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Ein eisiger Wind peitschte den kalten Regen in Böen wie Nadelschwärme durch die Nacht. Die beiden Männer, die durch die engen Gassen Frankfurts im Schatten der buckligen Häuserkonturen in Richtung des Dominikanerklosters gingen, schlugen sich die Krägen hoch und zogen die Hüte tief ins Gesicht. Der kleinere der beiden, dessen Bekleidung aus bestem Stoff und mit Pelz an Ärmeln und Kragen besetzt war, ging voraus. Ihm folgte ein wahrer Hüne, dessen einfacher Umhang jedoch darauf schließen ließ, dass er von geringerer Herkunft und weitaus weniger vermögend war. Beide sahen sich von Zeit zu Zeit verstohlen um, so als befürchteten sie, bei ihrem Gang zum Kloster entdeckt zu werden. Als sie von der Predigergasse schließlich in einen kleinen unbefestigten Weg abbogen, der kaum die Breite eines Fuhrwerks hatte, gelangten sie nach wenigen Schritten zur verabredeten Stelle. Es handelte sich um einen verborgenen Seiteneingang des Klosters. Der Hüne stellte sich geübt und mit einigem Abstand rücklings zur Pforte, den kleinen matschigen Weg fest im Blick. Der andere Mann sah sich vorsichtig um. Dann erhob er die Hand, um gegen die hölzerne Tür zu klopfen. Doch in diesem Augenblick wurde sie bereits von innen mit einem leisen Ruck geöffnet. Er ließ die Hand erschrocken fallen und trat einen Schritt zurück. Der Hüne fuhr herum.

„Ich habe Euch bereits erwartet“, flüsterte der Dominikaner, während er den Kopf aus der Pforte steckte und sich nach rechts und links auf dem Weg umsah. „Kommt herein, rasch!“

Die beiden Männer betraten das Kloster. Der Mönch verriegelte die Tür und huschte dann durch die dunklen, verschlungenen Wege des Klostergartens voraus. Schließlich erreichten sie die Mitte eines überdachten, etwa einhundert Schritte breiten Laubenganges, der sich vom Kloster quer durch den Garten zog. Das mächtige Hauptgebäude erhob sich im Hintergrund schemenhaft wie ein düsterer Gebirgszug. Der Mönch betrat den Gang und wandte sich nach rechts. Die beiden Männer folgten ihm, bis sie schließlich am Ende des Ganges einen kleinen Anbau erreichten, der nur aus einem Raum bestand. Sie gingen hinein. Lediglich eine einzelne Kerze, die inmitten der karg eingerichteten Kammer auf einem niedrigen Tisch stand, warf ihr schwaches Licht zitternd an die Wände. Die Schatten der Männer tanzten wie Dämonen auf den gekalkten Mauern.

„Auch wenn ich auf die Verschwiegenheit meiner Brüder zählen kann. Sie wissen nicht genau, was wir Vorhaben und so soll es auch bleiben. Daher sollten wir unser Gespräch so kurz wie möglich halten“, sagte der Dominikaner.

„Das ist ganz in meinem Sinne“, antwortete der kleinere der beiden Männer und versuchte sich die Erregung in seiner Stimme nicht anmerken zu lassen. „Also, Frater?“

„Ich habe erst gestern Informationen aus Köln erhalten. In drei Wochen ist es soweit. Am achtzehnten Sonntag nach Trinitatis, der der zweite nach Sankt Hubertus ist, werden wir losschlagen und die reinigenden Flammen auf ihre Lügenschriften herniedergehen lassen. Der Herr ist mit uns, Herr Stoltzer. Die Verräter Jesu werden ihr Torafreudenfest noch ein letztes Mal inmitten ihrer abscheulichen und gotteslästerlichen Schriften feiern können. Dann werden wir ihnen ein Freudenfeuer daraus bereiten, das sie wahrlich nicht vergessen sollen.“

„Das heißt also“, fragte Benisch Stoltzer aufgeregt und rieb sich die Hände, „dass unsere Abmachung gilt?“

„Ja, so Gott will“, entgegnete der Dominikaner, „und wenn wir Eurer Unterstützung auch weiterhin sicher sein können. Habt Ihr das Geld?“

Wortlos zog Benisch Stoltzer einige Münzen hervor und legte sie auf den Tisch. Der Mönch nahm das Geld und nickte zufrieden. „Zehn Goldgulden wie abgemacht. Man kann sich scheinbar auf Euch verlassen.“ Dann zeigte er auf Stoltzers Begleiter „Ist das der Helfer, den Ihr mir versprochen habt?“ Unerschrocken blickte der Dominikaner dabei in das Gesicht seines Gegenübers, der ihn um eine ganze Kopflänge überragte. In seinem Umhang hätten leicht zwei Männer von der Statur des Mönches Platz gefunden.

