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Montag vor Mariä Geburt 3. September Anno Domini 1509

Grütze, Pastinaken und Kohl, immer nur Grütze, Pastinaken und Kohl. Greger hatte es satt. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zu Hause das letzte Mal, außer an einem hohen Feiertag, ein richtiges Stück Fleisch auf dem Tisch gesehen hatte.

Wenn sein Vater die Schulden nicht bald würde bezahlen können, verlören sie vielleicht das Kontor. Aber wie sollte er das anstellen? Sein Vater war Kaufmann der Gilde und konnte auch nicht mehr als Waren einkaufen, etwas Gewinn aufschlagen und wieder verkaufen. Die Geschäfte liefen nur mäßig und schon immer hatte er den Verdacht, dass sein Vater – obschon Greger selbst das eigentlich nicht so schwierig erschien – etwas falsch machte. Er zahlte einfach zu viel beim Einkauf und handelte schlecht beim Verkauf. Aber auf Greger wollte er nicht hören. Mit siebzehn Jahren habe er noch keine Ahnung vom Geschäftemachen, sagte sein Vater immer. Doch er hatte schon nicht auf Gregers Großvater gehört, als dieser noch lebte. Der hatte immer gepredigt, dass der Erfolg eines Kaufmanns beim Einkauf der Waren liege, nicht bei deren Verkauf. Doch Gregers Vater Jokoff vermochte beides nicht so recht zu gelingen. Als er nach dem Tod des Großvaters sein Erbe schließlich angetreten hatte, war das Kontor der Familie Cramer noch ein – wenn auch nicht mächtiges – so doch recht erfolgreiches Geschäft gewesen. Man hatte sich über mehrere Generationen einen guten Namen und etwas Wohlstand hart erarbeitet. Und nun könnte das alles bald schon für immer vorbei sein.

Der kalte Herbstwind pfiff um die Häuser und blies Greger einstweilen die düsteren Gedanken aus dem Kopf. Er durchschritt das kleine, westlich gelegene Seitentor, das die Frankfurter nur das Judenbrückchen nannten, und bog dann nach rechts in die Judengasse ein. Diese zog sich am östlichen Stadtrand entlang, vom großen Bornheimer Stadttor im Norden bis hinunter an den Frankfurter Stadtgraben im Süden. Die Judengasse war durchgängig von einer Mauer umgeben, der Staufenmauer, die den ganz alten Stadtbereich von der Neustadt abteilte. Auf diese Weise trennte man auch die Juden von den anderen Bürgern Frankfurts, ganz so, als befürchtete man, der falsche Glaube könne überspringen und sich verbreiten wie die Pest.

Obwohl Greger nun bereits seit über fünf Jahren regelmäßig Waren im Auftrag seines Vaters bei Abraham Siebenthal abholte, überraschte ihn das Leben hier jedes Mal aufs Neue. Diese seltsam gekleideten Menschen mit ihren eigentümlichen Hüten und Tüchern, den kleinen Löckchen, die den Männern seitlich über die Schläfen hingen, ihren Bärten und den langen Gewändern. Die fremden, fast orientalischen Gerüche, die Greger nur von den hier ansässigen jüdischen Spezereien her kannte. Und dann diese eigentümliche Sprache mit ihren kehligen Lauten, mit der sich die Juden unterhielten, wenn sie unter sich waren. Die Judengasse glich einer kleinen Stadt in einem fernen Land. Und doch lag sie mitten in Frankfurt und nur wenige Hundert Schritte von Gregers Elternhaus entfernt.

In der schier endlosen Reihe von Fachwerkhäusern und Geschäften, die sich eng aneinander schmiegten wie alte Gefährten, tauchte schließlich das Haus mit der Werkstatt von Abraham Siebenthal auf. Es lag etwa in der Mitte der Judengasse auf der Bornheimer Seite. Abraham stand davor und wechselte ein paar letzte Worte mit einem fahrenden Händler, der bereits wieder auf seinem Fuhrwerk Platz genommen hatte. Dann verabschiedeten sich die beiden Männer. Der Händler schnalzte vom Kutschbock herab mit der Zunge und ließ die Peitsche knallen. Wenig beeindruckt davon setzte sich der Lastgaul nur langsam in Bewegung und zog den schweren Planwagen an. Jetzt erst erblickte ihn Abraham.

