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Frankfurt am Main Donnerstag vor Mariä Geburt 5. September Anno Domini 1509

Du bist verrückt, Jokoff!“ Agnes Cramer war außer sich. Sie fuchtelte wild mit den Händen herum und lief aufgeregt kreuz und quer durch die Stube. „Was für ein Unfug! Als hätten wir nicht schon genug Geldnöte und nun willst du diesem Verrückten auch noch unseren Notgroschen in den Rachen werfen? Ich frage dich, hat er schon jemals etwas zustande gebracht, das auch nur wenigstens die Hälfte dessen Wert gewesen war, was es gekostet hat? Nein. Hat auch nur eine seiner unsäglichen Erfindungen keinen Ärger eingebracht? Nein. Und dann hältst du dich auch noch bedeckt, willst nicht mit der Sprache herausrücken, um was es denn eigentlich geht? Du vertraust mir nicht und das ist das Schlimmste von allem.“

Jokoff Cramer saß schweigend am Tisch und beobachtete seine Frau, der die Zornesröte ins Gesicht gestiegen war. Er musste ihr recht geben. Wären ihre Vorwürfe nur haltlose Behauptungen gewesen, dann hätte er sie einfach anherrschen oder züchtigen können, dass sie es wagte, in diesem Ton mit ihrem Mann zu sprechen. Aber er konnte es nicht. Jokoff war sich selbst nicht sicher, ob er sein letztes Geld nicht auch gleich in den Main würde werfen können, anstatt es diesem jüdischen Metallbieger anzuvertrauen. Es stimmte. Abraham Siebenthal hatte noch nie etwas Anständiges zustande gebracht. Er war ein guter Handwerker und ein gebildeter Mann, aber als Erfinder großer Dinge taugte er nichts. Und dennoch, welche Wahl hatte Jokoff? Er kannte die Zahlen seines Kontors nur zu gut und die sprachen Bände. Noch zwei, vielleicht drei Monate und sein Kontor wäre bankrott. Jetzt stand auch noch der Winter vor der Tür und in dieser Zeit waren die Umsätze erfahrungsgemäß noch schlechter als in den anderen Monaten. Und wenn Stoltzer nun auch noch bald sein Geld zurückhaben wollte ... Jokoff wagte nicht, zu Ende zu denken.

Er rieb sich erschöpft die Augen und versuchte seine Frau zu beruhigen. „Agnes höre mir zu. Alles, was du sagst, stimmt, ich muss es gestehen. Aber ich sehe keine andere Möglichkeit. Vielleicht ist es tatsächlich wieder nur ein wirres Hirngespinst dieses Verrückten, aber dieses Mal scheint es mir anders zu sein. Es ist nicht seine eigene Erfindung, sondern er will nur einen Apparatus bauen, dessen Plan er kaufen konnte. Seine Ideen waren bisher schlecht, gewiss, aber die Ausführungen waren handwerklich immer sehr gut. Wenn er also mit seinem Können und dem überlieferten Wissen eines anderen, der sein Handwerk wirklich versteht, etwas bauen wollte, dann hat das Unterfangen zumindest eine gewisse Aussicht auf Erfolg. Agnes, mir ist auch nicht wohl dabei, aber welche andere Möglichkeit siehst du für unser Kontor? Unternehme ich nichts, dann erleben wir das Frühjahr in unserem Haus vielleicht nicht mehr. Lasse ich mich hingegen auf Abrahams Vorschlag ein, dann könnten wir in wenigen Wochen schon alle Sorgen los sein. Vielleicht für immer.“

„Oder eben noch früher auf den Gassen Frankfurts um Almosen betteln, während unsere Kinder Äpfel stehlen und ich mich als Magd verdinge“, fauchte Agnes Cramer dazwischen.

Jokoff hieb mit der Faust auf den Tisch. „Verflucht und verdammt, Weib! Verstehst du nicht, dass uns dieses Schicksal ohnehin blüht? Es ist nur eine Frage der Zeit. Und ob ich erst in zwölf oder bereits in acht Wochen erfriere und verhungere, das ist mir relativ gleich. Der Herr ist mein Zeuge. Ich kann es nicht mehr ändern. Was geschehen ist, ist geschehen. Aber auf ewig will ich in der Hölle schmoren, wenn ich nicht wenigstens alles versucht hätte, das Kontor und uns zu retten. Damit könnte ich weder leben noch sterben.“

Agnes starrte ihren Mann fassungslos an. „So schlimm ist es um uns bestellt?“

Jokoff erwiderte ihren Blick und nickte. „Ja, so schlimm“, räumte er kleinlaut ein.

