dieß unversöhnte Herz.
Feindlich wie der Bau der Felsen.«
Also sprach auf hoher Veste
Cuno ernst, die finstern Brauen
Runzelnd und mit scharfen Blicken
Spähend nach dem fernen Forst.
»Kehrt die Tochter noch nicht wieder,
Die mit mir zum Wald geritten
Auf dem blüthenweißen Zelter
In das heitre Spiel der Jagd?«
»Hat der Knapp' sie nicht gefunden,
Der da naht, der altergraue,
Trüben Blicks gesenkten Hauptes
Vor das Thor der Mögling-Burg?«
»Zäume frisch den schnellsten Rappen
Rasch zurück zum düstern Walde; –
Bricht mir doch das Herz vor Grauen
Um mein einzig, theures Kind!«
3.
»Wehe! daß ich Vater heiße
Und die Tochter schnöd' verloren,
Weh! die mürbe Kraft zerschmettert',
Weh! in Schand erbleicht dieß Haar!
Kind! wie hab' ich dieß verschuldet,
Daß du flohst vom lieben Vater
Und dem Todfeind, dem verhaßten,
Am Altar gereicht die Hand?
Hab' dich, als du warst geboren
Freudevoll an's Herz gehoben,
Meine Lieb' war deine Wiege,
Deine Untreu' wird mein Sarg.
Alle Liebe hab' ich wuchernd
Dir allein nur zugewendet,
Daß kein Deut mir überblieben
Für die große, weite Welt.
Fluch dem Wahn, der mich betrogen,
Dem geliebten, süßen Wahne,
Daß an meinem Sterbebette
Trauernd stünd' ein liebend Kind.
Einsam in der öden Halle
Werd ich mich zur Ruhe legen,
Keine Thräne rinnt mir labend,
Und sie brechen unsern Schild.
Denn wenn sie zur Gruft mich senken,
Wird mein Stamm mit mir begraben;
Nur der Haß, der wechsellose,
Sitzt dann treu an meinem Sarg.«
4.
In der Kammer eng und traulich
Koset Marquard mit der Lieben,
Kurze Stunden, kurze Monden
Auf dem festen Marquardstein.
Sind die Liebenden gefangen,
Daß sie nie in's Freie wandeln,
Liegt wohl in des Schlosses Mauern
Eng in Grenzen ihre Welt?
Nur die Lieb hält sie gefangen
Nur das Glück schlägt sie in Fesseln,
Nur die Wonne ist ihr Kerker,
Und ihr Himmel ist das Herz.
Aber in der Rose Kelche
Schläft der Haß, die gift'ge Schlange,
Harrend, bis der helle Morgen
Froh der Blume Brust erschließt.
Auf der Rose liegt von Thränen
Schwerer Thau, der eisig lastet,
Vaterfluch zehrt an den Keimen,
Vaterschmerz beugt tief den Kelch.
Zweier Monde barg sie heimlich
Marquardstein, die Burg des Ritters;
Schläft wohl jetzt des Vaters Rache,
Hat der Fluch noch immer Kraft?
Und es zieht sie mächt'ges Sehnen
Aus dem Schloß zu Lenzesauen,
Einmal wieder dort zu wandeln,
Wo sie sich zuerst gesehen,
Wo der Pfeil mit süßen Schmerzen
Schütz und Opfer sanft getroffen,
Wo auf Zwei beglückte Herzen
E i n e Liebessonne schien.
Das ist Blühen! das ist Duften
In der schönen Zeit des Maien,
Spiegelt nicht die klare Welle
Sonn' und Glück im reinen Blau?!
Doch im Westen fern und drohend
Wächst die Wolke, finster brütend,
Schweren Fluges immer näher
Wälzt sie sich in sich'rer Bahn.
Weh! wer je dem Glück vertraute! –
Wenn es jetzt auch sonnig lächelt,
Eh' man mag den Blick verwenden,
Fährt der Blitz aus heitrer Höh'.
5.
Tief im Schilf am schönen Chiemsee
Sitzt ein Weib mit zweien Jungen,
Schön und schrecklich anzuschauen
Riesenhaft in Wahnsinnsgluth.
Sieh! zwei Bogen, straff gespannte,
Legt sie in die Hand der Knaben
Und zwei Pfeile, schnell beschwingte,
Reicht sie dar mit glüh'ndem Blick.
»Zwillingssöhne! Zwillingssöhne!«
Ruft sie, »lernt die Waffen brauchen,
Seht! i c h will das Ziel euch zeigen.
Dran verdient das Ritterthum!«
»War der T r u g nicht euer Vater?
Ist die R a c h ' nicht eure Mutter?
Zwillingssöhne, Zwillingssöhne!
Seht das Ziel dort! trefft mir's gut!
Z w e i der Söhne, z w e i der Pfeile,
E i n e Sünde, tausend Schmerzen, –
Faßt ihr's? – Söhn'! die ich geboren,
M u t t e r und kein e h l i c h W e i b !
Bergt euch tiefer! spannt die Bogen,
Seht! da kommen sie gezogen. –
Zwillingssöhn! Jetzt Zwillingspfeile
Auf ein zwiefach treulos Herz!«
Und es kam der falsche Ritter
Mit der Gattin Adelhaide,
Marquard war's, mit süßen Worten
Schmeichelnd dem entführten Kind.
Horch! da kam's herangeflogen –
Zischend von dem Zwillingsbogen;
Von dem Doppelpfeil getroffen
Lag der Ritter wund im Blut.