„Greger Cramer, ich grüße dich.“

„Guten Tag, Herr Siebenthal.“

„Komm mit, wir gehen hinein, dann können wir schauen, was ich für dich tun kann.“ Aufgeregt fügte er leise hinzu: „Es ist gut, dass du heute noch kommst, denn ich habe eine wichtige Nachricht, die ich dir für deinen Vater mit auf den Weg geben muss.“

Sie betraten Abrahams Ladengeschäft. Ein bis zur Decke reichendes Regal aus dunklem Holz voller Fächer und kleiner Schubladen trennte den Verkaufsraum von der dahinter liegenden Werkstatt ab. In diese konnte man nur durch einen schmalen Durchgang gelangen, der in der Mitte des Regals eingelassen war, gerade so breit, dass ein erwachsener Mann geduckt hindurchpasste. Der Blick hinein wurde allerdings von einem schweren, dunkelroten Stoffvorhang verwehrt, der von der Oberkante des Durchgangs träge herabhing. An der linken Seite des Raumes erklommen ein paar steile, ausgetretene Stiegen den Weg hinauf zu Abrahams Dachboden.

Gleich neben diesen Stiegen führte eine Tür in Abrahams Kammer. Es war nur ein einzelner, kleiner Raum, in dem er kochte, aß und schlief. Mehr brauche ein alter Mann nicht, hatte er Greger einmal gesagt und dabei lachend die braunen Zähne gebleckt. Und Greger war sich sicher, dass Abraham wirklich nicht mehr brauchte. Er hauste auf der Fläche eines Hühnerstalls und hätte gewiss gut und gerne einen ganzen Monat ohne Brot leben können, aber nicht einen einzigen Tag ohne seine Werkstatt oder Basteleien.

Vor dem Holzregal fußte eine sperrige Verkaufstheke aus demselben dunklen Holz, aus dem das Wandregal gefertigt war. Überall im Laden standen Kisten, Truhen und eigentümliche Gegenstände herum. Sogar von der Decke hingen unterschiedlich große Körbe an Seilen und Ketten herab, die noch lange behäbig schwangen, wenn man sie versehentlich anstieß. An die Theke zu gelangen, glich einem Hindernislauf.

„Einen kleinen Moment noch“, sagte Abraham und huschte um die Theke herum. Er begann hastig, einen Stapel Kupfer-, Zinn- und Eisenplättchen in kleine Holzkisten zu sortieren. Gerade so, als würden genau diese wenigen Metallstücke für das heillose Durcheinander auf der Theke verantwortlich sein. Greger betrachtete amüsiert den alten Juden bei der Arbeit. Wie seine verworrenen Haare in weißgrauen Locken unter dem schwarzen Hut hervorquollen und sich sein langer Bart dazu rhythmisch bewegte, erinnerte er ihn tatsächlich ein wenig an einen alten Hexer. Schließlich verstaute Abraham die letzten Plättchen in einer der Kisten, schob sie beiseite und sah erwartungsvoll zu Greger auf. „So, nun. Was darf ich dir zusammenpacken?“

„Die zwei Dutzend Broschenspangen, die mein Vater letzte Woche bestellt hatte, würde ich gerne abholen.“

Abraham schlug sich an die Stirn. „Ach, ja, die Spangen, natürlich. Ich gehe nur rasch in die Werkstatt und hole sie. Ich habe sie bereits in ein geöltes Tuch eingeschlagen und verschnürt, ganz wie es deinem Vater beliebt.“ Schon verschwand Abraham hinter dem roten Vorhang und kam bereits nach wenigen Augenblicken mit den Spangen wieder zurück. Er legte das Päckchen auf den Tresen. „Soll ich anschreiben oder zahlst du gleich?“

„Nein, schreiben Sie es bitte an. Ich habe kein Geld bei mir“, entgegnete Greger kleinlaut.

Abraham Siebenthal zog zielsicher ein kleines Büchlein und das Tintenfass aus der Unordnung des Tresens hervor und notierte den offenen Posten mit einem Gänsekiel. Dann schüttete er etwas Löschsand auf die frische Tinte, blies ihn nach kurzem Warten fort und schlug das Buch zu.

„Ich danke Euch“, sagte Greger und klemmte sich das Bündel unter den Arm.