Entgeistert sank Agnes auf die Küchenbank. „Ich dachte, wir hätten wenigstens noch Zeit bis zum Sommer.“

Ihr Mann schüttelte den Kopf. „Das war einmal. Doch jetzt musste ich neue Waren für die Winterzeit einkaufen und das hat unsere Börse weiter belastet. Mit leerem Lager kann ich gleich zumachen. Ich habe heute unser Geld gezählt. Es sind noch genau neun Groschen und ein paar Pfennige.“

Agnes war entsetzt. „Das ist nichts für ein Kontor.“

„Ja“, sagte Jokoff zustimmend, „das ist wahrhaftig so gut wie nichts. Und genau deshalb werde ich Abrahams Erfindung mit diesem kümmerlichen Rest finanzieren. Es ist wie eine Weisung von Gott, der mich auffordert, alles das zu tun, was ich tun kann.“

„Oder vom Teufel“, flüsterte Agnes.

„Ach was“, wiegelte Jokoff ab, „ich muss es versuchen. Gleich morgen sende ich Greger mit zwei Groschen zu Abraham. Er soll beginnen und wer weiß, vielleicht wird das einmal der glücklichste Tag in unserem Leben gewesen sein.“

„Ich glaube nicht daran, Jokoff“, zweifelte Agnes, „aber es ist dein Geld. Tu, was du meinst, damit tun zu müssen. Doch wäre es nicht angebrachter, besser noch einmal mit Benisch Stoltzer zu sprechen oder einem anderen Kaufmann aus eurer Gilde? Vielleicht leiht dir einer von denen etwas Geld?“

Jokoff lächelte zynisch und schüttelte resigniert den Kopf. „Von diesen Pfeffersäcken? Niemand wird mir auch nur einen Pfennig geben. Entweder fürchten sie Stoltzer oder aber den Verlust ihres Geldes. Und ich würde es an ihrer Stelle vielleicht auch nicht machen. Ich kann dafür nicht garantieren. Mit was auch? Stoltzer hat schon unser Kontor und unser Haus als Pfand. Was könnte ich sonst noch anbieten? Soll ich dich oder unsere Kinder verkaufen? Nein, Agnes. Es ist beschlossen! Greger wird Abraham morgen mein Einverständnis überbringen.“

Jokoff erhob sich, doch Agnes hielt ihn am Arm fest. „Jokoff sag’ mir bitte wenigstens, um was es sich handelt. Was ist das für ein Apparatus und woher stammt dieser ominöse Bauplan?“

Jokoff zögerte. In seinem Schädel flogen die Gedanken umher. Der geleistete Schwur focht einen erbitterten Kampf mit der Liebe zu seiner Frau. „Ich habe es bei meinem Leben schwören müssen“, gestand er zögerlich ein.

„Jokoff, bitte ...“, flehte Agnes.

Jokoff wischte sich den Schweiß aus dem Nacken. Einen Schwur zu brechen, war eine Sünde und gegen die Ehre. Aber er hatte es begonnen und nun musste es zu Ende gebracht werden. Und er würde ja auch nicht das ganze Geheimnis preisgeben. „Es ist eine Maschine“, platzte er plötzlich heraus, „ein Apparatus, der Dinge in, in ...“, Jokoff suchte verzweifelt nach Worten, „... in bessere Dinge verwandeln kann. So, nun weißt du es und mehr werde ich nicht sagen.“

Agnes’ Augen weiteten sich entsetzt. Sie stand langsam vom Tisch auf und trat ein Schritt zurück. Mit zitternder Stimme presste sie mühsam ihre Worte hervor „Dinge in bessere Dinge verwandeln? Was redest du da für ein verrücktes Zeug ohne Sinn? Jokoff, was hast du mit diesem Juden vor? Hexenwerk und Zauberei? Alchemie und Teufelszeug? Bevor wir noch in den Gassen Frankfurts verhungert sind, werden sie uns auf dem Galgenberg hinrichten. Du wirst uns alle ins Unglück stürzen, mich und die Kinder, du verdammter Narr!“

Sie ließ Jokoff einfach stehen und stürzte aus der Tür hinaus, die Stiegen zur Schlafkammer hinauf. Jokoff stand wie versteinert in der Küche. Er fühlte sich elend. Natürlich hatte auch er Angst vor dem, was Siebenthal in seiner Werkstatt zusammenbrauen und -bauen würde, wo dieser doch anscheinend selbst nicht so recht wusste, auf was er sich da einlassen wollte. Doch noch mehr Angst hatte er davor, alles zu verlieren. Haus, Kontor und Ansehen. Jokoff goss sich einen Krug Dünnbier ein und setzte sich wieder. In einem Zug stürzte er das Bier hinunter und schenkte sich sofort nach. Nein, es musste sein. Er würde Greger morgen anweisen, zu Abraham zu gehen und dann würde Jokoff beten. Beten, dass Abraham Siebenthal, dieser verrückte Jude, ihn aus seiner Not befreien konnte. Er nahm wieder einen Schluck aus dem Krug und wischte sich den Schaum vom Mund. Vor der Küche, im Verkaufsraum, erhob sich ein Schatten hinter der Theke und schlich gebückt zu den Stiegen nach oben. Jokoff brauchte seinem Sohn nichts mehr zu sagen. Greger hatte schon mehr erfahren, als ihm lieb war.

Der Fluch des Mechanicus

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