Tief im Schilf am schönen Chiemsee
Sank die Mutter mit den Knaben,
Von den Fluthen still begraben,
Dumpf verbarg der See die That.
»Doppelliebe! – Doppelpfeile!«
Ruft der Ritter, – »Wehe! Wehe!
Muß ich hier in Sünden sterben?
Weh! wer trägt mich hin zur Burg?
Daß ich möge Ruhe finden,
Daß ein Priester, mild vergebend
Mich entledigt meiner Sünden,
Weh! wer trägt mich zur Kapell!«
Und es hob die treue Gattin
An die Brust den wunden Ritter,
Schreitend durch die öden Auen
Zur Kapell im Marquardstein.
»Richter! laß mir Gnad ergehen.«
Stöhnt der Ritter – »fromme Seelen
Möchten sie mir Gnad erflehen
Im Gebet vor Gottes Thron.«
»Ueppig wächst der Baum der Sünden
Aus des Herzens tiefem Grunde,
Bis die Last der eignen Früchte
Kron, und Aest' und Stamm erdrückt.
Wer die Burg auf Sand gebauet,
Sehe zu, daß sie nicht stürze,
Daß der Hallen stolze Wölbung
Nicht den Bauherrn selbst begräbt.
Wie der Baum brech' ich zusammen
Mit der Burg werd' ich zertrümmert; –
Baut aus meinem Schatz ein Kloster
B a u m b u r g soll es seyn genannt.«
Reuig lag der wunde Marquard; –
Sein Gelübde fromm beschwörend
Sank die Gattin Adelhaide
Treu dem Todten an das Herz.
W e r zu Stunde sey verschieden?
Schwer zu nennen war die Leiche; –
War's der Ritter dort, der Bleiche?
Ist's die Frau, versteint in Schmerz?
66. Adalbert und Otkar, die Gründer von
Tegernsee.
Erzählt von M.v. F r e y b e r g , älteste Gesch. v.
Tegernsee. München 1822, S. 15 ff. A n d r .
P r e s b . in v. F r e y b e r g s Samml. hist. Schriften II.,
385 ff. P e z thes. anecd. III., 473. E r t l rel. II., 161.
H u n d metrop. III., 389 u.A.
Adalbert und Otkar, zwei Brüder aus fürstlich Burgundischem
Stamme, von einer Mutter Agilolfingischen
Geschlechtes, lebten als fromme, erleuchtete,
tapfere Männer an König Pipins, ihres Blutsverwandten
Hofe. Da begab es sich, daß des Königs Sohn,
jenen Herrn Otkars in der Hitze des Streites erschlug.
Pipin, die Rache jener Brüder fürchtend – denn sie
waren so groß an Macht als Gesinnung, und reich begütert
in Bayern und Burgund – wußte durch eine
weise List dem Ausbruche ihres Schmerzes zu begegnen.
Noch ehe der Todtschlag ruchbar geworden, versammelte
er seine Großen und unter diesen Herrn
Otkar bei sich. Als sie erschienen, sprach Pipin zu
jenen: »Wie bedünkt euch wohl, daß einem Uebel,
dem in keinem Falle abzuhelfen, zu begegnen sei?«
Nicht ahnend das Ziel dieser Rede, erwiederte Herr
Otkar: »Solches Uebel wahrlich ist mit Gleichmuth zu
ertragen.« Als ihm nun der König hierauf den entsetz-
lichen Unfall entdecket, verhüllte der unglückliche
Vater seinen gränzenlosen Schmerz in ein tiefes, anhaltendes
Schweigen. Nach langer Trauer aber kamen
beide Brüder des Entschlusses überein, der Welt auf
immer zu entsagen. Nun hatten sie schon früher am
Tegrinsee, im bayerischen Südgau, das Kirchlein St.
Salvators auf ihrem Vatergut gegründet. Sie befahlen
jetzt, den Wald an dem Ufer des Sees zu lichten, und
beschlossen dicht an jener Kirche ein Gotteshaus zu
stiften, und all' ihr Besitzthum in diesen Gegenden,
dem Altare zu weihen. Um aber andächtige Sehnsucht
zu stillen, und für die zu gründende Kirche ein hochgefeiertes
Heilthum zu erwerben, erhob sich das erleuchtete
Brüderpaar vor Allem zu einer Pilgerfahrt
nach Rom. Versehen mit St. Winfrieds Briefen, der
sie in so herrlichem Entschluß mächtig bestärket, erreichten
sie die sieben heiligen Hügel gerade in dem
Augenblick, als jener Königin der Städte durch einen
Einfall heidnischer Seeräuber das fürchterlichste Unglück
drohte. Da erhoben sich die gottbetrauten Männer,
angeflammt durch die Rede des Hirtens der Christen,
und erschüttert durch das Bedrängniß der Kirche,
noch einmal zu Uebung ihrer Ritterpflicht; stellten
sich an die Spitze der Römer, überwanden und
züchtigten die Frevler, und kehrten mit Sieges-Trophäen
zum Grab der Fürstenapostel zurück. Zum
Lohne so herrlicher That erbaten sich die frommen
Helden nun den Leib St. Quirins vom heiligen Vater
zum Geschenke. Quirinus, ein Sohn Kaiser Philipps,
hatte durch seine Mutter Severa zur christlichen Lehre
hingewendet, durch Papst Fabian in die Kirche aufgenommen,
den Umgang ihrer trefflichsten Bekenner
durch zwanzig Jahre genossen. In ihrer Mitte blühte
der heilige Jüngling, bis Claudius den Thron der Cäsaren