„Es ist nicht sonderlich gut um das Geschäft deines Vaters bestellt, nicht wahr?“

Greger stutzte zuerst, doch dann antwortete er ehrlich: „Ich könnte Ihnen nun eine schöne Lügengeschichte erzählen, aber Sie wissen es ja doch. Nein, es ist wahrlich nicht gut um unser Kontor bestellt.“

„Was ist denn los? Schulden?“, wollte Abraham wissen und spielte an einem Hornknopf seines Hemdes.

Greger nickte.

„Bei wem?“

„Benisch Stoltzer.“

Abraham verzog das Gesicht. „Nicht gerade der verständnisvollste Gläubiger, den sich ein Mann wünschen kann. Aber nun gut. Es ist so, wie es ist. Umso interessanter wird deinem Vater das Geschäft erscheinen, das ich ihm vorschlagen will“, freute er sich.

Greger legte das Päckchen mit den Spangen auf die Theke zurück. „Ein Geschäft?“

Abraham nickte. „Ja, Greger, ein Geschäft. Es ist gewiss ein klein wenig riskant, aber dafür umso ertragreicher, falls es funktionieren sollte, wovon ich ausgehe. Ach, was heißt schon ertragreicher. Dein Vater wird sich nie wieder Sorgen machen müssen. Ja selbst du und noch deine Kinder und Kindeskinder werden nie wieder arbeiten müssen.“

Ungläubig sah Greger Abraham an. „Mein Großvater, Gott hab’ ihn selig, sagte immer: ,Pass gut auf, wenn dir einer ein einmaliges Geschäft vorschlägt, denn dann will er nur dein Geld.’“

Abraham lachte verlegen. „Ein schlauer Mann, dein Großvater. Ja, er hat recht. Ich brauche ein wenig Kapital. Wie du weißt, bin auch ich nicht gerade ein begnadeter Geschäftsmann und lebe mehr schlecht als recht von dem, was mein Laden abwirft. Aber für einen einsamen, alten Juden, der mit wenig zufrieden ist, hat es noch immer gelangt. Nur jetzt“, Abraham senkte die Stimme und sah Greger tief in die Augen, „jetzt ist es an der Zeit, auf meine alten Tage und noch bevor ich heimgehe ins ewige Reich Gottes, zu meiner geliebten Frau Tikvah und den Engeln, die über sie wachen, ein wenig mehr Lamm zu essen und nicht mehr so viele Matzen. Ein neuer Hut und ein schöner Mantel für den Winter kämen mir auch gerade recht.“

Greger kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Was soll das für ein Geschäft sein?“

Abraham stellte sich aufrecht hin wie ein beleidigtes Kind und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein, Greger. Das will ich nur deinem Vater persönlich sagen.“ Dann beugte er sich wieder zu Greger hinunter und flüsterte verschwörerisch: „Es ist, na, sagen wir einmal, ein Geheimnis, dass nur ich kenne. Ein Apparatus, eine machina, eine wundervolle Maschine.“

Plötzlich prustete Greger laut los. „Aber es ist nicht wieder so ein Wunderding, wie Ihr es schon einmal angepriesen habt als die beste Errungenschaft der Menschheit seit der Erfindung des Rades? So ein Stab, mit dem der Kutscher die Zügel halten und sich gleichzeitig verteidigen kann? Davon hatte mein Vater seinerzeit nämlich nur einen einzigen verkauft. Doch der Kunde, dem er ihn aufgeschwatzt hatte, war gleich am nächsten Tag wütend zurückgekommen. Der Stab hatte ihm beim Ausprobieren fast den Kiefer zerschmettert und ihm war daraufhin auch noch der Gaul durchgegangen. Er schrie nach den Bütteln und hätte meinen Vater gewiss erwürgt, wenn er ihm nicht rasch das ganze Geld zurückgegeben hätte und noch einen Groschen Entschädigung. Oder ist es vielleicht wieder eine Schere, mit der man auch Nägel ins Holz einschlagen kann? Erinnert Ihr Euch noch? Entweder hat man sich die Finger abgeschnitten an dem unpraktischen Ding oder sich den Daumen zu Brei gehauen.“ Greger konnte sich kaum beruhigen und schlug sich auf die Schenkel.

