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7. Auers Nachwirkung als Moraltheologe
ОглавлениеAlfons Auer, der bodenständige Schwabe, lehnte Einladungen für Gastaufenthalte (z.B. in Brasilien) ab. Sein Kontakt in den USA basierte auf seiner Freundschaft mit Warren Reich, Medizinethiker am Kennedy Institute for Ethics in Georgetown, der seinerseits in Tübingen zwei Mal Gastprofessor war. Von den Autoren der „autonomen Moral“, die er in seinen Vorlesungen heranzog, ist sicherlich Erich Fromm von Bedeutung geblieben. Die Nachlassverwaltung Fromms und die Gründung der Erich Fromm Gesellschaft ist mit Rainer Funk verbunden, der Mitarbeiter Erich Fromms wurde, nachdem er bei Alfons Auer Assistent gewesen war und bei ihm über Erich Fromm promoviert hatte. Eine humanistische Geistesverwandtschaft scheint mir hier weiter zu wirken. Auers interdisziplinäre Arbeit an der Universität Tübingen fand immer wieder eigenständige Fortsetzungen. Über seinen Schülerkreis hinaus, der sich auch in eine zweite Tübinger Generation hinein fortsetzte, ist seine Wirkung jedoch deutlich zu sehen: in der Aufnahme seiner Autonomieformel als Eigenständigkeit der ethischen Vernunft gegenüber der Glaubensautorität. Eigenständigkeit hat er nicht als Autarkie verstanden und seine in „Zur Theologie der Ethik“ gesammelten Aufsätze bezeugen dies.
Die wissenschaftliche Bedeutung Auers, insbesondere in seiner Autonomie-These, wird in den Arbeiten von Hans Hirschi46 und Éric Gaziaux47 hervorgehoben. Die breite Wirkung dieser These hängt damit zusammen, dass in den folgenden theologischen Generationen zwei Lernprozesse stattgefunden haben: zum einen wurde die Unterscheidung zwischen Autonomie als freie Selbstverpflichtung und Autarkie der Wahl, auch individuelle „Selbstbestimmung“ („free choice“), bei Auer „Autonomismus“ genannt, immer genauer bestimmt und rezipiert; zum anderen hat die Betonung der „Vernunft“ im dialogischen Bezug auf Glauben bei Johannes Paul II. und bei Benedikt XVI. trotz der offenen Auseinandersetzung über die Korrekturfähigkeit dieser Vernunft im Hinblick auf eine Autonome Moral als Aktualisierung des Natur- bzw. Vernunftrechts entschärfend gewirkt.
Insbesondere hat Auers Methode der „integrierenden“ Ethik weitergewirkt. Gerade in der interdisziplinären Zusammenarbeit in konkreten Fragen ethischer Verantwortung erwies sich der induktive Ausgangspunkt bei den Einzelwissenschaften und Fachbereichen als fruchtbar. So trägt auch das Konzept einer „Ethik in den Wissenschaften“ (nicht von außen für die Wissenschaften), das in Tübingen erfolgreich seit 1985 entwickelt wurde, etwas von der Auerschen Konzeption im „Erbe“. 48
Die Gelassenheit, mit der Auer sein letztes Buch „Geglücktes Altern. Eine theologisch-ethische Ermutigung“ (1995) schrieb, zeugte von seiner Lebensart und Lebenskunst, auf die Menschen mit sehr unterschiedlicher Einstellung zur Religion gern zurückgriffen.