bestieg, und die Verfolgung der Christen mit
neuer Wuth begann. Da ward denn auch Quirin gewürdigt,
ein Blutzeuge Christi zu werden. Der Kaiser
ließ ihn ergreifen, peinigen, enthaupten und seinen
Körper in die Tiber versenken. Doch ward der Leichnam
durch einen Priester gefunden und in dem Kirchhof
St. Pontiani bestattet. Aber bald verbreitete sich
der Ruf der diesem Grabe entströmenden Wunder
durch Rom und die Welt. Ja das Zutrauen der Römer
zu St. Quirin war nun so hoch gestiegen, daß der
Papst Bedenken nehmen mußte, in Adalberts und Otkars
Bitte geradehin und öffentlich zu willigen. Doch
versprach er den erbetenen Schatz einem Boten, den
sie später senden sollten, unter dem Siegel des Geheimnisses
zu übergeben. Beruhigt durch diese Zusage
kehrten die frommen Brüder mit dem Segen des
Papstes über die Alpen zurück. Und während sie nun
hier beschäftigt waren, Alles für den Empfang des erwählten
Patrons ihrer Stiftung zu bereiten, eilte ihr
Schwestersohn Uto nach Rom, um das zugesagte
Kleinod in der Stille zu erheben und über die Alpen
zu geleiten. Dort, wo das Heiligthum den letzten
Abend geruht, unfern des Sees, entsprang eine Quelle
voll Heilkraft. So war denn schon die erste Stunde der
Ankunft des Patrones segenbringend für die Gegend,
alle Bewohner strömten im Festkleide dem Zuge entgegen,
und geleiteten den Sarg mit Gebeten und Hymnen
zur Salvatorskirche, wo er ruhen sollte, bis das
neue Gotteshaus vollendet.
Endlich, im siebenhundert vier und fünfzigsten
Jahre der Geburt des Erlösers, ward die feierliche
Weihe der Klosterkirche vollzogen. Die Bischöfe von
Salzburg, Regensburg und Freising verherrlichten das
Fest, und geleiteten an der Spitze der Priester, das
Heiligthum aus dem Kirchlein in die Gruft des neuen
Tempels. In dieser Stunde vollzogen auch die Stifter
ihr Gelübde, der Welt für immer zu entsagen, vertauschten
ihre Waffen mit dem Ordenskleide Benedikts,
und legten den Stiftungsbrief nieder auf St.
Quirins Altar. Der Papst, der König und der Fürst des
Landes genehmigten die heilige Handlung, und nicht
minder bestätigten sie den unter Leitung des Bischofs
von den Mönchen einstimmig zum Abte gewählten
Graf Adalbert, in dieser seiner neuen wohlverdienten
Würde.
67. Der Traam.
Von F . v . K o b e l l . – Sage vom B i r k e n s t e i n ,
Wallfahrt bei F i s c h b a c h a u i n O b e r b .
Es hat amal an' Diendl traamt,
Sie hätt' si' in an' Wald verganga,
Und is ihr da, hat nie g'wißt wie,
A Graus'n kemma und a Banga;
Und wie se si' so g'forcht'n hat,
Da hört s' in Laabern 'was rebell'n,
Und kimmt a Wolf nett auf sie her,
Als wollt er ihr n' Weg verstell'n.
Und in der Angst da hat sie g'lobt,
Zu'n Birkastoa' a Wallfahrt z'macha,
Da is der Wolf gar g'schwind davo'
Sie hat scho' gmoa't, er hätt' s' in Racha', –
Und wacht na' auf und hat wohl g'schnauft
Und hat lang denkt an ihra Traama
Und an den Wolf, und wie's wohl waar,
Wann s' ebber amal so 'zammakaama.
Und ob s' die Wallfahrt macha sollt',
Hätt s' freili grad in Traam versprocha,
In selli Sach'n aber moant s',
Da waar halt leichtli' 'was verbrocha.
Sie fragt an' Holzknecht, der hat oft
Sein Retsl1 kocht in ihra Hütt'n,
Der ab'r is gwest a Teufisstrick
Koa Freund von Bett'n und von' Bitt'n.
»Jetzt roas' mit deiner Wallfahrt da,
So sagt er, is da' ja nix g'schegn,
Was werst denn bett'n weg'n an Wolf,
Hast deiner Lebta' no' koan g'segn. –«
Dees Diendl aber, woltern frumm,
Hat denkt, es kunnt' ja nie nix schad'n,
Wann s' ebber gaang, sie kaam so mehr
Bei unsrer lieb'n Frau in Gnad'n.
So geht s' halt hi' gon Birkastoa'
Und thuat ihr Andacht wohl verricht'n,
Und fröhli' na' geht s' wieder hoam,
Hat denkt an manchi Wunderg'schicht'n.
Und wie s' am Kuhzack auffi kimmt,
Da thuat der Holzknecht Baam ausstocka,
Der lacht s' wohl aus und sagt dazu:
»Host oan dawischt an' Wunderbrocka? –«
Kaam aber, daß dees Wort heraus,
So rühr'n si' die nächst'n Bosch'n,
Und wüethi' rumpit her a Wolf,
Da ist den oan der Mueth verlosch'n,
Da san s' wohl g'loffa alli zwee,
A Wolf kann aber besser laaffa,
Den kimmst nit aus, wann er grad mag,
Hilft a koa' Wihr'n und koa Raaffa.
Und schau den' Diendl thuat er nix,
Dees so viel frumm gwest in sein G'wiss'n,
Den Holzknecht aber hat er packt
Und hat 'n grausamli' zerriss'n –.
