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Gabi Z.: Mein erster Kontakt mit Marie Lente Ende 1988 (Brief von 2008 an die Journalistin Barbara Köhler)
ОглавлениеVon mir aus dürfen Sie alles abdrucken, was ich damals gesagt habe. Ich habe die Wahrheit gesagt und habe nichts zu verbergen. Sie brauchen meine Aussagen auch nicht zu anonymisieren. Das ginge ja auch gar nicht. Dazu waren mein Mann und auch ich zu bekannt, zumindest in der DDR. Im Westen hat uns sowieso kaum jemand wahrgenommen. Wenn sich jemand durch meine deutliche Sprache beleidigt fühlen sollte, ist das dessen Sache oder besser ihre Sache.
Ich bin Regisseur. Ich kenne das Theater. Und ich kenne Westfrauen, die jeden Morgen vor die Haustür treten, als ob sie der Bühneneingang wäre. Haare geföhnt, Make-up dezent, aber deutlich – und so ekelhaft sportlich-gesund. Sie sehen alle jünger aus als wir. Zumindest bis auf zehn Meter Entfernung.
Marie Lente war mir sofort unsympathisch, als ich ihre affektierte Stimme das erste Mal am Telefon hörte. Damals krachte es noch ständig am Telefon. Wir benutzten es selten. Aber wenn, sprachen wir laut. Diese Westfrau dagegen meldete sich mit einer leisen Stimme, wenn auch in prononciertem Hochdeutsch. Sie konnte nicht einfach sagen, dass sie meinen Mann sprechen wollte, sondern stellte sich umständlich vor, machte auf Frauensolidarität, die mir schon früher bei Westbesuchen auf den Wecker gegangen war. Kaum drehte man sich um, waren sie anders, intrigant und voll Konkurrenz. Aber jetzt klang es fast so, als ob sie auch mich gerne kennenlernen würde, dabei war mir nach dem ersten Satz klar, dass es um meinen Mann ging. Ich wimmelte sie erstmal ab. Sagte ihr, dass mein Mann auf einer Auslandsreise sei, was auch stimmte. Allerdings wollte er am nächsten Tag zurückkommen, was ich ihr verschwieg. Sie blieb hartnäckig, und zwar auf eine penetrant-höfliche Weise, so dass ich eine kleine Gemeinheit beging. Ich schlug ihr meinen ersten Mann als Interviewpartner vor, Walter Friedrichsen. Der sei auch Jude, wenn auch sehr viel jünger als mein Mann. Zehn Jahre älter als ich. Anfang fünfzig. Ich verschwieg ihr auch, dass er mein erster Mann war und dass es vor allem seine Geschwätzigkeit gewesen war, die mir damals zu viel wurde. Aber das konnte ja nur gut für ein Interview sein. Ich war sie erstmal los.