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Politische Folgen der Gesellschaftsordnung Angloamerikas

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Die Ableitung der politischen Folgen aus einer solchen Gesellschaftsordnung ist nicht schwer.

Wir können nicht gut annehmen, die Gleichheit werde sich nicht eines Tages, wie auf anderen Gebieten, so auch im politischen Bereich durchsetzen. Wir können uns nicht vorstellen, die Menschen werden in einem einzigen Punkt immer ungleich, im Übrigen aber gleich sein; sie werden vielmehr zu gegebener Zeit auch in diesem Punkt gleich sein.

Ich sehe nur zwei Möglichkeiten, wie man die Gleichheit in der Politik zur Herrschaft bringen kann: Man muss entweder jedem Bürger Rechte geben oder aber keinem.

Für die Völker mit demokratischer Gesellschaftsordnung ist es daher sehr schwer, zwischen der Souveränität aller und der absoluten Gewalt eines Einzigen einen Mittelweg zu finden.

[53]Wir dürfen nicht übersehen, dass die von mir beschriebene Gesellschaftsordnung einen für beide Extreme gleich günstigen Boden bildet.

Es gibt in der Tat eine männliche und berechtigte Leidenschaft für die Gleichheit; alle wollen gleich stark und geachtet sein. Diese Leidenschaft erhebt wohl die Niedrigen zum Range der Höheren; aber wir finden im menschlichen Herzen auch einen verderbten Gleichheitstrieb, der bewirkt, dass die Schwachen die Starken zu sich herunterziehen wollen und dass die Menschen die Gleichheit in der Knechtschaft der Ungleichheit in der Freiheit vorziehen. Es ist nicht etwa so, dass die Völker mit demokratischer Gesellschaftsordnung die Freiheit von Natur aus geringschätzen; sie haben im Gegenteil einen angeborenen Sinn für Freiheit. Aber sie ist nicht das Hauptziel ihrer Wünsche; wirklich und für alle Zeiten lieben sie allein die Gleichheit; sie haschen nach der Freiheit, kurz entschlossen und unter plötzlichen Anstrengungen, und – finden sich leicht damit ab, wenn sie das Ziel nicht erreichen; aber ohne die Gleichheit könnte nichts sie zufriedenstellen, und sie sind entschlossen, lieber unterzugehen, als sie zu verlieren.

Wenn aber alle Bürger etwa gleich sind, wird es ihnen andererseits schwerfallen, ihre Unabhängigkeit gegen den Zugriff der Macht zu verteidigen. Da keiner stark genug ist, um allein mit Erfolg zu kämpfen, so könnte nur die Vereinigung der Kräfte aller die Freiheit sichern. Aber eine solche Vereinigung kommt nicht immer zustande.

Die Völker können also aus ein und derselben Gesellschaftsordnung zwei große politische Folgen ziehen: die Folgen sind sehr verschieden, entspringen aber dem gleichen Sachverhalt.

[54]Die Angloamerikaner, die als Erste vor dieser folgenschweren Alternative standen, waren glücklich genug, dem Absolutismus zu entrinnen. Die historischen Umstände, ihre Herkunft, ihre Bildung und vor allem ihre Sitten ermöglichten es ihnen, die Souveränität des Volkes zu begründen und zu behaupten.

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