No' heutig's Tags, wie Alles g'scheg'n,
Ko'st auf an g'molt'n Taferl seg'n,
Dees hängt dort, in den heiling' Haus
Am Birkastoa' in Gang heraus.
Fußnoten
1 Eine Mehlspeise.
68. Die übergoßn' Alm.
Von F . v . K o b e l l . – S. Volksbüchlein von
A u e r b a c h e r I., 122., woselbst der nördliche Abhang
der K a i s e r am W e n d e l s t e i n als Oertlichkeit der
Sage benannt ist. M. S c h o t t k y , Bilder aus der südd.
Alpenwelt, S. 172 u. 241.
Bals d' aufi steigst zum Blimbachthor,
Da sichst den ewign Schnee,
Wo dort jetz' All's d' erfrorn, is sunst
Wohl gstanden schöner Klee
Und Woad für vieli hundert Küh',
An' Alm, wie koani mehr,
Dees aber is vor Alters gwest
Und is scho' hübsch lang her.
Und selm, da hab'n Diendl'n g'haust
Auf dera Alm da drobn,
Die san wohl gwest gar schö' und reich,
Sunst weiter nit viel z'lobn.
Sie habn a' lusti's Leb'n g'führt,
Denn was die Alm d' ertragn,
Wie Milch und Kaas' und Butter g'west,
Dees ko' ma' gar nit sagn;
Und weil's halt so d' ergebn hat,
San d' Diendln fürnehm worn
Und übermüthi', wie 's halt geht,
Voll Hoffarth hint' und vorn.
Und hamm die Küh' mit Glockna ziert
Vo' Silber, Narr, a' Pracht,
Und d' Stier' die Horn auf's schönst' vergold't,
Und selli Sachan g'macht.
Und Wein vo' Salzburg Faßlweis
Hamm s' in die Keller g'habt,
Da hat an diem a Jagabua
Sei' Noagl eini g'schnappt.
Statt aber, daß s' aa 'was d' erkennt,
Und bet't hätt'n fruh und spat,
Hamm s' nie an unsern Herrgott' denkt,
Nie dankt für soviel Gnad!
Amal in ihnern Uebermuth
Hamm s' gar a' Straßn g'macht
Vo' lauter Butter über 'n Berg
Und hamm d'rauf tanzt und g'lacht
Unb daß der Teufi aa' was hätt'
Ham s' gmoant, so soll er s' habn
Die Straßn, frißt er s' über Nacht
Mit seine Brüderln zamm;
Dees habn s' g'jurt und g'ruafa laut
Hi' geg'n die Teufishorn
Und g'schrie'n: Du lus' auf da drent
Mit deini lange' Ohrn.
Und hamm so furt tho', bis die Stern
Am Himmi scho' zun segn,
A' selles Volk is kaam amal
Mehr auf 'ra 'n Alma g'legn.
O Uebermuth, du findst dei' End,
Du findst es oft gar gschwind –
Um zwölfi Nachts an's Fenster stößt
Und pfeift a' scharfa Wind,
Und wie wann oana sterb'n thaat,
Hat 's nacha draußtn tho',
A' schreckli's Seufzen hat ma g'hört
(An' dieweiln hört ma's no),
Und drauf a' Sturm is rüber g'saust
Von Funtntauern her,
Und war, als war's lebendi worn
In groß'n stoanern Meer',
Als schlüg'n Felsn ananand
Wie Welln, grausi schwaar,
Als wann der Teufi mit der Höll'
Da aufi kemma war.
Und 'kracht und dunnert hat's, als wann
Der Watzmann stürzet ei',
Als kaam vom Himmi a' Lawin'
Und schlüg' in d' Alm nei'! –
O heilige Muatta, steh' uns bei,
O schauderhafti Nacht
Da hat wohl All's in Berg und Thal
Mit Angst und Bet'n gwacht.
Und wie der Tag na' kemma is,
Ko' so was Grausi's g'schegn?
Schau d' Alm und d' Sennderinne' d'rauf,
Koa Mensch hat s' nimmer g'segn.
In Schnee und Eis vergrabn san's
Mit Hüttn, Kuh' und Kalbn,
D'rum hoaßt mar 's aa no heuntigs Tags
Die ü b e r g o ß n ' Alm.
Und is die Alm a' Zoacha, gel',
Wie 's geht mi'n Uebermuth
Und wann ma blind vor lauter Glück
Auf Gott vergeß'n thuat.
69. Weihenlindens Ursprung.
Erzählt von N a g l e r nach handschriftl. Quellen im
Vat. Mag. Erlangen 1838, S. 185. Vgl. Maria, ein Bronn
usw. Erster Theil. München 1745. Kurzgef. gesch. Darst.
des Wallf. Maria in Weihenlinden von M. R e i t h e r .
Högling 1835. S. 6.