Stoisch nahm Abraham den Spott hin. Ja, es stimmte. Den Zügelstab und die Hammerschere hatte er erfunden. Ja und es stimmte auch, dass beides nicht sonderlich gut funktioniert hatte. Aber diesmal war es etwas anderes. Es gab wahrhaft keinen Grund zu lachen. Als Greger wieder besser Luft bekam und sich die Tränen aus den Augen gewischt hatte, sagte Abraham zu ihm: „Ja, lache nur und verspotte mich. Du hast recht damit. Aber das, von dem ich heute spreche, das ist etwas gänzlich anderes. Etwas Großes. Ein lange vergessenes Geheimnis vom anderen Ende der Welt.“

Greger musste noch mit dem Lachen kämpfen, das immer wieder versuchte, seine gespielt ernste Miene niederzuringen. Doch er beherrschte sich schließlich, auch wenn er diesem merkwürdigen Alten kein Wort glaubte. „Vom anderen Ende der Welt? Eine vergessene Maschine? Was ist das für ein Ding und woher habt Ihr dieses angebliche Geheimnis?“

„Wenn ich dir das erzählen würde, dann wäre es ja kein Geheimnis mehr, nicht wahr? Richte deinem Vater nur aus, dass ich ihn unbedingt schon morgen Abend zu sprechen wünsche und ihn bitte, zu mir zu kommen. Allein. Es könnte euer aller Glück und das Wohl des Kontors bedeuten. Ich werde ihm sagen, was er wissen muss, um sich zu entscheiden. Je weniger Leute davon Kenntnis bekommen, desto besser. Von mir erfährst du nichts weiter. Und noch etwas: kein Sterbenswörtchen zu irgendjemandem, außer zu deinem Vater selbst.“

Nun war Greger doch neugierig geworden. Vielleicht steckte diesmal ja doch etwas Handfestes hinter Abrahams Erfindung? Ach, Unsinn! Was sollte das schon sein? Sein Vater würde ihm sicher sofort von der neuesten Verrücktheit dieses Mannes erzählen, gleich, nachdem er von ihm zurückgekommen wäre. Wenn er denn überhaupt erst hinginge. Greger nahm das Päckchen mit den Broschenspangen von der Theke. „Aber eines müsst Ihr mir doch noch erklären“, sagte Greger fordernd. „Wenn Euch bereits bekannt ist, dass mein Vater kaum Geld übrig hat, warum fragt Ihr ihn und nicht einen reichen Frankfurter wie Benisch Stoltzer oder Jakob Heller um Geld? Oder noch besser gleich einen Eurer jüdischen Geldverleiher und Glaubensbrüder?“

„Das ist doch ganz einfach, Greger. Wenn ich zu euren Kaufleuten gehe, dann habe ich nichts in der Hand. Wir wären niemals Partner auf gleicher Augenhöhe. Sie würden mir meine Maschine einfach abkaufen oder gar stehlen und mich nicht am Ertrag beteiligen. Sie würden noch mehr Reichtum anhäufen und ich ginge leer aus. Und meine Leute hier? Nun, denen traue ich zwar mehr, aber sie sind mir zu schwatzhaft. Es würde sich in Windeseile hinter vorgehaltener Hand verbreiten. Dein Vater ist zwar kein Jude, aber ich kenne ihn nun seit bald fünfzehn Jahren und weiß, woran ich bin. Deshalb.“

Greger nickte wenig überzeugt. „Gut, Herr Siebenthal, dann mache ich mich jetzt wieder auf den Weg. Ich werde meinem Vater Ihre Nachricht überbringen.“

„Und denk daran. Zu niemandem ein Wort. Versprich es mir!“, sagte Abraham nachdrücklich.

Greger wandte sich um. „Ja, meinetwegen. Ich verspreche es. Meine Lippen sind versiegelt und werden schweigen wie ein Grab. Auf Wiedersehen, Herr Siebenthal.“

Greger verließ Abrahams Laden und trat auf die menschenleere Judengasse. Es hatte es leise zu regnen begonnen. Dunkle Wolken schoben sich von Westen heran und verdrängten das letzte Licht vom grauen Septemberhimmel. Die Erfindungen dieses Juden, von denen noch nicht eine wirklich funktioniert, geschweige denn einen Pfennig Gewinn eingebracht hatte, dachte Greger bei sich, lächerlich. Abraham Siebenthal mochte noch so gebildet und intelligent sein, er konnte Greger nicht täuschen. Er war und blieb einfach ein harmloser, liebenswerter Irrer, der in seiner verrückten Welt voller kleiner, mechanischer Wunderdinge lebte, die keine waren. Abrahams Werkstatt war sein eigener Narrenturm. Aber jetzt musste er sich wirklich sputen. Die Zeit bei Abraham war schnell vergangen und bald schon würden die Tore der Judengasse für die Nacht geschlossen werden. Zügig stiefelte Greger mit dem Bündel in der Hand davon.