„Ja. Das ist Jeckel Schmied“, entgegnete Benisch Stoltzer, „und: Nomen est omen, Frater. Seine Hände sind wie Hammer und Amboss. Wehe dem, der dazwischen gerät. Jeckel wird Euch zur Seite stehen. Er ist eine wahrhaft tatkräftige Hilfe, das könnt Ihr mir glauben.“

„Kann man sich auf deine Verschwiegenheit verlassen?“, wollte der Dominikaner jetzt von Jeckel Schmied wissen.

Jeckel Schmied verzog sein Gesicht zu einem abstoßenden Lächeln. „Ihr könnt Euch meiner Verschwiegenheit sicher sein, sonst stünde ich nicht hier“, hauchte er.

„Gut“, sagte der Mönch ungerührt, „das ist sehr gut. Du kommst also an besagtem Sonntag noch vor Sonnenaufgang vor das Obertor der Judengasse, so wie ich es mit deinem Herrn vereinbart habe?“

Jeckel Schmied betrachtete den Mönch schweigend und mit eiskalten Augen. Benisch Stoltzer ergriff das Wort. „Er wird da sein, Frater. Besorgt Ihr mir nur meinen Schuldschein von diesem Judd’, der mir einst für teuer Zins Geld geliehen hat und Ihr sollt auch noch die andere Hälfte des Geldes erhalten, wie ausgemacht.“

„Wenn alles vorüber ist, dann hört Ihr von mir“, sagte der Dominikaner zu Benisch Stoltzer und fuhr fort, „und ich hoffe, Ihr denkt auch dann noch an unsere Vereinbarung.“ Er trat einen Schritt zurück und öffnete die Tür. „Nun aber darf ich Euch bitten, wieder zu gehen, denn mönchisches Geschwätz und Neugier wären uns gewiss nicht dienlich.“

Der Mönch führte die beiden Männer wieder zurück zum Nebeneingang. Der Regen hatte aufgehört, und als die Tür leise knarrend hinter ihnen geschlossen wurde, war niemand sonst auf dem kleinen Weg zu sehen. Doch das bedeutete nicht, dass sie alleine waren. Kaum, dass Stoltzer und Schmied nämlich im Dunkel verschwanden, trat Wolf Besigheim aus dem Schatten der efeuüberwucherten Mauern an der Stirnseite der Gasse hervor. Wolf ging vorsichtig, bis er an der Predigergasse angekommen war. Dort wandte er sich nochmals um und war froh, diesen Ort verlassen zu können. Wolf hasste das enge Dunkel. Er hasste es, seitdem ihm der rote Ziegenbock zum ersten Mal im Traum erschienen war und Andreas in diese lichtlose kleine Kammer gesperrt hatte. Es schnürte ihm die Luft ab und nie würde Wolf Andreas’ Tage in diesem Loch vergessen, nie seine Angst. Doch nun musste er wieder aus der Stadt, zurück zum Hellerhof. Er hoffte, auf dem Weg zum Mainzer Tor, wo die Wachen ihn für ein paar Münzen und ohne zu fragen hindurchlassen würden, keinem Nachtwächter zu begegnen. Der hätte nur überflüssige Fragen gestellt. Noch ein paar Tage, dann würde er dem Erzbischof vielleicht schon wieder neue Nachricht überbringen können. Doch es galt, noch mehr zu erfahren. Er musste entweder an Stoltzer oder an diesen Dominikaner Thomas Ulrepforte irgendwie herankommen. Wolf Besigheim machte sich auf den Weg durch die Nacht, denn er hatte bereits eine Idee, wie er das bewerkstelligen könnte.

Der Fluch des Mechanicus

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