In der Gegend, wo Weihenlinden liegt, schwärmten
die Hunnen umher und vertrieben die erschreckten
Bewohner. Wer sich ihnen nahte, starb von roher
Hand, und so erzählt die Sage, daß da, wo sich jetzt
die Kapelle der heiligen Jungfrau befindet, die umzäunten
Gräben dreier von den Hunnen erschlagener
Männer gewesen. Niemand konnte es ungestraft
wagen, darüber leichtsinnig hinzugehen und selbst
das Vieh fiel todt darnieder, wenn es versuchte, darüber
wegzuspringen. So stand der Ort bald unter dem
Schutze öffentlicher Verehrung, und als endlich die
Schweden jene Gegend heimsuchten, gelobten die
Höglinger, aus Furcht, Gustav Adolphs Soldatesca
möchte, wie überall, auch hier plündern und verwüsten,
auf jener heiligen Stätte eine Kapelle zu bauen,
falls sie und ihre Habe verschont bleiben sollten. Sie
litten nichts von den Feinden, aber nach verschwundener
Gefahr dachte die Gemeinde Högling nicht mehr
an das Gelübde, bis endlich die Pest kam und daran
erinnerte. Jetzt bauten sie über den Gräbern eine Kapelle
von Stein und in dieser wurde eine Bildsäule der
heiligen Jungfrau aufgestellt, ein beinahe drei Fuß
hohes Holzbild, welches früher in der Pfarrkirche zu
Högling gestanden. Es stürzte zu jener Zeit, man
wußte nicht durch welche Veranlassung, plötzlich
vom alten Stande herab, ohne sich jedoch im Mindesten
zu beschädigen, was man durch ein Wunder erklären
zu müssen glaubte. Das Bild wurde nun für
heilig gehalten und in jene neue Kapelle übertragen,
wo sich Wunderbares ereignete. Die Bewohner der
ganzen Gegend kamen zum Gnadenbild, reichliche
Opfer floßen, so daß man bald auf den Bau einer größern
Kirche bedacht war.
Der Ort, wo die Kapelle sich erhob, hatte anfänglich
keinen Brunnen, und man mußte das Wasser weit
herbei tragen. Als die Höglinger beim Beginne des
zweiten Baues nun auch einen Brunnen graben wollten,
stießen sie dabei auf große Schwierigkeiten und
es schien, daß sie keine Ader treffen sollten. Ganz
entmuthigt über das wahrscheinliche Mißlingen ihrer
Arbeit, sahen sie ermüdet eines Tages drei Pilgrime
daher kommen und diese munterten die Arbeiter zur
Fortsetzung des Werkes auf, indem sie freundlich versicherten,
daß sich in kurzer Zeit ein Ring finden
werde, der ihnen die Spur des heilsamen Wassers zeigen
würde. Und siehe da, bald darauf fanden sie einen
silbernen Ring mit zwei Steinen und den Quell lebendigen
Wassers. Nun gingen die Fremdlinge und Niemand
sah sie wieder. So glaubten die Bewohner, es
seien drei Engel gewesen, zum Zeichen des dreieinigen
Gottes gesandt, weßwegen sie die neue Kirche der
heil. Dreieinigkeit weihten.
70. Wie die Kirche zu Ebersberg ihren Anfang
genommen.
E b e r s b e r g in O b e r b . – O e f e l e scriptor. II.,
4. F . X . P a u l h u b e r Gesch. von Ebersberg, S. 234.
Es war, wie die alten Geschichtsbücher melden, um
das Jahr 879, als Graf Siegfried von Ebersberg ruhig
auf seinem Schlosse zu Sempt im Kreise seiner Familie
lebte und unter andern sein Vergnügen am
Waidwerke in den umliegenden Wäldern fand. Dazumal
war die Gegend von Ebersberg noch gar wild und
schauerlich. Gewaltige Eichen und Buchen, von
Schlingpflanzen durchflochten, reihten sich zu einem
undurchdringlichen Urwald aneinander. Nur auf einzelnen
schmalen Stegen und Wegen konnten die Jäger
in dieser Wildniß vordringen, in welcher große
schwarze Eber ihren Aufenthalt hatten.
Eines Tages pflegte der Graf von Ebersberg des gewohnten
Waidwerkes, als man urplötzlich eines gewaltigen
Ebers ansichtig ward, der durch seine Größe
und Stärke in Erstaunen setzte. Auch sein Lager oder
Bett wurde bald ausgekundschaftet; es war auf einer
Anhöhe in einer Sandsteinhöhle unter einer uralten
Linde gewählt. Alle Mühe und Anstrengung des Grafen
und seiner Leute, das schreckbare Thier zu fangen
oder zu erlegen, waren vergebens. Einmal war man
ihm nahe auf der Spur, so daß es den Augen der Jäger
und Rüden ansichtig war, als es urplötzlich zum Entsetzen
Aller verschwand, also daß man erkannte, es
sei kein natürlicher Eber, sondern der leibhaftige Teufel
aus der Hölle gewesen. Solches wollte sich aber
auch noch später bestätigen, indem an jener Linde vor
dem Höhlenlager des Thieres das umwohnende Volk
zusammenströmte und heidnischen Aberglauben und
Götzendienst trieb. Das vernahm ein heiliger Mann,
Konrad von Heuwa, welcher am Bodensee wohnte.
Da sendete er Boten an den Grafen Siegfried von
Ebersberg und ließ ihm sagen: »Haue die Linde um
und zerstöre die Höhle von Grund aus; an ihrer Stelle
erbaue dem wahren Gott ein Kirchlein, denn es ziemt
sich, daß er angebetet und dem Götzendienste ein
Ende gemacht werde.« Die nämliche Botschaft ist von
einem andern Einsiedler, Namens Gebhard von Straßburg
an den Grafen gekommen, worauf dieser nicht
länger gesäumt und nicht nur ein schon früher erbautes,
aber verfallenes Valentinskirchlein erneuet, sondern
auch eine Kapelle zu Ehren der Mutter Gottes
Maria gegründet hat.
71. Richardis von Ebersberg.
R a d e r . Bav. S. II., 159. P a u l h u b e r a.a.O. 546.