Niemand war zu sehen und doch verfolgte ein Paar aufmerksamer Augen konzentriert jeden von Gregers Schritten, bis er durch das Judenbrückchen in der Mitte der Gasse verschwunden war. Der Mann zog sich den Hut tief ins Gesicht und verdeckte so die lange Narbe, die sich direkt unter seinem rechten Auge eine Handbreit durch sein Gesicht zog. Unter seinem Umhang verbarg er ein Schwert und sein Hals wurde von einem Lederriemchen geschmückt, an dem der Reißzahn eines Wolfes befestigt war. Erst jetzt löste er sich aus dem Schatten des Hauses gegenüber von Abraham Siebenthals Geschäft. Dann wandte er sich in Richtung Untertor und verschwand mit ausladenden Schritten in der Dämmerung, bis sich seine Umrisse in dem immer dichter werdenden Regen auflösten wie eine Traumgestalt. Die großen Fußabdrücke, die er auf dem aufgeweichten Boden hinterließ, füllten sich mit kaltem Wasser. Langsam wurde es dunkel.

Wolf Besigheim hatte genug gesehen. Er schritt aus und erreichte das Untertor der Judengasse nur wenige Augenblicke später. Greger, der Sohn des Kaufmanns Cramer, war von oben gekommen. Er würde Wolf hier nicht begegnen. Dass sich in Frankfurt etwas gegen die Juden zusammenbraute, war Wolf seit langem klar, aber es würde bald geschehen, es lag in der Luft, er konnte es förmlich riechen. Wolf hatte Jakob Heller nach Greger und dessen Vater Jokoff befragt, doch sie schienen nichts mit der Verschwörung gegen die Juden zu tun zu haben. Anders dieser Pfeffersack Benisch Stoltzer, der, so hatte es den Anschein, die Umtriebe aus Eigennutz heimlich unterstützte. Doch seine Motive lagen im Dunkeln. Jokoff Cramer hingegen hatte zwar finanzielle Probleme, das war allen im Rat bekannt, aber er schien ein aufrichtiger Mann mit verhältnismäßig wenig Talent zum Kaufmann zu sein. Nicht mehr.

Dass Greger Cramer beim Verlassen des Ladens dieses eigentümlichen jüdischen Metallhändlers ein blasses und nachdenkliches Gesicht machte, konnte alle möglichen Gründe haben.

Wolf schnickte gedankenverloren einen Stein mit dem Stiefel fort und tippte sich an die Hutkrempe. Die beiden Wachen, die sich wegen des Regens unter das Vordach des Untertors zur Judengasse zurückgezogen hatten, grüßten zurück und Wolf passierte ungehindert den Bogen aus rotem Bruchstein. Er hatte seinen Hengst am Kornmarkt in den der dortigen Marktschänke angeschlossenen Stallungen zurückgelassen. Ein Pferd würde nur auffallen in der engen Judengasse.

Heute hatte er nicht viel Neues in Erfahrung bringen können. Doch oft, wenn er seine Kontrollgänge durch die Gasse der Juden gelaufen war, waren ihm einige Männer aufgefallen. Sie hatten nichts gekauft, nur beobachtet. Dieses Verhalten war seltsam für Christenmenschen. Was sonst außer Geld oder Waren wollte ein im Namen des Herrn getaufter Bürger Frankfurts im Judenviertel? Dies alles und die Informationen, die Wolf von Jakob Heller zugespielt worden waren, bestärkten ihn nur in seiner Überzeugung, dass der Übergriff kurz bevorstand. Nur wann genau, das galt es noch herauszufinden.

Wolf hatte den Kornmarkt erreicht und schritt zielstrebig zu den Stallungen hinüber. Dort ertappte er den Knecht, wie er ein Nickerchen auf einem Strohhaufen machte. Er stieß ihn mit dem Fuß an und sah zu, wie der verschlafene Mann erschrocken aufsprang und ihm das Pferd sattelte. Wolf gab ihm zwei Pfennige und ritt aus Frankfurt hinaus in Richtung des Hellerhofes. Von dort aus würde er morgen nach Mainz aufbrechen, um Uriel von Gemmingen, dem Erzbischof von Mainz, über die Lage zu unterrichten.

Der Fluch des Mechanicus

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