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Walter Friedrichsen (in einem Brief an die Barbara Köhler von 2008 über sein erstes Treffen mit Marie Lente am 12. Dezember 1988)

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Sie haben mich angeschrieben, weil ich von Marie Lente 1988 interviewt worden war als damals bekannter Theater-, Film- und Opernregisseur der DDR. Vermutlich haben Sie mich auch deshalb ausgewählt, weil ich der Sohn des berühmten Widerstandskämpfers Jakob Friedrichsen bin, der von den Nazis ermordet worden war.

Ich schreibe Ihnen gerne etwas über meine Gespräche mit Marie Lente und erlaube Ihnen, aus ihrem Interview mit mir zu zitieren, soviel Sie wollen. Aber die Interviews geben natürlich nur das wieder, was ungefährlich war. Denn ich wusste ja, dass sie von der Staatssicherheit beobachtet wurde. Ich habe ihr das auch nicht verschwiegen. Insofern war uns beiden klar, dass diese Interviews nur das wiedergeben, was ohnehin bekannt war. Manchmal habe ich in den Interviews gelogen, dass sich die Balken bogen, oder Wichtiges weggelassen, habe ihr das jedoch hinterher im Garten oder auf der Straße gesteckt. Aber es war ihr ohnehin klar. Ab und zu blinzelte ich ihr zu. Ehrlich war ich im Interview nur, was die äußeren Daten meines Lebens betrifft und meine Schriftstellerei oder meine ästhetischen Grundannahmen. Da war ich mir sicher, das interessierte die Staatssicherheit schon längst nicht mehr. Merkwürdigerweise hat uns die Komplizenschaft, der Stasi ein Schnippchen zu schlagen, näher gebracht. Sie hatte etwas Frisches, Wissbegieriges, Jugendliches, obwohl sie ja keine Studentin mehr war, sondern eine junge Professorin. Ich bekam das Gefühl, dass sie mehr und mehr nicht nur aus wissenschaftlichen Gründen an mir und meiner Lebensgeschichte interessiert war, sondern eine ganz persönliche Zuneigung zu mir entwickelte. Sie können sagen, das zeichnet die professionelle Wissenschaftlerin ja gerade aus, aber da liegen Sie in diesem Falle falsch, auch wenn Sie mit dieser Annahme im Allgemeinen Recht haben sollten. Marie wandte sich mir zu – und ich glaube, das hatte nicht nur etwas mit mir als Mann und Zeuge der Zeit zu tun, sondern eben auch mit dieser Komplizenschaft gegen das Ministerium für Staatssicherheit. Ich bin ja mehr als zehn Jahre älter als sie. Dennoch verliebten wir uns im Laufe der Gespräche ineinander. Es stimmt mich noch heute melancholisch, wenn ich daran denke, wie es dann weiter ging.

Ich schicke Ihnen einen Auszug aus dem ersten Interview von Marie Lente mit mir von Ende 1988 mit ihren Anmerkungen ihren Anmerkungen. Sie hat mir damals alles zur Kenntnisnahm gegeben. Zunächst machte sie ihre üblichen Vorbemerkungen: Sie werde das Gespräch in drei Phasen führen: Erst solle ich meine Lebensgeschichte erzählen, so lang oder so kurz wie ich wolle, sie werde keine Fragen stellen, damit sie nicht meinen Lebensbericht durch ihre Fragen strukturiere; dann werde sie Verständnisfragen stellen. In einem zweiten Gespräch an einem anderen Tag werde sie mit ihren eigenen speziellen Fragen kommen. So machten wir es auch

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