Es geschah um das Jahr 1012, als der Graf Ulrich von
Sempt mit seiner Gemahlin Richardis auf einer Burg
unweit Ebersberg wohnte, daß die fromme Gräfin alltäglich
des Morgens frühe nach dem Kirchlein zu
Ebersberg wandelte, um Gott zu dienen und die heilige
Messe zu hören. Sie versäumte keinen Tag in diesem
frommen Beginnen und ließ sich auch durch
Regen oder Schneegestöber nicht davon abwendig
machen. Einmal ging sie früh Morgens ganz allein
ihres Weges durch den einsamen Wald dem geliebten
Kirchlein zu. Stille war rings umher, kein Rauschen
des Laubes vernehmbar, selbst die Vöglein ließen
kaum vereinzelte Morgengrüße ertönen. Da schlug
auf einmal ein ungewisses Summen wie von fernem
Glockenklang an ihr Ohr. Sie blieb stehen und lauschte,
es war die wohlbekannte Stimme des Glöckleins
von Ebersberg, welches ihr deutlich zurief, daß sie
nun heute zu spät kommen werde. Da entfiel ihr vor
Betrübniß ein Handschuh, den hatte im Augenblick
eine Elster im Schnabel und flog damit durch die
Lüfte. Richardis eilte jedoch des Weges weiter, um
wenigstens dem Beschlusse des heiligen Opfers mit
anzuwohnen. In dem Augenblicke aber, als der Priester
zu Ebersberg den Altar betreten wollte, flog die
Elster mit dem Handschuh zur Thüre herein und legte
ihn ohne Scheu auf dem Altare nieder. Niemand
wußte sich das zu deuten, bis man den Handschuh der
edlen Gräfin von Sempt erkannte und daraus schloß,
daß sie noch unter Weges sei. So hielt denn der Priester
mit der heiligen Handlung ein, bis Richardis erschienen
war. Das Bild der Elster am heiligen Orte
gibt noch zur Stunde der im Volke lebenden Sage
Zeugniß.
72. Die Münchner Sauerbäcken.
E r t l relatt. cur. Bav. II., 289., v. H o r m a y r
goldene Chronik. S. 104.
Als man zehlt ein tausend dreyhundert,
und zwei und zwanzig auch besundert,
nach Christi Geburth ausserwählt,
thet regieren der threye höldt,
Kaiser Ludwig gantz offenbahr,
ein frommer Fürst von Bayern war.
Wider ihn zog gewaltigleich
herzog Friederich von Oesterreich
Mit einer großen Heeresmacht
bei Mühldorf da geschah die Schlacht
Unglikh thet ob dem Kaiser schweben,
Der Feind hett ihn gar hart umgeben,
da solches die Becker-Knecht ersachen,
theten sie sich dem Kaiser nachen,
triben mit ihrer Gegen währ
zurukh das österreichisch hör
und errötteten den Kaiser baldt,
gewunnen die Schlacht mit grossen Gewalt
darauf der Kaiser ihnen mit Zier
den Adler setzet in ihr Panier
bestett ihnen auch mit großer Krafft,
unser lieben Frauen Bruederschaft,
Bauet ihnen zu München auch zu mahl
ein Haus, welches liegt in dem Thal
hängt an der hochbruckmill darneben
Gott gab dem Kaiser das ewige Leben
winschen all Brüder und Schwester eben.
73. Diez Swinburg.
Andere nennen ihn S c h a u m b e r g . T r i t h e m .
chron. Hirs. II., 181. F r i e s Würzb. Chr. p. 622 bei
F a l k e n s t e i n Hochst. Eichstett II., 175. G r i m m
d.S. II., 203 Vat. Mag. 1841, S. 344.
Der Ritter Diez von Swinburg hatte in Ludwig des
Bayers Kriegen unvergleichlich tapfer und uneigennützig
gedient, namentlich war er ein rechter Verfechter
am heißen Tage von Ampfing gewesen, wo der
Gegenkönig Friedrich der Schöne von Oesterreich den
Sieg an den Schweppermann, die Freiheit an dessen
Schwager den Rindsmaul, verlor. Man war ihm einige
tausend Pfund Berner schuldig. Er konnte sie nicht erlangen.
Ihm dagegen nahmen unbarmherzige Gläubiger
was sie nur konnten. Er war für dieses Gesindel
zu ehrlich, zu gutmüthig, von allzugroßer Leichtgläubigkeit.
So verlegte er sich denn darauf, sein vier
Heerstraßen überschauendes Schloß als das beste
Saatfeld kommenden Reichthums anzusehen. Bald
klagten bei Ludwig dem Bayer, dem ersten deutschen
Bürgerkönig, Augsburg und Nürnberg, aber auch Donauwörth,
Rothenburg, Wissenburg und Schweinfurt
über Diezens wilde Gewalt, die den ganzen Handel
beeinträchtigte. Der Kaiser gab ein strenges Mandat
gegen den Landfriedensbrecher. Diez wurde geächtet
und gebannt und bald von einem Exekutionsheere
überzogen. Er unterlag nach tapferem Widerstande.
Die meisten seiner Knechte ließ man laufen, weil sie
geglaubt, nichts Böses zu thun; einige behielt man zurück,
zu gütlicher oder peinlicher Frage über Dietrich
Swinburgs offnen Anhang, heimliche Gönner, Hehler
oder Anstifter.
Diez hatte sich auf Entscheidung des Kaisers berufen.
