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Zusammenfassung

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Auers Vorschlag, das Lehramt solle „in weltethischen Weisungen“ nach dem Subsidiaritätsprinzip vorgehen, wurde von lehramtlichen Texten nicht aufgenommen. Der erste Text, in welchem man etwas von dieser Subsidiarität spürt, ist die Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus (2015). Dies hätte in Anlehnung an die starke Stellung des Subsidiaritätsprinzips in der Katholischen Soziallehre als Denkmodell durchaus auch in der Moraltheologie in Betracht kommen können. Vermutlich befürchtete man eine Schwächung der praktischen Zuständigkeit der Kirche im Leben der Gläubigen; oder man sorgte sich um eine unkritische Betrachtung der durch die Universalität der Sünde geschwächten Rationalität (des „lumen naturale“ im Vergleich zum „lumen supernaturale“ bzw. zur „lux evangelii“). Auers Argumentation nutzte nicht nur den philosophischen Autonomiebegriff – im Sinne einer Verbindlichkeit aus Selbstverpflichtung –, sondern sie war traditionsgeschichtlich ausgewiesen. Korrespondierend bezog er sich auf die Zugänglichkeit der Erfahrung der Wirklichkeit durch die Vernunft. Die Beweisführung war also vor allem die Offenbarungs- und Glaubensgeschichte als eine Geschichte der „Integrierung“, d.h. der „vollständigen“ Erschließung der aus den Lebensüberzeugungen und den bewährten gesellschaftlichen Regulierungen entstehenden sittlichen Einsichten. Die Bedeutung, die Auer dabei dennoch der für ihn so zentralen christlichen Motivation bzw. dem christlichen „Sinnhorizont“ im sittlichen Handeln gab, die Bedeutung der Beweggründe des Glaubens bzw. seiner Kontrasterfahrung, auf Grund derer eine moralische Fragestellung überhaupt erst wahrgenommen und formuliert werden kann und die man ebenso braucht wie die kohärenten Argumentationen, wurde von seinen Kritikern in einer echauffierten Debatte oft unterschätzt. Es wäre aber ein Leichtes, mit Philosophen wie Ernst Tugendhat und Richard Rorty heute, eine Generation nach Auers Programmschrift, zu zeigen, dass ein „Motiv als Grund“ mindestens ebenso wichtig ist wie eine diskursive Begründung. Rorty unterscheidet sogar das Motiv als „Ursache“ des Handelns von der Begründung als Legitimation. Ähnlich hat Hans Joas als Soziologe die moralische Genealogie der Menschenwürde dargelegt.

Der von Auer 1971 angestoßene Prozess eines neuen Nachdenkens über lehramtliche Zuständigkeiten findet sich interessanterweise auch zugleich in der damaligen römischen Doktorarbeit (1971) des späteren Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Levada, der, nicht ohne im Vorwort auf Hans Küngs einschlägiges und anders argumentierendes Buch „Unfehlbar – eine Anfrage“ (ebenfalls 1971!) einzugehen, die Grenze der Unfehlbarkeit bei konkreten „naturrechtlichen“ Normen bekräftigte. Er begründete dies mit der Komplexität und der Geschichtlichkeit in der Erfassung solcher konkreter Normen.

Seine eigenen integrierenden Fähigkeiten hat Alfons Auer oft in den speziellen Bereichen der Moraltheologie unter Beweis gestellt, ob er sich mit Umweltethik, Medienethik, Bildungsethik, Medizinischer Ethik oder mit Politischer Ethik beschäftigte. Oft wurde er zu zusammenfassenden Schlussreferaten bei den zweijährigen Kongressen der Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Moraltheologen und Sozialethiker gebeten. Seine selbstironische Souveränität bleibt im Gedächtnis.

Auch scheute er nie davor zurück, die Worte der Schrift und die Geheimnisse des christlichen Glaubens an den Interpretationsmöglichkeiten der zeitgenössischen Vernunft und Erfahrung zu messen. Er gab diese Worte nie auf, aber er wollte wissen, wie sie sich vor unserem Bewusstsein behaupten können und wie dieses sich vor ihnen bewähren kann. Glauben sollte das Denken bewegen und sich als Befreiung in Solidarität bewähren. Es ist heute kaum zu ermessen, wie befreiend seine in Tübingen nach 1967 entwickelte Theologische Ethik auf die Studierenden wirkte, die in Scharen in seine Seminare strömten, wo sie vor allem lernten, die christlichen moralischen Motive im Medium einer interdisziplinären wissenschaftlichen Welt zu untersuchen und zu überprüfen. Gewiss ist die damalige Aufbruchstimmung mit der Zeit verloren gegangen, hat sich an mancher Reformunwilligkeit und an einer bis zum Defätismus reichenden Skepsis aufgerieben. Aber geblieben ist seine Ermunterung zu mehr Vernunft, Freiheit und Solidarität. Das Ethische“, sagte Alfons Auer, „meldet sich nicht als Oktroi ‹von außen› oder ‹von oben›. Es meldet sich als Implikat der Wirklichkeit.“ Er verstand die „autonome“ Wirklichkeit als Prozess und als Geschichte. Darin sah er Erfahrungen und Lernvorgänge, die den bleibenden Wahrheiten eine neue Sprache zu ihrer Erkundung ermöglichten.

Aus der Pressemitteilung der Universität Tübingen im November 2015:

Der kanadische Philosoph und Politikwissenschaftler Charles Taylor erhält am 27. November 2015 den „Alfons Auer Ethik-Preis“ der Universität Tübingen. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis wird in diesem Jahr erstmals von der Katholisch-Theologischen Fakultät vergeben und wurde vom Unternehmer Siegfried Weishaupt (Schwendi) gestiftet. Anlässlich des 100. Geburtstags des Moraltheologen Alfons Auer in diesem Jahr wird er an eine Persönlichkeit verliehen, die sich im Sinne eines besonderen ethischen Engagements im religiösen, wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Bereich auszeichnet.

Autonome Moral und christlicher Glaube

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