Die half aber wenig, man wollte ein abschreckendes
Beispiel, die Städte galten Alles, die Raubritter
blutwenig. So wurden der Diez und seine vier besten
Knechte zu außerordentlicher Hinrichtung nach München
geführt im Jahre 1337.
Diez Schwinburg bat nicht einen Augenblick für
sich selber, so sehr es ihm auch nahgelegt war, denn
im Kaiser schlummerte noch immer ein altes Wohlwollen
für ihn, der Ritterspruch lautete auf's Schwert
für Alle. Da bat Diez Swinburg die Ritter um Gnade
für die vier ehrlichen, trefflichen Gesellen, so die
Treue gegen ihn mit in seinen Untergang gezogen,
zumal für den jungen, schönen, tapfern Georg. Es
wurde geweigert. Nun that Diez noch einmal ein gewaltiges
Bitten, so weich und flehentlich, daß es aus
des alten, wilden Kriegers Munde einen Stein erbarmte.
Bei der Hinrichtung sollte man ihn und seine vier
Knechte in eine Zeile stellen, jeden acht Schuhe von
einander, und mit ihm die Enthauptung anfangen. Er
wolle dann mit abgeschlagenem Haupt aufstehen und
vor seinen wackern Knechten vorbeilaufen. Vor so
vielen er vorbeigelaufen, denen möchte das Leben begnadigt
sein. Als ihm dies die Richter spottweise gewährt,
stellte er seine Knechte, je den liebsten am
nächsten zu sich, kniete herzhaft nieder und wie sein
Haupt auf einen raschen Streich abgefallen, stand er
alsbald ohne Kopf auf, lief vor allen vier Knechten
hinaus, fiel alsdann hin und blieb todt liegen. Die
Richter getrauten sich doch nicht, den Knechten ein
Leid zu thun. Sie berichteten alles dem Kaiser, und
erlangten, daß denselben das Leben geschenkt wurde.
74. Der Teufel und der Wind.
Von G.F.N. Die Sage mündlich.
München in dem Bayerlande zieren Thürme
manigfalt,
Zwei doch ragen hoch vor allen von gewaltiger
Gestalt.
Viel der Jahre sind entflohen, seit man sie so stolz
gebaut,
Seit von ihrer Kuppel nieder schon des Wächters
Auge schaut.
Als die Kirche schön vollendet prangte über Stadt
und Au,
Und zum Dome man sie weihen wollte Unsrer lieben
Frau,
Aergerniß der böse Satan ob des schönen Bau's
empfand,
Den er alsbald zu zerstören mit dem Nordwind sich
verband.
Dieser stürmte um die Mauern, zu verwandeln sie in
Staub,
In den innern Hallen strebte Jener nach der Schätze
Raub.
Doch als er am Hinterthore unterm Chore trat hinein,
Und er durch die hohen Säulen sah nicht eines
Fensters Schein,
Ist er wieder fortgegangen, hat den eitlen Bau
verlacht,
Dessen Inn'rem (wie er meinte) strahlet nie der Sonne
Pracht.
Wo des Satans Fuß gestanden, ist er eingeprägt in
Stein,
Und die Frauenthürme werden Zeuge später Nachwelt
sein,
Daß die Gott geweihte Kirche, daß des Glaubens
frommes Licht
Beugen kann des Teufels Sinnen, kann der Winde
Wüthen nicht;
Denn ob seit vierhundert Jahren mächtig auch der
Nordwind schnaubt,
Ragt, trotz Allem, sonder Wanken, hoch der Thürme
festes Haupt.
75. Was von der Frauenkirche gesagt wird.
R.u. H. M a r g g r a f f München. S. 181.
Noch heutiges Tags erzählt man sich nach Ueberlieferung
aus alter Zeit, daß der Mörtel zum Baue der
Frauenkirche mit bayrischem Weine angemacht worden.
– Auch wissen noch Viele, daß es im linken
Thurme, der nicht bestiegen werden kann, nicht geheuer
ist. – Endlich wird gesagt, daß Kaiser Ludwig
unter seinem Mausoleum in aufrechter Stellung sitzt.
76. Von Barbara, Herzog Albert III. in Bayern
Tochter.
A. G r a m m e r dritte verb. Aufl. des deutschen Roms.
München 1784. S. 45. R a d e r . Bav. sancta II., 338.
Als der König von Frankreich Barbara, Herzogs Albert
III. Tochter, zu einer Braut für seinen Kronprinzen
begehrte, wollte sie lieber dem himmlischen
Bräutigam für beständig eigen sein. Sie ist auch gar
bald in dem achtzehnten Jahre ihres Alters von ihm
zur himmlischen Freude abgeholt worden, im Jahre
1474, vierzehn Tage vor ihrem Abscheiden ist der
Majoranstock, der vor ihrem Fenster blühte, ganz verwelket.
Den Tag darauf haben alle Gattungen der im
Käfig befindlichen Vögelein zu singen und auch zu
leben aufgehört. Den achten Tag vor ihrem Ende versprang
die von ihrem Herrn Vater ihr verehrte goldene
Kette auf ihrer Brust. Nach ihrem seligen Hintritte hat
sich noch ein größeres Wunder ereignet, dergleichen
in keiner Kirchengeschichte gelesen wird. An dem
vierzehnten Tage nach ihrem Tode ist ihr eine andere
Ordensschwester in die Ewigkeit nachgefolgt, nach
dieser in gleicher Frist wieder eine andere, nach Verlauf
solcher Zeit wieder eine andere, bis endlich
zwanzig an der Zahl, jede nach vierzehn Tagen, als
unschuldige Tauben zu ihr nach dem Himmel geflo-
gen sind. Sie wurde in der St. Jakobskirche auf dem
Anger zu München begraben. Als im Jahre 1642 ein
großer Stein, unter welchem ihr Leichnam lag, in
etwas hinweggerücket worden, hat ein annehmlich
himmlischer Geruch alle Anwesenden mit Erstaunung
erfüllet.
77. Herzog Christophs Stein.
In der Residenz zu M ü n c h e n unter dem Thorbogen
zwischen Kapellen- und Brunnenhof. Ueber demselben
liest man auf einer Marmortafel an der Mauer, an
welcher auch drei Nägel übereinander die Sprunghöhen
andeuten, folgende Reime:
Als nach Christi Geburt gezählet war
Vierzehnhundert neunzig Jahr.
Hat Herzog Christoph Hochgeboren
Ein Held aus Bayern auserkohren
Den Stein gehebt von freier Erd
Und weit geworfen ohn gefehrd.
Wigt drey hundert vier und sechzig Pfund,
Das gibt der Stein und Schrift Urkund.
* * *
Drey Nägel stecken hie vor Augen,
Die mag ein jeder Springer schaugen,
Der höchst zwölf Schuh von der Erd,
Den Herzog Christoph ehrenwerth
Mit seinem Fuß herab thät schlagen.
Kunrath lief bis zum andern Nagel,
Wohl von der Erd zehnthalb Schuech,
Neunthalb Phillipp Springer luef,
Zum dritten Nagel an der Wand.
Wer höher springt wird auch bekannt.
78. Herzog Christophs Stein.
Von G u i d o G ö r r e s .
Zu München in dem Bayerland
Da ist's gar hübsch und fein;
Zu München in dem Königsschloß
Da liegt ein großer Stein.
Er liegt gebunden gut und fest
An einer Kette dort,
Doch sagen kann ich nicht warum,
Ihn trüg ja keiner fort.
Der jungen Herren gehen viel
Zu München aus und ein,
Doch alle lassen ruhig stehn,
Denselben großen Stein.
Ein Herzog war im Bayerland
Vor Allen keck und kühn,
Der warf den Stein mit leichter Hand
Ein gut Stück Wegs dahin.
Und Christoph hieß der Herzog kühn
Ein Held so wohlbekannt,
Wie weit er warf, wie hoch er sprang,
Das steht dort an der Wand.
Und kömmst du einst nach München hin
Und gehst in's Schloß hinein,
Vergesse mir vor Allem nicht
Des Herzogs großen Stein.
Und wirfst du ihn wie er so weit
Und springst du so gewandt:
Dann schreibt man deinen Namen auch
Zum Herzog an die Wand.
Doch weil noch keiner kam und sprang
Und warf so weit den Stein,
Drum soll der Fürst der Bayern stets
Von uns gepriesen sein.
Und möge unsern Fürsten all
Der liebe Gott verleihn,
Aus jeder Noth den rechten Sprung
Und Kraft für jeden Stein.
79. Turnier zu Landshut.
Von S c h ö p p n e r . – A d l z r e i t e r P. II. l. IX. p.
190 F a l k e n s t e i n , Gesch. d. Herz. Bayern III., 431
u.A.
Zu Landhut in dem Schlosse schallt
Der Hochzeit Jubel laut,
Des Polenkönigs Tochter ward
Dem Herzog angetraut.1
Da fanden sich von nah und fern
Der tapfern Ritter viel,
Auf Rossen hoch und blank in Stahl
Zum edlen Waffenspiel.
Vor allen war ein Ritter stark
Vom Polenlande her,2
Der führt den Degen so behend
Und schwang so leicht den Speer.
Durch einen Herold macht er kund:
Wer ihn besiegen wollt',
Der möge tausend Gulden baar,
Empfah'n des Sieges Sold.
Doch keinen von den Herren all
Gelüstet nach dem Geld, –
Da springt erzürnt ein Herzog auf:
Herr C h r i s t o p h war der Held.
Und mächtig schwingt er seinen Speer
Zum Kampf mit starker Hand,
Ein Stoß – es lag der Polenheld
Getroffen in dem Sand.
Da bliesen die Trompeten hell
Zu Herzog Christophs Ehr,
Es war kein Held im Bayerland
So ritterlich als er.
Fußnoten
1 H e d w i g a n G e o r g den Reichen.
2 Graf von L u b l i n .
80. Teufel in der Bierschenke.
S p r e n g e r malleus II. qu. 1. c. 3. J . W . W o l f
d.M.u. S. 446.
In einem Städtchen bei Landshut waren eines Tages
mehrere Studenten in einer Bierschenke versammelt;
sie beschlossen, daß der, welcher das zu trinkende
Bier zutrage, Nichts zu zahlen habe. Einer von ihnen
erbot sich, das Geschäftchen zu übernehmen; als er
aber die Thür öffnete, um Bier zu holen, sah er einen
so dichten Nebel vor der Thür, daß er erschrocken zurücktrat
und sprach, er gehe um keinen Preis Bier
holen. Da sagte ein Anderer, welcher ein kühner und
frecher Bursche war: »Ei und wenn der Teufel vor der
Thüre stände, ich schaffe uns Bier;« ging also und riß
die Thür auf, wurde aber gefaßt und weg durch die
Luft geführt, daß Alle ihn sahen und hörten, wie er
jämmerlich schrie. Weit von dem Orte ab wurde er
auf die Erde niedergesetzt. Er ging von da an in sich
und ist später geistlich geworden.